[ab 18!] Close To Home (von iesika) | Teil 17/18 - Druckversion +- We Can Be Heroes (https://wecanbeheroes.de) +-- Forum: We Can Be Heroes Just for One Day (https://wecanbeheroes.de/forum-5.html) +--- Forum: Superheroes, Unite (https://wecanbeheroes.de/forum-8.html) +--- Thema: [ab 18!] Close To Home (von iesika) | Teil 17/18 (/thread-123.html) |
Close To Home (von iesika) | Teil 17/18 - tenten31 - 28.10.2020 Samstag Kon lag in seinem Bett und starrte hinauf zu den Brandflecken an der Decke, die noch aus einer Zeit stammten, bevor er seinen Hitzeblick unter Kontrolle hatte. Unten konnte er bereits alle herumwuseln hören. Clark war draußen in der Scheune und machte die Farmarbeiten, die Kon an diesem Morgen glücklicherweise nicht machen müsste. Martha stand am Herd und kochte etwas, das einfach nur köstlich roch. Tim und Lois saßen mit Ausnahme des Klackerns auf Tastaturen still am Küchentisch. Immer wieder einmal trank einer von beiden einen Schluck Kaffee oder kommentierte kurz etwas. Tim hatte Lois schon zweimal zum Lachen gebracht, seit Kon aufgewacht war. Eigentlich war klar gewesen, dass die beiden sich verstehen würden. Aber Kon hatte nicht genug Schlaf bekommen, um sich schon mit den Frotzeleien auseinanderzusetzen, die er sicher bekommen würde, wenn er nach unten ging. Er hatte die halbe Nacht damit verbracht, Tims Hand in der Notfallmedizin in Smallville zu halten, während Tim abgetastet und geröntgt und untersucht wurde. Tim – Tim Wayne – hatte Kon die ganze Zeit in seiner Nähe haben wollen, bis Martha schließlich Dr. Gomer überredet hatte, sie gehen zu lassen, egal ob Tim noch ein MRT, CT, PET und jede andere medizinische Abkürzung, die ihm anscheinend noch einfiel, wollte. Als sie schließlich nach Hause kamen, hatte Lois bereits einen Artikel über die Ereignisse des Abends abgeschickt – was bedeutete, dass Kon zu spät war um sie aufzuhalten, selbst wenn sie ihm immer noch ein wenig Angst einjagte, wenn sie wütend war. Martha hatte es aufgegeben, aus ihm und Tim etwas herauszubekommen und die ganze Geschichte schließlich Clark aus der Nase gezogen – und prompt auch darauf bestanden, dass Tim auf der Couch schlafen würde, vielen Dank – selbst als Tim sie darauf hinwies, dass er doch besser über Nacht unter Beobachtung bleiben sollte. Martha hatte ihn ihrerseits daran erinnert, dass sie dafür zwei Leute mit Supersinnen im Haus hätten. Kon hatte nicht gewusst, was er ihr sagen sollte, als sie ihn danach in die Enge getrieben und gefragt hatte, was denn zwischen ihm und Tim passiert war. Er konnte Ma nicht anlügen – hatte er noch nie gekonnt. Was aber auch bedeutete, dass er ihr nicht versichern konnte, dass da nichts lief. Er hatte es versucht – sogar schon den Mund geöffnet, um seine Unschuld zu beteuern – aber im selben Moment hatte er sich an das Gefühl von Tims schlankem, muskulösem Oberschenkel erinnert, der sich zwischen seine eigenen schob. Von Tims Zunge, die sein Ohr entlang fuhr. Und er hatte kein Wort herausgebracht. Kon hatte es ihr nicht sagen können, weil er es auch nicht wusste. Tim war ein verflucht guter Schauspieler – er wurde wirklich zu seinen Undercover-Rollen – aber selbst das Wissen darum hatte Kon nicht darauf vorbereitet, wie es sich anfühlen würde, wenn er dabei in den Blickpunkt geriet. Tim hatte verdammt nochmal sehr so gewirkt wie jemand, der Kon an die Wäsche wollte – genug, dass sogar Kon ihm vorübergehend auf den Leim gegangen war. Das war geschauspielert gewesen, da war Kon sich jetzt, bei Tageslicht, sicher. Es war seine eigene Reaktion darauf, die ihn verunsicherte. Tim und Lois stritten sich inzwischen über irgendwas, weshalb Kon sie ausblendete und stattdessen Clark dabei zuhörte, wie er sich den Dreck von den Stiefeln stampfte. Im Gegensatz zu Kon verwendete er seine Kräfte nie für so etwas Triviales wie das Umgehen von Hühnerdreck. Clark kam ins Haus. „Clark, Schatz“, hörte er Martha sagen, „Geh und sieh doch bitte nach, ob Conner schon wach ist.