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Der letzte Gang (One Shot) - Druckversion

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Der letzte Gang (One Shot) - Twister - 22.09.2020

Dies ist eine Geschichte zur One Shots Challenge 'Summertimes Snapshot' zum Bild Nr. 30 (Sonnenblume). 
 
 

Der letzte Gang 


Wie lange hatte er gewartet und was hatte er alles über sich ergehen lassen? Er war ein König und hatte sich vor einer seiner Untertanen verneigt. Diese Untertanin, die ihn daran gehindert hatte, gänzlich in die Knie zu gehen. Die Untertanin, die erst seine Untertanin geworden war, als sie besiegt und wiedergeboren war. Obwohl sie zu den Feinden gehört hatte, war sie ihm nun treu. So zweifelte er nicht daran, dass er Komugi dort fand, wie sie ihm mitgeteilt hatte. Er zweifelte nicht daran. Hier war es stockfinster. Kein Ort für ein Mädchen, aber Komugi war blind. Für sie war es immer finster. Wenn sie doch nur sehen könnte, was er sah. Er wollte es ihr so gerne zeigen. Er wollte ihr alles zeigen. Er wollte ihr die Welt zu Füßen legen.

Sie war alles geworden, was ihn interessierte. Es interessierte ihn nicht mehr, die Welt zu beherrschen. Er wollte Komugi nicht mehr besiegen. Falsch, er wollte es, aber er wollte sie nicht mehr danach töten. Vielmehr wollte er bis zum Rest seines Lebens mit ihr spielen. Der Rest seines Lebens? Wie lange blieb ihm noch? Er war doch nur noch am Leben, weil er einen ganzen Körper hatte. Er hatte die Körper seiner Leibwächter zum größten Teil gegessen. Sicher hatten sie es gewollt, aber Meruem fühlte sich nicht mehr wohl dabei. Nicht seitdem er Komugi kannte. Sie wollte niemand schaden und er hatte sein ganzes Leben lang nur geschadet. Warum war sie also so nett und offen ihm gegenüber?

 

Und warum war sie das Schönste geworden, was er je gesehen hatte? Er erinnerte sich genau, wie angeekelt er war, als er sie sabbernd und schlafend gesehen hatte. Dieses schwache Geschöpft, dass sich von einem Adler töten lassen würde. Sie hatte einfach keinerlei Kampfkraft. Er hatte sie nutzlos gefunden. Hatte geglaubt, dass er ein leichtes Spiel mit ihr haben würde. Doch da hatte er sich geirrt. Egal was für große Fortschritte er gemacht hatte, sie machte viel größere als er. Anfangs hatte er es nicht verstanden, doch nach einigen Tagen und unzähligen Spielen hatte er es verstanden: Sie wurde immer größer, weil er sie mit seinem Spiel herausforderte und trainierte. Niemand, absolut niemand, würde sie jemals wieder besiegen. Auch er nicht! Sie war ihm maßlos überlegen. Dennoch wollte er mit ihr spielen. Er wollte immer mit ihr spielen. Es amüsierte ihn.



Meruem blieb stehen. Er hockte sich hin und zog eine Kiste aus dem Regal. Vorsichtig öffnete er den Deckel. Da war sie! Sofort verwandelte sich der düstere Lagerraum in ein blühendes Gelb voller Sonnenblumen. Er spürte die Sonne auf sie scheinen. Ihm war klar, dass das alles nur in seiner Phantasie passierte. Unklar war ihm aber, warum sie solch eine Macht über ihn hatte. Seine Gedanken waren jede Sekunde bei ihr. Er hatte Angst, dass sie starb. Dabei war er doch furchtlos. Selbst seine Mutter hatte er gedankenlos sterben lassen. Nun tat es ihm leid, doch bei Komugi würde er nicht diesen Fehler wiederholen. Wenn sie starb, wäre es das Schlimmste, was ihm passieren würde. Schlimmer als der Tod. Schlimmer als jede Folter und jede Qual. Schlimmer als den Menschen in ihrer Verdorbenheit zuzusehen.

Sie schlief und der Rotz lief ihr aus der Nase. Ein Anblick, der ihn inzwischen amüsierte. Vorsicht wischt er ihr den Rotz von der Nase. Er wischte seine Hand in dem Stroh ab, auf dem sie gebettet war. Dennoch sah er seine Hand. Dieses Gefühl. Dieses Gefühl ließ ihn nicht mehr los. Vorsichtig legte er seine Hand an ihre Wange. Er riss die Augen auf. Da war es wieder. Diese Wärme. Er fühlte sich gut und es war ein tolles Gefühl, ihre Haut unter seinen groben Fingern zu spüren. Sie war so zart in allen, was sie war und tat. Sie war zerbrechlich. Ganz anders als er. Er war robust und nichts, oder fast nichts, konnte ihn zerstören. Doch sie war anders. Ein Windhauch konnte sie zerstören. Doch er wollte sie so gerne vor Allem in dieser Welt schützen.

