Geschrieben von: June - 08.09.2022, 20:41 - Forum: The Others
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Kapitel 14
I tried not to upset you, let you rescue me the day I met you
“STEVE!”
Die Schüsse hallten in seinen Ohren nach, mächtig und laut und unbarmherzig, das einzige Geräusch, das er je wieder hören könnte, das einzige Geräusch, das es noch gab, das einzige-
Etwas entfernt gab es ein lautes, hölzernes Krachen, bevor Jos Sommersonnenstimme mit der Wucht einer Hitzewelle gegen die gefrorene Taubheit in seinen Knochen prallte.
Er hörte sie sprechen, hörte das Flirren der Sommerhitze in ihren Worten, aber nicht ihre Worte, hörte das tiefe, raue Knistern von Rufus Kaminfeuerstimme, hörte das Knacken von Holz und Flammen, das jedes Wort begleitete, aber nicht seine Worte.
Sein Herz war zu laut, zu schnell, er konnte es nicht hören und er konnte nur das hören, das und das hohe, schrille Pfeifen, das die Schüsse in seinem Trommelfell zurückgelassen hatten.
Steve. Steve.
Als er seine Augen schloss, spürte er Feuchtigkeit auf seinen Wangen, Schweiß, Angst, Blut? Steve.
“Jo?” Seine Stimme kam nicht aus seinem Mund, hielt sich an seiner Zunge und seinem Gaumen fest wie Widerhaken in der Haut. Er zwang seine Kehle zu einem trockenen, brennenden Räuspern, bevor er es nochmal versuchte: “Jo?”
“Dean!”
Er musste Fragen.
Er musste es wissen. Er musste-
Steve. Steve.
“Ist- Hat-, Jo.” Seine Stimme brach, kratzend und rau wie gemahlenes Glas.
“Er lebt. Steve lebt, Dean.” Hätte er sich nicht auf seinen Schreibtisch gelehnt, wäre er auf den Boden gefallen.
Die Erleichterung, die durch seinen Körper rauschte wie eine Sturzflut, ihn wegspülte, aus sich selbst heraus und nur noch Herzschlag und angehaltenen Atem in ihm zurück ließ, machte seine Muskeln weich, seinen Kopf leicht und seine Wangen noch feuchter. Er lebt. Er lebt!
“Er hat ihm in den Bauch geschossen.”
Der Ruck, der durch seinen Körper tobte, war schmerzhaft, nachhallend, zog in Muskeln und Knochen und-
Er hat ihm in den Bauch geschossen.
Bastard. Bastard!
Dean musste sich wieder räuspern, bevor er seine Stimme über seine Lippen zwingen konnte: “Aber, die Sanitäter- Sie- Er schafft es, oder? Er-”
Er hatte so sehr gekämpft. Er durfte nicht-
Alastair durfte nicht gewinnen. Nicht jetzt noch! Nicht jetzt wo- wo-
Wo.
Wo war Alastair?
Dean konnte spüren, wie sein Herzschlag schneller wurde, hektisch, panisch, als er scharf die Luft einzog.
“Jo, wo ist Alastair?”
Er hörte ihren tiefen Atemzug, bevor die Sommerbrise ihrer Stimme sich bemüht sanft in seine Ohren legte.
“Dean, Steve hat ihm in den Bauch geschossen.”
Steve hatte-
Steve hatte gewonnen.
Er hatte es geschafft.
Er hatte-
Es war nicht vorbei.
“Welches Krankenhaus?”
“St. Michael’s.”
Seine Finger und Bewegungen waren ein routinierter Wirbel, eine geübte, einstudierte Prozedur; Gespräch beenden, Notizen ausfüllen - mechanisch und emotionslos, stur -, Ausloggen, Headset abnehmen.
Über Jahre einstudiert und geübt und routiniert und nicht mit einem einzigen rationalen Gedanken versehen außer Steve, Steve, Steve, Steve.
Sobald seine Station ausgeloggt war, drehte er sich um- und stand direkt vor Ellen. Fuck.
Ellen.
Er arbeitete. Er hatte eine Schicht zu beenden.
Sein Mund wurde trocken.
Er konnte nicht- Er musste- Er- Steve!
Sein Herz schlug immer noch so schnell und hoch in seinem Hals, dass er sich sicher war, man könnte die Umrisse an seiner Kehle sehen.
Aber noch bevor er seine trockene Kehle zu einem schweren Schlucken überreden konnte, hob Ellen ihre Hände, legte sie auf seine Wangen und strich mit ihren Daumen darüber.
Sie lächelte, fest, traurig und zeigte ihm ihre nasse Hand.
Wieso war- Fuck.
Dean zog scharf die Luft ein, räusperte sich ertappt und unwohl und wischte mit beiden Händen grob aber sorgfältig über sein Gesicht.
Er hatte nicht einmal bemerkt, dass ihm die Tränen gekommen waren. Er- Fuck.