“ Was wahrscheinlich hieß, dass sie alle bereits wussten, dass er wach war. Kon seufzte und drehte sich um, damit er an seine Hosen kam. Er schwebte weit genug nach oben, um sie sich über seine Boxershorts zu ziehen, bevor er sich an die Bettkante setzte und mit den Händen durch seine Haare wuschelte. Clark klopfte am Türrahmen an, als er die Tür bereits aufdrückte, was Kon wahrscheinlich genervt hätte, wenn das Anklopfen nicht sowieso ein absoluter Witz gewesen wäre. Immerhin konnten sie sich gegenseitig sowieso durch das Holz hindurch sehen. „Hey“, begrüßte er ihn und streckte den Kopf zur Tür herein, „Kommst du runter zum Frühstück?“ Einen Augenblick lang überlegte Kon, einfach nein zu sagen. Er könnte sich den ganzen Tag hier oben verstecken, vielleicht könnte er zum Fenster hinaus fliegen und entkommen. Vielleicht bräuchten sie ja einen Superhelden in Abu Dhabi oder so. Clark schlüpfte ins Zimmer und schloss hinter sich die Tür. „Oder… wir könnten reden?“ Frühstück klang mit einem Mal wie eine fantastische Idee. Aber da war es schon zu spät – Clark kam bereits zu ihm herüber, um sich neben Kon auf die Bettkante zu setzen. Kon glättete die Decke und beförderte eine Unterhose so heimlich wie möglich mit seinem Fuß unters Bett. „Ähm“, machte Clark, sein Blick auf die Wand gerichtet, „Ich will nicht, dass du denkst, dass ich irgendwas vor dir versteckt hab, weil das hab ich nicht. Es ist nur… Einige Dinge liegen in der Vergangenheit und es wird nicht oft drüber gesprochen. Es gab nie einen Grund, es anzusprechen.“ „Klar“, stimmte Kon zu, in der Hoffnung, das schnell hinter sich zu bringen. „Und… Ich wollte dich nicht beleidigen. Oder Tim. Als ich gesagt hab…” Clark schluckte. „Als ich dir erzählt hab, dass ich dachte, es war seine Idee, dich in den Club einzuschleusen, sollte das genauso sehr ein Kommentar zu Bruces Methoden sein wie alles andere. Und auch zu Tims Fähigkeiten als Undercover-Agent. Es war nicht wertend gemeint. Es war…” Er seufzte. „Ich hab deine Ehrlichkeit immer bewundert“, versicherte er hastig, „Deine Offenheit, deine Aufrichtigkeit, wie wohl du dich mit dem fühlst, wer und was du bist.“ Kon sah überrascht zu ihm auf: „Echt?“ Endlich begegnete Clark auch seinem Blick. „Ja, Conner. Ich schätze… weißt du, ich hab mich immer fremd gefühlt, egal, auf welchem Planeten ich war. Auf der Erde gehöre ich nicht dazu wegen meiner Kräfte. Auf New Krypton gehörte ich nicht dazu, weil ich anders aufgewachsen bin.“ Clark zuckte die Schultern. „Natürlich ist es einfacher mit Leuten, die mich als Clark und als Superman kennen – mit meiner Familie, zu der du auch gehörst. Auch mit Tims Familie. Vor allem mit Tims Familie, weil… tja, Ma kennt mich sehr gut. Aber sie wird nie wissen, wie es sich anfühlt, Menschenleben in den Händen zu halten.” Zumindest nicht, seit Clark zu groß geworden war, um getragen zu werden, ging es Kon durch den Kopf. „Vom ersten Tag an, als ich dich getroffen hab, warst du immer so ehrlich“, fuhr Clark fort, „Du hast nie einen Grund gesehen, dich zu verstecken, bis ich dich in eine zivile Identität gezwungen hab, gegen die du dich mit Händen und Füßen gewehrt hast. Du warst einfach du selber – und du bist am meisten du selber, wenn du da draußen bist und das tust, was du am besten kannst. Wenn du mit deinen Freunden zusammen bist. Offen gesagt bin ich neidisch. Als Teenager war ich ganz alleine, Kon. Ich musste sie alle anlügen. Ich hab nicht mal Ma und Pa alles erzählt, was mit mir passiert ist, weil ich Angst hatte, dass sie eines Tages einfach beschließen würden, dass das alles zu viel für sie ist und dass sie ohne mich besser dran sind.