We Can Be Heroes
[ab 18!] Close To Home (von iesika) | Teil 12/18 - Druckversion

+- We Can Be Heroes (https://wecanbeheroes.de)
+-- Forum: We Can Be Heroes Just for One Day (https://wecanbeheroes.de/forum-5.html)
+--- Forum: Superheroes, Unite (https://wecanbeheroes.de/forum-8.html)
+--- Thema: [ab 18!] Close To Home (von iesika) | Teil 12/18 (/thread-111.html)



Close To Home (von iesika) | Teil 12/18 - tenten31 - 22.09.2020

Donnerstag

In dieser Nacht ging Kon gar nicht nach Hause. Zwanzig Minuten bevor Martha normalerweise aufwachte, flitzte er durchs Haus und setzte einen Pott Kaffee auf. Bei seiner nächsten Runde melkte er die Kuh und brachte die Eier ins Haus. Als der Kaffee fertig war, war Martha noch nicht aufgestanden und konnte sich so auch nicht darüber aufregen, dass er ihn direkt aus der Kanne trank. Er setzte einen neuen Pott auf, fütterte den Toaster mit Brot und flog wieder weiter.

Als er erneut an der Farm vorbei kam, war der Toast gebuttert und wartete bereits auf einem Teller auf ihn. Martha starrte darauf, während sie in ihrem dünnen Nachthemd, darüber einem flauschigen Morgenmantel, am Küchentisch saß und ihren Kaffee trank. Kon landete auf der Veranda und ging durch die Tür. Ein wenig erschrocken stellte er fest, dass er das zuvor nicht getan hatte. Seine Füße hatten nicht mehr den Boden berührt, seit Jake am Tag zuvor gegangen war.

„Kommst du etwa grad erst heim?“, fragte Martha, als er sich hinsetzte.

„Superhelden-Zeug“, antwortete Kon und leerte den Becher, den sie ihm fürsorglich eingeschenkt hatte.

Auf Marthas Gesicht zeigte sich deutlich Besorgnis: „Die ganze Nacht? Ich hatte ja gehofft, du hast einfach nur im Ort übernachtet.“

Kon verschluckte sich an seinem Toast. Shit! Er musste husten und sie klopfte ihm auf den Rücken, so dass das Brot im richtigen Hals landete. Meinte sie etwa, bei Jake? Nee, oder?! Hatte sie sie etwa durch das Fenster gesehen? Oder es erraten? Oder—

„Tim hat angerufen.“

Kon schluckte. „Was, hier? Mein Handy war an.”

„Oh, er wollte nur, dass ich eine Nachricht weitergebe. Er sagt, du brauchst dir keine Gedanken machen, was du anziehen sollst zu eurem Date.“ Sie machte eine Pause – Kon war sich ziemlich sicher, das tat sie einzig und allein, um ihn leiden zu lassen. Dann fügte sie hinzu: „Er hat gesagt, er lässt was für dich schicken.“

Oh Gott! Kon schlang den Rest von seinem Toast so schnell er konnte hinunter, so dass er fliehen könnte, bevor er noch vor Peinlichkeit starb. Das einzige, was das hier noch schlimmer machen könnte, wäre wenn Martha anfinge mit—

„Cassie war schon eine ganze Weile nicht mehr hier“, stellte Martha im Plauderton fest. Sie nahm einen Schluck Kaffee. „Und hat auch nicht angerufen, soweit ich weiß?“

„Ich glaub, sie ist sauer auf mich“, gab Kon zu.

Martha blickte ihn ruhig an: „Ich kann mir gar nicht vorstellen, weshalb.“

„Ich ruf sie an“, versicherte Kon, „Ehrlich, ich ruf sie an. Es ist nur – diese Woche ist so viel passiert, Ma. Ich war echt beschäftigt.“

„Du solltest dich eine Weile ausruhen“, meinte sie, als sie sich aus ihrem Stuhl erhob, „Ich richte dir ein anständiges Frühstück her.“

Kon sprang von seinem Stuhl auf und umarmte sie. „Ich hab‘s eilig“, antwortete er, während er sie wieder absetzte, „Nur kurz duschen, dann muss ich schon wieder weiter.“

„Conner Kent!“, rief sie, als er bereits die Treppen nach oben flog. Er hörte sie wütend vor sich hin murmeln, während er sich auszog und das Wasser anstellte. Dann rief sie die Treppen hinauf: „Ich wünschte, Clark hätte dir einen zweiten Vornamen gegeben!“

*

Er begleitete seine Freunde sicher zur Schule, ungesehen von oberhalb der praktischerweise tief hängenden Wolkendecke aus. Sobald alle sicher in ihren Klassen waren, flog er zum Lowell-County-General-Krankenhaus und landete auf dem Dach, neben der Tür zum Treppenhaus.

Justine schlief auf einem Feldbett, eine dünne Decke um sich geschlungen. Kon sah eine Weile lang Dalton an, bevor er auf einen Block mit Krankenhauslogo eine Notiz kritzelte und sie zusammengefaltet in Justines Hand steckte. Wenn sich irgendetwas änderte, wollte er es wissen. Und wenn er heute zur Schule musste, könnte er hier nicht Wache halten.

Als er damit fertig war, schlich er sich wieder nach draußen und flog zurück nach Smallville. Die Geschäfte öffneten langsam, weshalb er hinter Murphys Bar landete, versteckt von einer Ansammlung von Bäumen. Der Fußweg war etwas länger, aber dafür viel unauffälliger. Er wünschte sich manchmal wirklich, dass seine Schule auch eine Tür zum Dach hätte, besonders wenn er versuchte, sich nach Unterrichtsbeginn hinein zu schleichen.

