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Close To Home (von iesika) | Teil 3/18 - tenten31 - 21.07.2020 „Wir hätten noch die ganzen Blaubeeren im Gefrierschrank“, schlug Martha vor. Sie saß in ihrem Sessel und blätterte gedankenverloren durch ihre Rezepte. Kon saß im Schneidersitz auf der Couch mit einem Topf links und einem rechts von ihm, während er vorsichtig Walnüsse knackte und aus den Schalen befreite. „Nö“, gab er zurück, „er hasst Blaubeeren.“ Martha sah überrascht zu ihm auf. „Ich weiß“, lachte Kon. „Ich kann einfach nicht glauben, dass einer von Bruces Jungs keine Blaubeeren mag. Alfred macht da diese Muffins—“ Kon unterbrach sie mit einem sehnsuchtsvollen kleinen Stöhnen. „Oh Gott, ja, die Muffins! Aber für Tim macht er immer noch ein paar mit Cranberrys.“ Martha blickte mit einem Stirnrunzeln auf die Rezeptkarten in ihrer Hand und begann sie zu mischen. „Und ich glaub, Orange vielleicht? Vielleicht waren‘s auch Aprikosen. Irgend sowas. Tim lässt mich nie welche davon abhaben. Einmal haben Bart und ich welche geklaut, aber er hat gedroht, keine Cookies mehr mitzubringen, wenn—“ Tim war wach. Kon war sich nicht ganz sicher, woher er das wusste, weil er nicht hörte, dass sich oben jemand bewegte oder ähnliches. Tim lag bewegungslos in Kons Bett und sein Atem ging regelmäßig. „Zeit, die Welt vor ihrem sicheren Untergang zu bewahren?“ Kon regelte sein Gehör wieder auf ein menschliches Level und schüttelte den Kopf. „Was?“ Martha beobachtete ihn mit einem liebevollen, nachsichtigen Lächeln. „Wenn Clark diesen Blick bekommt, ist da in der Regel ein Tsunami oder eine Alien-Invasion.“ „Oh“, machte Kon, „Nein, nur—“ „Wo ist mein Anzug?“ rief Tim vom oberen Treppenabsatz herunter und aus seinem Ton war deutlich Frustration zu hören. „Okay“, gab Kon leise zu, während er die Nüsse beiseite stellte, „Vielleicht ein kleines bisschen Untergang.“ Er ging hinüber zu den Treppen, um sie nach oben zu spähen, wo Tim in Kons flauschigen Bademantel gehüllt winzig wirkte, selbst wenn er die Arme vor dem Körper verschränkt hatte und den Blick missbilligend erwiderte. „Gut geschlafen?“, fragte Kon fröhlich, was den düsteren Blick nur verstärkte. „Wo sind meine Sachen?“, knurrte Tim. „Du hast das Mittagessen verschlafen, aber wir haben dir einen Teller aufgehoben. Jede Menge Grünzeug“, fügte Kon hinzu. „Ma meint, dass du unter Blutarmut leidest.“ „Ich nehme Nahrungsergänzungsmittel. Wo sind meine Hosen, Kon?“ „Erst Essen, dann Hosen.” Tim seufzte. „Ich habe keine Zeit für—” „Essen“, beharrte Kon. „Magst du nicht runter kommen? Es gibt Hähnchenschenkel und Maisbrot und Cobbler von gestern—“ Tims düsterer Blick löste sich langsam auf. „Ich – Hähnchenschenkel?“, fragte er. „Wirklich?“ *