“ Kon zog seine Beine an und drehte sich auf dem Bett so, dass er Clark zugewandt war, sein Rücken gegen das Kopfende gelehnt. „Sie haben dich geliebt. Lieben dich noch. Du bist ihr Sohn. Für immer. Egal, was ist.” Clark lächelte, auch wenn sein Blick traurig war. „So etwas übersieht man recht leicht als Teenager. Man denkt leicht, Familie wäre etwas, das an Bedingungen geknüpft ist.“ Kon sah auf seine Hände hinunter. „Wenn ich wütend war…“ Clark seufzte erneut. Kon hatte den Eindruck, dass das vielleicht eine Hinhaltetaktik war, während er nach den richtigen Worten suchte. „Ich glaube nicht, dass es Zufall ist, dass ausgerechnet Tim dir Rückendeckung gibt, als du das erste Mal in deinem Leben diejenigen Leute, denen du wichtig bist, wirklich angelogen hast. Nein“, redete er weiter, als Kon seine Hände zu Fäusten ballte, „lass mich bitte diesmal ausreden. Ich glaube, wir hatten schon genug Missverständnisse. Ich verurteile Tim hier nicht als Person. Ich weiß, dass die Dinge in Gotham anders laufen. Bruce und Tim und sogar Dick müssen lügen, um auch nur zu funktionieren, um das tun zu können, was sie tun. Die Leute müssen glauben, dass sie etwas Anderes sind als sie in Wirklichkeit sind – und zwar den ganzen Tag und die ganze Nacht, die ganze Zeit, weil sie ansonsten ziemlich sicher umgebracht würden. Ich kenne Bruce jetzt schon sehr lange, Kon, und ich weiß, wie anstrengend das ist, aber für sie alle ist das zu ihrer zweiten Natur geworden. Sie können eben nicht durch Wände sehen oder von der Stratosphäre aus lauschen und dann eine ganze Bande auf einen Schlag ausschalten – sie müssen sie unterwandern, sie abhören, Monate lang Handelsmanifeste und Verbrechensmuster verfolgen und dann schlagen sie zu. Und… sie bitten extrem selten um Hilfe.“ “Tim bittet mich um Hilfe”, protestierte Kon. Einen Moment später allerdings, als ihm auffiel, wie extrem ungleich das Verhältnis von Gefallen war, die sie einander schuldeten, fügte er noch hinzu: „Manchmal.“ „So oft wie du bereit wärst zu helfen?“ „Naja“, erwiderte Kon und sein Blick ging zur Wand, „Nein. Aber auch nur, weil ich ihm immer helfen würde, wenn er mich darum bitten würde. Das ist… Wir sind Freunde. Dafür sind Freunde da.” Als Kon wieder zu Clark sah, lächelte er. „Was?” „Nichts“, gab Clark unbeschwert zurück, „Ich glaub, mir wird gerade erst so richtig bewusst, dass du echt ziemlich erwachsen geworden bist.“ Kon wandte schnell den Blick wieder ab. „Nicht so schnell“, gab er zurück, „Superboy, du erinnerst dich? Erwarte jetzt bloß nicht, dass ich mich total reif und erwachsen verhalte.“ „Oh“, antwortete Clark, „Ich werde versuchen, keine unverhältnismäßig hohen Erwartungen an dich zu haben.“ Er lachte leise. „Nicht dass ich dir unterstellen wollte, dass du verantwortungsbewusst oder sowas wärst.“ „Oh, Gott, nein“, grinste Kon, „Und bitte, bitte erwähn das nicht Ma gegenüber, ansonsten gibt sie mir noch extra Farmarbeit auf oder so.“ Clark lachte und das Geräusch wirkte irgendwie zu groß für das kleine Zimmer unterm Dach – dasselbe Zimmer, in dem er selbst geschlafen hatte, bevor Kon überhaupt auch nur ein Gedanke im Kopf eines verrückten Wissenschaftlers gewesen war. „Was denn noch? Du hälst doch schon die gesamte Farm am Laufen. Das ist ein Vollzeitjob, der da noch zur Schule und deiner Tätigkeit als Superboy dazu kommt, und du scheinst damit ganz gut klar zu kommen.