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say my name (11|16) - June - 12.07.2021

Kapitel 11
Not to worry

Die Musik pulsierte in seinen Ohren, die Lichter flackerten um ihn herum, die Flasche mit kalter Cola schwitzte gegen seine Handfläche und Steve lächelte, einen Mundwinkel höher gezogen als den anderen, weiße Zähne blitzten zwischen seinen Lippen hervor und ehrliches Interesse aus seinen Augen.
Er und Gilda unterhielten sich gerade über - uh - Bienen, wenn es immer noch dasselbe Thema war, wie vorhin.
Dean stand nicht weit entfernt am Buffet und lud Mini-Burger und Chili-Cheese-Bällchen auf sein Teller, dazu noch ein paar Zwiebelringe, und ließ seine Augen immer wieder zu den beiden an der Bar hinüber gleiten.

Steve wirkte entspannt, nachdem er anfänglich etwas unsicher gewirkt hatte, was wohl mitunter daran lag, dass die meisten ihn mit “Ah, du bist Steve!” begrüßten. Allerdings wussten die meisten, außer Charlie und Gilda (und Sam und Eileen, aber die konnten heute Abend nicht) nichts weiter, außer das Steve und Dean Freunde waren, die sich oft texteten; Das hatte ihn einerseits etwas beruhigt (und Dean hatte ein warmes, dankbares Lächeln erhalten, das er zu gerne erwidert hätte, aber dann hatte Garth, als Werwolf verkleidet, Steve mit einer Umarmung getackelt und ihn dabei fast umgerissen. Für das “Du wurdest gegartht!” hätte Dean ihm beinah eine verpasst). Andererseits hatte es Steve scheinbar auch maßgeblich verwundert, dass Dean seinen Freunden von ihm erzählt hatte. Sein Lächeln war danach schüchtern geworden aber Dean hatte das Gefühl es war auch irgendwie - glücklich.

Sobald sein Teller ausreichend gefüllt war, ging er damit zurück zur Bar, auf deren Hockern es sich Gilda, Charlie und Steve gemütlich gemacht hatten.
Er trank den letzten Rest seiner Cola und schob die Flasche zu der jungen, dunkelhaarigen Bedienung, die ihm flirtend zuzwinkerte, als sie sie entgegen nahm.
Dean lächelte halbseitig und halb freundlich zurück und wandte sich dann dem Gespräch zu, das Steve, zu seiner rechten, mit Gilda führte, die wiederum rechts von Steve saß.
Ja, es ging immer noch um Bienen und Dean schüttelte amüsiert den Kopf, ehe er mit zwei großen Bissen den ersten Mini-Burger auf seinem Teller verspeiste.

Gott, er liebte Bennys Mini-Burger!
Sie waren saftig und fest, die selbst gemachte Soße kombinierte sich hervorragend mit den klein geschnittenen Zwiebelstückchen, den Essiggürkchen, den Klecksen aus Ketchup und Senf. Der Käse floss geradezu über die krosse, braune Oberfläche des Patties und bedeckte alles in genau dem richtigen Maß - diese kleinen Goldstücke waren ein Gedicht!
Dean widmete sich einem zweiten Burger und seinem vollem Mund entkam ein genussvolles Seufzen, als er gerade den letzten Bissen kaute. Offensichtlich lauter als Gedacht, denn trotz der schallenden, pulsierenden Musik, die sie umgab, ließ Steve sich davon von seinem Gespräch ablenken und drehte sich zu ihm um. 

Er blinzelte einen Moment fast verblüfft mit seinen großen, blauen Augen, bis er das Bild vor sich erfasst hatte und begann leicht und verschmitzt zu lächeln. Es war ein warmes Lächeln, leuchtend und fröhlich und Dean starrte ihn einen Moment an, wie ein Reh im Scheinwerferlicht, bevor er zumindest einen Teil des (zu großen) Bissens runter schluckte und seine Sprache wiederfand: “Was?”
Nicht gerade eloquent, zugegeben, aber verdammt, Steve durfte ihn nicht so ansehen!

Steves Schmunzeln wurde etwas verschmitzter und er deutete leicht auf seinen eigenen Mundwinkel.
“Du hast da-”
Jetzt spürte Dean es selbst, das leicht klebrige, feuchte Gefühl von Soße in seinem Mundwinkel und seine Zunge schoss aus seinen Lippen, um dem Klecks Herr zu werden.
Er bildete sich fast ein, das Steves Augen der Bewegung folgten, er vielleicht deshalb markant schluckte, aber - wie gesagt - Einbildung.

“Besser?” Dean grinste nonchalant und Steve senkte etwas den Kopf, mit einem halb verborgenen, schüchternen Lächeln, bevor er nickte.
“Ja, besser.”

Gilda und Charlie auf Steves anderer Seiten hatten den Austausch beobachtet und bei Charlies unverschämt wissendem Grinsen spürte Dean, wie ihm die Hitze in die Wangen stieg. 

Er wollte etwas sagen, sollte etwas sagen, alleine, damit Charlie aufhörte, so zu grinsen, aber sie kam ihm zuvor und klatschte fröhlich in die Hände: “Okay, ihr Hobby-Imker, das reicht jetzt erstmal!” Sie zog Gilda sanft aber bestimmt von dem Barhocker. “Ihr könnt später weiter diskutieren, aber ich entführe dich jetzt zum Tanzen!” Sie hob die Hand im Star-Trek-Gruß, was Steve scheinbar zu verwirren schien und verschwand mit einer kichernden Gilda auf die Tanzfläche.

Dean sah ihnen einen Moment hinterher, bevor seine Augen auf Steve fielen, der ihnen ebenfalls mit dem Blick gefolgt war. Er lächelte milde, beinahe etwas wehmütig.
Bevor Dean etwas dazu sagen könnte, räusperte sich Steve jedoch und blickte erst Dean an, als wollte er etwas sagen, dann aber schnell auf seine Bierflasche.
Er konnte Steves angespannte Schultern unter dem Arztkittel (Gott, dieser verdammte Arztkittel) sehen, wie sein Daumen das aufgeweichte Etikett seiner Bierflasche zur Seite schob und wenn er sich etwas nach vorne beugte, sogar, wie Steves Zunge aus seinem Mund flitzte, um seine Lippen zu benetzen.

Der Abend bis jetzt war gut gelaufen, wirklich gut. Steve war - wie Dean erwartet hatte - bei jedem gut angekommen; Er war jemand, den man vom ersten Moment an mochte, so einfach war das.
Dean selbst hatte sich etwas zurück gehalten. Er wollte nicht wie ein bedrohlicher oder aufdringlicher Schatten über Steve schweben und jede Bewegung überwachen. Er wollte, dass Steve Spaß hatte, ehrlichen, wirklichen Spaß, also schraubte er sein Beschützerisches Getue, wie Sam es schon das eine oder andere Mal genannt hatte, etwas zurück.
Und Steve hatte sich entfaltet, er war witzig und charmant, aufmerksam und freundlich. Er lächelte, breit und offen und interessiert und wenn er das tat leuchteten seine meerblauen Augen geradezu auf. Auch wenn Dean hin und wieder ein schüchternes oder unsicheres Flackern in seinem Blick erkennen konnte (oder glaubtes es zu erkennen) hielt er sich alles in allem gut.

Aber jetzt war er mit Dean alleine und er konnte die Unsicherheit fast sehen, wie sie Steves Rücken hinauf kroch und sich um seine Schultern legte.
Dean verstand es, wirklich:
Sie hatten eine Vorgeschichte; Dean war derjenige, der verstand, wieso Steve zusammen zuckte, wenn man ihn unerwartet von hinten an die Schulter fasste und der wusste, was Steve nicht sagte, wenn er Fragen nach seiner fast verheilten Platzwunde mit einem Lächeln und vagen Aussagen abwehrte. 
Jetzt waren sie allein, zum ersten Mal seit der Autofahrt, er, Steve und die unangenehme Wahrheit, an die Dean Steve heute Abend nach Möglichkeit nicht denken lassen wollte.
Er sollte Spaß haben, er verdiente es heute einfach nur Spaß zu haben.

Also lächelte er, ruckte mit seinem Barhocker ein Stück näher an ihn und schob ihm seinen Teller entgegen.
“Du solltest die Mini-Burger probieren.”
Steve hob überrascht den Kopf, öffnete die pinken, glänzenden Lippen, um etwas zu sagen, aber Dean gestikulierte nur wortlos zwischen ihm und dem Teller umher, bis Steve mit einem schiefen Lächeln nach einem der Min-Burger griff und sich seine Schultern etwas entspannten.
“Ja, vielleicht besser. Bevor ich noch betrunken vom Stuhl falle. - Danke.”
Betrunken vom Stuhl fallen, ja, wer’s glaubt.
Steve wirkte nicht mal annähernd betrunken, obwohl das bestimmt schon sein drittes Bier war - und das war leer, wie Dean gerade bemerkte.
“Buddy, du hast mit mir am Telefon eine ganze Flasche Wein getrunken und warst noch nicht blau, wie auch immer du das angestellt hast, ich denke, du kannst ruhigen Gewissens noch eines vertragen.” Er hob automatisch die Hand, um Bennys Aufmerksamkeit zu erregen, während Steve in den Burger biss. “Hey, Benny, ein Bier, bitte!”

Benny bemerkte ihn und zog bedeutungsschwer beide Augenbrauen nach oben, aber Dean deutete auf Steve, der wegen dem weiteren Bier nicht protestiert hatte und Dean warf ihm einen kurzen, musternden Blick zu (primär um sicher zu gehen, dass er Steve mit dieser unbedachten Aktion nicht gerade in eine Ecke drängte), aber Steve betrachtete nur mit einem fast verzückten Lächeln den angebissenen Burger in seiner Hand.

Der Dracula-Umhang, außen schwarz, innen rot, den Benny im Rahmen seines Vampir-Kostüms trug, bauschte sich wehend auf, als er zu Dean und Steve kam. Er stellte eine Cola für Dean und ein Bier für Steve ab und grinste beide an.

“Genießt ihr die Party, Bruder?” Sein schwerer Südstaatenakzent klang rauchig und angenehm zwischen den lauten Bässen und dem nicht versiegenden Schall der Musik, obwohl er die Stimme heben musste, damit sie ihn verstehen konnte.

Steve hob seinen Blick von dem Burger und Dean wäre fast neidisch geworden, auf das Lächeln, das er Benny zuwarf.
“Der ist wirklich sehr lecker!”
Benny lachte rau auf, bevor er zu Dean sah. “Den darfst du öfter mitbringen!”
Dean zog beide Augenbrauen hoch, in einem stummen, fröhlichen, nicht eifersüchtigen Ich hab’s dir doch gesagt, während Benny unter den Tresen griff und zwei Schnapsgläser hervor holte.
Er schenkte sie mit goldenem, leuchtenden Whiskey voll und schob eines in Richtung Steve, das zweite hielt er selbst.
“Man macht einem Mann kein Kompliment zu seinen Burgern, ohne mit ihm zu trinken, Bruder.”

Steve blickte einen Moment fast vorsichtig von Benny zu dem Glas in seiner Hand zu dem, das er ihm hingeschoben hatte, während sein Oberkörper sich unterbewusst etwas von der Theke weg beugte. Dean war noch einen Wimpernschlag davon entfernt gewesen, Steve aus der Situation zu befreien, als die blauen, ozeantiefen Augen kurz zu ihm huschten, dann wieder zu Benny und er das Glas nahm.
“Dann, uh, danke, Benny.”
Sie stießen an und bevor Benny den Shot trank, mobilisierte er Dean und seine Colaflasche, um damit auch anzustoßen und Steve tat es ihm gleich. 

Dean war heute designierter Fahrer, was hieß, dass seine Getränke aufs Haus gingen, solange sie alkoholfrei waren.
Nicht, dass er etwas anderes bekommen würde, ohne das blaugrün schimmernde Armband abzugeben (Steve hatte die Farbe ausgesucht und Dean hatte sogar seinen Hemdsärmel geöffnet und etwas zurück geschoben, damit man es gut sehen konnte. Wegen den Barkeepern natürlich, nicht wegen Steve), das ihn als frei-trinkenden Fahrer kennzeichnete.
Ein gleichfarbiges hing an Babys Schlüsseln, die Benny sicher in einer Kiste unter dem Tresen aufbewahrte - und die er nicht mehr zurück bekommen würde, wenn er trank.
Benny und seine Crew waren was das anging sehr strikt, vor allem, nachdem seine Frau Andrea vor ein paar Jahren einen Autounfall wegen einem betrunkenen Fahrer, einem alten Mann mit Gottkomplex, gehabt hatte. Es ging ihr gut, Blechschaden und ein paar gebrochene Knochen; nichts, was nicht verheilt wäre. Aber der Schreck hatte Spuren hinterlassen.
Dean könnte nicht behaupten, dass es ihn störte.

