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[ab 18!] say my name (6|16) - Druckversion

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say my name (6|16) - June - 07.06.2021

Kapitel 6
said I couldn't love someone

D:
Guten morgen steve!
(sind guten morgen nachrichten okay oder ist das zu viel?)


Castiel lächelte, als er alleine am Küchentresen saß und seine Katerkopfschmerzen mit einer heißen, starken Tasse Kaffee behandelte. Es war lange her, seit er einen Kater gehabt hatte; Alastair mochte es nicht, wenn er zu viel trank. Aber nachdem Dean und er gestern abend begonnen hatten, “zusammen zu trinken", hatte er die ganze Flasche Wein leer getrunken und bis in den Morgen mit Dean getextet.
Es war - schön gewesen, sich mit jemandem so zwanglos zu unterhalten. Das hatte er schon lange nicht mehr gehabt.

Du:
Hallo, Dean. Guten-Morgen-Nachrichten sind vollkommen in Ordnung. Ich wünsche dir auch einen guten Morgen.


Als Alastair nach Hause kam, wollte Castiel ihm davon erzählen. Er wollte kein Geheimnis daraus machen, warum auch. Es war lächerlich, es waren nur ein paar Textnachrichten.
Aber Alastair's Laune war nicht viel besser als am Abend davor und der Griff in seinen Haaren, als er ihm einen Kuss aufdrückte fast schon grob.
Also stellte Castiel sein Handy auf stumm und lächelte über eine schneidende Bemerkung wegen gestern Abend. Er würde es ihm ein andermal sagen.
Es war kein Geheimnis, er verheimlichte es nicht, er wartete nur auf den richtigen Augenblick, richtig? Richtig.

~*~

D:
Was ist eigentlich deine lieblingsfarbe steve?


Castiel schnaubet ein kurzes Lachen, als er die Worte auf seinem Handybildschirm las und sendete kopfschüttelnd eine Antwort, ehe er die neuen Dosen Bio-Tomaten ins Regal räumte:

Du:
Warum fragst du? Und ich weiß nicht. Blau vielleicht? Oder Grün?

Er dachte dabei nicht an Deans Augen, die auch grün waren, unnatürlich grün, wie Gras nach einem Regenschauer, aber daran lag es nicht. Grün war generell eine schöne Farbe.
Die neue Glaskugel für den Schrank im Flur, die er gekauft hatte, war grün, vollkommen ohne Zusammenhang.

D:
Einfach so
Smalltalk Smile
Gute wahl!
ich mag blau auch Smile


Castiel lächelte, schüttelte wieder den Kopf und steckte das Smartphone zurück in die Westentasche.

~*~

D:
Okay, Steve! Wichtige Frage:


Castiel runzelte die Stirn und schluckte unwillkürlich nervös, während er sich nochmal kurz um blickte, ehe er hinter dem Regal etwas in Deckung ging und das Display wartend anstarrte.

Zwei Fotos tauchten auf.
Das erste zeigte Dean in einem rot-braun-karierten Hemd, den Kragen hielt er mit einer Hand an sein markantes Kinn, die andere nahm mit dem Handy das Foto auf, die Haare wild durcheinander und offensichtlich noch leicht feucht. Darunter trug er ein schwarzes T-Shirt und zog ein Gesicht wie ein Sexsymbol aus den 60ern.
Castiel schnaubte unwillkürlich amüsiert.
Bei dem anderen hatte er die Haare unordentlich - wahrscheinlich mit den Fingern - nach hinten gekämmt, fotografierte sich von schräg oben rechts und ließ das blau-grün-karierte Hemd offen und locker um seinen Körper fallen und sah aus als würde er einem nicht vorhandenen Ozean entgegen starren.
Castiel konnte in den Fotos die Ahnung von Muskeln unter dem schwarzen T-Shirt ausmachen, die dunkle Jeans, die er trug, schmiegte sich eng um seine Oberschenkel und-
Er räusperte sich und scrollte weiter zu der nächsten Nachricht: 

D:
Welches hemd ist besser?


Er lächelte etwas schüchtern, grinste fast schon. Dean wollte wirklich seinen Rat?
Nun, also - gerne! Er scrollte nochmal nach oben und betrachtete die beiden Bilder und Hemden (vor allem die Hemden!) eingehend.