Cross stand direkt innerhalb der Eingangstüren und redete mit einer Polizistin, als Kon eintrat. Als er ihn bemerkte, erhellte sich sein Blick. „Mister Kent!“, sprach er ihn voller Erleichterung an.

Kon erstarrte. Normalerweise wurde er ganz anders begrüßt, wenn er zu dieser Uhrzeit hier aufschlug. „Äh… Guten Morgen?“

„Entschuldigen Sie uns“, meinte Cross zu der Polizistin und trat mit einem Nicken von ihr zurück. „Mister Kent, mein Büro, bitte!“

Kon folgte so still er nur konnte. Er würde bestimmt nicht den Mund aufmachen und sich selbst anschuldigen. Kon war schon oft genug im Rektorat gewesen, um diese Lektion gelernt zu haben. Er setzte sich, als Cross es ihm anbot, und beobachtete misstrauisch, wie Cross hinter seinem Schreibtisch Platz nahm und die Hände faltete.

„Sie und Mister Dalton standen sich nahe“, begann er einen Augenblick später.

Kon blinzelte verwirrt. „Wenn Sie auch nur andeuten wollen—“

Cross lachte plötzlich auf, ein kurzes, scharfes Bellen voller Humor. „Du meine Güte, nein, Conner. Dafür kannte ich Alex schon zu lange.“

Kon schluckte. „Kenne.“

„Wie bitte?“

Kenne“, wiederholte Kon, „Sie verwenden ständig die Vergangenheitsform.“

„Ich—“ Cross hielt inne. „Tu ich das? Das tut mir leid. Ich habe es nicht einmal bemerkt.“ Er schüttelte den Kopf und beugte sich nach vorne: „Conner, ich wollte nur, dass Sie wissen, Sie werden nicht bestraft dafür, dass Sie gestern einfach so die Schule verlassen haben.“

Kon setzte sich etwas gerader auf. „Ich kriege also keinen Ärger?“

„Nein“, antwortete Cross freundlich, „natürlich nicht. Nehmen Sie das aber nicht als Freifahrtschein. Ich möchte nicht, dass Sie jetzt in das alte Muster zurückfallen und wieder ständig fehlen …“

Kon versuchte sich an einem kleinen Lächeln.

„Und – also, ich verstehe Ihre Gründe für die Verspätung heute Morgen. Wenn es noch früher im Schuljahr wäre, würde ich anbieten, dass Sie Kurse tauschen können, aber wir sind schon viel zu nahe am Schulabschluss dran. Nichtsdestoweniger können wir aber auch etwas anderes einrichten. Ich würde mich freuen, wenn Sie morgen der Vertretung eine Chance geben. Sollte das zu schwierig für Sie sein, können wir auch über ein unabhängiges Lernprogramm sprechen.“

Kon rutschte auf seinem Stuhl etwas hin und her. „Sie, äh. Sie haben das wirklich durchgedacht.“

„Das ist meine Aufgabe.“ Cross lächelte. „Ich weiß, ich werde gerne für den Feind gehalten, aber das wäre ich viel lieber nicht. Als ich Ihren Club blockieren wollte, ist das wirklich aus Sorge um die Schüler hier geschehen.“ Einen Moment lang wirkte er traurig. „Ich bin in Birmingham marschiert, Conner. Ich hätte nie gedacht, dass ich irgendwann ‚Die da oben‘ sein würde.“

„Aw“, machte Kon zögerlich, „Sie sind echt in Ordnung.“

Cross lachte leise. Er beugte sich über seinen Schreibtisch und reichte Kon eine Karte. „Uns wurden vom County übrigens vier Seelsorger zugeteilt. Ich würde Ihnen wirklich raten, dass Sie mit einem sprechen. Genau genommen—“ Er zog aus seiner Tasche einen ganzen Stapel Karten heraus und reichte sie Kon. „Ihre Freunde nehmen die hier vielleicht von Ihnen an, wenn sie sie schon nicht von mir nehmen.“

Kon senkte den Blick darauf. Jede der Karten hatte eine Liste mit Telefonnummern von Seelsorgern zum persönlichen Gespräch und zwei Nummern von Telefonseelsorgen. Er steckte sie in seine Tasche, um sie später an Mel weiterzugeben.

„Ihre Freunde haben sich gestern große Sorgen um Sie gemacht. Ich im Übrigen auch. Ich habe Ihre Tante wahrscheinlich ein Dutzend Mal angerufen.“

Oh, das hatte Martha sicher sehr gefallen. Der Gong ertönte zum Ende der ersten Stunde und Kon erhob sich. „Ich, äh, werd das nächste Mal Bescheid sagen, wenn ich mal für den Tag verschwinden will“, gab er verlegen zurück.