Sein Herz schlug so schnell, dass es weh tat. Getrieben, unruhig, rastlos. Jeder Schlag war so schwer in seiner Brust.
“Geh.” Sein Kopf zuckte überrascht hoch, um Ellen direkt ansehen zu können. Ihre Augenbraue war in fürsorglicher Strenge hochgezogen, die Arme vor der Brust verschränkt. “Geh! - Wir kommen hier klar.”
Er hatte sie in seine Arme geschlossen, bevor er den Satz überhaupt ganz gehört hatte.
“Danke, Ellen.” Sie klopfte ihm kräftig auf die Schulter, nachdem sie ihn ebenfalls gedrückt hatte.
“Geh schon. Kevin soll dich fahr-”
“Nein, alles in Ordnung. Ich sag Bescheid, wenn ich da bin.” Seine Stimme klang so gehetzt, wie sein rasender Herzschlag ihn sich fühlen ließ.
Er musste selbst fahren.
Er konnte nicht- Er würde aus dem fahrenden Auto springen, wenn er nicht hinter dem Lenkrad sitzen würde.
Kevin warf ihm noch einen besorgten Blick zu, aber Dean nickte ihm nur im Vorbeigehen zu, haltlose Entschlossenheit auf sein Gesicht gezwängt, bevor er in der Umkleide seine Sachen packte und ohne sich umzuziehen zum Aufzug hechtete.
Steve.
Die Fahrt war ein Fiasko - und reines Glück allein sorgte dafür, dass er nicht selbst in einem Krankenwagen ankam. Er hatte vermutlich fast jede Verkehrsregel gebrochen, die er kannte, aber es war egal.
Hupgeräusche und wütende Rufe hatten ihn die Hälfte des Weges begleitet, scharfes Bremsen rechts und links und mehr als ein ausweichender Schlenker seinerseits, aber es war egal. Egal.
Er war hier, er war angekommen!
Baby’s Reifen quietschten in einem lautem Prosest, als er sie mit überhöhter Geschwindigkeit in eine Parklücke steuerte und dann unsanft die Bremsen durchdrückte.
“Ich weiß, ich weiß, tut mir Leid!” Eine Hand streichelte beruhigend aber hektisch das Lenkrad, während er mit der anderen Handy und Portemonnaie vom Sitz aufsammelte. Er hatte gerade noch genügend Geduld, um Baby zu zu sperren, bevor er in Richtung Krankenhaus joggte.
Sein Herz raste in seiner Brust und er musste den Drang hinunter kämpfen, sich getrieben umzusehen, während er den Weg entlang rannte, verfolgt, unruhig, falsch.
Er war fast an der Tür, nur noch wenige Meter und- Eine zuschlagende Autotür hinter ihm, ließ ihn abrupt halten und herumwirbeln, atemlos und herzschlagend mit einer Spur, einer Prise, Panik.
Fuck. Fuck.
Dean zog tief und stur einen nur halb so vollen Atemzug, wie er sich gewünscht hätte, in seine Lungen, aber einen zweiten bekam er nicht runter.
Fuck. Fuck!
Er versuchte es weiter, Zug um Zug, luftleer und trocken, weiter, weiter, nochmal, nochmal - Verflucht er musste-
Er beugte sich nach vorne, die Hände schwer auf die Knie gestützt, wieder und wieder, nochmal, nochmal!
Er bekam keine Luft, er bekam keine- Er musste- Er-
Er musste zu Steve. Jetzt. Jetzt!
Nur ein Atemzug, nur ein- Er-
Sein Handy klingelte dumpf durch rasselnde, luftleere Atemzüge und sein Geist stürzte sich fast darauf, auf den verschobenen Fokus, Alternativen, keine luftarmen Lungen und rasende Herzen - Ein Anruf! Er musste nur-
“Was?” Seine Stimme war rau und trocken geatmet, sie fühlte sich wie Sandpapier auf seiner Zunge an, aber er schaffte es nicht, sich zu räuspern, um nochmal anzufangen.
“Mr Winchester? Dean Winchester?” Eine junge Frauenstimme kam von der anderen Leitung, warm und weich wie der Geschmack hausgemachter Kuchen und so beruhigend, dass er nicht einmal merkte, wie sie seinen Fokus nicht mehr nur ablenkte sondern einfing und sein nächster Atemzug vollständig seine Lungen füllte.
“Ja?”
“Mr Winchester, mein Name ist Bess Myers, ich bin Krankenschwester im St. Michael’s Hospital. Sie sind der Notfallkontakt von Castiel Novak; Er wurde gerade eingeliefert. Er-”
“Ich bin- was?” Die Verblüffung in seiner Stimme glättete die Ränder des Sandpapiers und ließ seine Stimme in schwacher Verwirrung zurück.
Er war Steves Notfallkontakt?
Er war Steves Notfallkontakt.
Etwas kaltes und kleines, einsam und fast vergessen krampfte in ihm bei dem Gedanken.
Er war der einzige, den Steve hatte.