Du:
Wieso muss es überhaupt eines der beiden sein? Du könntest auch nur das T-Shirt tragen.
Aber das blau-grüne.

Er zögerte noch einen Moment; Weil es ihn nichts anging. Und es war auch vollkommen egal. Aber-

Du:
Was ist der Anlass?

D:
Mein bruder stellt mir seine neue freundin vor
ich soll “mir was vernünftiges anziehen und kein arsch sein”


Du:
Und weil du nur eines von beidem schaffst, hast du dich gegen das vernünftig anziehen entscheiden?
Das ist sehr freundlich, Dean, dein Bruder wird sich sicher freuen.
Habt viel Spaß!

D:
OUCH! STEVE! Das tat weh!
:’(


Du:
Tongue

~*~

Als Castiel sich wieder heftig mit Alastair stritt, hatte er danach das Handy drei Tage lang ausgeschaltet. Er wollte nicht weitere Spannungen provozieren und Alastair schien regelrecht nach etwas zu suchen, wegen dem er sich streiten konnte.
Außerdem fühlte er sich schuldig, weil er ihm immer noch nichts von Dean und den Textnachrichten erzählt hatte - und immer weniger wusste, wie er es ihm erzählen sollte.

Aber jetzt hatte er sich erstmal um etwas anderes zu kümmern.
Alastair hatte ihn im Streit gegen den Tisch geschubst, natürlich nicht absichtlich; Aber er hatte einen kleinen, nicht erwähnungswürdigen blauen Fleck am Oberschenkel und sein Keramik-Kerzenständer war dabei zu Bruch gegangen.

Also stand er jetzt in einem Laden, umringt von Dekorationen und Nippes jedweder Art und seufzte gedehnt. Er fühlte sein Handy prominent in seiner Hosentasche.
Normalerweise würde er tagelang nicht mal bemerken, wenn sein Handy nicht an wäre.
Aber irgendwie hatte er sich schleichend daran gewöhnt, dass es immer öfter fröhlich vibrierte, nicht nur mit Wetter-Updates oder Newsletter-Mails von Online-Shops sondern mit Nachrichten von Dean.
Sie schrieben fast täglich, außer wenn er zu Hause war, und Dean ließ ihn an allen möglichen und unmöglichen Dingen teilhaben.
Es war- Er vermisste es nicht, das vibrierende Handy, also nicht wirklich. Aber er fragte sich, ob- Vielleicht?
Irgendwann war die Überraschung über neue Nachrichten dieser beruhigenden Präsenz, der Gewöhnung gewichen, ohne, dass er es überhaupt bemerkt hatte.
Und jetzt fragte er sich, ob Dean ihm vielleicht wieder geschrieben hatte.
Seine Lippen fuhren einmal kurz über seine Lippen, während er sich fast verstohlen umsah, das Handy heraus holte und es einschaltete.
Er würde es wieder ausschalten, bevor er zu Hause war; Er wollte nur kurz - und der Gedanke brachte ein Lächeln auf seine Lippen - “seine Nachrichten checken”.

Sofort vibrierte es ekstatisch in seiner Hand und das Lächeln, das auf seinen Lippen erschien wurde fast wehmütig.
Dean…

D:
Heya steve karten auf den tisch
Was ist dein lieblingssong?
Ich bin unentschieden zwischen Led Zeppelins "Ramble On" und "Travelling Riverside Blues”
Heya steve alles okay?
Ja ich weiß du hast dein handy aus wenn du zu hause bist
Aber meld dich kurz wenn du kannst ja?
Nicht dass das hier sinn hätte, die nachrichten kommen ja gar nicht durch
Okay, steve es sind jetzt schon ein paar tage und ich mach mir keine sorgen okay?
Aber ich würde gerne wissen ob alles in ordnung ist?
Steve?
Komm schon buddy bitte
du antwortest sonst immer
okay fuck ich mach mir sorgen


Etwas in Castiel zog sich bitter zusammen, als seine Augen über all die Nachrichten glitten und er fuhr sich durch die Haare, während er tief atmete.
Er hatte Deans Sorge wirklich nicht verdient. Er hatte nicht verdient, dass Dean sich so- sich so für ihn interessierte, dass er ihm mehrere Nachrichten schrieb, obwohl er wusste, dass sie nicht durchkamen.
Dass er sich so um ihn sorgte.
Dass er ihn so in sein Leben, seines Tagesablauf, einbezog.