Cross schenkte ihm ein schiefes Lächeln. „Tun Sie das.“

*

Jake saß in ihrer Ecke des Kunstraums, als Kon dort ankam. Er war so konzentriert auf das, was auch immer er gerade zeichnete, dass er nicht einmal aufsah und Kon erst etwa zehn Minuten nach dem Gong bemerkte. „Oh“, machte er überrascht, „Hey. Ich hab dich heute Morgen gar nicht gesehen.“

„Ich war zu spät. Hey, du hast aber keinen Ärger bekommen, oder? Dafür, dass du gestern einfach gegangen bist?“

„Nee“, legte Jake das Stück Zeichenkohle beiseite und wischte sich die Hände an einem Papierhandtuch ab, „Die Sekretärin hat gesagt, dass sie es einfach als Krankheitstag zählen.“

Kon nickte. „Cross wollte persönlich mit mir reden, aber er hat gemeint, ich kriege auch keinen Ärger.“ Er beugte sich über den Tisch und spähte auf das Blatt, das Jake an sein Zeichenbrett geklebt hatte. Oh, das war ja er! Sein Gesicht in Kohle und weißer Kreide, auf honigfarbenem Papier. „Das sieht super aus!“, kommentierte er, „Ich dachte, du hast was gemalt?“

Jake räusperte sich und machte sich wieder an die Arbeit. „Musste ich wegwerfen“, meinte er, „Es war… Ich hab‘s versaut.“

„Oh“, machte Kon, und weil er Jakes Gesichtsausdruck gerade nicht wirklich mochte, fragte er: „Wie ist, äh. Es. Denn gelaufen?“

Jake sah auf und lächelte. „Eigentlich echt gut. Ich hatte recht, dass Nell es schon geahnt hat, und sie hat mich total unterstützt, und – naja, Dad ist ein bisschen ausgeflippt, aber ich glaub, es ist großteils in Ordnung? Ist ja doch eine recht große Umgewöhnung, oder? Aber er war überraschend gefasst. Er, ähm—“ Jake senkte den Blick. „Er hat nach dir gefragt.“

Kon wandte sich wieder seiner Zeichnung zu, die mit Jakes Hilfe immerhin überwiegend menschlich aussah, auch wenn sie nicht besonders viel Ähnlichkeit mit Jake hatte. Er würde nicht fragen. Nein, würde er nicht.

„Ich, äh, hab ihm gesagt, dass wir befreundet sind“, klärte Jake ihn leise auf. Als Kon aufsah, waren seine Ohren leicht rot.

„Ja“, stimmte Kon zu und hoffte, dass er nicht so erleichtert klang wie er sich fühlte. Jake war toll, aber Kon hatte Cassie. Und überhaupt glaubte er nicht, dass er mit jemandem ausgehen könnte, der nicht Teil seiner Welt war – der ihn nicht wirklich kannte. Solche Dinge überließ er lieber Leuten wie Tim, die ihre Leben getrennt halten konnten, mit unterschiedlichen Teilen für unterschiedliche Leute.

„Ich weiß aber nicht, ob Nell so überzeugt ist“, fügte Jake noch hinzu, „aber sie scheint dich zu mögen.“ Er sah wieder zu Kon auf und grinste. „Genug, dass sie mir eine Schachtel Kondome gegeben hat.“

*

Kon legte auf dem Weg zum Mittagessen einen kurzen Boxenstopp ein, um den ganzen Kaffee loszuwerden. Als er gerade seine Hände abtrocknete, klingelte sein Handy. Er ging möglichst schnell ran, hoffentlich bevor der einzige andere Junge auf der Toilette bemerkte, was sein Klingelton war. „Alter, du hast echt kein Vertrauen, dass ich mich selber anziehen kann?“

„Ich wollte mir keine Sorgen machen müssen, dass du im Karohemd erscheinst. Oder in Strapsen.“

„Klappe!“, gab Kon zurück, „Die Strapse haben gerockt!“ Der andere Junge hielt auf seinem Weg zur Tür inne und sah Kon bei dieser Äußerung an. Kon winkte lächelnd und der Typ verließ eilig den Raum.

Vom anderen Ende der Leitung kam ein Schnauben von Tim: „Na wenn du das sagst.“

Kon beschloss, ihn großmütig zu ignorieren. „Hast du was für mich?“

Einen Moment lang war Tim still, mit Ausnahme seines Atems. Als er schließlich sprach, klang seine Stimme gedämpfter: „Oracle und ich haben alle Notfalleinrichtungen in einem Radius von 100 Meilen durchkämmt. Wir haben drei Vorfälle von schwerwiegenden Verbrühungen gefunden, aber sie haben sich alle als unschuldig herausgestellt.“

Kon fluchte. Konnten sie nicht einmal Glück haben?

„Tut mir leid.“

Er drehte sich um, beugte sich über das Waschbecken und schloss die Augen. „Danke für eure Mühe.“

„Hm“, machte Tim unglücklich, „Ich konnte auch nicht viel Nutzen aus den Fotos ziehen. Du hattest recht mit der Tür und der Größe der Hände unseres Angreifers. Das deckt sich mit dem, was wir über Stephens‘ Killer wissen – das und die Ähnlichkeit der Verletzungen reicht aus, dass ich mir zu 70 Prozent sicher bin, wir haben es hier mit einem einzelnen Meta zu tun. Und…“ Er machte eine kurze Pause. „Er ist stark. Stark genug, um einen normalen Menschen leicht zu überwältigen und um erheblichen Schaden anzurichten. Aber er ist nicht so stark.“

Kon erblickte sich selbst im Spiegel. Seine Augen waren leicht gerötet. Und er hatte heute Morgen eine Stelle an seinem Kiefer übersehen. Er neigte den Kopf. „Was meinst du damit?“, fragte er, bevor er ganz still hielt und ein Auge zukniff. Der Geruch nach verbrannten Haaren erfüllte den Raum und Kon wischte sich ein wenig Asche von seinem Hemd.