Matthew Stephens hatte mit seiner Mutter in einem kleinen, ordentlichen Ziegelsteinhaus gewohnt, nicht weit entfernt von der Gemeinschaftspraxis, in der sie arbeitete. Hinter dem Haus lag ein kleiner Garten mit einigen Blumen und ein paar abgesteckten Gemüsebeeten entlang des Zauns. Kein Unkraut war im Garten zu sehen, aber das Gras vor dem Haus müsste gemäht werden. Wahrscheinlich war das Matthews Aufgabe gewesen. „Also“, begann Kon, als sie gelandet waren, „ist die Mom verdächtig?“ „Jeder ist verdächtig.“ Kon verdrehte die Augen und sah dabei zu, wie Tim den Vorgarten durchschritt, um sich den blauen Sedan anzusehen, der in der Auffahrt geparkt war. „Okay“, gab er zurück, „Klar. Ist sie wirklich verdächtig?” Anstatt ihm zu antworten, winkte Tim ihn zu sich hinter das Auto. An der Stoßstange prangte ein farbenfroher PFLAG-Aufkleber, direkt unter einem dieser geschnörkelten Chrom-Fische. „Ich denk: nein“, beantwortete Kon sich seine eigene Frage. „Ich denk auch, du solltest besser mich reden lassen.“ Tim setzte zu einer Antwort an, aber Kon kam ihm zuvor: „Wenn sie sich verdächtig verhält oder ich irgendwas Dummes vergesse, kannst du übernehmen. Aber bis dahin wird sie geschont. Du hast gesehen, wie fertig sein Dad war. Die Woche dieser Lady hier war schlimm genug, ohne—“ „Okay“, unterbrach Tim ihn und setzte sich in Richtung der Haustür in Bewegung. „Okay?“ „Batman hat früher mich vorgeschickt, um mit den Familien der Opfer zu reden.“ Kon folgte kopfschüttelnd. „Also“, gab er zurück, „ich schätze, wenn ich zwischen dir und Batman wählen müsste…“ „Wir haben uns eben die Rollen aufgeteilt. Die Leute müssen sich vor Batman fürchten. Robin ist da deutlich zugänglicher.“ „Das muss echt ein verdammt krasser Rollentausch gewesen sein mit Dick und dem Teufelsbraten“, murmelte Kon. An der Tür hing ein etwas staubiger Kranz aus Weinblättern, mit einer kleinen amerikanischen Flagge auf einer Seite und einer Schleife auf der anderen. Kon klopfte, hielt aber kurz inne, um den losen Draht wieder zu befestigen. „Superman kann es sich leisten, zugänglich zu sein“, fuhr Tim fort und Kon warf ihm einen Blick zu. „Einer der Vorteile, wenn man praktisch unverwundbar ist.“ „Du wolltest, dass ich mit ihr rede“, ging es ihm auf. „Das hättest du mir auch einfach sagen können.“ Tim zuckte die Schultern. „Dein Fall“, lächelte er leicht. Kon beschloss, es als ein Zeichen zu nehmen, dass er Tims Meinung nach hier gute Arbeit leistete. Die Tür öffnete sich und Kon setzte sein bestes Superhelden-Lächeln auf. Tim stand etwas hinter ihm, so dass Kon seinen Gesichtsausdruck nicht sehen konnte. Er hoffte, er wäre der Situation angemessen. Matts Mutter war eine zierliche Frau mit kurzen, aschblonden Haaren. Sie trug Jogginghosen und ein zerknittertes T-Shirt und wirkte blass und verwaschen, mit Ausnahme ihrer geröteten Augen. „Oh mein Gott“, keuchte sie, als sie sie sah und hielt sich überrascht eine Hand vor den Mund. „Ma’am“, begrüßte Kon sie. Er gab ihr ein paar Sekunden Zeit, um zu verarbeiten, dass da Superhelden an ihrer Tür standen, bevor er hinzufügte: „Dürfen wir rein kommen?“ „Oh mein Gott“, meinte sie erneut. Ihr Blick ging zu Tim, dann zurück zu Kon, immer noch leicht benommen. „Du bist Superboy.“ Sie schüttelte den Kopf. „Ja, äh, kommt rein.“ Sie trat zurück und zog die Tür weiter auf. „Das Haus ist ein Durcheinander“, entschuldigte sie sich und fuhr sich mit den Fingern durch die Haare. „Ich hab nicht – ich hab nicht aufgeräumt.