Er lächelte schief, fast traurig.
Er sorgte sich um ihn, um seinen “Steve”.
Vielleicht wäre es manchmal leichter, wenn er einfach Steve sein könnte. Steve würde bestimmt nicht so viel falsch machen, Steve würde nicht ständig dafür sorgen, dass sein Freund wütend wurde, Steve würde keine Kerzenständer zerbrechen oder Geld beiseite schaffen für Lammkarree oder Textnachrichten verheimlichen.
Steve wäre eine bessere Version von ihm.

Castie seufzte tief und schüttelte den Kopf, um die unsinnigen Gedanken zu vertreiben und machte sich lieber daran, Dean zu antworten: 


Du:
Hallo, Dean.

Dean musste sein Handy gerade in der Hand gehabt haben, denn augenblicklich sprang seine Nachricht auf gelesen und die drei kleinen Punkte erschienen.

D:
Steve!
Alles in ordnung??


Die Wärme von Deans Sorge drang durch das Display direkt in sein Lächeln und er schüttelte leicht den Kopf.

Du:
Ja, alles in Ordnung.
Die Stimmung der letzten Tage war nur etwas angespannt. Deshalb hatte ich das Handy aus.
Es tut mir leid, dass du dir Sorgen gemacht hast. Das war nicht meine Absicht.

Noch bevor er eine weitere Nachricht schreiben könnte, um damit auf Deans Lieblingslieder zu reagieren, mogelte sich ein Text von Dean dazwischen.
Castiel löschte, was er bereits geschrieben hatte und blickte die Worte verdutzt an.

D:
Schickst du mir eine sprachnachricht?


Sein Mund schnappte perplex nach Worten, aber dann schnaubte er ein kleines Lachen.
Eine Sprachnachricht? Warum wollte Dean eine Sprachnachricht? Er hatte vermutlich seine Gründe, aber… welche?
Was sollte er denn sagen? Sollte er eine schicken?
Na, warum eigentlich nicht.

Castiel lächelte, als er auf den Button für die Sprachaufzeichnung klickte und kurz darauf eine wenige Sekunden lange Nachricht in den Chatverlauf ploppte.