“Sie sind Mr Novaks Notfallkontakt, Mr Winchester.”
Seine Beine setzten sich vollkommen selbstständig in Bewegung; Er drehte sich um und öffnete die Tür zum Krankenhaus.
Ein kurzer Blick auf den Wegweiser, dann weiter zum Empfang.
Steve.
Steve, Steve, Steve. Steve.
Wenn er der einzige wäre, den Steve hatte, dann würde er für ihn da sein, und wenn sein Herz noch so sehr raste und rannte und sein Hals noch so trocken und zugeschnürt war.
Dean konnte hören, wie sich Bess Myers räusperte, bevor ihre warme Sanftheit die Leitung wieder füllte.
“Mr Novak wurde verletzt. Er befindet sich derzeit in Behandlung im St. Michael’s Hospital. Er wird gerade für eine Operation vorbereitet. Können Sie-”
Seine Schritte waren hektisch und getrieben, als er durch die Gänge manövrierte und um Ecken bog bis-
“Ich bin da.” Er beendete das Gespräch und sah der jungen blonden Frau hinter dem Tresen dabei zu, wie sie verblüfft auf den Hörer in ihrer Hand blickte. “Mrs Myers?”
Sie hob ihren Kopf und blinzelte Dean einen Moment verwirrt an.
“Mr Winchester?”
Ihre Augen glitten routiniert über ihn und sie runzelte in fachmännischer Sorge die Stirn. Aber noch bevor sie etwas sagen konnte, trat Dean direkt an den Tresen.
“Stev- Mr Novak?” Die tiefen Falten auf Bess’ Stirn weckten wieder die fast vergessene, atemlose Unruhe in seiner Lunge und das fast überhörte rasende Trommeln in seinem Herzen. Er musste schwer Schlucken, hart und schmerzhaft, bevor er wieder ansetzen konnte. “Wo ist Mr Novak? Ist er- Wie geht es ihm?”
Bess’ Augen glitten erneut über Dean und er versuchte seine Haltung zu strecken, breite Schultern, erhobener Kopf, stark und kontrolliert - aber er erkannte an ihrem Blick, dass es nichts brachte, also ließ er seine schweren Schultern wieder erschöpft nach unten sinken.
Er konnte das jetzt nicht. Er hatte keine Kapazitäten für ihren beunruhigten, sorgenvollen, fachmännischen Blick oder seine stechenden, luftleeren Lungen oder sein rasendes Herz, das ihm zu schrie, dass er nicht zustehen bleiben durfte weil dann- weil dann-
Als er eine Hand auf den Tresen legte, plakatierend, offen, bemerkte er erst, dass sie zitterte.
Scheiße.
“Hören Sie, Mrs Myers, ich weiß, was passiert ist. Ich war am Telefon, als es passiert ist. Ich war dabei.” Seine Stimme brach fast und er musste sich erneut schwer räuspern. “Ich muss nur wissen, ob es ihm- Wie es ihm geht.”
Er musste zu ihm.
Sofort, jetzt! Er musste-
Zwei kurze aber tiefe Atemzüge verfingen sich in seinen Lungenflügeln und er hielt einen Moment erstickt die Luft an.
Ihre Augen glitten nochmal über ihn, langsam und kalkulierend, abschätzend.
Fuck.
Bess Myers war streng genommen ein Goldstück. Sie war liebenswert, freundlich und genauso herzensgut wie ihre Kuchenduft-Stimme es vermuten ließ.
Aber sie war auch eine resolute Krankenschwester, die sich auf ihre Intuition verließ - und die hatte ihre Zweifel daran gehabt, ob mit Dean alles in Ordnung war.
Wie sollte auch alles mit ihm in Ordnung sein, nachdem-?!
Er hatte sie gerade noch davon abhalten können, ihn eigenhändig einzuweisen, weil er weiß wie eine Kalkwand war - ihre Worte - und zitterte wie Espenlaub - ihre Worte - und kurz davor war, umzufallen - auch ihre Worte.
Auf seine Bemerkung, er war in diesem Zustand auch gerade zum Krankenhaus gefahren, also konnte es nicht so schlimm sein, war ihr Blick das erste Mal wütend-streng geworden und nicht freundlich-streng.
Am Ende hatte er es irgendwie geschafft, einer Einweisung zu entgehen, indem er nicht im Wartezimmer Platz nahm sondern ihr zu ihrer Station folgte und dort auf einer Bank wartete, immer in ihrem Blickfeld, aber ebenso nah an den Türen zum OP-Trakt, also hoffte er, er würde dadurch wenigstens schneller Infos bekommen.
Was er bis jetzt bekommen hatte waren, neben Bess’ ständig wachsamen Augen, ein Schokoriegel und eine Cola von Bess, die er beide nicht runter bekam, eine Decke - auch von Bess - die neben ihm auf der Bank lag (sehr zu ihrem Widerwillen) und ein Klemmbrett mit einem seitenlangen Formular, das er für Steve ausfüllen sollte - und nicht konnte.