“ Das Ausmaß des ‚Durcheinanders‘ schien eine Decke auf der Couch im Wohnzimmer zu sein, die halb auf einer Schachtel Taschentüchern und einem Stapel Zeitschriften lag. „Ähm“, machte sie, als sie hinter ihnen die Tür schloss. „Wollt ihr etwas zu trinken? Oder zu essen, oder – oh, esst ihr überhaupt?“ „Jawohl, Ma’am“, antwortete Kon mit einem Lächeln. Rebecca lächelte nervös, wobei sie erleichtert und verlegen gleichzeitig wirkte. „Ich – kommt doch mit in die Küche. Bitte.“ Sie führte sie durch einen offenen Durchgang, in dem Tim kurz stehen blieb, um Kon einen Blick zuzuwerfen, der wahrscheinlich mit korrekten Untersuchungsmethoden zu tun hatte. Kon tat so, als hätte er ihn nicht bemerkt. Tim wirkte eindeutig fehl am Platz in der hellen, in freundlichen Farben gehaltenen Küche und Kon war sich ziemlich sicher, dass er sich dessen bewusst war. Nachdem es keine praktischen Schatten gab, in denen er sich hätte verstecken können, schien er unsicher, wo er herumschleichen sollte. Schließlich entschied er sich für einen Platz nahe der Tür und Kon schenkte ihm ein Augenrollen, als Rebecca sich zum Kühlschrank umdrehte, der vollgestopft war mit Auflaufformen, die mit Frischhaltefolie abgedeckt waren, und sogar zwei Napfkuchen. Kon kniff neugierig die Augen zusammen und entdeckte ganz unten eine Schüssel, die verdächtig nach Marthas Erdbeersalat aussah. „Ich hab Eistee“, bot Rebecca an. „Oder ich kann Kaffee machen. Oder wir haben auch Soder. Ähm. Light.“ „Ich nehm gern Eistee. Red, du auch Eistee?“ Tim starrte ihn an, als hätte er den Verstand verloren. „Haben Sie auch Zesti?“, fragte Kon, während er Rebecca dabei zusah, wie sie ein Glas mit Eiswürfeln füllte und dann Eistee eingoss. „Oh“, meinte sie und wirkte bedrückt. „Nein, ich – ich trinke kaum Limo. Und Matt mochte eigentlich nur Soder. Hättet ihr gerne—“ „Nee“, antwortete Kon. Er deutete mit dem Daumen auf Tim. „Ich hab nur für meinen stillen Partner hier gefragt. Von der Ostküste. Ist bei den sonderbarsten Dingen heikel.“ „Ostküste?“, wandte Rebecca sich an Tim, wie von Kon gehofft nun ebenfalls Smalltalk betreibend. „Gotham”, sprach Tim zum ersten Mal seit sie eingetreten waren. Rebeccas Augen weiteten sich etwas. „Oh“, machte sie und es war, als könnte er in ihren Kopf sehen, als könnte er dabei zusehen, wie ihr aufging, wer noch aus Gotham kam. „Das – das ist aber ein weiter Weg hierher…“ Tim antwortete nicht, also trat Kon zwischen sie und nahm das Glas aus ihrer Hand an. „Red Robin hier ist ein wenig schüchtern, aber er ist ein verdammt guter Detektiv… Deshalb sind wir hier.“ Rebecca drehte sich um und stellte den Krug zurück in den Kühlschrank. „Ich weiß nicht, was ich euch noch erzählen könnte, das ich nicht der Polizei schon erzählt hab. Ich—“ Sie brach ab, als sie sich wieder ihnen zudrehte. „Es tut mir leid. Ich kann immer noch nicht glauben, dass gerade Superhelden in meiner Küche stehen.