Steve und Benny tranken den Shot Whiskey und Dean wusste, dass es keine Einbildung war, als er mit den Augen Steves Zunge folgte, die einen verirrten Tropfen von seiner Lippe aufnahm.
“Sagt, wenn ihr noch was braucht.” Benny zeigte ihnen ein fangzahnreiches (Plastikgebiss) Grinsen. Er war ein furchtbarer Vampir, ganz ehrlich. Aber es brachte Steve dazu, zu schmunzeln und Dean grinste deshalb ebenfalls.
“Klar, machen wir, Benny, danke.”

Steves Mini-Burger war längst verspeist und Dean schob ihm den Teller, auf dem neben den Chili-Cheese-Bällchen und den Zwiebelringen noch einer lag, nachdrücklich entgegen.

Er schnaubte amüsiert und nahm den Burger.
“Danke, Dean”, Steves Stimme klang sogar tiefer als der Bass, der durch die großen Boxen in jeder Ecke durch den Laden flutete und Dean rollte einmal mit den Schultern, ehe er ihm ein Grinsen zuwarf.
“Nicht dafür. Außerdem muss ich noch Platz für den Pie lassen”, sein Daumen deutete hinter ihn in Richtung des Buffets. Steves Augen folgten dem Zeig kurz, während er in den Burger biss - und grinste. Seine Augen leuchteten geradezu voller Humor und Freude und es knisterte warm und blubbernd in Deans Bauch bei dem Anblick.
Steve musterte währenddessen nochmal den kleinen Burger in seiner Hand: “Wow, diese Dinger machen mich wirklich glücklich.”

Dean lachte auf und schüttelte amüsiert den Kopf.
“Ich bring dich mal her, wenn keine Party ist. Dann kannst du sie in richtiger Größe probieren!”
Die Worte hatten seinen Mund so automatisch und schnell verlassen, dass seine Zunge jetzt sich schwer anfühlte.
Verdammt, wollte er Steve nicht eigentlich nicht mit so etwas unter Druck setzen?
Dean fuhr sich eilig mit seiner ungelenken Zunge über die Lippen, ehe er sich räusperte und eine abwiegelnde, beiläufige Handbewegung machte.
“Das heißt - nur wenn du willst, natürlich.”

Er erlaubte sich nur vorsichtig den Blick zu heben und zu Steve zu sehen. Er wollte ihn nicht verschrecken, er wollte ihn nicht wieder verscheuchen. Verdammt, das letzte Mal war er von der Bildfläche verschwunden, nachdem er ihn lediglich zu einer Spritztour eingeladen hatte - jetzt bat er ihn fast schon um ein Date! Das war-
“Das würde ich gern.”
Deans Kopf schnellte bei der Aussage nach oben und er sah gerade noch die letzten warmen Strahlen von Steves Lächeln, bevor Steve schnell den Kopf senkte und sich räusperte. Das Lächeln verschwand aber nicht ganz von seinem Gesicht, es wurde nur wieder kleiner, fast privat und Dean spürte wieder diese Wärme in sich. “Das heißt, irgendwann mal.”

Dean lachte leicht, nickte und Steve sah auf.
Sah ihn an.
“Ja, irgendwann mal.”
Gottverdammt, seine Augen waren so blau.
Sie waren blau, voller Facetten, schimmernd und so, so tief. Genau wie seine Stimme, beides tief, durchdringend, faszinierend; wie Ozeane.
Gott, verdammt, diese Augen.
Er-

Er starrte.
Verdammt, er starrte ihn an.

Dean räusperte sich hart und trank eilig einen Schluck Cola, nachdem er fast mühsam die Augen von Steve abgewandt hatte und auch Steve sprang wieder in Aktion.

“Ich sollte- uhm-” Er stand auf, den letzten Bissen Burger immer noch in der Hand und gestikulierte vage - mit dem Burger - in Richtung Toiletten, bis es ihm auffiel.
Sein Gesicht wurde einen Moment fast leidend, ehe es fest wurde und er den letzten, kleinen Bissen Burger in seinen Mund schob.
Dann verschwand er zu den Toiletten.
Dean hätte fast gegrinst, als er ihm nachsah, wenn er nicht mit seinem eigenen Verhalten konfrontiert gewesen wäre.

Was sollte das?!
Verdammt nochmal, Winchester, reiß dich zusammen!


Dean nutzte die Zeit, bis Steve zurückkam, um seine eigenen Hände an einer Serviette zu säubern (nein, er würde Steve nicht auf die Toilette nachlaufen!) und sich zu sammeln.
Es ging hier nicht um ihn und seine unsinnige Schwärmerei, es ging darum, dass Steve einen schönen Abend hatte und etwas Freude. Er musste sich wirklich zusammenreißen.

Also fuhr er sich durch die Haare, nachdem er seinen Cowboy-Hut neben sich auf den Tresen gelegt hatte, öffnete ein paar Knöpfe seines Hemdes und atmete tief durch.

Den Blick, den Benny ihm zuwarf, ignorierte er gekonnt.

Als Steve zurück kam, wirkte er stoisch sortiert - und angespannt.
Er setzte sich wieder neben Dean und zog seine Bierflasche zu sich, nahm einen Schluck und begann dann erneut mit dem Daumen an dem Etikett zu reiben, das noch nicht durchgeweicht genug war, um sich davon beeindrucken zu lassen.
Einen Moment herrschte Stille zwischen ihnen, laute, pulsierende Stille, die nicht mal die schallende Musik um sie herum verdrängen konnte und Deans Gedanken rasten, um etwas zu finden, das er sagen konnte, um Steve abzulenken, wieder zu entspannen und-

Steve räusperte sich zuerst und fuhr sich gedankenverloren über den Hals.
“Ich, uh- Darf ich dich etwas fragen, Dean?”

Die tiefen Wogen seiner Stimme fluteten den Raum zwischen ihnen und Dean ließ sich einen Moment davon mitreißen.
Er liebte es, wenn Steve direkt neben ihm sprach. Wenn er ihn nur über das Telefon hörte waren es schon reißende, raue Wellen, die ihm den Boden unter den Füßen wegspülen konnten. Aber seine Stimme direkt neben sich zu hören war, als wäre man in der Mitte eines Strudels, der einen umher riss, hielt, schleuderte und auffing. Sie war rau und sanft, angenehm und hart, tief und wohltönend und Dean schluckte einmal, ehe er antwortete: “Natürlich, was du willst.”

Ohne es zu wirklich zu realisieren, rutschte Dean mit seinem Barhocker wieder näher an Steve, ihre Arme konnten sich fast berühren, fast, und er senkte den Kopf in Steves Richtung, um ihn besser zu verstehen, jedes kleine, tiefe, raue, reißende Wort aus dem sie umgebenden Pool der schallenden Musik wahrnehmen zu können, wie exotische Fische in sonst langweiligen Teich.

Ein halbseitiges Lächeln huschte über Steves Gesicht und wieder versuchte er es zu verstecken, indem er den Kopf dabei senkte und weg drehte, bevor er sein Gesicht wieder geordnet hatte und den Kopf wieder hob.
Seine Stirn war gerunzelt, als er auf das Etikett seiner Bierflasche blickte und Dean konnte fast sehen, wie sich Steve Wörter zurecht legte, sie auf seiner Zunge platzierte, korrigierte, neu formierte und änderte, bis der Satz für ihn zufriedenstellend war: “Zählt das hier, als zusammen trinken?”

“Huh?”

Steve schnaubte amüsiert und trank dann noch einen Schluck Bier, fast nachdrücklich, als bräuchte er den Schluck, um weiter sprechen zu können, bevor er mit den Schultern zuckte, sich räusperte, wieder mit dem Daumen über das Etikette rieb.
“Als du im Laden warst, nachdem-” Er brach ab, leckte sich die Lippen und zog seine Schultern zurück. “Als du mir die Salben gegeben hast, hast du gesagt, du würdest mir sagen, woher du das alles weißt, wenn wir, mal was zusammen trinken. Und ich habe mich gefragt, ob…”

Er rollte mit den Schultern und Dean entging nicht, wie er sich einmal nervös umblickte, als müsste er befürchten, dass jemand - vermutlich Earl - jeden Moment hinter ihm auftauchen würde, aber ob er da war oder nicht: Dean konnte sehen, wie die Entspannung und Ruhe, sogar Spaß, den Steve den Großteil des heutigen Abends gehabt hatte, langsam von seiner Nervosität aufgezehrt wurde. “Du- musst natürlich nicht- Ich meine, wenn du nicht möchtest. Das- Entschuldige bitte.”
Steve fuhr sich einmal streng durch die Haare und seine ohnehin unordentliche Frisur geriet noch mehr durcheinander.

Dean folgte der Bewegung mit den Augen; Er wollte seine Hand auch durch diese Haare führen, sie waren vermutlich weich wie Seide und rochen nach Sturmwolken und Sommerregen. Er könnte seine Hand an Steves Hinterkopf stoppen, sehen, wie Steve dabei genießend die Augen schloss, ihn so drehen, dass Steve ihn ansah, mit diesen unfassbar tiefen, blauen Augen und ihm versichern, dass alles in Ordnung wäre.
Dann könnte er seine Hand zu Steves Wange gleiten lassen, seine Fingerspitzen immer noch in den dunklen Haaren, und mit dem Daumen über seine Haut streichen, unter seinen blauen, tiefen Augen entlang, über die weichen Lippen, die sich leicht und sehnsüchtig dabei öffnen würden. Seine Berührung wäre sanft und liebevoll, wie Steve es verdiente und dann würde er ihn zu sich ziehen, langsam und verheißungsvoll - aber jetzt war nicht der Moment für solche Gedanken.

Dean zog seinen Kopf aus seiner unpassenden Fantasie und konzentrierte sich auf die Realität, auf Steve, den echten, wirklichen Steve, der neben ihm an der Bar saß und dessen Hände zu fest um die schwitzende Bierflasche lagen.
Aber nicht nur das; Er konnte es fast in der Luft zwischen ihnen spüren, das unruhige Vibrieren der Nerven und Sehen unter Steves Haut, die Unsicherheit der Erinnerungen, die ihn hinunter drückten und mitrissen, weg von dem schönen Abend und dem Spaß, zurück in seine Wohnung, wo Earls Schatten auf ihn wartete.
Steves Schultern waren wieder hart, sein ganzer Körper angespannt und Dean streckte automatisch die Hand aus und legte sie sanft auf Steves Handgelenk.

Seine Haut war weich und warm unter seiner Hand und er spürte den Widerstand seiner eigenen Schwielen, als er darüber strich.
Steve schloss einen Moment die Augen, schluckte hart und Dean sollte die Hand wegziehen.
Das war nicht okay, das war - zu viel und er wollte ihn nicht verunsichern, sondern beruhigen. Er wollte, dass die harten Schultern sich entspannten und sein Atem ruhiger und fließender wurde und nicht noch mehr Unruhe in Steve auslösen.
Er- musste die Hand wegnehmen, jetzt, gleich, auch wenn sie sich noch so gut auf Steves warmer Haut anfühlte und-

Bevor er sich dazu durchdringen konnte, schob sich Steves andere Hand näher. Sein Daumen streckte sich, vorsichtig, fast schüchtern und fuhr über Deans, als wäre es etwas Neues und Unbekanntes, das man wider besseren Wissens erkunden musste.

Es war ein bisschen wie ein Stromschlag, aber nicht unangenehm, kein Schlagen und Zucken in den Sehnen, sondern ein Kribbeln, sanft, schäumend und warm.

Dean schluckte ebenfalls, kämpfte einen Schauer hinunter und benetzte sich einmal seine Lippen; Steve hatte ihn etwas gefragt.
Verdammt, er hatte ihn etwas gefragt und Dean räusperte sich, was er mit einem Schluck Cola zu retuschieren versuchte: “Klar zählt das, Steve.”

Etwas von der granitharten Spannung in Steves Muskeln schmolz und seine Schultern senkten sich leicht. Sein Blick löste sich von der Bierflasche und er blickte Dean teils verwundert, teils offen an.
“Bist du- sicher? Ich möchte nicht-” Er klappte den Mund zu, als hätte er etwas falsches gesagt oder wollte etwas falschen sagen, sortierte seine Worte neu und knete einmal kurz die Lippen, die pinken, vollen Lippen, die sich nach dem aufeinanderpressen wieder mit Blut und Farbe füllten. “Ich möchte nicht neugierig sein.”

Dean konnte spüren, wie er selbst auch lockerer wurde und grinste leicht, während seine Hand immer noch auf Steves Handgelenk lag.
“Bist du aber - und das ist völlig okay. Wär ich auch.” Er nahm noch einen Schluck Cola und zuckte mit den Schultern. “Seien wir fair, das bin ich auch.” Und Steve lächelte wieder. “Aber ehrlich gesagt, ist das eine wirklich sehr, sehr lange Geschichte und sie geht ziemlich - uh”
Dean zögerte einen Moment und wiegte den Kopf hin und her, damit die richtigen Wörter in seinen Mund fallen würden, die er in Zusammenhang mit seiner verdrehten Vergangenheit selten fand.
“Sie ist sehr persönlich”, Steve setzte wieder an, etwas zu sagen, vermutlich, dass er es ihm nicht erzählen musste. Und ja, Dean musste nicht.