Gott, er hatte bis heute nicht einmal gewusst, wie Steve mit richtigem Vornamen hieß, geschweige denn, ob er einen zweiten Vornamen hatte.
Sein Bein wippte hektisch auf und ab, während er abwechselnd zu den geschlossenen Türen blicke, hinter deren Gängen irgendwo Steve operiert wurde, und dem Formular.
Geburtstag? Versicherung?
Das Kreuzchen, das er bei “Male” machte, war wacklig, das Kreuzchen bei “Single” dagegen zu fest und zu dick und er ließ das Klemmbrett wieder sinken, um zu den geschlossenen Türen zu blicken.
Wie lange war er schon hier?
Wie lange war Steve schon da drin und-
Das Telefon an der Station war leise genug eingestellt, dass es einen kaum erschrecken konnte, aber Dean ließ trotzdem beinahe das Klemmbrett fallen.
Verfluchte Scheiße.
Er warf das Brett unsanft neben sich auf die Bank, vergrub das kaltklamme Gesicht in seinen bebenden Händen und mühte sich an einem tiefen Atemzug. Er konnte sich nicht beruhigen. Der Drang zu laufen und zu rennen, wohin oder vor was konnte er nicht sagen, pulsierte in seinen Muskeln, Blut und Herzen wie ein hektischer Trommelwirbel.
Jeder zweite Atemzug war halb und steif und seine Hände hörten nicht auf zu zittern!
In dem Versuch, sich auf etwas anderes zu fokussieren als den Tumult in seinem Inneren, hörte er Bess am Telefon zu, ihrer warmen Apfelkuchenstimme, den zimtigen Ausschlägen von sanfter Bestimmtheit, als sie irgendjemandem am anderen Ende der Leitung eine Anweisung gab.
Er konnte fast ein paar Atemzüge nehmen, wenn er ihrer Stimme lauschte, ein oder zwei tiefere Züge, die seine verklebten Lungen lösten und aufblähten, so lange, bis er sich fragte, ob Steve sie noch gehört hatte.
Ob Bess mit ihm gesprochen hatte, ihn beruhigt hatte - und ob Steve das noch hatte hören können, oder ob er- er-
“Dean?!” Das tiefe, vertraute Timbre von Waldbäumen und im Windzug wiegenden Ästen rauschte zwischen den Sturm seines Herzschlags und seiner steifen Lunge, verankerte sich mit tiefen Wurzeln in seinen Knochen und hievte ein Gewicht von seiner Brust und seinen Schultern, dessen er sich nicht einmal bewusst gewesen war.
Seine Lunge entfaltete sich, frei und tief gefüllt mit Luft und Ruhe, als er aufstand, die kurze Distanz in wenigen, großen Schritte überbrückte, die Hände austreckte und Sam in eine eiserne Umarmung zog, sobald er ihn greifen konnte.
Seine ruhigen, steten Hände verkrallten sich für einen Augenblick in in Sams kalter Jacke, als Sam seine Arme ebenfalls um ihn schloss, sein Kopf gegen Sams Wange gedrückt und so nah an ihn gepresst, dass er das Rasen eines kurzen Sprints in seiner Brust spüren konnte.
“Dir geht’s gut.” Dean bemerkte kaum, wie ihm die Worte entkamen, erleichtert fliegend auf einem ruhigen Atemzug. Sam ging es gut.
Sam war in Ordnung und-
“Klar, Dean- Was? Mir geht’s gut, natürlich geht’s mir gut. Wie geht es dir?” Sorge war dick und rau in Sams Stimme, wie eine alte Eiche, die sich über alles erhob, alles überschattete und Dean presste die Augen für einen Moment fest zusammen.
Allein der Gedanke, die Frage zu beantworten, darüber nachzudenken - Steve, Steve, Steve - ließ einen Sturm aus Unruhe wieder in ihm aufsteigen, den er nur mühsam runter schlucken konnte, bevor er Sam losließ.
Ein lang einstudiertes, eisernes Lächeln legte sich auf seine Lippen, leger und nonchalant, über Jahre in Beruhigung und Witz geschult, wenn es weder Ruhe noch Freude gegeben hatte und er zuckte mit den Schultern.
Er konnte Sam nicht- Er musste-
Es war schwierig, okay?
Sam erkannte seinen Bluff sofort: “Bullshit, Dean. Lass den Scheiß. Was ist los?”
Er griff nach seinem Kinn und drückte sein Gesicht bestimmt aber sanft nach oben, sodass mehr Licht darauf fiel. Seine Stirn runzelte sich, als er sein Gesicht nach Hinweisen und Spuren scannte; weiße Haut und rote Augen waren seine prominenten Verräter.
“Was ist passiert?”
Die tiefen Wurzeln der Sorge in seiner Stimme gruben sich unter seine Füße, drückten sein Standbein beiseite und ließ seine Knie weich werden. Sein eisernes Lächeln bröckelte unter dem tobenden Tumult, der sich durch seine Facetten kämpfte und nichts sehnlicher wollte, als sich gegen Sams Waldrauschen zu stürzen und- und- und-
Verdammt. Verdammt.