“ Ich hab ziemlich wahrscheinlich die Nüsse für den Erdbeersalat da drin geknackt, wollte Kon sagen, aber schwieg lieber. Stattdessen zog er zwei Stühle von unter dem hellen Eichenholztisch hervor und setzte sich auf denjenigen, der näher bei Tim war. Rebecca zögerte einen Augenblick, setzte sich aber dann ebenfalls. Tim blieb stehen, lehnte sich aber gegen den Counter, was ihn beinahe so klein wirken ließ, wie er wirklich war. Außerdem erschien er so wahrscheinlich deutlich weniger angsteinflößend, zumindest solange man ihn nicht schon mal in Aktion erlebt hatte. Es war ein Kompromiss, mit dem alle leben konnten, weshalb Kon nicht weiter beharrte. „Wir haben mit Matts Vater gesprochen—“, setzte er an, bis Rebecca abwinkte. „Patrick war es nicht“, sagte sie leise. „Es tat ihm leid – dass er Matt wehgetan hat. Das wisst ihr wahrscheinlich schon, wenn ihr zuerst bei ihm wart. Aber es hat ihm so sehr leid getan, als er realisierte, was er getan hat.“ „Denken Sie nicht, dass er sich von dem inoffiziellen Unterhalt finanziell unter Druck gesetzt fühlte?“ Rebecca blickte Tim düster an, aber antwortete trotzdem: „Ich hab ihn nie darum gebeten, Geld zu schicken – das hat er von sich aus getan und er hätte jederzeit damit aufhören können. Patrick ist ein altmodischer Mann und er hatte zu vielem altmodische Ideen – die Verpflichtung eines Vaters, seine Familie zu unterstützen, eingeschlossen.“ Kon seinerseits machte mehr als Tim nur düster anzusehen. „Wir wissen, dass er es nicht war“, versicherte er. „Weshalb wir Sie bitten würden, uns alles über Ihren Sohn zu erzählen, was Sie nur können – jemand, mit dem er Streit hatte oder der wütend auf ihn war…“ „Nein. Nein, da gibt‘s niemanden. Matt – er war ein guter Junge. Alle mochten ihn.“ „Offensichtlich nicht alle“, stellte Tim fest und, oh, Kon war so nah dran, ein Loch in seine dämliche Maske zu brennen! Tim allerdings ignorierte seinen zornigen wie auch Rebecca schockierten Blick und fuhr fort: „Kinder – vor allem Teenager erzählen ihren Eltern nicht immer alles.“ „Matt schon.“ „Ich bin sicher, Sie dachten, dass er das tut. Die meisten Eltern denken das.“ Jetzt ist nicht die Zeit für deine verfickten Probleme, dachte Kon, aber Tim sah immer noch nicht zu ihm. „Matt eben schon“, wiederholte Rebecca, fast herausfordernd. „Wir konnten über alles reden. Wir haben über Sex geredet. Er wusste, dass er mich anrufen kann, damit ich ihn von einer Party abhole, wenn er getrunken hat. Er hat mir sogar erzählt, wie er bei einer Freundin Marihuana probiert und sich in ihr Schwimmbad übergeben hat, verdammt nochmal. Wir standen uns sehr nah.“ „War er sexuell aktiv?“, fuhr Tim unbeeindruckt fort. Rebecca seufzte und schien auf ihrem Stuhl in sich zusammen zu sinken. „Ja“, sagte sie. „Da war die Katze aus dem Sack, noch bevor Patrick… gegangen ist. Er… hat das anfangs ziemlich ausgelebt. Mich auf die Probe gestellt, denke ich. Aber das hat sich auch gegeben. Er war verantwortungsbewusst. Er war ein anständiger Junge.“ Kon lehnte sich zurück und kniff die Augen zusammen. Hätte sie ihnen all das erzählt, wenn Tim sie nicht vorher wütend gemacht hätte? Er war sich wirklich nicht sicher, beschloss aber, ihn nicht mehr mit Blicken zu durchbohren und einfach aufzupassen. „Mrs. Stephens—“, setzte Tim an. „Martin. Miss.” „Miss Martin. Ihr Sohn war schwul. Er wurde in einer Schul-Umkleide getötet.