„Wenn du auf eine Tür einschlägst und wütend genug bist, die Person auf der anderen Seite der Tür zu verstümmeln, dann wäre nicht mehr viel von der Tür übrig.“

„Das ist wohl wahr“, stimmte Kon zu. Er drehte sich um und setzte sich an den Rand des Waschbeckens.

„Er hat das Holz zerstört anstatt dem Schloss selbst – und anstatt die Tür einfach auszureißen, was die leiseste Option gewesen wäre.“

„Ha, stimmt“, nickte Kon, „Und – naja, wenn man mal bedenkt, wie verrückt die Angriffe waren, gibt‘s nicht viel Kollateralschaden.“

„Genau“, meinte Tim und fügte noch hinzu: „Ich wette, seine Teamkollegen müssen sich nie für Schaden an amerikanischen Militäreinrichtungen entschuldigen.“

„Ich hab doch gesagt, es tut mir leid“, grummelte Kon, „Und überhaupt hat Jaime geholfen.“

„Oh, ich weiß. Aber Cassie hat seine Mutter angerufen, so dass weitere Sticheleien schon im Bereich außergewöhnlich grausamer Bestrafung lägen.“

Kon kannte Jaimes Mutter nicht, aber das klang wirklich ein wenig hart. Ein anderer Junge kam zur Toilettentür herein und warf Kon die Art von Blick zu, an die Conner Kent sich anscheinend würde gewöhnen müssen. „Hör zu“, meinte er zu Tim, „Ich muss los. Noch was, das ich wissen sollte?“

Eine kurze Pause entstand, bevor Tim mit ausdrucksloser Stimme meinte: „Erst mal nur ein Ratschlag: Wenn es dich so sehr beunruhigt, jemandem etwas vorzumachen, dass du es sogar für nötig hältst, ein Ersatzdate für deinen Schulball sicherzustellen, solltest du es wahrscheinlich besser unterlassen, mit ihm herumzumachen.“ Es gab ein Klicken, als der Anruf beendet wurde. Es war wahrscheinlich gut, dass Tim aufgelegt hatte. Conner Kent würde wirklich seltsame Blicke bekommen, wenn er darauf laut geantwortet hätte.

*

Als er in die Cafeteria kam, versammelte sich eine kleine Menschentraube um ihn. Alle schienen sie froh zu sein, ihn zu sehen, besonders Clarence und Delilah, die ihn regelrecht zu ihrem Tisch zogen. „Wie geht‘s ihm?“, wollte Clarence wissen, „Hast du ihn gesehen? Er lebt noch, oder? Wird er wieder?”

Kon setzte sich neben ihn und legte den Kopf in seine Hände. „Alter… es sieht nicht gut aus.“

Alle verstummten. Just in diesem Moment tauchte Jake mit zwei Hamburgern auf seinem Tablett auf. Einen davon setzte er auf eine Serviette und schob ihn über den Tisch hinüber zu Kon, der ihm einen dankbaren Blick schenkte und auch gleich hineinbiss.

„Er ist immer noch bewusstlos“, erzählte er, nachdem er den ersten Bissen hinuntergeschluckt hatte, „Seine Freundin hat mir gesagt, dass sie nicht wirklich damit rechnen, dass er wieder aufwacht.“

„Moment“, hakte Chase ein, „Er ist nicht schwul?“ Delilah boxte ihn in die Schulter. „Au!“

„Der Arme“, meinte Mel leise. Katie rückte ihren Stuhl näher zu ihr und legte ihr einen Arm um die Schultern. „Ich hab ihn echt gemocht.“

„Er ist noch nicht tot“, gab Kon knapp zurück, „Ich geb ihn nicht auf.“

„Aber du hast ihn gesehen?“, fragte Hamilton nach.

„Ja“, antwortete Kon, „Er ist… Er sieht echt nicht gut aus. Aber ich hab schon schlimmer zugerichtete Leute gesehen, die‘s geschafft haben. Solange sein Zustand nicht schlimmer wird, geh ich davon aus, dass er wieder gesund wird.“

Auf der anderen Seite des Tischs hatte Jake seinen eigenen Burger kaum angerührt. Er beobachtete Kon beim Essen. Während einer Pause im Gespräch legte er seine Pommes auf eine weitere Serviette und schob diese ebenfalls über den Tisch. „Fährst du heute Nachmittag nochmal hin? Ich würde gern mitkommen.“

Himmel, Kon konnte doch keine halbe Stunde damit verschwenden, dorthin und zurück zu fahren! Ganz zu schweigen von der Zeit, die er dabei festsaß, während alle anderen verstreut und ungeschützt wären, zuhause und in ihren Autos und ihren Jobs. „Sie lassen niemanden rein“, sagte er also, was nicht mal ganz gelogen war. Er erwähnte nur einfach nicht, dass es Justine wahrscheinlich nichts ausgemacht hätte, wenn ein weiterer Schüler zu Besuch käme, erst recht wenn Kon für ihn bürgte. „Ich musste beim ersten Mal echt kämpfen, dass sie mich da rein lassen. Die Polizei will nicht mal, dass Leute wissen, in welchem Krankenhaus er ist.“

„Die Polizei“, wiederholte Chase bitter, „Verfickte intolerante Faschisten.“ Mel gab einen unglücklichen Laut von sich, aber Chase schnaubte nur: „Im Ernst. Ihr glaubt doch nicht, dass sie den Psycho inzwischen nicht schon längst geschnappt hätten, wenn‘s keiner von uns gewesen wäre, den es erwischt hat? Ich weiß nicht, vielleicht sehen sie jetzt, wo‘s einen Lehrer getroffen hat, genauer hin. Aber wahrscheinlich denken die sogar, dass er bekommen hat, was er verdient, dafür, dass er mit einem Haufen Homo-Kids rumhängt.“