 

Ihm war aber auch bewusst, dass das nicht mehr möglich war. Er hatte diese Welt an sich reißen wollen. Er hatte böse Gedanken dabei gehabt. Er hatte diese Menschen herausgefordert und wollte alle vernichten. Wie konnte er ahnen, dass er sich einem dieser Menschen so nahe fühlen würde? Er hatte die Bestie in den Menschen geweckt. Sie waren merkwürdige Wesen. Voller Zuneigung und Güte zueinander. Doch wenn sie merkten, dass etwas nicht nach ihren Willen lief, dann weckte es ihre böse Seite. In dem Punkt unterschieden sie sich nicht von Chimära-Ameisen. Doch sie unterschieden sich in einem anderen Punkt. Wenn sie spürten, dass sie dem Tod geweiht waren, wurden sie zu wahren Monstern. Monster, die selbst ihm angst machten. So hatte er Netero soweit getrieben, dass er sich in die Luft gesprengt hatte und ihn dabei vergiftet, so dass er auch ganz sicher starb. Menschen starben nicht einfach so: Sie gingen sicher, dass ihre Feinde mit in den Tod gerissen wurde, ganz gleich, ob sie sich regenerieren konnten.  Meruem konnte das. Doch es nutzte ihm nichts, gar nichts. Durch das Gift in seinen Adern war dem Tod geweiht. Und alles was er wollte, war in diesem Feld voller Sonnenblumen zu sitzen, das es nicht wirklich gab, und mit diesem kränklichen Wesen spielen.



Er fuhr mit seiner Hand über ihre Wange. Er öffnete erstaunt seinen Mund. Sein Herz schlug schneller, doch er fühlte sich gut. Besser als jemals zuvor. Schnell nahm er seine Hand weg. Das Gefühl verschwand. Verwundert sah er seine Hand an. Vorsichtig legte er sie an ihre Wange. Er schloss die Augen. So war es also. Er suchte ihre Nähe. Warum war es ihm so wichtig, sie zu berühren? Doch noch etwas war ihm wichtig. Er wollte sie reden hören. Er wollte ihre Augen sehen. Er wollte sie lächeln sehen. Er wollte, dass sie mit ihm sprach.

Viel zu grob schlug er ihr gegen die Wange. „Komugi, wach auf!“, befahl er ihr. Erwartungsvoll sah er sie an. Dabei war das Lächeln immer größer geworden, das er auf dem Gesicht trug, seitdem er sie sah. Als sie die Augen öffnete, rutschte er nervös auf seinen Knien. „Generalkommandant?“, fragte Komugi. Meruem grinste. „Ja“, sagte er. Sie setzte sich auf. Mit der Hand fühlte sie das Stroh unter sich. „Wo bin ich?“, fragte sie verwirrt. Er lächelte. Vorsichtig legte er seine Hand wieder auf ihre Wange. „Bei mir! In Sicherheit!“, sagte er. Ihr Gesicht konnte nicht erstaunter sein, woraufhin er seine Hand weg zog. Woher kam diese Unsicherheit, nur weil sie erstaunt war? Was war los mit ihm? Er verstand es nicht! So hatte er sich noch nie gefühlt. Und so fühlte er sich nur, wenn er in ihrer Nähe war.



„Wir müssen spielen Komugi!“, sagte er. Ihr Gesichtsausdruck änderte sich. „Ja!“, sagte sie und lächelte ebenfalls. Diese Unsicherheit verschwand genauso schnell, wie sie gekommen war. Er konnte nicht aufhören zu lächeln. Vorsichtig stand er auf und hielt ihr die Hand hin. Komugi griff danach, als könnte sie sehen. Sie schloss die Augen und wirkte glücklich. So als hätte sie erwartet, seine Hand dort zu finden. Er zog sie hoch, so dass sie auf ihren Beinen stand. Dennoch ging sie in die Knie, um etwas im Stroh zu suchen. Meruem sah sich das Stroh an. Natürlich. Er beugte sich ebenfalls, ohne zu los zu lassen. Er griff nach ihrem Stab und gab ihn ihr. Sie lächelte aufrichtig. „Danke, Generalkommandant!“, sagte sie. Meruem lächelte. Bald würde er ihr seinem Namen sagen, dann musste sie ihn nicht mit einem Titel ansprechen, der gar nicht zu ihm gehörte.