Er musste einen Schritt zurück machen, atmen, tief, tief, als eine erneute Welle Panik - es war keine Panik - durch sein Blut tobte.
Was war passiert?
Was war passiert?!
Er war passiert, er hatte es verbockt! Er hatte- Er hatte Steve in Gefahr gebracht, er hatte ihn bedrängt und belästigt, hatte dafür gesorgt, dass er sich bei ihm nicht mehr sicher gefühlt hatte und damit hatte er ihn in Gefahr gebracht.
Er hatte ihn Alastair praktisch ausgeliefert!
Und Sam- Sam- beinah auch Sam!
“Ich bin Schuld.” Seine Stimme brach mitten im Wort durch, morsch und schwach und feucht. Seine Hand fuhr grob über seine Augen, drückte in die härten Ränder seiner Höhlen, versuchte Feuchtigkeit und Hitze zurück zu drängen, während er schnappend Luft holte.
Er ließ sie gepresst wieder aus, zog die Nase hoch und nickte, einmal blinzeln, zweimal. “Ich hab ihm das eingebrockt, ich hab-”
“Dean.” Sams Stimme rollte durch seine rasenden Gedanken wie sanfte Äste über den Rücken eines verschreckten Rehs und er zog erneut tief die Luft ein. Seine Hände zitterten wieder, also steckte er sie in die Jackentaschen. “Was ist passiert?”
Er nickte mehrfach, knetete die Lippen aufeinander, suchte sich etwas anderes, das er ansehen konnte, als Sams große, besorgte Welpenaugen, die ihn immer wieder zu sich zogen.
“Ich hab-” Ein erneutes Schlucken. “Ich hab ihm gesagt, er soll ihn verlassen.”
Sams gerunzelte Stirn sprach diesmal nicht von Sorge sondern völliger Verblüffung. “Du hast- was? Aber du sagst nie-”
Das selbst zerfleischende Lächeln auf Deans Gesicht ließ Sam abbrechen.
“Ja, ich sage das niemandem. Aber Steve, Steve habe ich es gesagt. Ich habe Steve gesagt, er soll ihn verlassen und dann- dann- Dann. Dann hab ich ihn geküsst.” Er konnte Sam nicht ansehen. Es war seine Schuld. Es war alles seine Schuld. “Ich hab ihm gesagt, er soll ihn verlassen und dann habe ich ihn geküsst. Und als er Alastair verlassen wollte, war er ganz allein. Weil ich nicht da war.”
Heiße, ätzende Tränen brannten wieder in seinen Augenwinkeln. “Er hat ihm- Er hat ihn gequält, Sammy. Er hat ihn so sehr gequält und er wollte mit dir das selbe machen und ich bin Schuld, ich habe-”
“Fuck.” Sams Umarmung zerdrückte ihn fast, presste ihn zusammen wie dicke Wurzeln eine Regenrinne - es war das einzige, das ihn im Moment zusammen hielt.
Sam hatte ihn gezwungen, die Cola zu trinken und war gerade in sein Smartphone vertieft, vermutlich etwas wegen seiner Arbeit.
Er hatte die Kanzlei, als Kevin ihn angerufen hatten um ihm mitzuteilen, das Steve verletzt war und Dean ins Krankenhaus gefahren war, sich aber noch nicht wieder gemeldet hatte, Hals über Kopf verlassen und war ebenfalls ins Krankenhaus gehechtet, vermutlich halb erwartend, dass er Dean dort selbst in einem Krankenhausbett vorfinden würde.
Immerhin war das nicht der Fall gewesen - und sobald Sam Dean ausreichend beruhigt hatte, zumindest zitterten seine Hände jetzt nicht mehr und ja, Sam sicher neben sich zu wissen, beruhigte seinen Herzschlag ungemein, hatte Kevin auch endlich seine erlösende Nachricht bekommen.
Dean trommelte mit seinem Zeigefinger auf seinem verschränkten Arm - taptaptaptap - und starrte auf die Uhr.
Stunden.
Es waren bereits Stunden.
Endlose, lange Stunden und sie hatten nichts gehört.
“Dean…” Sams starres Waldknarren war angespannt und Dean verdrehte die Augen, ehe er ruckartig aufstand. Er fuhr sich streng durch die Haare und schüttelte dann seine Arme aus, ließ seine Schultern kreisen.
Sie mussten doch etwas erfahren.
Sie mussten- War es gut oder schlecht, dass es so lange dauerte?
Gott, er brauchte- Irgendwas. Einen Kaffee. Gab es nicht immer irgendwo einen Kaffeeautomaten mit schrecklicher Brühe, die so vollgestopft mit Koffein war, dass man keinen Geschmack mehr wahrnehmen konnte?
Er brauchte einen Kaffee, aber er konnte und wollte keinen Schritt von den Türen weg machen.