Kon runzelte die Stirn. „Ich bin sicher, die geben ihr Bestes“, gab er zurück. Er wünschte, er könnte die Polizeiberichte erwähnen und wie viele Leute aus dem Büro des Sheriffs und von der State Police an dem Fall arbeiteten. „Sieh dir doch nur mal an, wie viele Cops sie hier auf dem Schulgelände haben.“

„Ich glaub, die haben Angst, dass wir anfangen zurückzuschlagen“, meinte Clarence, „Den Cops ist es egal, oder Matts Dad wäre schon längst im Gefängnis.“

Der ganze Tisch verstummte. Insbesondere Mel sah leicht grün im Gesicht aus. „Sein Dad?“

Clarence nickte. „Gewalttätiger Wichser. Wenn ich wüsste, wo er ist, würde ich ihn persönlich zur Rechenschaft ziehen. Matts Mom hat ihn vor ein paar Jahren rausgeworfen. Er hat Matt krankenhausreif geschlagen, als er rausgefunden hat, dass er mit diesem Typen zusammen war…“

„Ach, Curtis“, meinte Chase, „Ich erinnere mich. Himmel, das war ein Dreck.“

Kon wischte sich die Hände ab und warf die Servietten auf den Tisch. „Curtis?“, fragte er, wobei er versuchte, beiläufig interessiert zu klingen.

„Dieses Arschloch“, murmelte Delilah. Sie wandte sich Kon zu. „Er war schon älter. Ist recht schnell abgehauen.“

„Ich hab Matt damals nicht wirklich gekannt“, erklärte Clarence. Er klang traurig. „Lilah hat uns bekannt gemacht, kurz drauf. Er war immer noch mit Krücken unterwegs, hatte ein Pflaster auf der Nase und alles… Also nicht gerade Liebe auf den ersten Blick.“

„Ach, sei still“, lachte Delilah plötzlich auf, „Du hast ihn niedlich gefunden.“

Clarence lächelte leicht: „Ja, vielleicht.“

„Nein, nein, ich weiß sowas immer“, grinste Delilah und schälte ihre Orange. Sie sah zu dem Haufen Servietten vor Kon und legte etwa eine halbe Orange vor ihn. „Ihr beide, zum Beispiel“, meinte sie und sah Kon an, deutete mit dem Kopf aber auf die andere Seite des Tischs.

Kon spürte, wie er errötete. „Ah ha ha ha“, lachte er, aber es klang selbst in seinen eigenen Ohren gekünstelt. „Nein, ähm, wir sind nicht… Ich mein…“

„Conner hat einen festen Freund“, sagte Jake, ohne von seinem Pudding aufzusehen.

Alle Blicke wandten sich ihm zu. Und dann zu Kon, der nur noch tiefer errötete. „Ähm.“

„Ha“, machte Clarence, „Freut mich für dich, Cowboy!“

Chase streckte sich und stibitzte etwas von Katies Chips, während sie zu Kon sah. „Ich hab einfach angenommen, du und Jenkins würden es treiben.“

„Du nimmst einfach an, dass alle es treiben“, gab Delilah entnervt zurück. Dann wandte sie sich an Kon: „Wirklich? Aber nicht in Smallville, oder wir wüssten davon. Und er hätte Jake inzwischen umgebracht—“

„Hey!“, protestierte Jake. Seine Ohren nahmen langsam eine rosa Färbung an.

„Wo hast du ihn also versteckt? Geht er auf die St. Francis?“, schmunzelte sie, „Uh, Privatschul-Jungs.“

Kon hatte erschreckenderweise mit einem Mal ein Bild von Tim in der Schuluniform von St. Francis vor Augen, mit Blazer und allem. War Tim nicht in Gotham sogar auf eine Privatschule gegangen? „Er ist nicht, äh. Ich mein, er wohnt nicht in Smallville.“

„Ach komm, das macht doch keinen Spaß! Wenn wir ihn nicht kennen, wie sollen wir dich dann aufziehen? Oh, schaut mal, er wird ja ganz rot! Kommt er? Zum Ball?“

Kon schluckte schwer. „Ja.“

Delilahs Augen leuchteten.

„Was ist mit dir?“, fragte Clarence Jake in dem Versuch, Kon zu retten, „Hast du schon ein Date?“

Jake zuckte die Schultern und senkte den Blick wieder auf sein Essen. „Ich schätze, ich werd erst mal allein hingehen.“

Endlich wandte Delilah ihre Aufmerksamkein von Kon ab. „Oh nein, das geht so nicht. Hm… Wie stehst du so zu College-Jungs?“

Jake wirkte leicht panisch.

Clarence verdrehte die Augen und ließ eine Hand schwer auf ihren Kopf sinken. Er drehte sie damit so, dass sie ihn ansehen müsste. „Lilah, nein!“

„Aber Carson hat da einen Freund—“

Nein.“

„Wer ist Carson?“, fragte Kon in der blinden Hoffnung auf einen Themenwechsel.

„Mein Freund“, antwortete Delilah beiläufig. Sie öffnete erneut den Mund, bis sie bemerkte, dass alle sie anstarrten. „Was?“

„Moment mal“, meinte Chase, „nochmal von vorn.“

Clarence ließ den Kopf auf seine verschränkten Arme fallen und fing zu lachen an.