Du:
~~~Hallo, Dean.~~~

Er konnte sehen, wie die Nachricht ankam und geöffnet wurde.
Die Pause, die daraufhin folgte, überraschte ihn allerdings etwas. War etwas an der Nachricht falsch?
Hätte er etwas anders sagen sollen? Naja, es war zumindest nicht sonderlich kreativ gewesen.
Gerade, als er sich dazu entschloss, eine nachfragende Nachricht zu tippen, erschienen die drei kleinen Punkte wieder und spuckten Deans Antwort in den Verlauf:

D:
Danke steve Smile
Du klingst gut
Also gut gehend
Ach vergiss es
Was machst du gerade?


Castiel schnaubte amüsiert und lehnte sich gegen den Tisch mit den zahlreichen und unterschiedlichen Kerzenständern.

Du:
Mein Kerzenständer ist kaputt gegangen und ich wollte mir einen neuen kaufen.


Er zögerte noch einen Moment, schickte Dean dann aber ein Bild von seinen beiden Favoriten: Einer war aus weißem Keramik mit dezent glitzernden silbernen Linien und bot Platz für zwei Stumpenkerzen, er war gebogen und wand sich nach oben wie eine Wasserfontäne. Der andere war geradliniger und kubisch, schwarze Keramik und hatte zwei Plätze für lange Stielkerzen, er wirkte ein wenig wie eine Maya-Pyramide.

Castiel beobachtete, wie Dean die Bilder erhielt und kurz darauf antwortete.

D:
Wie ist er denn kaputt gegangen?
Ich hab keine ahnung von deko (frag charlie)
Aber ehrlich?
Ich würde die beiden dahinter nehmen
Sind die aus eisen?


Castiel runzelte einen Moment verwirrt die Stirn und blickte auf den Tisch, hinter die beiden ausgewählten Kerzenständer in der ersten Reihe.
Und tatsächlich, ein Kontrollblick auf das Foto verriet ihm auch, dass sie auch auf dem Bild zu sehen waren, standen dahinter zwei gusseiserne Kerzenständer für Stielkerzen. Sie wirkten alt und romantisch, wie etwas, das in einem Landhaus auf einem Kaminsims stehen würde.

Er lächelte, umrundete den Tisch und betrachtete die beiden Kerzenständer näher. Sie waren weniger künstlerisch, einfacher aber trotzdem elegant - und robust.
Seine Hand strich über das kühle Material.
Ja, ja wieso eigentlich nicht.

Du:
Danke für den Hinweis, Dean! Die hatte ich noch gar nicht bemerkt.
Ich denke, die werden es.
Um allerdings deine initiale Frage zu beantworten: Ich denke ich hab kein Lieblingslied.
Und ich glaube ich kenne kein einziges Lied von Led Zeppelin.

Castiel lachte ob der Entrüstung, die die nächsten Nachrichten über sein Display ergossen, gefolgt von mehreren Youtube-Links.
Er hörte sie sich an, während er mit der Bahn nach Hause fuhr.
Es war wirklich schwer zu entscheiden, welcher Song besser war.

~*~

Castiel trommelte mit den Fingern auf dem Tresen, wippte mit dem Fuß unruhig auf und ab und starrte sein Smartphone an. Es lag direkt vor ihm, neben der geschlossenen Flasche Wein und dem leeren Glas und schien ihn geradezu zu verhöhnen.

Das war doch - dämlich.
Und falsch. Es war falsch, oder?
Natürlich war es falsch. Es war in jeder verdammten Definition falsch, einen Freund nur dann anzurufen, wenn sein Freund, sein Partner, der Mann, den er liebte nicht in der Stadt war!

Er begann an seinem Daumennagel zu knabbern. Aber es wäre nicht- Castiel ging ja nicht fremd. Er und Dean waren- Sie waren so etwas wie Freunde, konnte man sagen, oder?
Zumindest hatten sie sich in den letzten sechs Wochen regelmäßig geschrieben.
Er wusste einiges über Dean - Dean wusste einiges über ihn.
Sie hatten sich über die Textnachrichten besser kennengelernt. Und ja, er hatte es Alastair nicht gesagt, wie er eigentlich vorgehabt hatte.