Irgendwann, jeden Moment, jeden Moment!, würde jemand durch diese Tür kommen und-
Die Türen schwangen auf.
Dean erstarrte mitten in der Bewegung und starrte die Ärztin an, die auf sie zuging.
Feuerrote, hochgesteckte Haare kamen unter der OP-Haube zum Vorschein, als sie sie sich vom Kopf zog und hinter das Klemmbrett schob, das sie in der Hand hatte.
Ihre Augen waren noch einen Moment auf jenes Klemmbrett gerichtet, die Stirn leicht gerunzelt, während ihre Augen über die Zeilen flogen, bevor sie den Blick hob und Dean direkt und streng blickte.
Sie sah erschöpft aus, müde und auf eine besorgte, aber unverbindliche Art ernst, wie es nur Ärzte konnten.
Ärzte, die keine guten Nachrichten hatten.
Dean zwängte ein trockenes Schlucken seine Kehle hinunter, bevor er ein paar Schritte auf Sie zumachte.
“Sie sind Mr Winchester?”, ihre Stimme klang natürlich und leicht mit einem schweren, schottischen Akzent, wie Wind, der über Felsen in den Highlands zog. - Er nickte, hörte, wie Sam hinter ihm ebenfalls von der Bank aufstand, wie er zu ihm kam, hinter ihm stand wie eine verlässliche, starke Eiche. Die Ärztin nickte, warf noch einen Blick auf das Klemmbrett und ließ ihre Augen einen Moment auch über Sam gleiten, während die langen weißen Finger sich über dem Metall falteten - und dann sah sie Dean direkt an. “Ich bin Doktor MacLeod und Mr Novak’s Ärztin. Schwester Myers sagte, Sie wissen, was passiert ist?”
Sein Nicken fühlte sich mechanisch an, steif, während die Erinnerungen an Steves Schluchzen, seine angstgefüllten Atemzüge und bleikristallinen Tränen sich durch seine Knochen frästen.
Sie zog einmal tief Luft ein.
“Mr Novak hat schwere Verletzungen erlitten, wir mussten ihn schnellstmöglich operieren. Er hat mehrere Stich- und Schnittverletzungen im Torso und in den Oberschenkeln sowie Armen, glücklicherweise wurden dabei keine großen Blutgefäße verletzt.”
Eine tiefe, brodelnde Übelkeit kochte sich durch Deans Speiseröhre, bei dem Gedanken, bei der Erinnerung wie Alastair-
Es war kein Glück gewesen. Es war Absicht.
Sams Hand schloss sich um seinen Oberarm.
“Durch eine der Stichwunden hat sich ein traumabedingter Pneumothorax entwickelt, aber wir konnten die Flüssigkeit entfernen und die Blutungen stillen. Den Spiralbruch im rechten Arm haben wir gerichtet und vorerst geschient.”
Die Erinnerung an das laute, widerliche Krachen, das er gehört hatte, zerriss beinah sein Trommelfell, während Steves luftarmes Gurgeln ihn seinem Kopf ihm den Atem raubte und trotzdem war das nicht das schlimmste Gefühl, das langsam in ihm aufstieg:
Aber.
Es hallte wie ein prophetisches Echo in Deans Kopf, tief und bedrohlich.
Ihr Ton, trotz der natürlichen Leichtigkeit von tiefen Bergwinden, war nicht beruhigt. All das hatten sie tun können, all das hatten sie getan, um Steve zu helfen - und es reichte nicht.
Aber.
“Die Operation ist gut verlaufen.”
Aber.
Dean konnte spüren, wie seine Haut weiß wurde, kalt und klamm, und er schluckte hart und trocken.
“Was uns allerdings Sorgen bereitet” Fuck. “ist die Kopfverletzung.”
Die Erinnerung flutete seinen Kopf, seine Ohren, Hals, Herz und Blut. - Immer wieder, Knall, Knall, Knall!
“Ist- Kann- Was-”
Seine Stimme war rau und kratze wie gesplittertes Glas in seinem Hals. Er musste wissen- Wie schlimm- Was-
Ihre Augen, hart und bestimmt, stark, wurden eine Spur mitleidig.
Großer Gott. Großer Gott.
“Wir haben uns entschieden, aufgrund der Schwere der Verletzung und der multiplen Traumata, Mr Novak vorerst nicht aus der Narkose zu holen.”
Dean konnte es spüren, wie jede kleine Fließe, jeder Krümel Beton und jeder Splitter Holz unter seinen Füßen weg brach, ihn haltlos und taumelnd zurück ließ.
Sie haben sich entschieden.
Nicht aus der Narkose.
Multiple Traumata.
Sein Mund war zu trocken für Worte, sein Hals fast zu rau für Atemzüge.
Er konnte nicht-
Er musste wissen-
Konnte er zu ihm?
Er musste- Er musste zu ihm! Er-
“Heißt das, Sie haben ihn in ein künstliches Koma gelegt?”