“ „Ich weiß“, seufzte sie. „Ich weiß, wonach es aussieht. Ich kann euch wirklich nicht sagen—“ Mit ernstem Gesicht brach sie ab. „Ich hab damals eine Entscheidung getroffen, als ich mich von meinem Mann scheiden ließ: Dass wir uns nicht mit… dieser Art Leute umgeben. Wir sind fast nicht mehr zur Kirche gegangen, auch wenn ich Matt christlich erzogen hab. Ich hab aufgehört, mit Patricks Freunden zu sprechen. Matt genauso. Ich hab ihm beigebracht, sich nicht zu verstecken, sich aber auch nicht selbst unglücklich zu machen. Ich bin sicher, an dieser Schule gibt es Kinder, die diese Art von Hass beigebracht bekommen haben, aber ich kenne niemanden davon mit Namen.“ „Hat er je erwähnt, ob er an der Schule schikaniert oder gemobbt wurde?“ fragte Kon, wobei er daran dachte, was er am Vortag im Gang mitbekommen hatte. „Nein. Schon seit der Mittelschule nicht mehr. Damals hab ich ihn sofort versetzen lassen.“ Also… hatte Matt seiner Mutter vielleicht doch nicht alles erzählt. Vielleicht hatte Tim Recht. Wieder mal. Kon hasste es, wenn das passierte. „Es gibt eine Menge Fälle von Übergriffen aufgrund wahrgenommener homosexueller Avancen“, wagte Tim einen Vorstoß. „Nein“, winkte Rebecca kopfschüttelnd ab. „Nein, Matt würde nie—“ „Wahrgenommene Avancen. Möglicherweise zwangloses Flirten.“ „Nein”, wiederholte sie. „Matt hat seinen Freund sehr geliebt.“ Wahrscheinlich hätte Tims ausgestoßener Atem für niemanden wie ein Lachen geklungen, der ihn nicht bereits vor dem Stimmbruch gekannt hatte. „Er war 16 Jahre alt“, winkte er ab, bevor er endlich – endlich – Kons Gesichtsausdruck und angespannte Haltung bemerkte und verdammt nochmal die Klappe hielt. Kon atmete erleichtert aus und wandte sich wieder an Matts Mutter. „Können Sie uns was über seinem Freund erzählen?“ Rebeccas Blick verdunkelte sich und sie sah misstrauisch zu Tim. „Ihr werdet ihn aber doch nicht behelligen, oder?“ „Wir müssen uns nur ein Bild von Matts Leben machen, Ma’am – wen er kannte, wo er sich so herumtrieb…“ Rebecca blieb zuerst still. Kon war sich ziemlich sicher, dass es nicht nur an seinem Supergehör lag, dass das Ticken der Uhr an der Wand plötzlich so laut erschien. Schließlich nahm sie aber doch einen Stapel Fotos auf und schob sie zu ihm hinüber. Gleich das oberste Foto zeigte Matt und einen groß gewachsenen, dunkelhäutigen Jungen mit Brille, den Kon meinte, schon mal auf den Schulgängen gesehen zu haben. Sie standen in dunklen Anzügen mit passenden Anstecksträußchen zusammen, unter einem hölzernen Bogen bedeckt mit seidenen Weihnachtssternen. Kon war nicht beim Weihnachtsball gewesen, aber erkannte den Bogen von den Bildern wieder, die alle die Woche danach herumgezeigt hatten. „Sie waren in der Schule geoutet“, stellte er fest. Im Augenwinkel sah er, wie Tims Haltung sich veränderte. „Ja“, stimmte Rebecca zu. „Das ist Clarence Moore. Er und Matt waren knappe zwei Jahre zusammen.“ „Haben sie sich je gestritten?“, hakte Tim ein. „Jeder streitet sich mal. Aber nur über dumme Kleinigkeiten und es hat nie lange angehalten.