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A/N: Nach langer Zeit mal wieder eine Fanfiction, die im Rahmen des Adventskalenders 2020 unter dem Thema "Driving home for christmas" entstanden ist. Concrits Welcome
Driving home for christmas
Vor dem Fenster des kleinen Cottage rieselten große Schneeflocken zu Boden, die sich nach und nach zu einer ebenen, silbrig glitzernden Decke vereinigten, die den Rasen des kleinen Gartens unter sich bedeckte. Der Winter hatte Einzug in Godrics Hollow gehalten und hüllte das Dorf in ein gezuckertes Kleid. Es war kaum zu glauben, wie friedlich es hier wirkte, wo es doch alles andere als das war.
Die Zeiten waren äußerst dunkel geworden. Kaum ein Tag verging, ohne die Vermisstenmeldung eines liebenden Anverwandten, eine Traueranzeige eines Ordensmitglieds oder Schlagzeilen von Terrorangriffen auf Muggelhotspots. Unsicherheit und Angst lag in der Luft und keiner fühlte sich mehr sicher. Doch ihre Angst machte keinen Halt vor der eigenen Sicherheit. Schlimmer noch als alles andere war das Gefühl, keinem mehr trauen zu dürfen. Jeder konnte in dieser Zeit ein Spion für die eine oder die andere Seite sein (sie wie er es selbst mittlerweile für den Orden geworden war) oder schlimmer noch, unter dem Imperiusfluch stehen. Nur konnte man einem Mensch nicht ansehen, ob und aus welchem Grund er zum Opportunist geworden oder ob er verhext geworden. Vielleicht war aber auch gar nichts von beidem der Fall, sodass man nicht nur Gefahr lief, verraten zu werden, sondern auch mit dem eigenen Misstrauen Beziehungen und Freundschaften zu gefährden.
Obgleich es Remus in den letzten Monaten, die er im Rudel verbracht hatte, immer schwerer fiel, Dinge zu finden, die ihn bei Kräften hielten, schätzte er sich doch froh, dass es in seinem Leben noch jene Menschen gab, für die sich all das lohnen würde. Das letzte Mal, dass er sich glücklich gefühlt hatte, war allerdings schon eine kleine Ewigkeit her und langsam glaubte er, es nicht mehr wirklich fühlen zu können. Umso wichtiger war dieser Tag. Er musste hier endlich weg. Keinen einzigen Tag hielt es länger in diesem dunklen, kalten Wald aus. Keinen Tag länger wollte er sich weiterhin einer Prüfung nach der anderen unterziehen müssen, mit Hilfe derer ihn Greyback auffliegen lassen wollten. Einen einzigen Tag musste er hier weg und glücklicherweise bot Greyback ihn den richtigen Anreiz: eine Patrouille. Der Gedanke, dass es eine Falle hätte sein können, war auch ihm gekommen. Doch bisher hatte Remus nichts entdecken können – gefolgt war ihm offenbar keiner und eigentlich wunderte es ihn nicht einmal, denn die wenigsten Rudelmitglieder taugten zu mehr, als zum reißen ihrer Beute.
So schnell es eben ging, hatte Remus so viel Distanz wie möglich zwischen sich und denn Forest of Dean gebracht. Durch mehrmalige, zufällige Ortswechsel hatte er seine Spur verwischt, ehe er nach Godrics Hollow gekommen waren. Doch selbst hier hätte ihn vermutlich keiner erkannt, sah er dem jungen Zauberer mit den intelligenten Augen, der einst als Vertrauensschüler mit Bestnoten in Hogwarts abgeschlossen hatte schon länger nicht mehr ähnlich. Seine Augenringe war dunkler und tiefer geworden, sein Haar dunkler vom Schmutz, seine Haut fahler, bleicher und gezeichneter von den Narben und den Anstrengungen der Verwandlungen. Erst kürzlich war einer neue Narbe über seinem rechten Augen hinzu gekommen – die Retourcouche eines Betawolfes, der Remus nach wie vor nicht über den Weg traute.
Remus stellte den Kragen seines Mantels auf, ehe er das kleine Tor vor dem Haus der Potters aufschob und in den weiß geglänzten Vorgarten trat. Als er jedoch vor der kleinen Tür stand, hielt Remus inne. Es war ein merkwürdiges Gefühl, nach Hause zu kommen. Zweifel kochten in ihm auf: Wenn er nun doch aus Eigennutz Gefahr anschleppte? Einige Minuten später kam wieder Leben in seine von Panik erstarrten Knochen und statt zu Klopfen, schlich er um das Haus herum. Eine dumme Idee war das und dennoch warf er hier und da einen Blick durch die von Eisblumen verzierten Fenster.