Sams Waldrauschen, tief und beruhigend, wie regennasse Erde unter seinen Füßen, hielt ihn fest, erdete ihn, jetzt, hier, und Dean blinzelte ein paar Mal, bis seine Augen wieder klar waren.
Dr. MacLeod nickte.
“Aufgrund der Schwere seiner Verletzungen ist es so einfacher für seinen Körper, sich um sich selbst zu kümmern. Wir werden die Narkose im Idealfall nur wenige Tage aufrechterhalten und ihn dabei engmaschig überwachen. Er wird gerade auf die Intensivstation gebracht. Mrs Myers-”
“Kann ich zu ihm?”
Seine Worte waren schwer wie totes Treibholz, vollgesogen mit runtergeschluckten Tränen und geschmolzenen Eiskristallen aus seinem Inneren.
Der rot geschminkte Mund klappte zu, bevor sie ihn direkt ansah, durchbohrend und stur, eine perfekte Augenbraue leicht nach oben gezogen - und Dean fühlte, wie sich der Moment in Ewigkeiten zog, bevor sie kurz und knapp nickte.
“Ja.” Sie drehte sich um, winkte ihnen, ihr zu folgen und schritt den Gang entlang.
Steve, Steve, Steve, Steve.
“Seine Haut ist so kalt.” Wie Eis, das über schäumende Gischt fror.
Deans Stimme brach beinah unter der Eislast der Wellen, als seine Fingerspitzen vorsichtig über Steves Handrücken strichen.
Er wollte ihn berühren. Gott.
Er wollte ihn berühren und halten, ihn an sich drücken, durch seine seidenweiche Haare streichen, sicherstellen, dass es ihm gut ging.
Aber das tat es nicht, es ging ihm nicht gut.
Steve wirkte so klein und schwach in dem Krankenhausbett, weiße Haut auf weißen Laken; Er war so blass, fast hellblau, wie Meereswellen an einem Wintermorgen.
Er war doch so stark. Er hatte so sehr gekämpft.
Dean zog einen zitternden, gefährlich feucht klingenden Atemzug in seine klammen, klebenden Lungen.
Er hatte gedacht, er könnte es.
Einfach hier sein, für Steve da sein. Bei ihm sein, wenn Steve ihn sehen wollen würde.
Er war auf so vieles gefasst gewesen; Wut, Tränen, Zittern, Schreien und atemloses Luftschnappen in erstickender Panik - und er wäre für alles geblieben, hätte Steve in seinen Armen gehalten, ihn gewiegt und beruhigt, ihn geküsst[/i], bis sein Atem ruhiger worden wäre, seine Hände nicht mehr gezittert hätten und er hätte schlafen können.
Dean wäre geblieben, Nacht für Nacht, bis es Steve besser ging.
Darauf war er gefasst gewesen. Damit hätte er umgehen können. Dabei hätte er etwas tun können.
Aber Steve zitterte nicht, er weinte nicht, schrie nicht, war nicht wütend oder panisch, er war - reglos.
Das Eis, das Alastair's Stimme in ihm zurückgelassen hatte, breitete sich aus, ließ ihn von Innen heraus erstarren, während es seine Venen entlang fror, durch Muskeln, Magen, Milz und Niere, bis in seine luftarmen Lungen und sein müdes Herz. Es vereiste seine Ohren, sein Trommelfell und ließ ihn nur mit dem Echo der Erinnerungen zurück, die durch seinen Kopf tobten.
Steves Schreie, Schmerzen, Schluchzen.
Er war so stark gewesen. Wie konnte-
Wie hatte das passieren können?
Dean schob sanft seine Hand unter Steves, bettete sie auf seiner Handfläche, hielt sie in seiner, vorsichtig, zärtlich, um den Katheter in seinem Handrücken nicht zu stören, und ließ seine Finger zärtlich über die weiße Haut streichen.
Seine Fingerknöchel waren rau und aufgeschürft, rotviolette Wunden, so prominent, so falsch.
Alles war so falsch.
Es erstickte ihn.
Leer und unwirklich und - einfach nicht richtig.
Wie hatte das passieren können?
Wie hatte er das zulassen können?
Anstatt Steves whiskeyrauem Meeresrauschen hörte er nur das Ein- und Aus- des Beatmungsgeräts, dessen Tubus die pinken Lippen verdeckte, die er vor so kurzer Zeit und vor so langer Ewigkeit gekostet hatte, und das rhythmische Piepsen des Herzmonitors, anstatt seiner tiefblauen Augen sah er die zahlreichen dunkellilanen Spuren, die Alastair an ihm hinterlassen hatte, an seiner Schläfe, seinem Kinn, seinem Hals, seinen Armen, durchzogen von dem steril weißen Flickenteppich der Verbände, die sich über Schnitt- und Stichwunden legten, versteckt und offen, halb verdeckt von dem krankweißen Krankenhaushemd.
Alles war so falsch, so, so falsch.