“ Das nächste Bild zeigte Clarence, wie er Matt im Schwitzkasten hielt, aus dem dieser nicht wirklich zu entkommen versuchte, seine Brille schief auf der Nase. Es gab ein Bild, auf dem Clarence und Rebecca Wange an Wange vor einem Weihnachtsbaum tanzten und Matt im Hintergrund lachte. Ein anderes zeigte Matt mit einer Gruppe von Leuten, die wahrscheinlich der Rest der Familie Moore waren – ein Paar mittleren Alters und ein Mann in seinen 20ern, der genauso Clarences Bruder wie Cousin sein konnte. „Seine Familie kam gut mit Matt aus?“ „Sie haben ihn geliebt“, lächelte sie traurig. „Sie haben eine Weile gebraucht, um sich an den Gedanken zu gewöhnen, aber sie haben uns beide wirklich aus vollem Herzen angenommen. Die Jungs taten einander gut.“ Es gab noch weitere Bilder der beiden Familien zusammen, scheinbar bei einer Weihnachtsfeier. Und dann ein Foto, das Kon zweimal hinsehen ließ: Matts Arm ruhte um das zierliche dunkelhaarige Mädchen aus seinem Englischkurs, das am Vortag noch Peter Miller einen Korb verpasst hatte. Langsam ergab sich ein Bild. Vielleicht war das Schikanieren doch nicht einfach nur wahlloses Footballer-Gehabe gewesen. „Das ist Lilah“, erklärte Rebecca. „Eigentlich Delilah. Roberts. Sie war seit der sechsten Klasse Matts beste Freundin. Sie – sie hat ihn gefunden. Die Polizei hat sie gestern sehr lange verhört. Und nachdem sie hier fertig waren, sind sie gestern Abend direkt zu den Moores weitergefahren. Seine Freunde haben genug durchgemacht. Wir alle haben das.“ „Ma’am“, begann Kon, aber sie unterbrach ihn. „Bitte“, meinte sie leise, ihre Stimme auf einmal rau. Sie senkte den Kopf und fuhr sich über die Augen. „Clarence ist – Charlotte wollte gestern zu ihm, um mit ihm zu reden, aber er war nicht in seinem Zimmer. Sie konnten ihn nirgends finden und wir haben uns alle solche Sorgen gemacht, dass ihm auch was passiert ist oder – oder er sich selbst was angetan hat oder—“, schnürten ihr die Worte die Luft ab. Tims Blick wurde wieder düster und er beugte sich ihr aufmerksam entgegen. „Ist er gefunden worden?“ „Ja, ich – ich hab ihn heute Morgen in Matts Bett mit einem seiner Shirts zusammengerollt gefunden. Er hat sich durch das Fenster hereingeschlichen. Sagte, er wollte mich nicht stören, indem er klopft. Wir haben eine Weile geredet, bevor ich ihn nach Hause gefahren hab. Er ist einfach so wütend und ich kann es ihm absolut nicht übel nehmen. Die beiden hatten noch ihr ganzes Leben vor sich und jetzt ist das alles zerstört und—“ Ein einzelnes Schluchzen entrang sich ihrer Kehle und sie schnappte nach Luft, ihr Gesicht in ihren Händen. „Es tut mir leid. Es tut mir so leid.“ „Nein“, warf Kon im selben Moment ein, in dem Tim zu ihr trat und ihr ein – war das ein Taschentuch, das er ihr anbot? Hatte er immer welche in seinem Gürtel? Sowas wie Bat-Taschentücher? Sie wischte sich damit das Gesicht, knüllte es dann zusammen und starrte darauf, wie es in ihrer Faust ruhte. „Miss Martin“, sprach Tim sie an, legte ihr eine Hand auf die Schulter und ging in die Hocke, so dass sie auf Augenhöhe waren. Sein Gesichtsausdruck war zu weich für seine Maske. „Wir verstehen, wie schmerzhaft das ist—“ „Wie könntet ihr das? Er war mein Sohn. Mein Sohn ist tot.“ „Und wir können nicht wissen, wie sich das anfühlen muss. Aber keinem von uns sind Trauer oder Verlust fremd. Deshalb sind wir hier. Wir werden herausfinden, wer das war. Wir werden den Mörder finden und zur Rechenschaft ziehen.“ Rebecca sah zu ihm auf, ihre Augen feucht. „Versprochen“, sagte Tim. *