Meruem half ihr aus der Kiste und ließ sie dann los. „Folge mir!“, sagte er. „Ja“, sagte Komugi. Während sie liefen, fragte er sich, ob sie wusste, wohin sie gehen sollte. So blieb er stehen und sah sich um. In dem Augenblick stieß ihr Stock gegen ihn. Verwundert hob die den Kopf, obwohl sie nichts sehen konnte. Sie war ebenfalls stehen geblieben. Meruem verengte die Augen. Warum hatte er das Bedürfnis sie auf Händen zu tragen und gleichzeitig den Zwang es nicht zu tun, um ihr nicht das Gefühl von Schwäche zu geben? Sie war schwach! Er wusste es. Und sie wusste es auch. Abgesehen von Gungi konnte sie absolut nichts.

Meruem stieß mit seiner Hand gegen ihre. Vorsichtig nahm sie seine Hand. Verwundert sah er, dass ihr Gesicht leicht gerötet war. Sie hielt sich mit der anderen Hand die Wange, ohne den Stock los zu lassen, den sie ebenfalls an die Wange presste. „Aber Generalkommendant! Ihr könnt doch nicht einfach jemanden wie mir eure Hand reichen!“, sagte sie verlegen. Er sah sie erstaunt an. „Halt den Mund! So ist es einfacher!“, schimpfte er. Woher kam diese Wut? Er war doch gar nicht wütend. Er war nur wütend, dass es irgendein Grund geben sollte, warum er sie nicht an der Hand halten sollte?



Er lief los und zog Komugi hinter sich her. Schließlich spürte er ein Zucken an der Hand. Er blieb wieder stehen und sah entsetzt Komugi an, die am Boden lag und ihren Stock verloren hatte. Sie hatte Tränen in den Augen. „Entschuldigt! Ich bin unwürdig an eurer Hand zu laufen. Mir ist es unmöglich in dem Tempo zu laufen!“, sagte sie zerknirscht und hatte schon wieder Tränen in den Augen. Meruem hockte sich hin und nahm ihre Hand. „Bitte sage mir, wenn ich zu schnell laufe, Komugi!“, bat er sie. Sie riss die Augen auf. Warum tat sie das immer, wenn sie doch nicht sehen konnte? Ihre Hand wurde ihm entrissen. Sie verbeugte sich tief. „Danke, dass Ihr so nachsichtig mit einem so dummen Wesen wie mir habt!“, sagte sie.

Meruem schnappte sich erneut ihre Hand. „Schluss jetzt. Sprich nie wieder so über dich!“, fuhr er sie an. Komugi wirkte betrübt, nickte dann aber. Er konnte sehen, dass sie dabei schluckte. Meruem spürte, wie sein Herz schwer wurde. Er seufzte. Moment, was war das? Die Art auszuatmen, weil man eine Tatsache hinnahm, die man gerne anders hätte. Was war das? „Ich meine….. ich möchte nicht, dass du denkst, du wärst es nicht wert, dass man Zeit mit dir verbringt. Du bist alles auf der Welt wert!“, sagte er. Er zog seine Hand wieder weg. Warum fühlte er sich, als hätte er gerade einen Fehler gemacht? Was war falsch? Was sollte er machen? Er wusste es nicht. War es falsch ihr zu sagen, dass sie alles auf der Welt für ihn war? Er wollte den Rest seines Lebens mit ihr verbringen, auch wenn es nur noch wenige Stunden waren. Er wollte einfach nur mit ihr Gungi spielen.

 

Komugi streckte ihre Hand nach vorne. Er sah ihre Hand an, während sie anfing zu lächeln. Als er es bemerkte, schlich sich auch das Lächeln wieder auf seinem Gesicht. Vorsichtig nahm er ihre Hand. Vorsichtig stand er auf. Sie stand ebenfalls auf. Nun ging er langsam neben ihr und führte sie. Sie konnte Schritt halten. „Wo gehen wir hin?“, fragte sie. „Sei ruhig!“, sagte er bestimmt. Sie schloss den Mund. Er lief rückwärts und sah sie an. Sie war das Schönste, was er je gesehen hatte. Sie war alles, was er wollte. Die Erde war ihm egal und auch die Tatsache, dass er bald sterben würde.