Ehrlich gesagt tat Dean es auch selten genug. Es war verkorkst und grotesk und ging die meisten Leute nichts an.
Es gab Eingeweihte in seinem engeren Kreis, Charlie gehörte natürlich dazu und Benny. Die Meisten kannten jedoch nur vage Details.
Aber der Gedanke, es Steve zu erzählen? Das fühlte sich richtig an. Es wäre nur fair, es fühlte sich fair an. Er wusste schon so viel von Steve, so viele Dinge, die man sich erst verdienen musste, die persönlich waren, verkorkst und grotesk und verdammt noch mal, er wollte mehr wissen.
Er wollte alles wissen.

Was, im Gegensatz dazu, wusste Steve schon von ihm?

Seine Augen glitten einen Moment musternd über Steve, während seine Finger zart über Steves Handgelenk strichen und sich sein Daumen gegen seinen schob.
Er wollte es Steve erzählen, er wollte - er würde ihm alles erzählen. Aber er wollte auch mehr wissen.
“Was hältst du davon - ich meine, ja, ich weiß schon ein paar Sachen über dich, aber auch einiges nicht - und ich erzähl dir meine persönliche Origin-Story wenn du mir auch etwas persönliches erzählst? Und damit meine ich jetzt nicht, du hattest einen Hund namens Poochie.” Er machte eine abwiegende Handbewegung. “Etwas echtes.”

Er hielt Steve seine Cola-Flasche entgegen, um anzustoßen, den Deal zu besiegeln, vorsichtig, fast abwartend.
Dean wollte Steve nicht dazu zwingen, ihm etwas zu erzählen, bei dem er sich nicht wohlfühlen würde. Er wollte ihn nicht in die Ecke drängen oder unter Druck setzen.
Er wollte nur mehr über ihn wissen und er würde den Deal natürlich zurückziehen, wenn es Steve unangenehm wäre - und seine Geschichte trotzdem erzählen.
Das war, wie gesagt, nur fair.

Steves Augen lagen auf Deans Flasche und er zögerte einen Moment, die Unterlippe zwischen die Zähne gezogen, unsicher, fast verschreckt - und Dean war im Begriff, zurück zu rudern, als sein Wangenmuskel zuckte, ein Lächeln in Millisekunden, und er nickte: “Okay, einverstanden.”

Das breite Grinsen war auf seinem Gesicht, bevor er etwas dagegen tun konnte und Dean entschied sich, sich ihm einfach zu ergeben. Was sollte es? Es freute ihn wirklich, dass Steve zugestimmt hatte.
“Ehrlich? Okay, cool.”
Er hob seine Flasche höher, hielt sie Steve entgegen und blickte zu seiner Bierflasche. Er hielt sie mit der Hand, dessen Handgelenk gerade unter Deans rauen Fingern lag.
Er müsste ihn loslassen.
Er wollte nicht loslassen.
Verdammt, das hatte er nicht bedacht.

Deans Lächeln hatte etwas an Strahlkraft eingebüßt, aber er versuchte es sich nicht anmerken zu lassen; Es war ja nichts dabei. Seine Hand gehörte da ohnehin nicht hin.
Bevor Dean seine Finger bewegen konnte, er wollte sie nur noch einmal über die weiche Haut streichen lassen, schubste Steve seine Bierflasche mit sanftem Druck über den Tresen in seine freie Hand und stieß mit ihm an.

Dean grinste daraufhin nicht breiter, aber- es schäumte warm in seinem Magen und er räusperte sich vor einem weiteren Schluck Cola.
Wenn er so weiter machte, trank er Benny um Haus und Hof.

Er deutete vage mit der Flasche ins Steves Richtung: “Okay, fang du an.”

Das schien Steve wieder etwas aus dem Konzept zu bringen und er spürte, wie die Sehnen in seinem Arm sich einen Moment anspannten und der Griff um seine Flasche härter wurde.
Es dauerte nur Augenblicke, ehe sich sein Körper wieder entspannte und er die Lippen, scheinbar unbewusst, mit der Zunge benetzte.
Seine Augen kniffen sich leicht zusammen, wie er es so oft tat, wenn er etwas nicht verstand, oder überlegte, und sein Kopf kippte leicht zur Seite.

Dean musste bei dem schon so vertrauten Anblick leicht schmunzeln, aber er wartete geduldig. Er konnte fast sehen, wie die Gedanken sich durch Steves Kopf jagten, suchten, fanden, verwarfen, bis etwas einen Nerv traf.

Seine Körperhaltung wurde nicht entspannt, sondern - lasch.
Er wirkte einen Moment lang fast besiegt, als hätte er einen Kampf verloren oder sich einer Wahrheit gestellt, die er zu gerne ignorieren würde, um seine Grundfeste nicht zu erschüttern, derer er sich aber tief im Inneren bewusst war.
Dean runzelte die Stirn, aber er wartete, bis Steve erneut seine Lippen benetzt hatte und noch einen großen Schluck aus seiner Flasche trank.
“Kann ich auch eine Sache erzählen, die eigentlich zwei Dinge enthält?”

Dean nickte lediglich und Steve seufzte fast, nahm noch einen Schluck Bier und runzelte dann die Stirn, sortierte wieder Wörter, Sätze und Formulierungen in seinem Kopf und auf seiner Zunge, sein Daumen strich nicht mehr über Deans sondern wieder über das nun aufgeweichte Etikett der Flasche, ehe er anfing zu sprechen:
“Ich glaube, man kann sagen, ich habe- gelogen.”
Und das war eine wirklich merkwürdige Formulierung.

Dean zog eine Augenbraue hoch, wartete aber auf den Rest und Steve lächelte halbseitig aber gedrückt.
“Ich hab dir doch erzählt, ich hätte Geschwister, Anna und Gabriel.”
Dean nickte und Steve presste einen Moment die Lippen aufeinander, ehe er fortfuhr.
“Sie- sind eigentlich nicht meine Geschwister.” Er schüttelte den Kopf, die Augen auf die Flasche fixiert, die sein Daumen bearbeitete. “Sie sind nicht meine Geschwister. Ich habe keine Geschwister. Ich habe keine- uhm-” Sein Mund, Zunge und Lippen, kämpften damit, weiter zu sprechen und Dean wartete respektvoll, aufmerksam und rieb mit dem Daumen sanfte, beruhigende Linien über Steves Handgelenk und Handrücken.
“Ich habe keine Familie, nicht nur keine Geschwister. Ich- uh- bin ein Waise, ich bin in einem Waisenhaus aufgewachsen, das Paradise in Heaven-Waisenhaus.” Er hob schnell die Hand samt Bierflasche, um etwas abzuhalten und abzuwehren, das Dean nicht mal kommen sah. “Was vollkommen in Ordnung ist! Wirklich, ich- Ich meine, ich habe damit- keine Probleme, alles in Ordnung!”
Deans Stirn runzelte sich und kam nicht umhin, sich zu denken, dass es auch vollkommen okay wäre, wenn es für Steve nicht in Ordnung wäre. Bevor er allerdings etwas dazu sagen konnte, fuhr Steve bereits fort:
“Anna und Gabriel waren auch dort, da- haben wir uns kennengelernt und angefreundet, aber…” Er zuckte mit den Schultern, wie jemand, der diese Unterhaltung öfter hatte führen müssen, spätestens an dieser Stelle besiegt worden war und es jetzt nur schnell hinter sich bringen wollte. “Sie sind nicht meine Familie, nicht meine Geschwister. Wir haben- nur irgendwann angefangen uns so zu nennen, aber, das stimmt eigentlich nicht. Also, ich bin Waise und habe gelogen, was meine Familie angeht.”
Das Lächeln, das jetzt über seine Mundwinkel zuckte, wirkte mehr denn je, wie eine Maske und er räusperte sich unwohl, wie jemand, der wusste, er hatte zu viel oder das falsche gesagt, aber konnte es jetzt nicht mehr zurück nehmen.
Seine nach vorne gekippten Schultern, kraftlos aber angespannt, zeigten, dass er diese Geschichte nicht gerne erzählte - und das er bislang nie Verständnis erhalten hatte, wenn er Anna und Gabriel seine Geschwister nannte, obwohl sie nicht blutsverwandt waren.

Dean konnte nur fassungslos den Kopf schütteln.
Er öffnete den Mund, schloss ihn wieder und schüttelte erneut den Kopf.
Steve hatte nur kurz zur Seite geschielt, bevor sich sein Blick wieder auf die Flasche fixiert hatte und Dean brauchte noch einen Moment, um all das gesagt zu verarbeiten.
Wie konnte man-
Und-
Das-
“Was für ein Schwachsinn!”, er murmelte es mehr zu sich selbst, als zu Steve, aber sie waren sich so immer noch so nah - Dean leicht zu ihm gebeugt, die Barhocker so eng aneinander gerutscht, dass eine leichte Drehung reichen würde, damit er seinen Oberschenkel an Steves pressen könnte - dass er es dennoch hörte und Dean spürte, wie sich sein Unterarm erneut anspannte.
Ein unwohles, entschuldigendes Lächeln huschte über Steves Züge und er rieb weiter nervös an dem Etikette seiner Bierflasche.
“Ja, ich weiß, dass- Entschuldige, bitte.”

Dean begann energisch den Kopf zu schütteln, sein Griff um Steves Handgelenk wurde fester, nachdrücklicher, als wollte er Steve festhalten, bevor er in die Gedanken, die ihm gerade durch den Kopf gingen, abrutsche, aber immer noch darauf bedacht, ihm nicht wehzutun.
“Nein, Steve. Nicht das, sondern- Ich meine-” Dean schüttelte wieder den Kopf und schnaubte aus Mangel an erklärenden Worten. “Warte.”
Er griff mit der freien Hand nach seiner Colaflasche und drehte sich leicht, sodass er die Tanzfläche sehen konnte - sein Oberschenkel rieb sich dabei an Steves und er konnte durch die dünne Stoffhose, die er trug, fast schon die feinen Sehnen darin spüren, seine Haut, die Wärme angab, die festen Muskeln.
Seine Augen huschten suchend über die Menge an Tanzenden, bis er den nicht zu verwechselnden, feuerroten Haarschopf von Charlie erspäht hatte.
Mit ruhiger Selbstverständlichkeit hob Dean die Flasche, Steve war der Bewegung verwirrt gefolgt und beobachtete ihn.
“Hey, Schwesterherz!”, rief er laut durch den Laden und Charlie sprang in die Luft warf ihm einen Handkuss zu und brüllte ein Hey, Bruderherz! zurück.
Gildas glockenhelles Lachen wurde von der Musik geschluckt und Charlie griff ihre Hände und drehte sie einmal um die eigene Achse.

Das warme Lächeln, das auf Deans Lippen erschien, kam von selbst, glücklich und froh und er beobachtete die beiden noch einen Moment, bevor er sich wieder zu Steve drehte.
Sein Bein presste sich nicht mehr an Steves, als er sich wieder richtig ausgerichtet hatte und jetzt fühlte sich seines kalt an.
Unbeachtet dessen sah er Steve eindringlich an.
Das ist Schwachsinn, Steve. Dass Anna und Gabriel nicht deine Geschwister sein sollen, ist Schwachsinn. Charlie ist auch nicht mit mir verwandt und trotzdem ist sie wie die kleine Schwester, die ich nie wollte.”
Sein Lächeln wurde schief, beruhigend und er zuckte mit den Schultern. “Ich liebe sie, wie meine Schwester, also ist sie meine Familie. Und ich gehöre zu ihrer Familie. Genauso wie-” Er hob kurz den Finger, um Steve zu bedeuten, er sollte einen Moment warten, bis er das Ziel ausgemacht hatte.
Am liebsten würde er sein Bein dabei nochmal gegen Steves pressen, aber dafür gab es (leider) keinen Grund.
Er hatte Jo schnell gefunden, verkleidet als Geist durch blutige, zerfetzte Kleidung, weißes Make Up und dunkel geschminkte Augen. Sie sprach gerade mit Kevin, seines Zeichens auch Geist, aber aus der Bettlaken-Abteilung, immerhin hatte sein Kostüm eine Kapuze die er abnehmen konnte: “Siehst du die Blondine, Jo? Nicht verwandt, trotzdem so etwas wie meine Schwester. Lange Geschichte, für ein anderes Mal. Und der kleine Asiate, der gerade versucht mit ihr zu flirten? Kevin, wir arbeiten nicht nur zusammen, er ist sowas wie mein Bruder. Und ich habe sogar einen leiblichen Bruder, Steve.”

Er wandte sich wieder Steve zu. Die blauen, tiefen Augen blickten ihn vollkommen verwirrt und verblüfft an und Dean schüttelte lächelnd den Kopf: “Jemand, der auch nicht mit mir blutsverwandt ist, aber so etwas wie ein Vater für mich, hat mir mal gesagt, dass die Familie nicht mit Blut endet, Steve. Und damit hat er Recht. Vielleicht seid ihr nicht blutsverwandt, na und? Familie definiert sich nicht dadurch, dass ihr euch gegenseitig Lebern spenden könnt! Und wer immer etwas anderes behauptet, hat einfach keine Ahnung, ist ein Idiot und soll seine Fresse halten. Anna und Gabriel sind deine Geschwister.”