“ „Weil ich aber auch schummle“, gab Kon zu. Er legte seine Hand auf die Decke und sie ordnete sich in sauberen Reihen an, wie der Mais draußen vor seinem Fenster. „Du klingst gerade, als hätte Pa jemals wirklich noch den Pflug an den Traktor angehängt, nachdem ich 15 geworden bin.“ Kon lächelte und ließ seinen Kopf gegen das Kopfende des Betts ruhen. Das hier war gar nicht so übel. Normalerweise wenn er versuchte mit Clark zu reden, machte das Kon entweder sprachlos oder wütend. Bis jetzt hatte er zum größten Teil beides vermieden. „Was ich aber sagen wollte“, meinte Clark, „wegen Tim. Es ist nicht, dass ich ihm nicht vertraue oder ihn nicht mag oder irgendwas in der Art. Ich bin nur… gewissermaßen schon da gewesen, wo du jetzt bist. Bruce hasst es noch mehr als Tim, um etwas zu bitten, aber das bedeutet nicht, dass er nicht Mittel und Wege hat, uns alle dazu zu bekommen, dass wir tun, was er will. Er kann manchmal ein ziemlich hinterhältiger, manipulativer Bastard sein. Er ist neben Lois mein bester Freund, aber manchmal treibt er mich echt in den Wahnsinn.“ „Tim ist nicht…“, setzte Kon an, ließ dann den Satz aber unbeendet. Er hätte ihn jedenfalls nicht als Bastard bezeichnet. Außer natürlich, wenn er gerade in einen von Tims besonders hinterhältigen und manipulativen Tricks hineingezogen worden war. Hmmm. „Batman ist auch so?“ „Oh ja“, stimmte Clark zu und sein Augenrollen dazu hatte wirklich epische Ausmaße, „Zum Beispiel bringt er seinen Presseagenten dazu, dass er Perry überredet, mich zu einer Veranstaltung zu schicken, bei der er ist.“ Kon zog die Stirn in Falten. „Wenn er meint, dass er vielleicht Unterstützung braucht?“ „Manchmal.“ Clark zuckte die Schultern. „Meistens macht er das, um jemanden zu haben, mit dem er sich unterhalten kann. Denn Gott bewahre, dass er mal zum Telefon greift und mich anruft. Oder mich einfach so ruft.“ Er neigte den Kopf und sah Kon durchdringend an. „Jedenfalls ist das alles mein Versuch dir zu sagen: Wenn du meinst, Tim könnte Hintergedanken bei seinem Trick gestern Abend gehabt haben, dann heißt das wahrscheinlich, dass dem auch so ist.“ Oh. Oh. Kon spürte die Hitze in sein Gesicht steigen und wandte den Blick ab. Oh. Clark dachte… Clark dachte… Was wenn er Recht hatte? „Ich lass dich mal in Ruhe anziehen“, sagte Clark und stand bereits auf. Er hielt auf die Tür zu, drehte sich aber im Türrahmen nochmal um. „Conner. Kon. Du weißt, dass du immer mit mir reden kannst? Ich meine, ich war nicht immer der beste…“ Er ließ den Satz unvollendet in der Luft hängen. „Ja“, antwortete Kon mit rauer Stimme, „Ja, weiß ich.“ Sobald Clark die Tür hinter sich geschlossen hatte, ließ Kon sich auf das Bett fallen und drückte sein Gesicht ins Kissen. Oh Gott. Hatte Clark Recht? Was wenn ja? Was würde das bedeuten? Er könnte Tim so auf gar keinen Fall gegenüber treten! *
Schließlich war er frisch geduscht und hatte sich die Zähne geputzt – selbst wenn er eine eher peinlich lange Zeit mit seiner Frisur verbracht hatte, wenn man bedachte, dass er nur nach unten zum Frühstück ging. Also zog Kon sich ein frisches Paar Jeans und den blauen Pullover an, von dem Martha meinte, dass er seine Augen hübsch hervorhob, und ging nach unten. „Na hallo, du Schlafmütze“, begrüßte Martha ihn, als er die Küche betrat, „Ich dachte schon, du würdest da oben den gesamten Tag verbummeln.“ „Hm“, machte Tim, ohne von seinem Laptop aufzusehen. Sein Veilchen sah heute Morgen noch schlimmer aus. „Ich hätte ihn einfach so mit nach San Francisco nehmen können, so fest wie er geschlafen hat.” Tim nahm einen Schluck von seinem Kaffee. „Ich hab ihn sogar umgezogen, ohne dass er aufgewacht ist.