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Kapitel 1
The friends I've had to bury - They keep me up at night


Heute würde ein intensiver Tag werden.
Dean wusste es, spürte es in der Art, wie die Luft in der frühmorgendlichen Juli-Hitze bereits vibrierte, daran, wie der Vollmond noch am hellblauen Himmel hing, durch das Summen und Brummen der Stadt und des Verkehrs, als er zur Arbeit fuhr.
Er atmete tief durch, als er an seinem Spind ankam und verstaute seine Sachen.
Kevin klopfte ihm im Vorbeigehen auf die Schulter und nickte ihm mit grimmiger Entschlossenheit zu; Er spürte es auch.
Dean setzte sich an seinen Schreibtisch, ließ einmal den Nacken kreisen, setzte sein Headset auf und ließ die Finger knacken, ehe er sich ins Netzwerk einloggte.
Kaum einen Augenblick später klingelte es bereits: “911, wie kann ich helfen?”


Deans Finger fuhren fest massierend über seine Stirn. Er hatte die Augen geschlossen und konzentrierte sich ein paar süße Momente nur auf seine Atmung und das Auf- und Abschwellen der Stimmen um ihn herum.
Heute war ein intensiver Tag gewesen. Die einen sagten, es lag an der Sommerhitze, die anderen, am Vollmond - oder an beidem. Seine Schicht war seit zwei Stunden vorbei, aber weil der Strom der Notrufe nicht nachgelassen hatte, war er geblieben; ein kurzer Seitenblick verriet ihm, dass auch Kevin noch da war. Ein kurzes, schnaubendes Lachen zwängte sich durch seine Kehle. Wenigstens war er nicht der einzige Irre.

Sein Telefon klingelte und er warf reflexartig einen Blick auf die Nummer, während er das Gespräch annahm und sein Herz machte einen kleinen Satz, einerseits beruhigt, andererseits besorgt: Diese Nummer hatte heute schon dreimal bei ihm angerufen, zweimal hatte sie aufgelegt, ohne etwas zu sagen, einmal hatte er ein Schluchzen gehört, bevor aufgelegt wurde.
Bitte, dachte er, Bitte, lass mich dir diesmal helfen!
“911 - wie kann ich helfen?” - Stille. - “Bitte, legen Sie nicht auf!” Dean wartete einen Moment fast erstarrt, aber - die Verbindung blieb bestehen. Er hörte einen zittrigen Atemzug auf der anderen Seite und seine Augen schlossen sich einen Moment erleichtert. Die Person war noch da - und Dean würde helfen, so gut er konnte. “Was ist Ihr Notfall?” - Stille. Er hörte atmen. Die Person durfte nicht wieder auflegen! - “Lassen Sie mich Ihnen helfen, bitte.”
Die Pause, die folgte zerriss ihn fast.

“Es waren jedes Mal Sie.” Die männliche Stimme, die antwortete, war tief, wie eine Schlucht, rau und kantig wie die Felsen an den Seiten, sonor, voll und leicht feucht an den Rändern.
Etwas in Dean resonierte förmlich und er kämpfte eine spannungsinduzierte Gänsehaut hinunter.
Gott, was für eine Stimme.
Trotz dem beginnenden Schluchzen an den Fransen der Wörter war sie so kraftvoll und klar-
Dean lief ein Schauer über den Rücken und er schüttelte kurz seine Schultern aus.
Er war nur froh, dass der andere endlich mit ihm sprach.
“Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass jedes Mal Sie ans Telefon gehen, wenn ich anrufe?” Die Stimme des Mannes war so - analytisch. Als wäre es keine rhetorische Frage gewesen, sondern ein ernsthaft zu lösendes Problem. Es folgte ein tiefer Atemzug, der besorgniserregend nach einem Schluchzen klang.
Dean lächelte aufheiternd und beruhigend, ganz automatisch, auch wenn sein Anrufer ihn nicht sehen konnte, aber er würde es in seiner Stimme hören.
“Praktisch Null.” Er hörte nur das leise Atmen, aber er konnte sich vorstellen, dass sein Anrufer gerade nickte, unsinnig oft vielleicht, als eine Marotte, während er die Information, die er ihm gegeben hatte, nahm und analysierte, vielleicht bewertete er sie und zog Schlüsse daraus, vielleicht legte er dabei leicht den Kopf zur Seite. “Mein Name ist Dean.”
Er malte sich aus, wie das Nicken abrupt aufhörte, wie sein Anrufer das Telefon ansah, außerhalb der analytischen Tonlage, vielleicht würde er jetzt sogar verwundert klingen.
Solange er nur nicht auflegte. “Wie ist Ihr Name?”
Die Stille machte ihn fast krank. Seine Augen waren auf das elektrische Abbild seiner Stimme gerichtet, das sich nur hin und wieder durch seinen Atem anheben ließ.
“...Ich…”
Dean kannte diesen Tonfall.
Er wollte seinen Namen nicht sagen.
“Okay, kein Problem. Ich würde Sie ja ‘John’ nennen, wie ‘John Doe’, aber mein Vater heißt John, das macht es merkwürdig. - Wie wäre es mit - Steven?”
Ein feuchtes, tiefes Schnauben, das fast etwas nach einem Lachen klang, ließ die elektrischen Wellen auf seinem Bildschirm ausschlagen und dann: “Okay.”
Dean lächelte und ein kleiner Teil seines Bewusstseins fragte sich, wie das grabestiefe Lachen klingen würde, wenn es nicht nach einem Schluchzen klang.
“Okay, Steve, was ist dein Notfall? Bist du verletzt?”
Dean bildete sich ein, wieder die stumme Verwunderung zu spüren, vielleicht wieder einen irritierten Blick zum Telefon. Er meinte es fast in der Stille zu hören.