„Du stehst auf Schwänze?“, fragte Chase, „Ernsthaft?“

Delilah warf ihre Haare in den Nacken. „Warum? Sag bloß, du wärst interessiert?”

„Bäh, nein. Aber du bist die härteste Lesbe an diesem Tisch. Nichts für ungut, Katie.“

Katie prustete, „Sie spielt doch nicht mal Softball.“

„Er ist an der State“, sagte Delilah, während sie ihr Handy hervorholte, „Aber er hat recht viele schwule Freunde. Ein paar sind auch echt schnuckelig. Wir kriegen dich sowas von verkuppelt, Jake.“ Sie fing an, eine Nachricht zu tippen.

„Ähm. Danke? Glaube ich.“

Clarence sah auf und bühnenflüsterte zu Jake über den Tisch hinweg: „Lauf weg, Mann. Solange du noch kannst.“

Mel sah nachdenklich aus. „Ich nehm an, es wäre gut, Dates von außerhalb mitzubringen. Potenziell könnten wir so doppelt so viele sein…“

„Oh nein!“, mischte Katie sich ein, “Ich will gefälligst mit dir tanzen.”

„Gott rette uns vor Lesben, die alles zusammen machen müssen“, murmelte Chase vor sich hin, als die beiden sich küssten.

„Tja, wir wissen ja, dass du gleich zehn ‚Freunde‘ hast“, winkte Clarence ab, „Hamilton, hast du ein Date?“

Hamilton begann zu husten.

„Ja“, antwortete Chase selbstgefällig.

Clarence lachte auf und hob die Hand zu einem Fistbump mit ihm. Hamilton verdrehte nur die Augen. Als Kon fragend zu Clarence sah, lachte er erneut und erklärte: „Es kann nie genug von euch Sportlertypen geben.“

„Amen“, stimmte Chase zu, wobei er für einen Moment den Blick zum Himmel hob. Er beugte sich über den Tisch und wandte sich Kon zu: „Dann erzähl uns doch von deinem mysteriösen Boytoy. Ist er auch so scharf und männlich?“

Kon zuckte die Schultern. „Er ist ziemlich gut in Form.“

Chase zog die Augenbrauen in die Höhe. „Wirklich?“

„Hast du ein Foto?“, fragte Katie.

„Jetzt hier dabei nicht.”

Chase grinste: „Ist er heiß?“

Kon… musste überlegen. Er hatte sich wirklich Jahre lang antrainiert, nicht daran zu denken, dass die meisten seiner Freunde echt gutaussehend waren – besonders Tim. Kon hatte… tja, für ihn geschwärmt wäre zu harmlos ausgedrückt. Kon war fasziniert gewesen von dem anderen Jungen und hatte lange gebraucht, bis er darüber hinweg gewesen war. Als sie schlussendlich auch Freunde geworden waren, hatte er diese Gedanken verdrängt. „Ja“, antwortete er nach einem Moment. In seinem Kopf sah er Tim so, wie er am Dienstag Abend in Gotham ausgesehen hatte – die Beine gestreckt, als er sich durch die Luft schwang, bevor er sie anzog und drehte, als er losließ, um sich fallen zu lassen und in der Hocke zu landen, ein Bein unter ihm und eines bereits ausgestreckt für den nächsten Schritt, die nächste Drehung, den nächsten Tritt und Schlag, die behandschuhten Finger einer Hand auf der schmutzigen Straße abgestützt. „Ja… ist er wirklich ziemlich.“

„Lächeln!“, wies Delilah fröhlich an. Kon drehte sich reflexartig, aber sie hatte ihn gar nicht im Fokus ihrer Handykamera.

Jake blinzelte sie unverständig über den Tisch an. „Was zur Hölle?“, fragte er.

„Na, wenn er dir ein Date finden soll, braucht er ein Foto von dir“, antwortete Delilah, als würde sie einem Kleinkind erklären, was sie vorhatte, „Du bist heiß! Das ist ein guter Anreiz!“

*

Kon und Delilah gingen nach dem Mittagessen gemeinsam zu Englisch, was erstaunlicherweise langsam zu einer Gewohnheit wurde. Als sie am Ende des Gangs ankamen, hielt sie ihn mit einer Hand an seinem Arm auf. „Erwähn Carson gegenüber Pete nicht, okay?“

Kon sah sie stirnrunzelnd an. Pete Miller stand nicht gerade weit oben auf seiner Liste von Leuten, denen er Dinge anvertraute. „Warum sollte ich?“

„Ich weiß nicht“, meinte Delilah frustriert. Sie schüttelte den Kopf, drehte sich um und sah den Schülern an ihren Schließfächern auf der anderen Gangseite zu. „Es ist nur mehr Stress als ich brauch, mehr nicht. Ich weiß nichtmal, warum mir das überhaupt was ausmacht. Ich war nicht mehr daheim, seit du mich von ihm runter gezogen hast – nicht mal für Klamotten und solchen Scheiß. Ich hab schon ein paar Sachen bei den Moores gehabt und auch ein paar bei Mrs. Rebecca, außerdem hat Miss Charlotte mich mit einkaufen genommen… Aber“, sie seufzte, „Ich hab meiner Familie gesagt, dass ich Carson nicht mehr treffe.“

„Deiner Familie?“, fragte Kon, „Sekunde—“

Delilah schenkte ihm ein trauriges Lächeln, das so gar keine Belustigung beinhaltete. „Du must echt an deinem Dorftratsch arbeiten, Cowboy.“

„Du bist verwandt? Mit Miller?“

„Nein“, gab sie hastig zurück, „Nein, er ist mein Stiefbruder. Also, eigentlich nicht, aber so gut wie. Hauptsächlich schlägt sein Dad gern auf meine Mom ein und ich bekomme sie nicht lange genug nüchtern, um ihn vor die Tür zu setzen.“ Sie seufzte bitter. „Stell dir Pete mit 50 vor, nur noch schlimmer.“

Kons mentales Bild sah Patrick Stephens verdammt ähnlich.