Sie kamen schließlich in eines der kleinen Häuser an, in dem er sich mit ihr setzte. Sie baute ein Gungi-Feld auf. Als die Spielklotzen auf das Brett fielen, strahlten beide. Voller Freude sah er sie an und merkte, wie sie auf und ab wippte vor lauter Vorfreude. Ungeduldig warf er die Spielklotzen vom Spielbrett, so dass sie neben das Brett ins Kissen fielen. Sie sagte nichts und machte nichts. Meruem sah auf die Spielsteine. Richtig. Sie konnte ja gar nicht sie Farben sehen. Ungeduldig räumte er ihre Spielklotzen auf ihre Seite. Sie lächelte ihn aufrichtig und dankbar an. „Danke, Generalkommandant!“, sagte sie.

Als er fertig war, setzte er den ersten Stein. Er konnte es kaum erwarten. Sie lächelte und setzte ihren ebenfalls mit Ansage auf das Brett. Meruem setzte sofort seinem nächsten Klotzen und sagte ihn an. Sie lachte. „Zügelt euch! Ihr seid ein wenig zu wild!“, verriet sie. Er sah sie erstaunt an. Verlegen sah er seine Spielklotzen an. Er war zu ungestüm? Zum Glück konnte sie nicht sehen, dass selbst er nun leichte Röte im Gesicht bekam. „Mein Name! Du wolltest meinen Namen wissen. Ich kenne ihn nun!“, sagte er. Sie hob den Kopf. „Ja. Bitte verratet ihn mir!“, bat sie. Er lächelte. „Meruem. Mein Name ist Meruem!“, sagte er. Sie lächelte glücklich.

„Meruem. Es freut mich, Generalkommandant Meruem!“, sagte sie. Er schüttelte den Kopf, auch wenn sie es nicht sehen kann. „Nein, nur Meruem. Kein Generalkommandant mehr!“, sagte er. Sie fuchtelte mit den Händen in der Luft. „Nein! Das kann ich nicht machen. Ich kann Euch nicht einfach nur beim Namen nennen!“, sagte sie schüchtern. „Ich befehle es!“, sagte er. Sie seufzte. Nein! So war es falsch. „Ich bitte dich darum!“, korrigierte sich. Sie nickte. „Nun denn, Meruem, werde ich Euren Wunsch nachkommen!“, sagte sie.



Er lächelte ebenfalls glücklich. Er setzte den nächsten Spielstein mit Ansage. Sie zog nach. Sie spielten nun ruhig und gewählt. So wie sie es immer taten. Warum war er so ungeduldig gewesen? Meruem sah sich um. Auch hier waren überall diese Sonnenblumen, die im Wind wehten. Die Sonne schien, die gar nicht da sein konnte. Komugi hob ebenfalls den Kopf, als ahnte sie, dass etwas nicht stimmte. „Diese Blumen“, sagte er. Komugi war verwundert. Sie waren in einem Haus, das in einer Halle gewesen war. Hier waren bestimmt keine Blumen. „Diese Blumen, sie sind in meinen Kopf und immer um uns herum. Warum sehe ich diese Blumen, wenn ich an dich denke?“, fragte er. Sie sagte nichts, sondern war mehr entsetzt als erfreut. Damit hatte er gerechnet, wenn sie erfuhr, dass er verrückt wurde.

„Sie es schöne Blumen?“, fragte sie schließlich. Er sah sie erstaunt an. Dann sah er wieder die Blumen an. „Ja, es sind große, kräftige Blumen und sie sehen aus wie die Sonne. Sie sind sehr schön!“, erklärte er sachlich. Komugi kamen die Tränen. Warum weinte sie denn nun? Entsetzt sah er sie an. „Ich bin so glücklich! Die Blumen sagen Euch, dass Ihr Euch sehr wohl in meiner Umgebung fühlt!“, vermutete sie. Er sah sie eine Weile an. „Ja, das ist wahr!“, sagte er. Sie hob ihre Hände vors Gesicht und weinte. Sie musste einfach nur noch weinen. Meruem sah sie wieder bekümmert an. „Entschuldigt. Ich bin so glücklich, dass jemand wie ich so viel Zuneigung und Glück erfahren darf. Vielen Dank!“, sagte sie reumütig. Meruem senkte den Blick. Warum hob sie ihn immer auf so ein Podest? Richtig, er war der König. Aber er wollte nicht über ihr stehen. Denn sie war ihm doch überlegen. Sie war ihm so überlegen.