Aber- Es schien nie der richtige Moment gewesen zu sein. Die letzten Wochen waren sehr angespannt gewesen; er wusste nicht woran es lag, aber er schien zurzeit einfach alles falsch zu machen. Die Streits waren häufiger geworden - und heftiger. Er fuhr sich abwesend durch die Haare an denen Alastair noch Anfang der Woche grob gezerrt hatte. Es hatte wehgetan, aber Castiel war selbst Schuld gewesen.
Außerdem wusste er, das Alastair dazu tendieren konnte, eifersüchtig zu werden.
Er wollte ihn also nicht unnötig- provozieren.
Aber bei Dean gab es ja auch keinerlei Grund eifersüchtig zu sein!
Er war nur ein- ein Freund.

Sein, zugegeben, einziger Freund.
Normalerweise wenn Alastair ein paar Tage verreiste fühlte sich Castiel leer und einsam und niedergeschlagen, weil er niemanden mehr hatte, mit dem er die Leere in sich und um sich füllen konnte.
Aber der erste Gedanke, der jetzt in seinem Kopf aufgetaucht war, als Alastair ihm gesagt hatte, er würde ein paar Tage verreisen, war, dass er es schade fand, natürlich!, aber auch, dass er- dass er Dean schreiben könnte.
Vielleicht- Vielleicht sogar telefonieren.
Ein wenig texten und Wein trinken.

War das dämlich?
Das war dämlich. Und - vermutlich - an der Grenze des Seitensprungs. Was war die Definition eines Seitensprungs?
Er betrog Alastair doch nicht.
Es wäre nur- nur ein-zwei Gläser Wein.
Da wäre nichts dabei, oder? Es wäre nur ein Treffen mit einem Freund. Und es wäre nicht mal ein richtiges Treffen! Alastair traf sich auch ständig mit seinen Freunden, das war doch das gleiche, oder?
Auch wenn Castiel von den Treffen natürlich wusste und Alastair nicht, weil er feige war und niederträchtig und-

Castiel nahm einen tiefen, langen Atemzug und fuhr sich durch die Haare.

Das war doch lächerlich. Er verhielt sich, als wäre er zwölf!
Außerdem wäre es ohnehin irrelevant, richtig?
Es war Freitagabend! Dean war bestimmt- er war bestimmt aus! Unterwegs mit Freunden, richtigen Freunden, die außerhalb von Textnachrichten existierten, oder auf einem Date.
Vielleicht traf er sich auch mit seinem Bru-, wobei nein. Sein Bruder hatte gerade in einer neuen Kanzlei hier in der Stadt angefangen und Dean hatte sich mehrfach beschwert, dass er so in Arbeit versank, dass er ihn kaum sah.
Dean hätte ihm erzählt, wenn er ihn heute treffen würde.

Castiel schnappte sich geradezu trotzig das Handy und zeichnete das Muster für die Displaysperre ein.
(Noch ein Indiz, dass er ein Arsch war und ein Betrüger; Vor Dean hatte er keine Sperre in seinem Handy gehabt. Er war ein furchtbarer, furchtbarer, durchtriebener Mensch und Alastair hatte besseres verdient.)

Er atmete nochmals tief ein und aus und tippte dann auf das grüne Hörersymbol unter Deans Namen.
Das war doch- Er rief nie an.
Die Leitung klingelte und mit einem mal wurde sein Gesicht kalt.
Er rief nie an.
Was, wenn Dean nicht nur gerade beschäftigt war, sondern auch etwas dagegen hatte, dass er anrief? Immerhin hätte er vorher schreiben können. Nein, sollen!
Er hätte vorher schreiben sollen bevor er Dean spät abends anrief.
Oh Gott, er war so ein Id-

“Heya, Steve?”
Castiel zog scharf und hoch die Luft ein und presste seinen Finger auf den Auflege-Button. Als er realisierte, was er gerade getan hatte- was er schon wieder![i] getan hatte! Verdammt nochmal! Castiel! - war der Anruf bereits unterbrochen.
“Oh Gott.”
Das Handy klingelte in seiner Hand und ein Bild von Dean füllte den Bildschirm hinter dem großen, weißen [i]D.
; Es war das mit dem blau-grün-karierten Hemd und dem lächerlichen Gesichtsausdruck. 
Castiel zögerte tatsächlich einen Moment, atmete nochmal tief durch und nahm dann sichtlich und hörbar zerknirscht das Gespräch an:
“Hallo, Dean."

Bildete er sich das ein, oder hörte er ein schweres Schlucken auf der anderen Seite der Leitung?
“Heya, Steve.”