„Also mögen sie meine Schwuchtel-Freunde nicht, und auch nicht, dass ich mit Clarences Cousin zusammen bin…“ Sie verzog das Gesicht. „Drei Jahre älter als ich, aber das ist doch nicht das, was zählt, oder?“ Sie trat gegen ein Schließfach. „Verfickt nochmal, ich hasse dieses rückständige Hinterwäldler-Kaff!“ Sie trat nochmal dagegen, diesmal fester. „Lou – Petes Dad – hat gesagt, er bringt Carson um, wenn er ihm nochmal unter die Augen kommt und Pete hat direkt mitgemacht.“ Sie fluchte und drehte sich um, lehnte sich mit den Schultern gegen die Schließfächer hinter ihr. Als sie Kons Gesichtsausdruck bemerkte, lächelte sie. „Aber genug von diesen Arschlöchern. Erzähl mir von deinem Freund!“

Kons Hand wanderte in seinen Nacken. Sie hätten sich wirklich noch auf eine Geschichte einigen sollen. „Wir kommen zu spät“, beteuerte er.

Delilah gab einen liebevoll entnervten Laut von sich und packte ihn erneut am Arm, diesmal um sich mit ihm wieder in Bewegung zu setzen in Richtung ihres Klassenzimmers. „Du bist so ein verdammter Herzensbrecher“, neckte sie, „Der arme Jake hat dich praktisch angeschmachtet, du Idiot. Du solltest besser hoffen, dass Carson ihm jemand Guten findet.“

*

Nach dem Unterricht flog Kon nochmal zum Krankenhaus. Sie hatten ihn nicht angerufen, weshalb er vorsichtig optimistisch war, aber wahrscheinlich wäre er auch nicht Justines erster Gedanke, wenn etwas schief gegangen war. Als er ankam, lag Dalton immer noch immer genauso da, bewegungslos wie ein Stein mit Ausnahme des künstlichen Auf und Ab seiner Brust. Justine war wach, aber er beschloss, sie nicht zu behelligen. Sie hielt ihre Tochter auf dem Schoß und sie saßen zusammen am Bett und lasen laut aus einem Bilderbuch vor.

Stattdessen flitzte er zum nächsten Sundollars und kam mit ein paar To-go-Bechern für die Schwestern zurück. Er wartete noch, bis Lucille von ihrer Runde zurück zur Station kam, bevor er sie verteilte. Als sie als erste auswählen durfte – Latte oder normaler Kaffee – tätschelte sie liebevoll seinen Arm und setzte sich dann ein paar Minuten zu ihm, um ihn auf den neusten Stand zu bringen.

Es gab keine wirkliche Veränderung. Dalton hatte etwas später an diesem Morgen für eine Weile gegen das Beatmungsgerät angekämpft, aber jetzt atmete er, mit dessen Hilfe, wieder regelmäßig. Davon abgesehen und abgesehen davon, dass generell Zeit vergangen war, war die Prognose dieselbe. Justine schien sich den Umständen entsprechend gut zu halten, insbesondere jetzt, da sie ihre Tochter dabei hatte. Kon wiederholte noch einmal seine Bitte, auf dem Laufenden gehalten zu werden, bevor er erneut aufbrach.

Er flog bei der Farm vorbei. Der Pott Kaffee auf dem Herd war kalt, aber voll. Er trank ihn aus und machte sich aus dem Staub, bevor Martha nach unten kommen und ihn schimpfen könnte. Er wusste, sie meinte es nur gut – er wusste das ja – aber jede Minute, die er hier war, war eine Gelegenheit für den Mörder wieder zuzuschlagen. Das wäre es alles wert, wenn er den Bastard endlich schnappte. Es war jeden Moment wert, den diese Kids in Sicherheit wären.

Es war am einfachsten, während alle immer noch im Unterricht waren. Alle befanden sich auf dem Schulgelände – außer Daniel, der auf einer Wiese im Park lag, zu Füßen eines Jungen auf einer Bank, den Kon nicht kannte. Er war aber nah genug bei der Schule, dass Kon sich für eine Weile hinsetzten konnte – es sich auf dem Flachdach der Turnhalle gemütlich machte und ein wenig Sonne in sich aufsog, um wach zu bleiben.

Schließlich war der Unterricht zu Ende und alle verteilten sich. Hamilton blieb wieder nicht beim Team, sondern war mit Mel und Katie unterwegs. Clarence ging nach Hause, aber Delilah ging zum Haus von Rebecca Martin und klopfte nervös an die Tür. Jake ging zur Arbeit. Chase machte ein Nickerchen. Caroline ging mit drei anderen Cheerleadern zusammen einkaufen.