Seine Hand lag immer noch auf Steves Handgelenk und er konnte die festen Sehen spüren, die Anspannung und sein Daumen begann wieder beruhigende Kreise über die warme Haut zu zeichnen, ohne, dass es ihm überhaupt richtig bewusst war.

Steves Augen waren auf ihn fixiert, starr, tief und blau, hatten ihn nicht einen Moment losgelassen, während all der Wörter, die aus ihm heraus gesprudelt waren und sie glänzten feucht und gerührt und traurig.
Er schluckte hart, lächelte wieder halbseitig und gedrückt, ehe er den Kopf senkte.
“Danke, Dean. Ich weiß das zu schätzen.” Sein Daumen hatte das aufgeweichte Etikette fast gänzlich abgelöst und versuchte es jetzt wieder auf der Flasche zu glätten. “Aber, es ist nicht nur, dass wir nicht blutsverwandt sind.” Er räusperte sich und es klang schwerer, als wäre es eine noch größere Hürde, die nächsten Worte auszusprechen. “Wir- wir haben seit über einem Jahr nicht miteinander gesprochen.”
Seine Stimme war immer noch so unglaublich tief und rau, aber sie hatte ihr Reißen und Wirbeln verloren.
Er klang fast müde, nicht körperlich erschöpft, aber als hätten die unzähligen Male dieser Diskussion seinen Widerstand gebrochen, als würden seine Worte rechtmäßig entkräften, was Dean gerade gesagt hatte. Als wären sie der Beweis, dass Dean Unrecht und wer auch immer - vermutlich Earl - ihm diesen Floh ins Ohr gesetzt hatte, Recht hatte.

Ein schiefes, warmes Lächeln zuckte über Deans Lippen, beruhigend und voller Kraft und selbstverständlichem Verständnis und er zuckte mit den Schultern.
“Familien streiten sich, Steve.” - und Steve lachte schnaubend auf, aber es klang immer noch etwas wehmütig.
“So einfach?”
Dean lachte selbst und schüttelte den Kopf, während er seine Cola austrank: “Scheiße, nein, Familie ist nie einfach!”
Er konnte sehen, dass Steve versuchte, das breite Lächeln von seinen Lippen fern zu halten, das sich trotzdem den Weg auf sie bahnte. Sein nächste Lachen klang nicht mehr wehmütig, sondern echter, ehrlicher, nach wirklicher Freude und Steves Augen lagen wieder auf ihm. 
“Danke, Dean.”
Dean drückte sein warmes Handgelenk sanft und Steve senkte fast schüchtern den Kopf.
“Immer, Steve - Aber ehrlich gesagt, das zählt das nur halb; Ich meine wie gesagt, du hast nicht gelogen, also schuldest du noch eine Wahrheit über dich, aber ich denke, ich bin gnädig und warte damit, bis wir das nächste Mal was trinken gehen.” Er zwinkerte und Steves Lächeln schob seine Augen zusammen, so breit und warm war es, während er amüsiert den Kopf schüttelte.
“Na, vielen Dank!”

Dean ließ sich einen Moment von dem fröhlichen Glanz und Funkeln in seinem Lächeln und seinen Augen ablenken, räusperte sich dann und orderte noch eine Cola, bei derselben Bardame die vorhin die Flasche mitgenommen hatte. Ihr Blick blieb einen Moment an seiner Hand auf Steves Handgelenk hängen und diesmal zwinkerte sie nicht.
Dean wollte ihre Vermutung gar nicht korrigieren, dazu fühlte sich seine Hand auf Steves Haut zu gut an.

“Oh, nein, das ist eigentlich für mich.” Er ließ ein zahnreiches Grinsen zu Steve blitzen. “Ich hoffe, je länger du darüber nachdenken kannst, desto besser wird die Geschichte.”
Steve lachte wieder auf und schüttelte den Kopf.
“Da werde ich mir tatsächlich Mühe geben müssen. Ich bin kein besonders interessanter Mensch mit besonders interessanten Geschichten.”
Steves Gesichtsausdruck nach zu urteilen, schien er das tatsächlich zu glauben und Dean schnaubte, als er ungläubig die Augen verdrehte.
“Ja, klar.”
Auf den fragenden Blick erwiderte er besser nichts.

Glücklicherweise kam genau im richtigen Moment seine neue Cola und er nahm die Flasche dankend entgegen.
Er genoß einen Moment das vibrierende Schweigen, wie sich die Musik zwischen sie drängte und umfing, bevor er leicht zu Nicken begann.
“Also, dann bin ich dran.”
Steve hatte seinen Teil der Abmachung erfüllt und jetzt war er am Zug.

Steves Augen wandten sich ihm zu, tief, warm und leuchtend, ein schmales, schiefes Lächeln auf den Lippen, das offensichtlich hinter sich wieder Wörter sortierte: “Dean, du musst nicht-”
Seine Worte erstarben mitten im Satz, als Dean ihn warm ansah und er schluckte sie hinunter.
“Ich weiß, dass ich nicht muss. Aber das war der Deal. Du warst ja auch ehrlich zu mir.” Er lehnte sich leicht überlegend zurück, in einer Hand die Cola, die andere immer noch auf Steves Handgelenk, während er unfokussiert das Schnapsregal hinter dem Tresen anstarrte. 
“Uh, okay, wo fang ich an?” Er verdrehte leicht die Augen über sich selbst, ehe er mehrfach von rechts nach links nickte. “Ja, am Anfang, ich weiß, also, okay-”
Er räusperte sich, benetzte seine Lippen, rollte mit den Schultern und blickte dann Steve an, Steve mit den unbeschreiblich blauen, tiefen Augen, die einen zu sich in den Abgrund eines Ozeans zogen. Er begann fast automatisch zu sprechen, immer noch im Scheinwerferlicht dieser Augen.
Bei Steve könnte er ehrlich sein, würde er ehrlich sein. 
Bei Steve wollte er ehrlich sein.
“Also: Ich sollte damit anfangen, als es in unserem Haus gebrannt hat, damals noch in Lawrence, Kansas.”

Steves Augen zuckten leicht, als er die Information aufnahm und Dean benetzte erneut seine Lippen, bevor er fast schon nachdrücklich den Blick abwandte. Er konnte sich nicht konzentrieren, wenn er dort hinein sah.
Also wurde sein Blick vage und unfokussiert bei der Erinnerung, aber er spürte trotzdem Steves Augen auf sich.

“Ich glaube, sie hatten sich an dem Abend gestritten, meine Mum und mein Dad. Ich weiß noch, dass ich unten saß und Cartoons geschaut habe und dann war da auf einmal dieser merkwürdige Geruch, wie wenn Dad den Grill angeheizt hatte, und ich rannte nach oben.”
Es drückte plötzlich in seiner Brust, kalt und klamm, bei der Erinnerung an Rauch, knisternde Hitze und die Schreie, die seine Eltern ausgestoßen hatten, und er presste kurz die Lippen aufeinander und nahm noch einen Schluck aus seiner Flasche, bevor er weitersprechen konnte.
“Ich konnte Flammen sehen, die in Sammys Kinderzimmer brannten und hörte meine Mutter schreien und wollte zu ihr. Aber mein Dad drückte mir Sammy in den Arme, er war damals erst ein halbes Jahr alt, und sagte ich solle los laufen und meinen Bruder raus bringen, so schnell ich konnte.” Dean zuckte mit den Schultern und spielte jetzt selbst mit dem Etikett seiner Cola-Flasche. Der Druck in seiner Brust war zu einem dumpfen Pochen geworden, Erinnerungen an die kindliche, furchtbare Angst, die er damals gehabt hatte und die immer noch präsent genug war, damit sein Mund trocken wurde.
“Also hab ich Sammy festgehalten und bin ich so schnell gerannt, wie ich konnte. Dann habe ich draußen gewartet, vor dem Haus, bis meine Eltern raus kamen. Dad kam raus, packte mich und Sammy und rannte mit uns zum Impala. - Dad setzte uns hinten ins Auto und fuhr einfach los. Ich konnte aus dem Fenster sehen, dass der erste Stock unseres Hauses brannte und fragte ‘Wo ist Mommy’ und Dad sagte nur ‘Mommy ist weg’.”

Seine eigenen Schultern waren angespannt und hart. Er machte sich nicht die Illusion, dass es jemals leicht sein würde, diese Geschichte zu erzählen, weil es einfach keine leichte Geschichte war. Aber er rollte mit den Schultern, um sie zu entspannen und wenigstens den Anschein zu erwecken, es wäre alles in Ordnung. Er konnte Steves Blick auf sich spüren und er wollte-
Es gab keinen falschen Eindruck, den er erwecken wollte. Aber er wollte nicht, dass Steve sich Gedanken machte.

Bevor er weiter sprach, schenkte er Steves aufmerksamen, ruhigen, tiefen, blauen Augen ein zuversichtliches Lächeln und zwang sich dann wieder, wegzusehen.
Gott, er konnte nicht denken, wenn er da hinein sah!

“Wir sind nie nach Hause zurückgekehrt. Stattdessen lebten wir von da an entweder im Impala oder in Motels. Dad war nicht gut darin, einen Job zu behalten, dafür trank er zu viel.”
Die Vergangenheit schlang sich um seine Stimmbänder und ließ seine Wörter rauer und brüchiger wirken, als er es geplant hatte.
Dean musste seine Lippen benetzen, als die Erinnerung an eine Fahne aus billigem Scotch und ein Schraubstockgriff um sein Kinder-Handgelenk aus den Untiefen seines Kopfes lebhaft auftauchten.
Aber egal, wie oft er schluckte, sein Mund fühlte sich weiter trocken an, seine Zunge sperrig in seinem viel zu kleinen Mund.
Mehrere Erinnerungen zogen brandschatzend durch seinen Kopf, wie jedes Mal, wenn er diese Tür öffnete. Natürlich versuchte er, darin nicht unterzugehen, sich nicht mitreißen zu lassen, wie es früher oft passiert war.
Es waren nur Erinnerungen, sie konnten ihm nicht mehr wehtun.
Und Steve hatte die Wahrheit verdient, also wollte er sie ihm erzählen. - Er schluckte erneut dagegen an. 

Ein warmes, angenehme Gewicht legte sich auf Deans Handrücken und er blickte hinunter; Steve hatte seine zweite Hand auf Deans gelegt; Unter ihr Steves Handgelenk, über ihr sein warmer, fester Griff und es kribbelte angenehm in seinen Fingerspitzen. Er konnte fast spüren, wie ihn diese leichte Berührung in der Gegenwart erdete und die Erinnerungen nicht mehr scharf und aufragend waren, sondern transparente Schatten, wie sie sein sollten.
Sein Mundwinkel zuckte in einem leichten Lächeln.
Seine Zunge war nicht mehr klobig, sein Mund weniger trocken und er sprach weiter.

“Wir waren eigentlich ständig unterwegs, ständig in neuen Schulen, ständig in neuen Städten, ständig- mit Dad alleine. Und er war nicht gerade gut mit Kindern. Er hat zu viel getrunken und er hatte einen kurzen Geduldsfaden. Er ist oft- wütend geworden. Je älter wir wurden, desto schlimmer wurde es. Teenager sind einfach nicht sonderlich kompromissbereit.”
Der Witz scheiterte, weil Steve es nicht zum Lachen fand und Dean musste ihm eigentlich Recht geben; Es war nicht zum Lachen, aber es wäre leichter, wenn man darüber lachen würde. Zumindest für einen Moment, bis man sich danach dafür schlecht fühlen würde.

Steves Finger hatten begonnen, über seinen Handrücken zu streichen, über seine Knöchel, über seine Finger. Es war eine leichte Berührung, weich und sanft; Dean bekam eine Gänsehaut unter seinem Hemdsärmel und schloss einen Moment die Augen - und noch während Dean sprach, stoppten die Bewegungen und Steves Griff wurde starr.

“Er hat euch geschlagen.” Steves Worte, seine sonst nüchterne Feststellung, war so voll mühsam unterdrückter Wut, das Dean überrascht aufsah.
Steves Augen waren kalt, wie der Nordatlantik im April, seine Gesichtszüge fest und hart, wie jemand der einem unaussprechlichen Unrecht gegenüber stand. Als würde Steve nicht aus erster Hand wissen, wie schnell Menschen die Kontrolle über sich verloren, was für Bestien sie sein konnten.

Sein Griff um Deans Hand war kräftig, aber nicht schmerzhaft, voller Kontrolle über seine eigene Stärke, pulsierend in seinen langen, schlanken Fingern und plötzlich wurde Dean klar, dass Steve sich ihm ohne weiteres entgegen stellen könnte, dass er sich Earl vermutlich ohne weiteres entgegen stellen könnte, wenn Earl nicht immer unfair und unprovoziert zuschlagen würde, wenn er Earl nicht immer noch lieben und nicht verletzen wollen würde.
Wenn Steve nicht so ein guter Mensch wäre und schamlos gleiches mit gleichem vergelten würde.