“ Martha lachte leise, aber Clark sah verunsichert zwischen Kon und Tim hin und her und auf Lois‘ Gesicht lag ein leises Schmunzeln. An jedem anderen Morgen ihres Lebens hätte Kon jetzt eine spitze Bemerkung auf Lager gehabt, aber etwas daran, wie Tim ihn nicht ansah, ließ Kon sich kommentarlos setzen. Tim saß am Kopfende des kleinen rechteckigen Tischs, so weit von Clark und Lois weg, wie er nur konnte. Dieser Umstand ließ Kon seinen eigenen Stuhl etwas näher zu ihm rücken und er berührte absichtlich mit seinem Fuß den von Tim, auch wenn er dafür Krypto aus dem Weg scheuchen musste. „Hey“, sagte er unsicher. Tim klappte seinen Laptop zu. „Ich hatte gehofft, dass wir nach dem Frühstück zum Tower aufbrechen.“ „Okay“, meinte Kon, weil das vielleicht nicht das war, worüber er eigentlich hatte reden wollen, aber er wollte dieses Gespräch, das sie anscheinend führen mussten, sowieso nicht vor seiner ganzen Familie führen. Martha stellte einen vollen Teller und einen Becher Kaffee vor Kon ab und ging sich dann ihr eigenes Frühstück bereiten. Kon schnappte sich den Kaffee und hielt sich wie an einer warmen, duftenden Rettungsleine daran fest. Als er auf seinen Teller sah, fand er darauf einen Stapel Blaubeer-Pfannkuchen. Er sah zu Tim, auf dessen Teller eine Portion Essen fehlte, die wahrscheinlich das mathematisch exakt berechnete Minimum dessen darstellte, was er essen müsste ohne unhöflich zu wirken. Die anhimmelnden Blicke, die Tim von Krypto bekam, ergaben auf einmal deutlich mehr Sinn. Tim stellte seine Kaffeetasse ab. „Lois hat einige interessante Informationen aus einem der Deputys des Sheriffs heraus bekommen, während wir den Leuten in der Notaufnahme Unbehagen bereitet haben“, erzählte er mit einem Nicken in ihre Richtung. „Mmh“, schluckte Lois den Bissen Pfannkuchen in ihrem Mund hinunter. Dann meinte sie fröhlich: „Sie haben ein komplettes Geständnis bekommen. Euer fanatischer Spinner hat alle drei von euch vermuteten Verbrechen gestanden und noch ein paar weitere.“ Kons Gabel fiel klirrend auf seinen Teller. „Weitere?“ „Einige Morde, die vorher für Unfälle gehalten worden waren“, erklärte Tim, „und der ungeklärte Mord an einem Landstreicher letztes Jahr.“ Kon stützte seine Ellbogen auf den Tisch und vergrub sein Gesicht in den Händen. „Ellbogen“, schimpfte Martha, ohne von ihrem Teller aufzusehen. Kon ließ seine Hände in den Schoß fallen. „Also… sperren sie ihn wenigstens weg? Ich nehme an Iron Heights? Bart könnte ihn im Auge behalten.” „Falls die Geständnisse anerkannt werden“, gab Tim zurück, „dann vielleicht.“ „Vielleicht?“ „Die Chancen sind recht hoch, dass er als schuldunfähig eingestuft wird.“ Kon fluchte. „Conner Kent!“, herrschte Martha ihn an. Sie und Clark sahen beide gleich empört drein. „Keine Schimpfworte am Frühstückstisch!“ „Ich finde ja, das ist eine angemessene Stellungnahme“, meinte Lois trocken. Sie nahm noch einen Schluck Kaffee. „Es wird noch eine Weile dauern, bis sie mit den Tests und den Anhörungen fertig sind, aber momentan ist er erst mal zur Feststellung in Keystone.“ „Er wird so oder so weggesperrt“, versicherte Clark ihm, „Weg von allen, denen er sonst noch wehtun könnte. Und vielleicht bekommt er ja die Hilfe, die er braucht. Er ist noch jung.“ Tim schnaubte verächtlich. „Selbst wenn wir mal annehmen, dass diese Hochsicherheits-Einrichtung für die kriminell Geisteskranken auch nur irgendwie besser als Arkham ist…“ Er schüttelte den Kopf. „Meiner Erfahrung nach ist es sehr schwer, jemanden von Religion zu heilen.“ Martha sah ihn missbilligend an, aber es war Clark, der meinte: „Das ist schon furchtbar zynisch, Tim. Selbst für dich.“ „Hm“, machte Tim düster, „Hast du denn jemals Valley auch nur getroffen?“ „Wen?