Er hörte auf jedenfall das Lächeln in Deans Stimme und seine aufgeschreckten Gedanken beruhigten sich etwas.
Seine Stimme war so- warm. Sie war warm, weich und schwer, irgendwie rau, wie sonnengewärmter Syrup an einem Baumstamm.
Seine Anspannung, es lag bestimmt an der Anspannung, schickte einen Schauer seinen Rücken hinab.
Immerhin wirkte Dean nicht wütend.
Aber nichtsdestotrotz hatte er einfach unprovoziert angerufen.

“Ich- entschuldige bitte die späte Störung, ich- uhm- … - Es ist alles in Ordnung!” Ja, das war ein ganz hervorragender Start und er klatschte sich mit der Hand flach gegen die Stirn.
Ein leises Lachen verriet ihm, dass Dean das wohl gehört hatte und es schob sich zäh blubbernd durch die Leitung, sanft aber kratzig, kristalliner Honig.
Castiel schluckte eilig und befeuchtete sich seine Lippen. “Entschuldige bitte. Ich-”
Er war wie gefangen.
Es war Wochen her, dass er Deans Stimme zuletzt gehört hatte; Und das war nur für einen Augenblick gewesen.
Er hatte fast vergessen wie weich und warm sie klang, wie sie sich um einen legen konnte, sanft wie eine Decke.
Die Erinnerung daran, wie Deans Stimme ihn geerdet hatte, jedes Mal, wenn er damals den Notruf gewählt hatte, wellte in ihm auf. Diese Stimme, die Ruhe und Kraft darin, sie hatte ihn eingewickelt und gewiegt und ihn genug beruhigt, um tatsächlich ein paar Worte über seine Lippen zu bringen.
Auch, wenn das natürlich vollkommener Nonsense gewesen war. Es hatte keinen Grund gegeben, den Notruf zu wählen, es war ja nicht mal etwas vorgefallen und-

“Steve?”
Castiel räusperte sich trocken und fuhr sich kräftig, fast schon grob durch die Haare.
“Ja! Ja, ich- eh. Ich bin hier. Ich bin alleine zu Hause.” Er konnte Deans Stirnrunzeln förmlich hören. “Also, nein. Doch- aber. Er- ist verreist. Und- Ich dachte-!” Das Gurgeln, das sich am Ende der Kette unsinnig aneinander gereihter Wörter noch einen Weg aus seinem Mund bahnte, klang fast verzweifelt.
Was tat er hier überhaupt?! “Vergiss es, bitte, Dean, ich - alles ist in Ordnung. Entschuldige die Störung- und- hab-hab noch einen schönen Abend und, ja, also: Gute Nach-”
“Steve, Steve, Steve, Buddy! Hey, warte kurz!”
Castiel erstarrte in der Bewegung, gefroren im Moment und wartete, die Luft angehalten und angespannt.
Stille.
“... Steve, bist du noch da?”
Natürlich.
Er klatschte sich wieder mit der Hand gegen die Stirn und wieder ertönte das leise Lachen von der anderen Seite.
“Ja”, er konnte nicht verhindern, dass er ebenfalls leicht lachte. “Ja, ich bin noch da.”

Er hörte ein Rascheln durch die Leitung und dazu Deans sanftes Lachen.
“Cool. Also, Steve, wieso hast du angerufen?”

Castiel benetzte seine Lippen nervös mit der Zunge und fuhr sich mit den Fingerspitzen über die Kopfhaut und durch die Haare.
Das war - immer noch dämlich.
Aber Deans Stimme klang entspannt und lächelnd und warm.
“Ich bin-” Er schluckte und räusperte sich. “Ich bin allein zu Hause und dachte, vielleicht, falls- falls du Lust oder-oder Zeit- Und…”
Er räusperte sich wieder, schluckte, fuhr sich über die Stirn, aber Dean wartete geduldig auf der anderen Seite der Leitung.
Das war doch - er seufzte. Dämlich.
“Ich dachte, falls du- falls du nichts besseres zu tun hast. Könnten wir… einfach-”
Castiel machte eine lose Handbewegung, die ihm helfen sollte den Rest des Satzes zu beenden, ohne daran zu denken, dass Dean ihn nicht mal sehen konnte.
“Einfach reden?”
Ein Lächeln zuckte in Castiels Mundwinkel bei Deans Tonfall, dem weichen Mitklang, der Ruhe, der- Klang er fröhlich?
Er befeuchtete seine Lippen erneut: “Ja, einfach- einfach reden.”

Es raschelte wieder und Castiel begann unbewusst auf seiner Unterlippe zu kauen, dann: “Klar, Steve!”