Dean benetzte unbewusst seine Lippen, die Augen immer noch auf diesen anderen, diesen wütenden, Gerechtigkeit einfordernden Kämpfer gerichtet, der neben ihm saß, vor dem er zurückweichen würde, wenn sein Zorn auf ihn gerichtet wäre.
Ein Schauer lief über Deans Rücken, aber er könnte nicht sagen, dass es ein schlechter war.
Nein, ganz im Gegenteil; Er war vollkommen und rettungslos überwältigt von dem kurzen Aufblitzen der unzähligen Riffe, Untiefen und Abgründe in Steve, seiner Art, seinem Wesen.
Gott, er war beeindruckend.

Er musste seine Augen von dem Anblick losbrechen, um sich wieder konzentrieren zu können und er räusperte sich.

Wenn Menschen schlimmes erlebt hatten, tendierten sie oft dazu, es zu umschreiben.
Sie benutzen keine Sätze wie Er hat uns grün und blau geschlagen und manchmal hatte ich Angst, er schlägt uns tot. Sie sagten Er wurde oft wütend
Um sich selbst zu schützen, damit sie die Tür zu den vergrabenen Erinnerungen nicht komplett aufstießen und in die verschlingenden Emotionen zurück gerissen wurden, oder um den zu schützen, dem sie es erzählten - Dean wusste es nicht.
Aber er wusste, dass es keinen Sinn hatte, etwas schön zu reden - und trotzdem tat er es.

Also nahm er noch einen Schluck Cola, ließ seinen Daumen über den feinen Knochen an Steves Handgelenk fahren und sprach weiter.
“Ja, hat er. Ich habe versucht, das Gröbste von Sam fern zu halten, aber- Ich hab es nicht immer geschafft.”
Schuld brannte in seiner Brust, heiß und verzehrend, sein ganzer Körper spannte sich unter dieser untragbaren Wahrheit an und einen Moment war es fast, als würde er keine Luft mehr bekommen; Das Bild von Sammys blutender Unterlippe und dem gebrochenen, an den Körper gedrückten Arm klar und furchtbar lebendig vor seinen Augen.
Ihm wurde übel, wenn er nur daran dachte, was Sammy hatte erleiden müssen, weil er es nicht hatte verhindern können, weil er nicht gut genug aufgepasst hatte, weil er- Weil er-!

“Dean.”
Steves Stimme war so nah an seinem Ohr, dass er den Atemhauch an seiner Haut spüren konnte und er drehte den Kopf. Er hatte sich zu ihm gebeugt, war näher gerutscht - Dean konnte jetzt die Wärme spüren, die von seinen Körper ausging, seine Muskeln und Sehnen in dem Oberschenkel, der sich gegen Deans drückte. Seine Hand um Deans hielt ihn eisern fest aber trotzdem fast sanft.
Er wollte sich am liebsten gegen ihn lehnen, weiter von den warmen Wellen seiner ganzen Existenz umspült werden und die tosenden Wogen seiner Stimme an ihm reißen lassen.
“Es war nicht deine Schuld.”

Das Lächeln, das über seine Lippen zuckte, war ungläubig und abwehrend und Dean zuckte mit den Schultern.
“Jah- Fühlt sich nicht so an.”

Dean räusperte sich wieder und trank noch einen Schluck.
Gottverdammt, er hätte jetzt lieber ein Bier. Das war eigentlich der Grund, warum er die Geschichte nur in Bars erzählte, weil er dabei trinken konnte. Aber gut, jetzt hatte er schon damit angefangen, jetzt würde er sie auch zu ende bringen.

“Wir waren nicht immer nur bei Dad, es gab auch wirkliche gute Zeiten” - Dean konnte aus den Augenwinkeln sehen, wie sich Steves kämpferische Flut wieder in die sanfte Bucht seiner blauen Augen zurück zog und er ihn aufmerksam ansah, nicht fordernd, nicht drängend oder voll morbidem Interesse; Nur aufmerksam lauschend. - “Wir waren oft bei Onkel Bobby oder anderen Bekannten von Dad, wenn er irgendwo Arbeit hatte, wo Kinder - unpraktisch waren, oder er ohne uns nervige Blagen eine Sauftour machen wollte. - Ich beschwer mich nicht darüber!”
Und Dean unterstrich diese Aussage mit einer energischen Handbewegung, während ein warmes Lächeln den Weg in seine vorher so angespannten Wangenmuskeln fand.
Bobby war - wie ein Vater für ihn, wie ein richtiger Vater und wenn er für sonst nichts dankbar war, was seinen alten Herrn anging, war er dankbar, dass er wegen ihm Bobby Singer kannte.
“Bei Bobby war es immer toll. Wir durfte Ball spielen, haben so viel zu Essen gekriegt, wie wir wollten und sind sogar manchmal Eis essen gegangen. Das war super!” Sein Lächeln wurde etwas wacklig und er benetzte wieder die Lippen. “Aber irgendwann sind wir nicht mehr hingefahren. Ich glaube, ehrlich gesagt, ich war daran Schuld: Bobby hatte mir bei unserem letzten Besuch so viele Fragen gestellt. Ich weiß nicht mehr genau welche, irgendwas über Mum, wo wir früher mal gewohnt hätten und solche Sachen.” Dean zuckte fast resigniert mit den Schultern. “Ich hab es meinem Dad erzählt. Er würde wütend deshalb, wollte wissen, was ich ihm alles erzählt habe und dann fuhren wir nie wieder hin.”

Steves Stirn runzelte sich, Dean konnte es aus den Augenwinkeln sehen.
“Hat er es gewusst? Was euer Vater getan hat? Wollte er euch helfen?”

Dean wiegte mit dem Kopf.
“In etwa, könnte man sagen. Aber Dad hat daraufhin Bobby gemieden wie die Pest und wir haben ihn eine wirklich lange Zeit nicht mehr gesehen.”
Er musste kurz innehalten, überlegen, wie er weiter sprechen sollte, Steve dabei immer noch so nah an ihm.
Es war merkwürdig, wenn er nur daran dachte, war es als könnte er sich auf nichts anderes mehr konzentrieren, als an seinen Oberschenkel an seinem, Steves Hände, die seine umgaben, wie ihre Arme leicht verschlungen waren, um das überhaupt möglich zu machen und es machte ihn fast wahnsinnig.
Aber auf der anderen Seite war es beruhigend und erdend, es hielt ihn fest und aufrecht und Dean wollte sich noch mehr dagegen lehnen; Was er allerdings tunlichst zu vermeiden versuchte.

Stattdessen räusperte er sich.
“Es gab mehrere Menschen, die versucht haben uns zu helfen, aber manchmal hat man einfach kein Glück. Einmal, als ich so um die zwölf war - und Sammy acht - wurde er krank. Ich meine krank. Er hatte Fieber, hohes! Dad war seit einer guten Woche nicht da gewesen und ich hatte Angst. Ich meine, Panik Dad hat nie viel von der Polizei oder dem Notruf gehalten, aber ich wusste nicht, was ich tun sollte, also hab ich angerufen.”
Er musste kurz pausieren, lächeln bei der Erinnerung an den Anruf: “Die Frau am anderen Ende der Leitung klang so - freundlich, Steve.” Und er schnaubte fast belustigt, weil es so eine absurde Situation gewesen war. “Ich dachte, so muss eine Mutter klingen, so warm und zuversichtlich und ruhig. Ich hatte solche Angst, aber sie war so beruhigend und ich erzählte ihr alles: Das mein Bruder krank sei, dass mein Dad nicht da war, dass ich Angst hatte. Sie stellte auch Fragen, nach unserem Namen, wo wir waren, wo Dad war, wo wir herkamen, wo meine Mum sei.”
Die Erinnerung lief in seinen Kopf ab, wie ein Film; Er hatte es immer merkwürdig gefunden, dass er sich so detailgetreu an das Gespräch mit der Dispatcherin erinnern konnte, aber das hatte einige Weichen in seinem späteren Leben neu gestellt, Vielleicht deshalb.
Aber der Film seiner Erinnerung kam an einen kritischen Punkt und die Gedanken an die liebenswerte Frau verloren an Farbe; Der Geruch von Scotch wurde stärker: “Dad kam gerade rein, als ich ihr sagte, unsere Namen wären Dean und Sam Winchester und mein Dad heißt John. Er hat mich umgeworfen, so schnell hat er mir das Telefon aus der Hand gerissen. Keine zwei Minuten später saßen wir im Auto und waren auf dem Weg zur Schnellstraße.”

Steves Hand war wie ein warmer, stoischer Anker, der ihn erdete, festhielt, in der Realität und im Hier und Jetzt, während Blitze aus vergangenen Unwettern vor seinem geistigen Auge zuckten und er war dankbar dafür. Vor allem jetzt, als sein Dad vor seinem geistigen Auge seinen kleinen Bruder so grob packte, dass er davon blaue Flecke bekommen würde und ihn sich über die Schulter warf, dann ihn packte - auch mit Andenken auf seiner Haut - und ihn so sehr zum Auto zerrte, dass seine Schulter zwei Tage danach noch wehgetan hatte.
Er konnte die Schmerzen nicht mehr spüren, aber er erinnerte sich an diese kalte, ohnmächtige Angst, die ihn fast erstickt hatte.

Steves Finger schoben sich zwischen seine, sie fühlten sich fast heiß an im vergleich zu den frostkalten Erinnerungen und Dean schloss einen Moment die Augen, folgte dem roten Faden von Steves Berührung zurück ins Jetzt und Hier, wo Musik laut um sie schallte und dafür gesorgt hatte, dass sie so nah aneinander gerutscht waren, wo Leute um sie herum liefen und lachten, tanzten, tranken und aßen, die sie alle beinah vergessen hatten und wo Lichter um sie blitzen und flackerten, weil es Spaß machte und zu einer Party dazu gehörte.

Aus seinen Augenwinkeln sah er, dass Steves Stirn weitere, tiefere Falten bekommen hatte und er sah ihn an, um ihm zu zeigen, dass er gerne eine Frage stellen konnte.
“Ihr seid nicht in ein Krankenhaus gefahren, wenn es Sam so schlecht ging?”
Dean wiegte den Kopf von rechts nach links.
“Erst im nächsten Bundesstaat. Aber, zugegeben, Dad ist wirklich schnell gefahren.”
Das schien Steve keinesfalls zu beruhigen.

Dean grinste leicht bei dem erneuten Aufblitzen der Wut über diese Ungerechtigkeit in Steves Augen und gab ihm mit einem Blick zu verstehen, dass er es verstand, indem er kurz sein Handgelenk drückte.
Es war Vergangenheit, keiner konnte mehr etwas daran ändern;
Es war vorbei und sie hatten überlebt.

“Das alles ging im Großen und Ganzen so weiter, bis ich anfang zwanzig war.” - Er spürte, wie Steve sich bei dem Gedanken kurz und hart verspannte und streichelte beruhigend die weiche Haut an der Unterseite seines Arms.
“Sam ist ein kleines Genie, falls ichs noch nicht erzählt habe” - beide wussten, er hatte es erzählt; Mehrfach - “und als er 18 war, wurde er für Stanford zugelassen, ein volles Stipendium. Ich meine-”, er schnaubte lachend und beeindruckt, nach wie vor, nach all den Jahren beeindruckte es Dean immer noch, und trank noch einen Schluck. “ein volles Stipendium, für Stanford! Ich war so verdammt stolz.”

Sein Lächeln wurde bei der nächsten Erinnerung wackelig.
“Dad, auf der anderen Seite, war wütend. Wirklich, wirklich wütend. Er wollte nicht, dass Sam ging und-“ Er benetzte sich wieder die Lippen. “Das war der schlimmste Tag, den wir je hatten. Er hat eine Flasche nach Sam geworfen und er musste am Oberarm genäht werde, mich hätte er beinah k.o. geschlagen, als ich dazwischen gegangen bin.”
Seine Stimme hatte ein untergründiges Zittern entwickelt, sein Mund war trocken und er meinte auch jetzt noch das Pochen in seinem Kiefer zu spüren, den Druck des Würgegriffs oder den Schlag in die Magengrube.
John war betrunken gewesen wie ein arbeitsloser Seemann, er hatte keine Kontrolle mehr gehabt, keinen Funken Verstand mehr in dem Scotch-gefluteten Gehirn und hatte um sich geschlagen, wie ein tollwütiges Tier.