Als sie zurück zur Farm kamen, war es Zeit fürs Abendessen und noch bevor sie landeten, wusste Kon bereits, dass Martha in ihrer Abwesenheit fleißig gewesen war. Er atmete tief ein und filterte den Geruch nach Heu und Erde heraus, zugunsten von den Gerüchen nach Gebratenem und Brot und etwas mit Zwiebeln und Tomaten. „Bist du sicher, dass du seinen Freunden keinen Besuch abstatten willst?“ fragte Tim, als sie wieder festen Boden unter den Füßen hatten. „Delilah ist mit mir in Englisch“, gab Kon zurück. „Selbst wenn ich sie jetzt belästigen wollen würde, glaub ich nicht, dass es das Risiko wert ist, dass sie am Ende eins und eins zusammenzählen, weißt du?“ „Hm.“ Kon begann die Stufen zur Veranda zu nehmen, während er weitersprach: „Und wenn ich es schaffe, dass sie mit Conner Kent reden, dann müssen sie auch nicht von Superhelden verhört werden.“ „Okay“, lenkte Tim ein, „Halt mich auf dem Laufenden.“ Dann setzte er sich in die entgegengesetzte Richtung zum Haus in Bewegung. „Warte mal“, rief Kon. „Was?“ In Supergeschwindigkeit war er bei Tim und schwebte vor ihm. „Wo willst du denn hin?“ „Ich habe Verpflichtungen in Gotham.“ „Stimmt, okay, aber Abendessen—“ Tim ging um ihn herum und in Richtung der Scheune. „Ich habe wirklich keine Zeit mehr. Wir haben heute Nachmittag zu lange gebraucht. Du hättest mich nicht schlafen lassen sollen.“ „Du warst erschöpft! Und du kannst doch jetzt nicht gehen! Ma ist wahrscheinlich am Kochen, seit wir los sind.“ Die Tore der Scheune waren offen und Tim verschwand im Inneren. „Du wirst mich bei ihr entschuldigen müssen“, rief er über seine Schulter und Kon eilte ihm hinterher. „Du Arsch“, rief er, „Komm wenigstens—“ Er verstummte, als er sah, worauf Tim zuhielt. „Whoa. Ich dachte, du bist hierher geflogen.“ „Bin ich auch“, entgegnete Tim, während er ein Bein über das rotkehlchenrote Monster schwang, das er ein Motorrad nannte, und seinen Helm aufnahm. „Aber ich konnte ja nicht gerade in eurem Vorgarten landen.“ „Du schuldest mir immer noch eine Fahrt mit dem Ding…“ „Nicht heute Abend.“ Tim setzte sich den Helm auf und startete das Motorrad, wobei er den Motor aufheulen ließ und damit eine ganze Wolke Schwalben aus dem Gebälk aufscheuchte. „Wann anders“, rief er, „Und es tut mir wirklich leid wegen dem Abendessen.“ Mit einem Dröhnen verließ er die Scheune und wirbelte dabei eine Wolke aus Staub und Heu auf, von dem eine ganze Menge ihren Weg in Kons offenstehenden Mund fand. ~> tbc in Teil 4 RE: Close To Home (von iesika) | Teil 3/18 - Lossi Kal-El - 04.11.2020 Lieber Gast, wir würden uns sehr freuen, wenn du dich bei uns anmeldest. RE: Close To Home (von iesika) | Teil 3/18 - tenten31 - 04.11.2020 Lieber Gast, wir würden uns sehr freuen, wenn du dich bei uns anmeldest. |