Gleich sein erster Blick fiel in das Wohnzimmer des kleinen Cottages. Es wirkte so vertraut, waren sie doch früher oft hier gewesen – auch als Euphemia und Fleamont noch am Leben gewesen waren. Wie sie gemeinsam geflachst und gelacht hatten, um für ein paar Momente die Grausamkeiten des Krieges vergessen zu dürfen. Doch irgendwie fühlte es sich auch an, als warf er einen Blick in ein altes, ein anderes Leben. Just in diesem Moment vernahm er den gedämpften Schrei eines Säuglings und nur kurz darauf betrat Lily mit einem Spucktuch über der Schulter und Baby Harry auf dem Arm, das Zimmer. Etwas verzweifelt schien sie damit beschäftigt zu sein, ihren Sohn zu beruhigen und lief deshalb wippend durch das kleine Zimmer.
Ein warmes Lächeln schob sich bei diesem Anblick auf Remus Gesicht. Lily sah trotz allem gut aus – und gesund. Und Harry – sah er ihn nicht gerade zum ersten Mal? Den Sohn seines besten Freundes und der Frau, die er so viele Jahre lang versucht hatte, davon zu überzeugen, dass er doch kein so schlechter Typ war.
Da war es – ein kleiner Lichtblick; etwas Gutes in dunklen Zeiten.
Remus riss sich von dem Anblick los und lief weiter, um das Haus herum zum nächsten Fenster. Der Trubel drang bereits aus den inneren der Küche heraus, sodass vermutlich sogar die Nachbarn der Potters mitbekamen, dass deren Küche im Chaos versank. Offenbar stand im Kern des Trubels ausgerechnet ein armer, toter Vogel, der in einem mitleidserregend in seinem Bräter lag und von Sirius und James angestarrt wurde, als würde er allein dadurch gar werden. Remus Herz machte einen kleinen Hüpfer als er Sirius anhand seiner wilden Strubelfrisur erkannte, die er neuerdings offenbar unter zur Hilfenahme seines Zauberstabs bändigte.
Wie lange hat er ihn nicht mehr gesehen?
Remus vermochte es kaum mehr zu sagen.
„Sollten wir nicht… Lily holen?“, fragte eine unsichere, pipsige Stimme vom Küchentisch aus. Erst jetzt fiel Remus auf, dass Peter ja auch noch da war. Manchmal war es beängstigend wie wenig Peter doch auffiel – das hätte ihn von ihnen allen wohl noch zum besten Spion gemacht.
„Ah pff… wir haben hier ein Rezept. Das schaffen wir“, wunk Sirius ab, ohne sich Peter zu zuwenden. Remus schwante Böses bei der Aussage. Seines Wissens nach, war Kochen weder Sirius noch James Stärke.
Sirius fuhr fort, den Vogel anzustarren.
James auch.
„Müssen wir da noch was… reinstecken?“ fragte James etwa unsicher und legte den Kopf leicht schief.
„Wir haben immer Pflaumen reingemacht. Und Äpfel!“ fiebte Peter so leise, dass Sirius und James es auf Garantie überhören würden. Ein Babyschrei drang in den Küche, sodass sogar Remus es hören konnte.
„Hier steht was von… Äpfeln… und Backpflaumen. Was beim Merlin sind ‚Backpflaumen‘?“ fragte Sirius zweifelnd, der mittlerweile doch mal die Nase ins Buch gesteckt hatte. Remus schritt weiter zu einer kleinen Tür. Kurz klopfte er und…
… spürte in nächsten Moment, wie ihn etwas mit großer Wucht im Gesicht traf. Erst bekam er den brennenden Schmerz seiner Wange mit, dann schmerzenden Kälte und Wassertropfen, die seinen Hals hinab liefen. Kurzum riss Remus die Augen:
Ein Schneeball?
Überrascht stellte Remus fest, dass es dunkel war… und kalt. Noch ehe sich seine Augen an die Lichtverhältnisse gewöhnt hatte, hörte er den grauenvoll Vielklang eines dreckigen, wiehernden Lachens. Dann traf ihn ein zweiter Schneeball – heftiger noch als vorher. Mühevoll rappelte sich Remus auf und blinzelnde die beiden Todesser böse an, ehe er nicht nur den Schnee, sondern auch seinen Traum abschüttelte. Sauer stellte er den Kragen seines Mantels auf und desapparierte außer Sichtweite der beiden.
Daraufhin rückte er den Zauberstab und flüsterte „Incarcerus“. Aus dem Nichts erschienen einige Seile, die sich fest um Schultern, Arme, Rumpfe, Oberschenkel, Knie und Füße der beiden Schneeballschießer schlingen und sie somit zu Fall brachten.
„Silencio“, schob Remus nach und verhinderte somit alarmierender Schreie.
Daraufhin desapparierte Remus ein letztes Mal – diesmal nach Godrics Hollow.