“Wir haben es geschafft, weg zu kommen: Sam hat ihm eine von diesen billigen, häßlichen Motel-Vasen über den Kopf gezogen, als er mich im Würgegriff hatte, ich hab ihn in den Magen getreten und hab mir die Schlüssel geschnappt. Wir sind in den Impala gesprungen und davon gerauscht.”
Er erinnerte sich an das Blutrauschen in seinem Kopf, das Pumpen von Adrenalin und Angst in seinen Adern, die panische Sorge um Sammy - Steves Hand hielt ihn weiterhin.
“Wir haben ihn einfach zurück gelassen. Wir sind meilenweit, städteweit gefahren, bis wir uns getraut haben, ein Krankenhaus anzufahren. Sam musste, wie gesagt, genäht werden und er hatte einige böse Prellungen. Ich hatte eine ausgerenkte Schulter, ein paar gebrochene Rippen und tierische Kopfschmerzen.”
Der Abend rauschte vor seinem inneren Auge vorbei, die Schreie, das Brüllen; Es war reines Glück gewesen. Das hatte nichts mit Können zu tun gehabt, sie hatten einfach nur Glück gehabt, das Dad sie an diesem Abend nicht totgeschlagen hatte. Gott, was wäre nur passiert, wenn er Sammy mit der Flasche nicht am Arm sondern am Kopf getroffen hätte, was hätte er getan, wenn-

“Dean.”
Das raue, sanfte Rauschen von Steves Stimme, voller Mitgefühl, Wärme und Bedauern mit Spuren von, von Ungerechtigkeit erhitzter, Wut spülte um ihn, über ihn und die Erinnerungen an alte Schmerzen davon, während seine Hand ihn festhielt, damit er nicht mit weggerissen wurde und er lächelte, wacklig und vage, aber er lächelte in der Sicherheit der Gegenwart und Steves Berührung.

“Es ist in Ordnung, das war es nicht. Aber das ist es jetzt.”
Das war die Wahrheit; Sie kamen klar, so einfach war das. Sie hatten Dad überlebt, sie hatten gewonnen.
“Sobald wir wieder fit waren hab ich Sam natürlich nach Stanford gefahren.” Er beugte sich mit kindischer Freude noch etwas näher zu Steve, als würde er ihm ein Geheimnis erzählen. “Ich war so stolz.” Steve lachte kurz auf und Dean beugte sich wieder zurück.
“Ich sagte ihm, ich würde irgendwo Fuß zu fassen und mich bei ihm melden, sobald ich konnte. Er solle einfach studieren.”
Dean wiegte etwas schuldbewusst den Kopf von rechts nach links: “Ehrlich gesagt hab ich ihn  noch gut einen Monat lang gestalkt.”
Er schnaubte halb amüsiert, halb peinlich berührt. “Ich weiß, ich weiß, aber ich hab mir einfach Sorgen gemacht. Ich wollte nur, dass er sicher ist und es ihm gut geht. Aber nachdem er sich eingelebt hatte und alles in Ordnung schien, bin ich-”
Sein eigenes Lächeln, das die Erinnerung hinauf beschwör, unterbrach ihn. “Ich bin zu Bobby gefahren. Ich weiß nicht mal genau, wieso. Vielleicht, weil ich mich daran erinnert habe, wie toll es da als Kind gewesen ist.”

Das Lächeln auf seinem Gesicht wurde wieder warm und fester, seine Schultern verloren an Spannung und Steves Finger glitten sanft über seinen Handrücken.

“Bobby hatte einen alten Schrottplatz in Sioux Falls. Es hat gedauert, bis er mich erkannt hat aber dann- Ich schwöre, ich bin noch nie so umarmt worden!”, und er lachte bei der Erinnerung. “Ich dachte, er bricht mir die Rippe gleich wieder!”

Steves Stirnfalten hatten sich geglättet, die hitzige Wut hatte sich wieder zurückgezogen und er lächelte ebenfalls, leicht und warm, wie Sommersonne früh am Morgen.
“Ich blieb bei Bobby, telefonierte regelmäßig mit Sammy und kam langsam runter.” Dean räuspere sich hart. “Ich meine, bis ich die - uh - die Alpträume im Griff hatte und all das…” Er zuckte unwohl mit den Schultern, es war nicht peinlich, dass er Alpträume gehabt hatte, dass er schreckhaft und gereizt gewesen war; Sein Geist hatte sich neu justieren müssen, an den Frieden und die wirkliche Sicherheit, die ihn umgeben hatte, gewöhnen müssen.
Jeder musste das, sich neu ausrichten, wenn so etwas hinter ihm lag und es war nicht peinlich, das wusste er.
Andererseits hatte Dad ihm beigebracht, wie sich ein Mann zu verhalten hatte - und wie nicht. Und auch wenn das meiste Schwachsinn war, ließ sich nicht alles davon leicht abschütteln.

Bobby hatte ihn mehr als einmal geweckt, wenn er im Schlaf geschrien hatte - und hatte ihm nicht ein einziges Mal einen Vorwurf deshalb gemacht.

Dean schüttelte den Gedanken weitestgehend ab und ein heimliches, kleines Lächeln schlängelte sich auf seine Lippen: “Nach circa einen Monat oder so, in dem ich mich bei Bobby eingewöhnt hatte, sagte er dann, ich müsse jemanden treffen.”
“Die Polizei?”
Dean lachte leise und schüttelte den Kopf: “Meine Mum.”

Wieder verengten sich Steves Augen zu den fragenden kleinen Schlitzen und wieder kippte sein Kopf zur Seite.
“Deine… Mutter?”
Seine Stimme klang nicht ungläubig nur- verblüfft.

Dean nickte und drehte seine leere Flasche zwischen Daumen und Zeigefinger.
“Ja, meine Mutter. Sie hatten sich wirklich gestritten, damals, vor all den Jahren. Sie wollte ihn verlassen, weil er sie geschlagen hat und sie nicht wollte, dass uns dasselbe passiert.”
Sein Lächeln wackelte bei der Ironie und er konnte aus den Augenwinkeln wieder das wütende Blitzen in Steves Augen aufleuchten sehen, wie grelles, blitzdurchzucktes Sturmblau.
“Und als er das hörte, hat er sie in das brennende Zimmer geschubst. Ich glaube nicht, dass er das Feuer mit Absicht gelegt hat. Nicht mal meine Mutter konnte sich erinnern, wie es ausgebrochen war; Vermutlich defekte Kabel oder eine Kerze oder beides. Es passierte so viel auf einmal, damals. Auf jeden Fall wollte er sie einsperren, uns schnappen und abhauen. Sie konnte sich befreien und hat überlebt, aber bis die Polizei die Suche aufgenommen hat, waren wir schon über alle Berge. Deshalb war er so wütend, als ich den Notruf anrief oder als Bobby diese ganzen Fragen gestellt hatte. Es stellte sich heraus, er war ihm wirklich auf der Spur gewesen: Wären wir nochmal aufgetaucht, hätte er die Polizei gerufen. Aber Dad hatte einen Riecher für sowas, paranoider Bastard.”

Dean schluckte hart und angestrengt.
Es war immer anstrengend, viel zu sprechen, noch anstrengender, bei der lauten Musik um sie herum und diese Geschichte ließ seinen Mund immer trocken und seinen Hals rau werden.
All die Jahre hatte er gedacht, seine Mum wäre in den Flammen umgekommen; Er hatte ein Jahr lang nicht gesprochen, deshalb, als er ein Kind gewesen war, vor Trauer und Trauma.

Und dann hatte Bobby ihn ins Auto gesetzt, war mit ihm zu einem Diner gefahren und dort hatte sie gestanden, älter, natürlich, aber genau dieselbe, wunderschöne Frau wie auf dem Foto, das er in seiner Brieftasche hatte.
Seine Brust wurde voll und schwer, als er sich daran erinnerte, wie er sich gefühlt hatte, wie es gewesen war, als sie ihn das erste Mal in den Arm genommen hatte; So fest, als hätte sie Angst, jemand würde ihn wieder wegreißen und Dean hatte sie ebenso umklammert.
Er hatte gezittert und geweint und sie hatte ihn festgehalten und geweint. Es war ihm ein bisschen peinlich, zugegebenen, aber andererseits: Es war seine Mutter!
Sogar Bobby hatte feuchte Augen gehabt.

“Wir holten Sam dazu, sobald er Ferien hatte, weil ich nicht wollte, dass er sein Studium gefährdet weil er Hals über Kopf den Campus verlässt. Mum war auf meiner Seite, aber Sam hätte mich beinah geköpft deshalb. Ich meine, wirklich, hätte er eine Machete gehabt, Pfui!” Er lachte auf und grinste schief.
Sam war zurecht wütend gewesen, was weder Dean noch Mary noch Bobby ihm hatten absprechen können. Er hatte es verstanden, später, nach Umarmungen, Tränen und vielen Geschichten. Aber er brachte es immer noch manchmal aufs Parkett, wenn ihn etwas nervte.

“Und dann- machten wir einfach weiter. Wir haben von Dad nie wieder was gehört und sollten wir jemals wieder was von ihm hören, werde ich ihn vermutlich totprügeln, wenn Mum es nicht zuerst tut.”
Er zuckte mit den Schultern und drehte den Kopf zu Steve, erlaubte sich in die tiefen, blauen, aufmerksamen Augen zu sehen.
Jetzt, wo er den schweren Teil hinter sich hatte, tat ihm die Ablenkung durch diese Ozeane gut.
“Das ist der Grund, warum ich solche Dinge weiß, Steve. Weil ich selbst an diesen Punkten war, weil ich sie durch hab. Ich weiß, wie schnell oder langsam sich solche Dinge entwickeln oder eskalieren können.”

Er drückte wieder sanft Steves Handgelenk und strich beruhigend und sanft darüber, weil er Steve klarmachen wollte, dass alles in Ordnung war - und weil er das Gefühl liebte, das Steves Haut unter seinen Fingerspitzen auslöste.

“Ich hab lange nicht gewusst, was ich mit meinem Leben anfangen sollte; Ich meine, ich hatte auf einmal alles, was ich mir je gewünscht habe und wusste doch nicht, was ich tun sollte. Ich hab einige Zeit bei Bobby als Mechaniker gearbeitet und wir haben manche der Schrottkarren auf seinem Hof restauriert und weiterverkauft. Das war super, ich habe es geliebt und liebe es auch jetzt noch, aber, das war irgendwie nicht genug. - Ich wollte anderen helfen. Ich hab mich damals so alleine gefühlt und ich wollte nicht, dass sich noch jemand so fühlen muss. Es gibt so viele, die genauso wie wir litten oder leiden, also schloss ich mich ein paar Selbsthilfegruppen an.”
Er zuckte mit den Schultern, mehr als nervöse Geste, als um etwas auszusagen. “Ich wurde erst Berater, Ersthelfer, Kontaktperson und -”, er brach mit einem Lächeln ab, weil er immer lächeln musste, wenn er an sie dachte, “- Und dann fiel mir wieder die Frau ein, die damals meinen Notruf angenommen hatte. Wie beruhigend und warm ihre Stimme gewesen war, wie wohl ich mich gefühlt hatte, als ich mit ihr gesprochen hatte - und ich dachte, wenn ich jemandem, der Angst hat, dieselbe Ruhe geben könnte, dann hab ich wirklich was erreicht. Also hab ich meine Sachen gepackt und bin hierher gezogen um beim Notruf zu arbeiten.”

Eine pulsierende Stille legte sich zwischen sie beide, die Musik, die Tanzenden, die Lichter, trüb und dumpf und ruhig um sie herum, während Steve alles gesagte verarbeitete, scheinbar jedes Wort nochmal durchging, über jede Wendung nachdachte und schließlich:
“Das ist - eine außerordentliche Geschichte.”
Dean lachte auf und nickte dann mit einem deutlichen Was du nicht sagst in den Augen.
“Es tut mir Leid, dass du das erleben musstest, Dean.” Er drückte Deans Hand, fast zärtlich, kräftig aber sanft und Dean ließ zu, dass das warme Gefühl seinen Arm hinauf wanderte und auf dem Weg eine kleine Gänsehaut hinterließ.
“Es ist wundervoll, dass ihr eure Mutter wiedergefunden habt.”

Steves Lächeln war nicht wehmütig, nicht neidisch oder traurig, aber Dean meinte, einen Schatten aus Sehnsucht darin zu erkennen; Welches Waisenkind würde sich nicht wünschen, nach zwanzig Jahren seine Mutter kennen zu lernen.

Dean erwiderte das Lächeln, erwiderte die sanfte, zärtliche Berührung und verlor sich einen Moment in seinen Augen, in ihrer unendlichen Tiefe und dem Meeresblau, bevor seine Augen wie von selbst auf die glänzenden, pinken Lippen fielen, mit dem feinen Amorbogen und umgebenen von den Stoppeln einer ein paar Tage zurückliegenden Rasur und sein Blick wechselte von den unfassbaren Augen zu diesen verführerischen Lippen und-
Gott, wenn das hier eine perfekte Welt wäre…

Der erste, der den Blick abwandte, war Steve und er räusperte sich, während er gegen das schüchterne Lächeln kämpfte.
“Danke, dass du mir das erzählt hast, Dean.”

Sie saßen immer noch so nah beieinander, so nah. Gott, wie hatte er sich nur konzentrieren können, wenn doch Steve so nah war.
Er lächelte schief.
“Ich hab’s doch versprochen. - Und du warst ja auch ehrlich zu mir.” Steve sah ihn mit einer Mischung aus Verblüffung und Wärme an und Dean versuchte es, mit einem legeren Schulterzucken vom Tisch zu wischen und erwiderte den Blick. “Ich hab es dir gern erzählt.”
Er hatte es ihm gerne erzählt.
Bei jedem Wort der Geschichte hatte er sich bei Steve sicher gefühlt, verstanden, geerdet.
Es hatte gut getan, es mit Steve zu teilen und ehrlich zu sein, etwas gemeinsames zu haben, gemeinsam mehr übereinander zu wissen.
Es fühlte sich - gut an, so richtig.