“, fragte Kon. Tim richtete seinen Blick nach oben, bevor er Kon einen amüsierten Blick zuwarf. „Erzähle ich dir später. Die Sache ist die, dass wir in Gotham unseren fairen Anteil an religiösen Spinnern haben – wahrscheinlich sogar mehr als das. Und es geht nie gut aus.“ Er machte eine Pause und grinste. „Nachdem ich selbst ja nie im Zentrum einer Sekte gestanden habe…“ Martha räusperte sich, bevor Clark oder Kon auf diese so offensichtliche Provokation eingehen konnten. „Ich denke, das war jetzt genug Mord und Religion am Tisch für einen Morgen. Als nächstes wollt ihr noch über Politik streiten!“ „Hm“, machte Tim mit einem Funkeln in den Augen, „Lois – bezüglich dieses Exposés, das du über Senator Kaseys Missbrauch von Wahlkampfmitteln geschrieben hast…“ „Meinst du das über die Yacht oder das über die minderjährigen Prostituierten?“ Kons Fuß stieß im selben Moment gegen Tims Knöchel, in dem Clark etwas machte, das Lois zusammenzucken ließ. Martha seufzte nur, den Blick zur Decke gerichtet. Als Kon ein wohlbekanntes Rumpeln von etwas weiter die Straße hinauf hörte, setzte er sich mit einem Ruck auf. „Was?“, fragte Tim, augenblicklich wachsam. Clark legte den Kopf leicht schief. „Ma“, fragte er, „erwartest du jemanden?“ „Oh“, antwortete sie beiläufig, „Hab ich das nicht gesagt? Jake hat angerufen. Hat gesagt, er würde vorbeischauen.“ Sie warf Kon einen Blick zu, der ihn sein Besteck gerade noch festhalten ließ. „Er hat sich solche Sorgen gemacht. Ich hab ihm gesagt, er sollte dich am besten selbst besuchen kommen.“ „Oh, wie nett“, meinte Tim tonlos. Er stand auf. „Ich geh mich mal umziehen.“ „Was?“, stieß Kon aus und stand ebenfalls auf, „Warum? Du siehst—“ wie Tim aus, begriff er, als er sein T-Shirt und die leicht ausgebeulten Jeans registrierte. „Tja, Darling“, gab Tim in einem Ton zurück, der Martha leicht die Augen verengen ließ, „Niemand sollte mich sehen, wenn ich mich nicht von meiner besten Seite zeige.“ Lois lachte, als er aus dem Raum schlenderte, auch wenn Martha weiterhin mürrisch aussah. Kon schnappte sich seinen und Tims Teller und ging zur Spüle hinüber. Krypto folgte ihm und sah bettelnd zu ihm auf, so dass Kon den Rest von Tims Frühstück in den Hundenapf kippte. Dann stellte er die beiden Teller in die Spüle und gab etwas Spülwasser darüber. Er wusch sich die Hände und trocknete sie ab. Als er hörte, wie Jake den Motor abstellte, ging er, um ihn zu begrüßen. Als Kon hinaus auf die Veranda trat, stieg Jake gerade aus dem Truck aus. Er griff nochmal über den Sitz hinweg und nahm eine flache weiße Schachtel auf, bevor er schnell die Stufen herauf kam. Vor Kon blieb er stehen, die weiße Schachtel wie eine Opfergabe von sich gestreckt. „Wie, äh. Wie geht‘s Tim?“, fragte er nervös. „Oh“, meinte Kon, „Ihm geht‘s gut. Ich mein – also, er hat noch eine recht große Sache draus gemacht, aber Doc Gomer sagt, es geht ihm gut. Was ist, äh…“ „Kuchen“, gab Jake hastig zurück. Er schob ihm die Schachtel noch etwas weiter entgegen und Kon nahm sie. „Es ist ein, äh, Kirschkuchen. Nell hat ihn gebacken. Er ist wirklich lecker.“ Kon sah zu der Schachtel in seinen Händen. „Danke.“ Jake verlagerte sein Gewicht von einem Fuß auf den anderen. „Jedenfalls“, meinte er, „wollte ich nur, äh. Nur sichergehen, dass es dir gut geht. Dass es euch beiden gut geht, meine ich. Tim auch.“ „Er hat ein verdammt heftiges Veilchen“, lachte Kon leise, „aber er heilt recht schnell.“ „Oh“, machte Jake und klang dabei, als hätte Kon etwas Überraschendes und gleichzeitig Wichtiges gesagt. Seine Augen verengten sich leicht, aber Kon war sich nicht sicher, was dieser Blick zu bedeuten hatte. Ein paar Sekunden später schüttelte er den Kopf und sein Blick senkte sich wieder zu seinen Füßen. „Ich, äh… hatte den Eindruck, dass er mich nicht besonders mag“, meinte er leise, „Du hast ihm nichts erzählt… ähm…“ Kon hustete. „Wir haben nicht—“ Er brach ab und änderte nach kurzem Überlegen seine Aussage: „Ich hab nicht viele Geheimnisse vor Tim. Wäre auch ziemlich zwecklos. Er findet‘s ja doch irgendwann raus.