Ihm war nicht bewusst, wie angespannt er gewesen war, bis die Härte aus seinen Schultern schmolz und stattdessen ein Lächeln auf seine Lippen trat.
“Wirklich? Du- ich halte dich von nichts- ich meine, du hattest sonst nichts vor?”
Er hörte, wie etwas, das verdächtig nach einem Kühlschrank klang, auf- und zuging, dann das Zischen eines Biers und Deans Schlucken.
“Ich hab vor mit dir zu telefonieren, Steve. Und ich freu mich drüber.”
Da schwang ein Lächeln in Deans Stimme mit, das wirklich ehrlich klang und Castiel konnte nicht anders, als es zu erwidern.
“Ich- eh - ich freu- freu mich auch.”
Er hörte fast, wie Dean lächelnd ausatmete.
“Hast du was zu trinken? Ich komm mir sonst blöd vor.”
Castiel lachte leicht auf und zog die Weinflasche näher an sich, klemmte das Handy zwischen Schulter und Ohr und schraubte sie auf.
“Nein! Also, ja, hab ich; Aber- Also, ich hab Wein hier.”
Dean brummte zustimmend und trank offensichtlich erneut von seinem Bier.
“Guter?”
Castiel schmunzelte bei der Frage und zuckte automatisch die Schultern.
“Ich weiß nicht. Ich - uh - denke? Ich mag ihn.” Er schenkte sich ein Glas ein. “Eh. Cheers-?”
Dean lachte leise: “Cheers. - Also, Steve, wieso bist du alleine zu Hause? Was gibt’s neues? - Uh! Wie geht’s deiner Pflanze, der Orchidee, richtig?”
Castiel, der gerade einen Schluck Wein genommen hatte, verschluckte sich beinah im Versuch möglichst schnell zu antworten, was dazu führte, dass er leicht husten musste.
“Heya, alles okay?”
Er hustet noch kurz, nickte sinniger Weise währenddessen und räusperte sich dann.
“Ja, alles okay, entschuldige. Er ist auf Geschäftsreise, passiert häufiger.” Dass er sonst, wenn das passierte, aber alleine und elend war, und nicht irgendwie fröhlich wie jetzt, ließ er einfach unbeachtet.
Seine Augen richteten sich dann fast automatisch auf die Orchidee, sie hatte ein paar schwere Tage hinter sich und wäre wohl beinah eingegangen; Aber Charlies Mutter kannte sich offensichtlich mit den Pflanzen aus und über diese Ecken hatte er dann ein paar hilfreiche Tipps bekommen.
“Es geht ihr besser, sie ist eine echte Kämpferin! Danke nochmal an Charlie und ihre Mutter, für die Tipps.”
Das Lächeln, das dabei um seine Lippen spielte, war warm, vielleicht ein bisschen sehnsüchtig und dankbar.
Er hatte schon seit- seit einer gefühlten Ewigkeit niemanden mehr gehabt, mit dem er über seine halbtoten Pflanzen reden konnte, oder über überhaupt irgendwas. Alastair interessierte sich verständlicherweise nicht für das belanglose Geplapper seiner uninteressanten Tage.
Aber Dean- Dean wollte solche Dinge wissen.
Die Orchidee hatte er von seiner Schwester, Anna, geschenkt bekommen, damals, als sie noch Kontakt gehabt hatten. Sie- Sie bedeutete ihm viel. Und es kribbelte und drehte sich warm und schwindelig in seinem Bauch, wenn er daran dachte, dass diese kleine Information ausgereicht hatte, dass Dean unprovoziert mit Charlie darüber sprach, damit sie ihre Mutter fragen konnte.
Das war einfach- so unerwartet freundlich.

“Das ist super, Steve! Ich richte es aus. Die beiden werden sich bestimmt freuen!”
Castiel schüttelte lächelnd den Kopf, klemmte das Handy wieder zwischen Schulter und Ohr und nahm dann Weinflasche und Glas mit zur Couch, um sich dort in die weichen Kissen gleiten zu lassen.
“Und bei dir, Dean? Wie läuft es bei deinem Bruder? Hast du ihn seit seit dem Treffen vor zwei Wochen nochmal gesehen?”
Dean schluckte das Bier nicht runter, bevor er entrüstet mit Mh-Mmmm! antwortete.
“Nein, kannst du dir das vorstellen?! Dieser kleine Pisser ertrinkt in Arbeit!”