Steve senkte die Augen und lächelte wieder auf diese private, kleine Art, die es heiß und wohlig in seinem Bauch knistern ließ und er wollte dieses Lächeln probieren, er wollte es mit seinen eigenen Lippen berühren und ertasten und schmecken.

Dean müsste nur seine Hand heben; Er könnte sie in Steves weichen Nacken legen, vielleicht könnte er dann sogar eine wohlige Gänsehaut spüren, die über Steves Haut rann, er könnte sein Kinn anheben mit all der Zärtlichkeit, die Steve verdiente - und seine Lippen auf Steves legen, fest und leidenschaftlich, seine Zunge würde in seinen Mund gleiten, er könnte das Bier schmecken, das Steve den Abend über getrunken hatte und-

War er gerade auch schon so nah gewesen?
Kamen sie sich näher?
Gott, Gott im Himmel, er war so nah. Er meinte seinen Geruch wahrnehmen zu können; neben dem Duft von frittiertem Essen und Alkohol meinte er die Sturmwolken riechen zu können und den Sommerregen, den Steve mit sich trug und es trennte sie doch nur noch ein kleines- ein so winziges Stück Distanz und-

“DEAN!”

Dean zuckte heftig zusammen, als er von hinten angesprungen wurde, genauso wie Steve, und plötzlich war die warme, erdende Berührung seiner weichen Hände verschwunden.

Irgendjemand der Tanzenden schrie laut und entsetzt. 

Es dauerte lange, zähe Momente, bis Dean alles erfasst hatte; Steves Hände, die sich fest um seine Bierflasche schlangen, seine eigene Hand, hilflos und verloren in der Luft schwebend, halb im Begriff nach Steve zu greifen und - lange, dünne Arme um seinen Hals, ein Kopf, der sich zwischen seine Schulterblätter drückte und der Duft von Alkohol und frisch gemähtem Gras - Jo.

“Deeeaaan~! Wir haben uns heute noch gar nicht gesehen! Ich bin so froh, dass du auch hier bist!”

Dean brauchte einen Atemzug, einen tiefen, [/i]langen[/i] Atemzug, bis er sich sortiert hatte und er ein Lächeln auf sein Gesicht geboxt hatte.
Seine schwebende, hilflose Hand dirigierte er auf Jo’s Unterarm um seine Schultern und drückte ihn kurz.
“Hey, Jo.”

Sie stellte sich auf die Zehenspitzen und drückte Dean einen lauten, feuchten Kuss auf die Wange, ihr schwarzer Geister-Lippenstift hinterließ dabei verschwommene, dunkle Spuren.

Steves Lächeln war nicht mehr klein und privat und knisternd, sondern deutlich mühsam am Platz gehalten. Seine Kiefermuskel waren angespannt, sein Griff um die Bierflasche zu fest, der Zauber seiner Augen war stur auf den Tresen gerichtet. Er wirkte- unbehaglich.

Verdammt, was hatte er sich dabei gedacht?
Er hätte sowas nicht- Wie kam er auf die bekloppte Idee, so etwas zu versuchen! Er wollte, dass Steve heute Abend Spaß hatte und ihn nicht verschrecken oder bedrängen oder-
Scheiße!
Scheiße, scheiße, scheiße!

“Hi, Dean.” Dean musste schlucken, um sich zu sammeln, zurrte das Lächeln auf seinen Lippen fester und drehte sich zu Kevin, der Jo gefolgt war. “Coole Party, oder?”

Gott, er wollte ihm wehtun. Er wollte beiden wehtun- Nein.
Nein, das war gut.
Scheiße, wenn sie nicht gekommen wären-
Fuck, er war ein Idiot.

“Jah, sehr.”

Kevin zog fragend eine Augenbraue hoch, offensichtlich war Deans Scharade, das alles bestens war, nicht gut genug.
Jo ließ sich davon nicht stören und rieb glücklich ihre Wange an seiner, wie eine Katze und es brachte ihn tatsächlich zum Lächeln.

Er schoss einen warnenden Blick in Richtung Kevin und deutete mit dem Daumen der freien Hand auf Jo, bevor er sie zur Faust ballte und in Richtung Kevin schob:
Bau Scheiße mit ihr und du kriegst Schwierigkeiten.
Er liebte beide, innig, aber er kam nicht drum herum Jo als seine kleine Schwester zu betrachten und nicht, dass er es Kevin zutrauen würde, aber er fühlte sich selbst besser, wenn es noch mal klarstellte.
Kevins erschrockener Ausdruck bestätigte ihn und Dean grinste zufrieden.

Einer von Jos Armen rutschte währenddessen betrunken von seiner Schulter und sie packte Steves, bevor Dean etwas dagegen tun konnte.
Steve zuckte zusammen und hob schnell den Blick, die Muskeln in seinem Rücken hart und unangenehm gerade.
Sein Lächeln war nicht das warme, freundliche Strecken seiner - Lippen, einfach nur Lippen - wie sonst.
Dean bemerkte, dass es ihn deutlich mehr Anstrengung kostete, als wenn er ehrlich lächelte, aber er schaffte es trotzdem, es auf seinem Gesicht zu halten.
“Wer ist dein neuer Freund?” Jo lallte leicht und tätschelte unbehelligt Steves Schulter.

Deans Lächeln wurde schief und entschuldigend, als er Steve ansah - er hoffte nur, das würde Steve nicht noch mehr verschrecken. Scheiße, er hatte es schon weit genug getrieben! - bevor er den Kopf leicht zu Jo drehte. 
“Das ist Steve, er ist ein- guter Freund. - Steve, das sind Jo und Kevin.”

Dean konnte fast sehen, wie die vorherigen Informationen, Deans diese beiden sind Teil meiner Familie, durch Steves Augen huschten und er nickte, während er die Hand ausstreckte.
“Freut mich sehr.” Das freundliche Rauschen seiner Grabesstimme streifte Deans Ohren und ein Lächeln seine Lippen.

Kevin wäre vielleicht noch nüchtern oder wenigstens schüchtern, genug, um Steves Hand zu ergreifen, aber Jo quietsche fröhlich, ließ Dean vollständig los und warf ihre langen Arme um Steve und sich gegen ihn.
Er rutschte durch den Aufprall mit dem Rücken gegen den Tresen und erstarrte einen Moment erschrocken, ein hilfesuchender Blick zu Dean, der nur mit den Schultern zucken konnte, bevor er ihr unsicher auf den Rücken klopfte.

Jo, damit zufrieden, löste ihren Kopf von Steves Brust, die Arme immer noch um ihn, musterte ihn einmal sehr genau und nickte.
“Das sind hammermäßige Augen!”

“Uh- Danke…?”

Kevin wechselte unsicher den Standfuß, nicht schlüssig, was er tun sollte, wo die Frau, die er gerade umschwärmte, in den Armen eines anderen lag, und winkte Steve dann nur kurz zu, um wenigstens die Begrüßung abzuschließen - oder um Steve daran zu erinnern, dass er mit Jo hier war.
Das Kompliment schien ihn jedoch noch weiter zu entmutigen und Dean versteckte ein Grinsen.
Kevin versuchte währenddessen, Jos Aufmerksamkeit wieder zu bekommen und tippte ihr auf die Schulter.
Sie schlug Steve fast ihre blonden, langen Haare ins Gesicht, als sie sich schwungvoll umdrehte.
“Möchtest du - uh - tanzen?”

Jos jubelte zustimmend, entließ Steve aus ihrer Umarmung und hakte sich bei Kevin ein.

“Aber erst!: Pommes!”
Kevin, wieder vollkommen gefangen in Jos breitem Lächeln, ihren leuchtenden Augen und ihrer Aufmerksamkeit, die jetzt wieder ihm gehörte (und Pommes), hatte die Episode von gerade eben bereits vergessen und nickte begeistert.

“Bis später!” - “Ja, eh, bis dann; Dean, Steve.”

Dean winkte beiden nur kommentarlos hinterher und schüttelte den Kopf.

“Junge Liebe, huh?” Er drehte sich zu Steve, der gerade seinen Arztkittel wieder zurecht zupfte und bei Deans Aussage schnaubend lachte.
Gott, zum Glück, er lachte noch mit ihm!
Vielleicht hatte er gerade doch nicht alles versaut; Jo und Kevin waren keine Sekunde zu spät gekommen.

“Wem sagst du das?” Und Steve rollte leicht mit dem Augen. Dean prustete etwas, stimmte ja, sein Teenage-Liebesdrama im Laden.

Es breitete sich wieder durch Musik pulsierende Stille zwischen ihnen aus und Dean musterte Steve einen Moment verstohlen aus den Augenwinkeln;
Der Schreck, der ihm vorhin in die Glieder gefahren war, schien verdaut, er wirkte wieder ruhiger, sortierter und er lächelte sogar leicht, während er die Tanzenden beobachtete.

Ein neues Lied, The Git Up von Blanco Brown begann zu spielen und Dean grinste.
Er stand auf diesen Song!

Er wandte sich vollständig zu Steve, der die Auge von der Tanzfläche zu ihm richtete und ihn fragend ansah, und hielt ihm die Hand hin.
“Möchtest du tanzen?”

Steves Ausdruck wurde fast schockiert und Dean biss sich auf die Wange, aus Angst, wieder zu forsch gewesen zu sein, ihn gedrängt zu haben.
Verdammt, er musste damit aufhören! Er wollte nur, dass Steve einen guten Abend hatte, er war als sein Freund hier, nicht als sein- sein- nicht als verknallter Teenager!
Und - aber dann kam es wieder; das kleine, private Lächeln, als Steve den Kopf senkte und Deans Herzschlag wurde eine winzige Spur schneller, während seine Schultern sich erleichtert entspannten. 

“Ich fürchte, ich kann nicht tanzen.”

Dean tzzzte den Einwand beiseite und sprang geradezu vom Stuhl. “Ich zeig’s dir.”
Ein Herzschlag verging und Steve sah ihn nur an, tief und unergründlich.

Dean schluckte die neuen, erschrockenen Gedanken runter und wartete, noch einen Herzschlag, noch einen Atemzug und dann - spürte er Steves weiche Hand in seiner.

“Ich kann aber wirklich nicht tanzen.”
“Ach, pfff! Auf das Lied kann jeder tanzen!”
Er setzte seinen Cowboy-Hut wieder auf.


Charlie jubelte, als sie beide die Tanzfläche betraten und Dean erwiderte es mit einem offenen, frohen Lachen und einem Tippen an seinen Hut.

Die Musik hier war lauter als an der Bar und Dean versuchte es gar nicht erst, mit verbalen Erklärungen.
(Aber er war sich fast sicher, dass man Steves Stimme dennoch hören könnte, wie sie sich tief am Boden unter all den Bässen hindurch schlängeln würde, um unberührt aufzutauchen und es knisterte wieder in seinem Magen.)

Er räusperte sich sammelnd, zog Steve neben sich und deutete auf sein Ohr und dann vage nach oben, Richtung Boxen, immerhin bestand der Text aus den Tanzschritten, was wollte man also mehr.


Seine Hand passte genau in die kleine Kuhle von Steves Taille und er zeigte ihm, die Körper eng aneinander gepresst, Oberschenkel an Oberschenkel, Steves Schulter in perfektem Kontakt zu seinem Torso, Steves Arm locker um seine Taille, damit Steve ihm folgen konnte, die Bewegungen; Two-Steps, Cowboy-Boogie, Hoe-Down.

Als man sein Sweetheart drehen sollte, erlaubte Dean sich, Steves Hand zu nehmen und ihn um die eigene Achse zu drehen und er lachte dabei, tief, vibrierend und voller Freude und ließ sich widerstandslos drehen und wieder heranziehen.
Dean konnte sein Grinsen nicht mehr unter Kontrolle bekommen.

Steve war direkt neben ihm, während dem ganzen Lied, nah und eng, Seite an Seite, ließ sich drehen, stolperte zurück in seine Arme, lachte und sah ihn an; Warm, glücklich, entspannt und froh.
Seine Lippen glänzten unter dem flackernden Licht, seine Augen leuchteten, sein Lachen war laut, rau und markant. Es war so tief und voll, das es durchs Dean ganzen Körper resonierte, durch jeden Muskel in jeden einzelnen Knochen und die tiefen Töne mussten einen mit sich reißen.
Wie hätte man sich dagegen wehren sollen?
Wehren können? Wehren wollen?!

Dean zog ihn näher, führte ihn, zwei Schritte vor, zwei Schritte zurück, drehte ihn, hielt ihn, eng, enger.
Das Leuchten in Steves Augen blieb.

That was not so bad, that was, that, that was not so bad, was it?