„Komugi, ich werde sterben!“, sagte er. Sie war entsetzt. Was sagte der denn da? „Ich werde sterben und wenn du weiterhin bei mir bleibst, wirst du ebenfalls sterben!“, sagte er. Sie nickte. „Ich verstehe!“, sagte sie. Er senkte den Blick. „Du kannst nun gehen!“, sagte er traurig. Komugi lächelte aber. „Ich gehe nirgendwo hin!“, sagte sie. Er sah auf. Was? Sie würde sterben! Er wollte nicht, dass sie starb. „Wenn ich darf, möchte ich Euch bei diesem letzten Gang begleiten!“, sagte sie bestimmt. Meruem sah sie an und wusste nicht was er sagen sollte. „Okay“, sage er schließlich. Mehr konnte er nicht sagen, dass er gleichermaßen traurig und glücklich war. Traurig, weil sie dann auch sterben würde und glücklich, weil sie nicht ging.

Es vergingen Sekunden des Schweigens, ehe sie weiter spielten. Sie spielten so viele Spiele, dass er nicht merkte, dass er immer weniger sah. Auch er musste nicht mehr hinsehen. Er hatte gar nicht mehr hingesehen. Er hatte nur ihr Gesicht gesehen, ehe es immer dunkler geworden war. Nun sah er nichts mehr und fragte regelmäßig, ob sie noch da war. Immer wieder bestätigte sie es, ohne dabei genervt zu sein. Er hatte seine Sehkraft verloren und diese Blindheit war ihm fremd. Schließlich spürte er, dass ihm das Denken schwer fiel. Er würde sterben. Eine Tatsache, die sie wusste. Vielleicht deswegen fasste sie ihren Mut zusammen und fragte ihn, was sie schon die ganze Zeit fragen wollte.



„Meruem, darf ich Euch ansehen?“, fragte sie. „Du bist blind!“, stellte er fest. Sie hob ihre Hände. „Ich sehe Euch, wenn ich Euch anfasse. Wenn Ihr es erlaubt!“, sagte sie. Er sah sie mit großen Augen an. Ja, unbedingt Ja! Er wollte unbedingt von ihr angefasst werden. Als er ihre Hand auf seiner Wange spürte, war das ein so intensives Gefühl, dass er nicht beschreiben konnte. Was war das? Am liebsten hätte er seine Hände auf ihre gedrückt, damit sie ihn nie wieder los lassen konnte. Sie lachte Glücklich. „Ihr seid attraktiv!“, sagte sie frei heraus. Meruem bekam etwas Farbe ins Gesicht. Schließlich legte er seine Hand auf ihre. Sie stoppte ihre Hand und leistete keinen Widerstand.

„Ich bin müde Komugi. Darf ich mich ein wenig hinlegen?“, fragte er. Sie lächelte. „Ruht euch aus, Meruem! Ruh dich aus!“, sagte sie. Er lächelte und legte sich hin. Sie leitete seinen Kopf auf ihren Schoß. Das fühlte sich noch besser an. Es war so toll, dass sein Herz zerspringen wollte vor lauter Glück. Als er ruhig lag, fuhr sie damit fort, ihn ‚anzusehen‘. Sie strich über seinen Kopf. Dann über seine Brust und Oberarme. Er war stark, sehr stark, dass spürte sie. Und noch etwas spürte sie. Sein Herz schlug viel zu schnell für seinen Zustand. Aus dem Grund suchte sie seine Hand und umfasste sie. Er wurde wieder ruhiger. „Geh schon vor. Ich komme gleich nach!“, sagte sie. Er drückte ihre Hand.

 

Nun fühlte er sich wirklich, als würde er in diesem Rasen sitzen, um den überall Sonnenblumen blühten. Die Sonne schien und er war so glücklich, wie niemand sein sollte, der gerade starb. Sie war alles für ihn gewesen und er bereute, dass sie nicht mehr Zeit hatten. Nun wusste er endlich, was es war: Es musste diese Liebe sein, von der er gelesen hatte. Diese Liebe, die die Menschen so verzweifelt suchten. Wenn das Liebe war, dann wusste er warum die Menschen ihr nachjagten. Es war einfach nur schön. Sie hatte Komugi so schön gemacht, die er auf dem ersten Blick nicht ausstehen konnte. Sie hatte ihm dieses Meer als Sonnenblumen gegeben. Und jede Sonnenblume schien ihm zu sagen wollen, dass dies Liebe war. Und sie wurde erwidert. Er war gesegnet, dass er Komugis Gunst erfahren durfte. So war es ihm egal geworden, dass er starb. Denn bis zum Ende würde er ihre Nähe spüren.