“ Er zuckte die Schultern. „Er ist einfach zu schlau für mich.“ „Sag sowas nicht“, erwiderte Jake und sah, plötzlich grimmig, erneut zu Kon auf, „Sagt er das etwa?“ „Was?“, fragte Kon verblüfft, „Nein! Nicht dass – Jake, ich werte mich hier nicht selber ab und ich denke auch nicht, dass ich ein Idiot bin. Tim ist einfach nur richtig schlau.“ Jake gab einen unverbindlichen Laut von sich. Er runzelte die Stirn und sah wieder zu seinen Füßen hinunter. Er streifte mit dem Schuh über den Stufenabsatz und klopfte damit einen Klumpen Erde zu Boden. „Ich muss ja zugeben“, sagte er leise, „er… ist nicht ganz das, was ich erwartet hatte.“ Ehrlich gesagt war er auch nicht ganz das gewesen, was Kon erwartet hatte, aber das konnte er Jake nicht sagen. Urgh, er hatte Recht gehabt. Alle seine Freunde würden sich fragen, warum zur Hölle er mit einem Arsch wie Tim Wayne zusammen war – und wenn nicht, würden sie sich Chases Vermutung anschließen, dass er nur für das Geld mit ihm zusammen war oder so. „Man muss ihn erst näher kennenlernen“, erklärte Kon, „Er ist anfangs etwas… kratzbürstig, schätz ich. Er hat mich früher in den Wahnsinn getrieben. Wir haben echt ständig gestritten. Aber wenn er einem mal vertraut… wenn er sich einem mal öffnet, ist er echt ein ganz anderer Mensch. Ein echt toller Mensch.“ Jake sah nicht überzeugt aus, aber er nickte. „Denkst du, er hat das ernst gemeint? Dass ich nach Gotham kommen soll?“ „Oh, um Himmels Willen!“, ertönte Tims Stimme von der Tür, was Kon und Jake beide zusammenzucken und sich ertappt zu ihm umdrehen ließ. Er hatte sich elegante und wahrscheinlich teure Kleidung angezogen und seine Frisur gerichtet und… war der Bluterguss etwa dunkler? „Conner, bitte deinen Freund herein.“ Er verdrehte theatralisch die Augen. „Im Ernst, bist du in einer Scheune aufgewachsen?“ Er hob seine Hand. „Sag jetzt nichts darauf.“ Kon funkelte ihn düster an. „Es sei denn“, fügte Tim neckisch hinzu, „ihr beide wolltet lieber allein sein.“ Kon schüttelte den Kopf und rieb sich mit der Hand, die nicht den Kuchen hielt, den Nasenrücken. „Komm rein“, forderte er Jake auf. Tim hielt ihnen die Tür auf und Kon deutete, dass Jake zuerst gehen sollte, so dass er Tim gegen sein Schienbein treten könnte, ohne Verdacht zu wecken. Natürlich wich Tim aus. Sie gingen alle zusammen in die Küche, wo Jake wie versteinert innehielt, als er Clark und Lois ihre Pfannkuchen fertig essen sah. „Oh“, gab er leise von sich, „Guten Morgen.“ „Jacob!“, begrüßte Martha ihn freudig, „Komm und frühstücke mit uns!“ „Oh, ich – das kann ich aber wirklich nicht“, gab Jake unbeholfen zurück. „Ich wollte nur…“ Seine Augen fingen mit einem Mal an zu leuchten. „Sind das Blaubeeren?“ Martha schmunzelte und nahm einen weiteren Teller aus dem Schrank. „Jake hat einen Kuchen mitgebracht“, erzählte Kon, als er ihn auf der Küchentheke abstellte und die Schachtel öffnete, um einen Blick hinein zu erhaschen. Er sah wirklich gut aus – dunkel wie echte Kirschen und nicht wie das künstliche Rot von Füllung aus der Dose. Er roch auch sehr gut. Kon nahm mit dem Finger einen großen Tropfen Füllung auf und leckte ihn sauber, bis er aufsah und bemerkte, dass alle ihn beobachteten. „Oh“, machte er, „Clark, Lois, das ist Jake. Er ist ein Schulfreund von mir.“ Clark lächelte breit. „Du bist Carl Jenkins‘ Junge, oder?“ Er stand auf und streckte ihm eine Hand entgegen. „Dachte ich mir doch, dass du mir gestern Abend schon bekannt vorgekommen bist.