Steve ließ sich nochmal drehen und Dean sollte wieder neben ihn treten, sie sollten wieder den Two-Step machen, ihre Hüfte mit einbringen und zwei Seitschritte machen, aber Dean zog ihn trotzdem weiter an sich sich, näher, direkt an ihm und hielt ihn.
Ihre Finger waren verschränkt und Steves freie Hand lag auf seiner Schulter, angenehm schwer und ruhig.

Seine Nähe war hypnotisch, seine blauen, tiefen Augen, seine geschwungenen Lippen, der Dreitagebart, der sich so gut anfühlen würde, unter Deans Lippen.

Für einen Moment sah es so als, würden Steves Augen sich auch zu seinen Lippen verirren, ein flüchtiger, süßer, eingebildeter Moment, bevor er ihm wieder direkt ansah.

“Ich sag doch, darauf kann jeder tanzen.”
Tanzten sie überhaupt?
Verdammt.
Verdammt.
Seine Stimme fühlte sich so rau an, heiser, und er schluckte.

Er war Steve so nah, Deans Arm um seine Taille und seinen Rücken geschlungen, ihre Hüfte nur noch Zentimeter entfernt, Brust an Brust, die Finger immer noch verschränkt, verdammt, war das Steves rasender Herzschlag oder sein eigener?
Er konnte Steves Atem an seinem Hals spüren, an seinem Kinn, der aus den halb geöffneten Lippen strömte.

Dean leckte sich über die Lippen, vollkommen unbewusst, unfähig den Blick abzuwenden, vollkommen gefangen in dem strudelnden Sog von Steves ganzer Präsenz. Er würde ihn mit in die Tiefe reißen und Fuck it; Er wollte mit nach unten und-

“Dean…”

Die tosende Basswelle riss Steves Stimme mit sich und warf sie gegen seine Ohren, wie gegen einen Wellenbrecher und Dean zuckte fast aus einem Bann.
Er trat einen halben Schritt zurück, den Arm immer noch um Steves schlanken, muskulösen Körper und lächelte so nonchalant, wie möglich.

Verfluchte Scheiße, was trieb er hier eigentlich?!

Steve musterte ihn, interessiert, als würde er ihn analysieren, versuchen, ein riesengroßes Rätsel zu lösen, etwas zu ergründen, das auf den ersten Blick keinen Sinn ergab, und das, obwohl Dean der einfachste Mensch der Welt war.
Meistens, außer heute Abend, wenn er in Steves Augen sah und seine Stimme hörte, die ihn umfingen und verzauberten und in ihren Bann zogen; Dann wurde es kompliziert.

“Entschuldige, Steve, das, uh-”

Dean räusperte sich, wieso war sein Mund so trocken, verdammt?!, aber auf Steves Lippen erschien ein Lächeln, klein, privat und fast verlegen und er schüttelte den Kopf.

“Nein, alles in Ordnung.”
Er reckte den schlanken, schmalen Hals nach oben, zum nächsten Lied, das gerade angefangen hatte und sein Lächeln wurde etwas offener.
“Zeigst du mir auch, wie man auf andere Lieder tanzt?”

Ihre Finger waren immer noch verschränkt. Deans Herzschlag war zu schnell und er wünschte er könnte sagen, es wäre wegen dem Tanz, und er konnte gar nicht schnell genug nicken.
“Klar, so viele du willst, Engel.”

Steves Augen waren einen Moment groß und verwundert geworden, aber vielleicht hatte sich Dean das auch nur eingebildet; Er war ohnehin schlecht zu verstehen unter all der Musik.

~*~

Der röhrende Motor von Baby erstarb in einem rauen Flüstern, sobald Dean die Zündung ausgedreht hatte und er drehte sich zu Steve, der neben ihm auf dem Beifahrersitz saß und zu seinem Wohnhaus blickte.

Es war alle in allem eine fast perfekte Nacht gewesen.
Steve hatte Spaß gehabt, hatte laut gelacht, getanzt, getrunken und Dean hatte seine Augen kaum von ihm abwenden können.

Sein Lachen, tief, vibrierend und voller Leben war wie ein Seebeben und dean ertrank fast in jeder Welle, die es ihm entgegen schickte.
Es war von der ersten Sekunde, in der er es gehört hatte, zu einem seiner neuen Lieblingsgeräusche geworden und er konnte es nicht erwarten, es wieder zu hören.

Sie hatten noch einige Stunden auf der Party verbracht, hatten getanzt - das einzige, das Steve sicher beherrschte war eine, zugegebenen: fast perfekte, Pirouette, die er damals von seiner Schwester gelernt hatte, als sie Ballettstunden hatte nehmen dürfen -, hatten mehr Mini-Burger gegessen, gelacht, geredet.

Es war eine fast perfekte Nacht gewesen, so perfekt, dass Dean es beinah hätte vergessen können; All die Sorgen um Steve, die Angst, die hinter den blauen Augen lag, all den Schmerz, von dem er ihn hatte ablenken wollen.
Sogar hat Steve hatte so entspannt und glücklich gewirkt, so voller Leben und Freude, das Dean dran glauben wollte, er hätte es auch ein wenig vergessen können.

Es hätte beinah geklappt.
Es war beinah perfekt gewesen.
Aber dann war Dean zu Hause gestolpert, weil er nicht aufgepasst hatte, wo er hinging, weil er sich von Steves Lächeln, von dem amüsierten Funkeln in seinen Augen und seiner Stimme hatte ablenken lassen, und Steve hatte hilfsbereit versucht ihn aufzufangen.
Eine Hand hatte sich auf Deans Brust gelegt, stabilisierend, stützend und sein anderer ARm war unter seinem Arm durch geglitten, um ihn an sich zu halten - Dabei hatte sich der Ärmel seines Arztkittels nach hinten geschoben,  dieses verdammten Arztkittels, den Steve den ganzen Abend lang nicht hatte ausziehen wollen, egal wie sehr sie getanzt hatten, egal wie warm es in der Bar wurde.

Es war wie ein Kübel Eis, den man auf ein glühende Kohlen kippt;
Man hatte nicht einmal Fantasie gebraucht, um zu erkennen, dass die blaugrünen Spuren von einem wütenden Griff stammten und der bis vor einem Moment noch lachende und fröhliche Steve war schnell verschwunden wie Wasserdampf und Qualm in einem Windzug.


Er hatte sich umgezogen und Dean hatte ihn nach Hause gefahren, aber das kleine, private Lächeln hatte er seither nicht mehr gesehen. Nur noch den stoisch sortierten Ausdruck geübter Ausdruckslosigkeit.

Die Stille, die zwischen ihnen lag, fühlte sich nicht mehr angenehm und vertraut an, wie in der Bar, wo nicht mal die laute Musik sich in die pulsierende, angenehme Ruhe zwischen ihnen hatte drängen können.
Der Abend, die Nacht war fast perfekt gewesen, aber jetzt hatte es zwölf geschlagen und alle Illusionen, jede Freude, all die Nähe und Gespräch und Träumereien waren wieder zu Kürbissen geworden.

Er konnte die jetzige Stille nicht ausstehen.
“Da wären wir.”
Steve drehte seinen Kopf zu ihm und Dean hätte sich für diese unsinnige Anmerkung am liebsten selbst geohrfeigt; Als würde er wollen, dass Steve jetzt ausstieg!

Aber er lächelte nur, ein leichtes, unpersönliches, makelloses Einzelhandelslächeln und Dean schloss für einen Moment die Augen, weil die Sehnsucht nach dem tiefen, vibrierenden Lachen aus Steves Mund fast weh tat.

“Ja, da sind wir.”
Steve raffte seinen Trenchcoat; es war kalt Ende Oktober, aber er hatte den Mantel bisher nicht wieder angezogen, und nickte.
“Ich danke dir, Dean, für den schönen Abend.” Das flüchtige Lächeln, das über seine Lippen tanzte hatte mehr Ehrlichkeit, mehr Tiefe und zu viel Traurigkeit. “Ich hatte wirklich großen Spaß.”

Er zögerte noch einen Moment, griff dann aber nach dem Türöffner und Deans Hand schnellte nach vorne. Er konnte nicht- Er wollte nicht-
Es war so surreal.
Der Abend war vorbei, die Party vorbei; Aber wenn Steve jetzt ausstieg-
Er wollte ihn nicht gehen lassen, nicht wieder dahin zurück, nicht wieder in diese Wohnung.
Nicht wieder zu Earl.

Auch wenn er wusste, dass es nicht sein konnte, meinte er fast die pulsierenden Hämatome an Steves Arm unter seine Hand spüren zu können und ihm wurde übel, wenn er nur daran dachte, wie fest er gepackt worden sein musste, wie er vollkommen grundlos verletzt und verängstigt worden war.
Dean schluckte gegen die Übelkeit an. Sein Kiefer mahlte Gedanken zu Worte, die er nicht aussprechen konnte, nicht aussprechen sollte - aber irgendwas, irgendwas musste er sagen! Er- Er musste-
Er konnte nicht-

Steve war unter seinem Griff einen Moment erstarrt, machte aber keinen Versuch, seinen Arm zu befreien, sondern drehte sich nur langsam um.
Seine Augen legten sich auf Deans Hand und seine Lippen pressten sich blutleer gegeneinander.
“Steve-”

“Dean, es ist alles in Ordnung.”
Dean musste wieder die Augen schließen, tief atmen, sich sammeln, um- um-
Gott, er wollte Steve packen, er wollte ihn packen und schütteln und aufwecken; Er wollte ihm sagen, dass nicht alles in Ordnung war! Er wollte ihn anschreien, dass es nicht besser werden würde, dass es nicht aufhören würde; Genauso wenig wie sein Vater aufgehört hatte.
Keiner dieser Bastarde würde je aufhören!

Aber- Steve wusste das, nicht wahr?
Steve hörte ihm zu.
Wieso- Wieso-?! Wieso wollte er aussteigen?
Er könnte einfach hier bleiben, bei ihm, sie könnten nach Hause fahren und-

Dean schluckte diese irrationale Sehnsucht runter und räusperte sich streng.
Er konnte ihm all das nicht sagen, das wusste er auch.

“Es wird schlimmer, oder?”, kam stattdessen aus seinem Mund und er konnte spüren, wie die Muskeln und Sehnen unter seiner Hand hart wurden. Weil er Recht hatte, Gott, manchmal hasste er es, Recht zu haben.
Seine Zunge benetzte seine Lippe, seine Augen auf seiner Hand, wie sie Steves Unterarm festhielt.
“Früher gab es längere Pausen, oder? Er war nur manchmal wütend und er war weniger brutal. Aber jetzt passiert es immer öfter und und es wird immer heftiger, richtig?”

Steves Kopf war gesenkt, aber er konnte das Beben seines Kehlkopfs sehen, als er hart und schwer schluckte und Dean fuhr sich mit der freien Hand streng über das Gesicht.
Er wollte-
Ihm alles versprechen, ihm sagen, dass er ihn anrufen konnte, jederzeit. Dass Dean für ihn da wäre, jederzeit. Dass er nicht alleine wäre, niemals, niemals alleine wäre, wenn Dean es verhindern konnte.
Dass er nicht bei Earl bleiben musste, dass Dean ihn beschützen würde, dass-
Dass er es nicht verdiente, was ihm passierte.
Dass es nicht seine Schuld war.

Aber Steves Zunge fuhr über seine Unterlippe, seine Schultern waren hart und angespannt und Dean wusste, dass es keinen Sinn hatte, nicht jetzt, nicht hier, nicht heute Abend.
Er würde Steve nicht davon überzeugen, nicht auszusteigen.

“Dean…”

Aber Steves Beruhigungen konnte er gerade auch nicht hören, also schüttelte er den Kopf und beugte sich zu ihm, um ihm das Wort abzuschneiden.

“Versprich mir nur, dass-” Er knete einmal die Lippen, einen Moment gefangen von Steves Gesichtszügen im Halbdunkel der Straßenlaternen, bevor er schluckte und weiter sprach: “Hab immer dein Handy und deinen Geldbeutel an dir, okay? Wenigstens das, Steve.”

Steves Augen lagen auf ihm, musternd, forschend, voller unendlicher, unergründlicher Tiefe - und Steve nickte.

“Das mach ich, Dean. Danke, nochmal. Für alles.”
Sein Mundwinkel zuckte in einem Lächeln. “Es war ein wirklich schöner Abend.”

Dean schluckte und ließ langsam Steves Unterarm los.

“Ja, das fand ich auch.”
Seine Augen fanden von alleine den Weg zu Steves Lippen, zu dem Schatten-und-Licht-Spiel, das über sie tanzte, wenn Steves Wangenmuskel in einem schüchternen Lächeln zuckte.

“Gute Nacht, Dean.”
Steve sah ihn an, direkt und klar, tief, blau, und wieder bildete Dean sich ein, dass auch Steves Blick auf seine Lippen fiel, nur für einen Moment, einen Wimpernschlag.
Er hatte es sich mit Sicherheit eingebildet.

“Gute Nacht, Steve.”
Wäre es eine perfekte Nacht, würde er ihn jetzt küssen.