Deans Blick war auf den Timer des Anrufs gerichtet und er beobachtete, wie sich Sekunde um Sekunde durch die Stille am anderen Ende der Leitung zwängte.
Er kaute auf seiner Unterlippe, die Augen mit wachsender Agonie auf die vorbei huschenden Zahlen gerichtet.
Und dann!: “... Ich- Ich b-bin-... Ich br-brauche…”
Das erneute Erklingen von Steves Stimme überschwemmte Dean mit Erleichterung und am liebsten hätte er ihm hier und jetzt alles versprochen, Hilfe, das alles gut werden würde, dass er da war, alles. Aber würde er jetzt dazwischen Plappern, würde Steve vermutlich abbrechen.
Stattdessen feuerte er ihn in Gedanken weiter an. Nur noch ein paar Wörter, Steve, nur noch wenige Silben. Dean brauchte nur seine Adresse, dann-

Sogar Dean zuckte zusammen, als ein lauter Knall durch die Leitung krachte.
“Steve?!” Wieder ein Knall, es klang wie- es war - hämmerte da jemand gegen eine Tür?! “Steve!”

Klick

“Verfluchte Scheiße!” Dean riss sich förmlich das Headset vom Ohr und pfefferte es auf den Schreibtisch, ehe er fast schon verzweifelt das Gesicht in den Händen vergrub.
“Dean?” Dean atmete einmal tief durch und wandte sich zu Ellen, seinem Boss, um, die, die Arme leicht verschränkt, neben ihm stand. “Alles okay?” Sie nickte zum Bildschirm und Dean fuhr sich über die kurzen, hellbraunen Haare.
“Er wollte gerade - gerade sagen was los ist und dann hat er aufgelegt, weil jemand an die Tür gehämmert hat.”
Ellens Lippen wurden dünn, als sie verstehend nickte.
Jeder hier wusste, worum es dabei nach aller Wahrscheinlichkeit ging, was jede Sirene in jedem Kopf eines jeden Dispatchers laut heraus schrie:
Anrufe wegen häuslicher Gewalt waren leider selten genug und noch weniger kamen sie von Männern. Wenn ein Mann dann doch deshalb anrief, konnte man sicher sein, dass es ernst war. Aber meistens fehlte der Mut, es wirklich auszusprechen.
Nicht nur, dass man ohnehin schon dachte, die Situation, in der man sich befand, wäre “peinlich”. Man war auch noch ein Mann, ein starker, großer Mann, der sich von seinem Partner, sowohl männlich wie weiblich, terrorisieren ließ.
Die wenigstens riefen um Hilfe.
“Er wollte gerade…” Dean schluckte und fuhr sich über die Augen. Er wollte zurückrufen. Er wollte sich das Headset schnappen, die Nummer anrufen und Steve sagen, dass es nicht seine Schuld war, dass er nicht dafür verantwortlich war, was ihm passierte, dass er nicht in dieser Situation bleiben musste, dass sie ihm helfen konnten. Aber Dean wusste, er würde es dadurch nur schlimmer machen.
“Ich weiß, Baby.” Ellen zog ihn in eine Umarmung. Er lehnte sich dagegen und erwiderte sie fest. Dann lächelte er sie dankbar aber müde an. “Geh nach Hause.” Sie beugte sich leicht zur Seite, um auch Kevin ansehen zu können, der gerade ein Gespräch beendet hatte. “Ihr Beide! Ihr seid lange genug hier gewesen, ruht auch aus.”

Dean warf einen Blick zu Kevin, der bereits aufstand - Dean hatte nicht mal bemerkt, dass er während seines Gesprächs aufgestanden war - und nickte in Richtung Aufzug.
Beide wussten, dass man mit Ellen nicht diskutierte: Schon gar nicht, solange man noch davon kam, wenn sie einem wohlgesonnen war.



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