“ Jake ließ einfach nur… zu, dass seine Hand genommen und geschüttelt wurde, wobei er geschäftigt überall hin sah, nur nicht zu Clark. „Ja, Mister Kent“, murmelte er und seine Ohren färbten sich rot. Kon sah zwischen ihnen hin und her und merkte, wie seine Augen groß wurden. Clark lachte. „Einfach Clark, bitte. Sonst fühle ich mich alt wegen dir. Als wäre das nicht sowieso schon der Fall. Meine Güte, ich habe dich nicht mehr gesehen, seit du—“ Er ließ Jakes Hand los, um etwa die Höhe seines Oberschenkels anzudeuten. „—etwa so groß warst?“ „Er ist ziemlich in die Höhe geschossen, nicht wahr?“, gab Martha warmherzig zurück. Sie tätschelte Jakes Schulter und drückte ihm einen Teller mit einem großen Stapel Pfannkuchen darauf in die Hand. „Iss nur.“ „Danke, Mrs. Kent.“ Martha winkte ab. „Oh, Junge, nenn mich Martha. Ma, wenn du magst. Wie alle anderen auch.“ Sie blickte zu Tim. „Oder die meisten zumindest.“ „Ja, Ma’am“, murmelte Jake mit einem Lächeln. Er zog sich einen Stuhl hervor und setzte sich. Krypto setzte sich auf seine Füße, um zu betteln – und wurde für seine Bemühungen am Kopf gestreichelt. „Um deine Frage zu beantworten“, schaltete Tim sich wieder ein, „Ich hab es absolut ernst gemeint, als ich dich eingeladen hab, uns zu besuchen. Du bist Conners Freund, was bedeutet, dass wir uns besser kennenlernen sollten, und ich denke wirklich, dass Giles begeistert sein wird, dich kennenzulernen.“ Er schob sich eine Haarsträhne zurück. „Die Feier ist nur halbförmlich, du musst also nicht im Smoking erscheinen. Du kannst auch gerne ein Date mitbringen, was aber natürlich keine Notwendigkeit ist.“ Er sah zu Kon und brach ab. „Oh, komm schon her“, meinte er entnervt. „Was?“, fragte Kon ertappt und schloss den Deckel der Kuchenschachtel hinter seinem Rücken wieder. Tim deutete ihm nur näher zu kommen, weshalb Kon auch ein paar Schritte auf ihn zu ging, bis Tim sich ihm regelrecht entgegen warf und sein Kinn ergriff. Er fischte ein Taschentuch aus seiner Tasche und leckte es ab, bevor er Kons Mundwinkel abwischte, was ihn zusammenzucken ließ. Lois verbarg ihr Kichern nur schlecht hinter ihrer Kaffeetasse. „Soll ich einen Wagen für euch bestellen?“, fragte Tim, als er von ihm abließ und das – mit Monogramm versehene, bemerkte Kon – Taschentuch zu einem ordentlichen Quadrat faltete, bevor er es wieder einsteckte. „Ich hasse es, daran zu denken, dass du deine arme Tante den ganzen Abend ohne ein Fortbewegungsmittel zurücklässt. Ich würde ja selbst kommen und dich abholen, aber ich komme erst mittags aus Berlin zurück. Das sollte also genug Zeit lassen, den Jet wieder aufzutanken und euch beide in Wellington abzuholen.“ Kon blinzelte und musste schwer schlucken. „Beide?“, fragte er. Irgendwie war ihm nicht bewusst gewesen, dass er auch dorthin müsste. Und wenn Jake und er beide zu dieser Feier gingen… Oh Gott! Kon begriff mit einem Schlag, was das bedeutete. Mehr Tim Wayne. Mehr Conner Kent, Tim Waynes fester Freund. Das Vorspielen war noch nicht zu Ende. Kon war sich, über ein ausgeprägtes Unbehagen in seiner Magengegend hinaus, noch nicht einmal so sicher, was er davon halten sollte. Er konnte auch nicht ablehnen, mit Jake hier neben ihm sitzend, oder es auch nur offen ansprechen – um herauszufinden, was Tim eigentlich dachte, was er wollte… „Äh“, machte er und hoffte, dass Jake sich zu sehr auf seine Pfannkuchen konzentrierte, um Kons plötzliche Beklommenheit zu bemerkten. „Ähm. Um wie viel Uhr am Donnerstag?“ Am anderen Ende des Raums seufzte Clark und flüsterte, zu leise für menschliche Ohren: „Ich sag dir wirklich ungern, dass ich es dir ja gesagt habe.“ ENDE
(ohwohl: Noch nicht ganz, es gibt noch einen Epilog! ) |