Ein Mann kam vorbei, um Justine frische Kleidung zu bringen. Er blieb eine Weile bei ihr, bevor er das kleine Mädchen mitnahm, als er wieder ging. Daniel ging mit Kopfhörern auf den Ohren vom Park nach Hause. Mel aß mit ihrer Familie zusammen zu Abend und diskutierte lautstark mit ihnen auf Koreanisch. Hamilton übernachtete bei Katie, anscheinend um ihr Kleid zu begutachten. Chase verschlief ein Familien-Abendessen und kletterte dann aufs Dach, um eine zu rauchen. Jake schenkte Gina und Lisa wahrhaft fantastischen Kaffee ein und als Nell ihn stubste, zog er auch seine Schürze aus und setzte sich zu ihnen.

Die Sonne ging unter und Kon begann daran zu denken, wie sehlich er sich wünschte, sich ebenfalls dazu zu setzen. Es war ihm sehr bewusst, dass er auf Kaffee und Sonnenlicht lief und jetzt wäre das Sonnenlicht auch weg. Er flog über die Farm hinweg und sah, wie Martha am Küchentisch saß und zwei Teller voller Essen anstarrte, die sie aufgedeckt hatte, zusammen mit zwei großen Gläsern Eistee. Der Anblick schnürte Kon die Kehle zu und ließ seinen Magen grummeln, aber was konnte er schon tun? Im Ort gab es über ein Dutzend Kids, die seinen Schutz brauchten, außerdem Dalton und Rebecca… Wenn er jetzt nach Hause ginge, wäre er nicht mal in der Lage etwas zu essen, geschweige denn zu schlafen.

Es war ziemlich verrückt, aber je länger er in der Dunkelheit Kreise zog, desto mehr Sinn begannen Tim und seine Familie zu machen. Gotham war ihre Stadt, so wie Smallville seine war, nur dass sie eben keinen Röntgenblick und kein Supergehör hatten. Sie konnten nicht fliegen oder innerhalb eines Augenblicks meilenweit rennen. Sie mussten überall sein und das die ganze Zeit. Wenn sie nicht fast ausschließlich nachts arbeiten würden, kämen sie nie zum Schlafen. Außer – naja, einmal hatte Tim ihm spät nachts – kurz nachdem sein Vater ermordet worden war, sie beide allein in der dunklen Küche des Titans Towers bei heißem Kakao – gesagt, dass Kon sich wirklich keine Sorgen machen sollte, wenn der davon aufgeweckt wurde, dass Tim im Schlaf schrie. Denn das hieß nur, dass sein Supergehör besser wurde.

Kein Wunder, dass sie alle verdammt nochmal verrückt wurden, wenn sie die ganze Zeit so leben mussten. Wenn jedes Verbrechen, das sie nicht hatten verhindern können, sich anfühlte wie zuzusehen, wie Daltons Brust sich hob und senkte… Es war ein Wunder, dass Tim die Stadt überhaupt noch verließ.

Kon flog einen weiten Kreis. Der größte Teil des Orts lag bereits im Bett. Beth war noch wach und an ihrem Laptop. Jake malte. Chase aß etwas vom übrig gebliebenen Essen, während seine Familie schlief. Matha hatte ihr Abendessen immer noch nicht angerührt. Sie lehnte gegen die Küchenzeile und telefonierte. Justine aß geliefertes Essen auf einem kürbisfarbenen Plastikstuhl und teilte ihren gebratenen Reis und ihre Wantans mit zwei der Schwestern. Carolines Freundinnen brachte sie nach Hause. Sie trug einen Kleidersack über ihrer Schulter.

Etwas näherte sich mit hoher Geschwindigkeit, kurz unter Schallgeschwindigkeit. Kon hielt inne, als er die Luft pfeifen hörte und wappnete sich bereits.

„Conner“, sprach Superman ihn direkt an, als er bei ihm ankam, „Geh nach Hause!“

Kon ballte die Hände zu Fäusten und biss sich auf die Zunge. Das konnte jetzt nicht sein Ernst sein!

„Du laugst dich nur selber aus. Ma macht sich Sorgen um dich und aus gutem Grund, wie ich sehe. Geh nach Hause!“

„Ich kann nicht!“, rief Kon, „Die da unten sind wehrlos! Ein Junge ist tot. Mein Lehrer liegt im Sterben. Irgendjemand macht Jagd auf sie wie auf Tiere, und ich soll einfach—“ Er brach ab, denn Clark anzuschreien war eine Sache, aber er würde verdammt nochmal bestimmt nicht vor ihm zu heulen anfangen. „Ich hab es versprochen“, brachte er heraus. Wenn er nur flüsterte, wäre es einfacher nicht in Tränen auszubrechen, auch wenn er gegen den Kloß in seinem Hals nicht ganz ankam. „Ich hab es meinem Lehrer versprochen – es wird niemand mehr verletzt.“

Clark seufzte schwer und flog näher zu ihm herüber, um ihm eine Hand auf den Arm zu legen. „Du verletzt dich selber , Conner. Du verletzt Ma.“

Kon entwand sich der Berührung. „Vielleicht“, gab er ungehalten zurück, „Aber wir werden‘s überleben, okay? Die ganzen Kids—“ Schließlich begegnete er auch Clarks Blick. Er hatte erwartet, Wut auf seinem Gesicht zu sehen, oder Clarks übliche, vage herablassende Freundlichkeit. Stattdessen sah er traurig aus und vielleicht auch ein kleines bisschen stolz.

„Geh nach Hause, Conner“, wiederholte er, diesmal sanfter, „Ich übernehme diese Schicht.“

*

Ma wärmte bereits ihre Teller wieder auf, als er zur Tür herein kam. Sie sagte nicht viel, aber sie schenkte ihm ein Lächeln. Als er sich setzte, tätschelte sie ihm den Nacken.

~> tbc in Teil 13