Castiel lachte, als Dean weiter über seinen kleinen Bruder erzählte, über seine Arbeit, seine Kollegen, seine Freunde.
Er schickte Grüße zurück, als er Charlies fröhliche Stimme durch die Leitung hörte und sie sich freute, als sie hörte, er wäre am Telefon. (”Was? Steve? Cool! Grüße! Küsschen! - Wie gehts der Orchidee?” - “Er sagt sie erholt sich und kämpft weiter, Danke an dich und deine Mum!” -”Whoop! Spitze, aber jetzt: Peace out, bitches! Ich treff mich mit Gilda!” und ein lautes, schmatzendes Kuss-Geräusch.)

Die Zeit verging schneller, als er gedacht hatte, und ehe er sich versah, war es mitten in der Nacht, der Wein war leer und er und Dean hatten stundenlang geredet und getrunken.
Im Moment kicherte er unartikuliert über eine Geschichte, die Dean erzählte, halb eingesunken in die Couchkissen, träge und wattig in Kopf, während Deans warme, leicht lallende Stimme ihn wohlig umgab.
"Auf jeden Fall gibt mir die Kellnerin einen Burger und ich wappne mich für den schlimmsten Geschmack der Welt: Aber. Er. Schmeckt. Fantastisch! Ich dachte nur, Tofu ist der Hammer!, aber dann kommt sie, nimmt ihn wieder mit und sagt Entschuldigung, das ist der Bacon-Cheese-Burger! Sam wäre vor lauter Lachen beinah vom Stuhl gefallen! Diese Ratte, ich hätte nie mit ihm wetten dürfen!"
Das lange Seufzen, das folgte, war derart theatralisch, das Castiel beinah lachend von der Couch gefallen wäre.
"Ouch, Steve! Verräter!"
Castiel hätte vermutlich verhaltener reagiert, wenn Dean nicht noch während er das sagte ebenfalls angefangen hätte zu lachen.
Gott, wann hatte er das letzte Mal so gelacht?

"Und wie war der Tofu-Burger dann letztendlich?"
"Ja, nicht ungenießbar, zufrieden?!"
Castiel schmunzelte: "Durchaus."
Dean gluckste hörbar, ehe er tief durchatmete und dann gähnte.
"Sorry, Steve."
Castiel versuchte mehr schlecht als recht selbst ein Gähnen zu unterdrücken und Deans leichtes Lachen füllte die Leitung.
"Vielleicht sollten wir schlafen gehen."
Castiels Augen huschten zur Uhr und er begann zu nicken, während er sich die Augen rieb.
"Ja" - ein erneutes Gähnen - "das wäre besser." Er kaute noch einen Moment auf seiner Unterlippe, ernsthaft überlegend, ob das folgende eine vernünftige Äußerung wäre, oder vom Wein kam, aber…:
"Danke, Dean. Für- Für den schönen Abend. Es war- ich hatte viel Spaß."
Für Dean musste das lächerlich sein, nicht wahr? Sie hatten nur telefoniert und etwas getrunken. Kein Vergleich zu Roadtrips mit seinem Bruder und LARP-Abenteuern mit Charlie oder Nächten in Bars und Kneipen.
Aber er konnte das kristalline Honig-Lächeln in Deans Stimme hören als er antwortete.
"Ja, ich auch, Steve. Danke, dass du angerufen hast." Eine Pause, Dean räusperte sich. "Falls Er mal wieder auf Geschäftsreise ist oder auch einfach so- also. Ach!"
Die nächsten Geräusche wären dumpf und raschelnd, als würde Dean sich über Gesicht oder Haare fahren. "Ich will einfach sagen: ich hab mich echt gefreut, dass du angerufen hast. Und- du weißt, ruf mich jederzeit gerne wieder an. Okay?"
Castiels Gesicht und Bauch fühlten sich warm und kribbelnd an und er sank weiter in die Couchkissen, als könnte er das unprovozierte, breite Grinsen dazwischen verstecken.
"Ja, okay."
"Jah, cool." Eine kurze Pause, er hörte Dean schlucken. "Schlaf gut, Steve. Gute Nacht."
"Du auch, Dean, gute Nacht"
Die Verbindung blieb noch einen Moment bestehen und er hörte noch ein trockenes Räuspern, ehe Dean auflegte.
Castiel fühlte sich warm und beschwipst und merkwürdig zufrieden, als er Zähneputzen ging und sich danach ins Bett legte.
Er hatte natürlich auch mit Alastair wunderschöne Abende! Aber dieser hier?
Der ließ ihn lächeln, während er einschlief.