“Die Hypothermie gehört zur Behandlung.” Dr. MacLeod stand bei der Tür und Dean konnte spüren, wie sie ihn beobachtete, wie sie und Sam ihm dabei zusahen, wie er den Stuhl neben Steves Bett näher zog und sich darauf setzte, wie seine Hände sich vorsichtig um die kalten Finger schlossen.
Er konnte nichts tun.
Er konnte ihn nicht halten, nicht wiegen, [s]nicht küssen.
Aber er würde hier sein.
Hier bei ihm, direkt bei ihm.
Solange, bis er aufwachen und ihn wegschicken würde.
Er würde ihn nicht alleine lassen.
Sam wandte sich ab - Dean hörte die Schritte, sah es aus den Augenwinkeln - und versuchte Dr. MacLeod in den Flur zu führen, ihnen einen Moment Ruhe zu geben.
Dean war sich sicher, sie sah trotzdem, wie seine Lippen sanft Steves Fingerspitzen streiften.
Er durfte bleiben.
(Er musste bleiben!)
Er war Steves Notfallkontakt, er war so etwas wie seine Familie - er durfte bleiben.
Sonst war niemand hier, sonst war er ganz allein.
Deans Augen wichen keinen Moment von Steves blassem Gesicht, von den violetten, blutigen Schattierungen und Kratzern auf seiner weißen Haut; Er war hier. Hier bei ihm.
Niemand durfte so alleine sein.
Er würde ihn nicht alleine lassen.
Sam war Deans Familie und sie waren nicht allein, also blieb er auch. Dean wusste nicht, ob jemand protestiert hatte, aber niemand hatte die Krankenhaussecurity gerufen und es war ihm auch egal.
Sie würden hier bleiben.
Es dauerte nicht lange, nachdem Dean und Sam Stellung bezogen hatten, Sam in der anderen Ecke des Raums auf einer schmalen Bank und immer noch am Handy und Dean weiterhin an Steves Bett, bis Charlie auftauchte.
Sie drückte Dean, küsste seine Haare, umrundete das Bett, hauchte einen sanften Kuss auf eine einigermaßen unverletzte Stelle in Steves Gesicht, setzte sich neben Sam auf die Bank und klappte den mitgebrachten Laptop auf.
Bess war wirklich ein Goldstück - und brachte ihnen in einer ruhigen Minute drei Kaffee.
“Hm.” Charlies Stirnrunzeln dröhnte so laut durch den Raum, dass Dean nicht mal die Augen von Steve abwenden musste, um es zu sehen.
Deans Finger waren taub von der halb gefalteten Position auf Steves Bett, seine Hand immer noch sanft in Deans Handfläche gebetet, immer noch so kalt, seine Haut so weiß und in Deans Innerem zogen kalte, taube Winde ihre Kreise.
“Was?” Seine Stimme war steif, ungenutzt und rau, als wäre sie wie Wasser in einem zugedrehten Hahn schal geworden; Er räusperte sich.
“Steve war wirklich gut versichert - bis vor circa einem Jahr. Dann hat er alles heruntergestuft. Aber ich verstehe nicht, warum. Der Gewinn aus dem Laden hat locker ausgereicht, um die bessere Krankenversicherung zu behalten, die Umsätze sind in den letzten Jahren immer weiter gestiegen.”
“Was?” Dean hob den Blick und sein Nacken protestierte über die erste Bewegung seit einer kleinen Ewigkeit.
Draußen war es dunkel geworden.
Wann war es draußen dunkel geworden?
Wie spät war es?
Er schüttelte den Gedanken ab und blickte vom Fenster weiter zu Charlie.
Sie hob nur das Klemmbrett hoch, das Bess ihm heute, als er hier angekommen war, in die Hand gedrückt hatte. Wann hatte sie-
“Ich hab seine Daten gecheckt, um das Formular auszufüllen. - Aber ich verstehe es wirklich nicht. Wieso kürzt er seine Versicherungsleistungen, wenn er es sich leisten kann?”
Dean runzelte die Stirn. “Du hast seine Daten rausgesucht? Wo?”
Ihre Augen hoben sich für einen kurzen, tadelnden Blick über den Laptopbildschirm und Dean winkte ergeben mit einer Hand ab.
Die andere hielt weiterhin locker Steves eiskalte Finger.
(Er vermisste ihre warme Stärke.)
“Ich hab sie eben gefunden,”, eine dürftige Rechtfertigung mit einem kurzen, sicherstellenden Blick zur offenen Zimmertür,, “aber darum geht es nicht.” Ihre Stirn war in tiefe, nachdenkliche Falten gezogen. “Es geht darum, dass ich nicht weiß, wo das Geld hin ist.”
Sam beugte sich interessiert zu ihr und ließ seine Augen über ihren Bildschirm gleiten.
“Inwiefern?”
“Na hier.” Dean hörte ihre Finger eilig über die Tasten fliegen - und er wusste, er musste sehen, sollte sehen, was jetzt auftauchte.
Ein Protest schlug durch seinen Herzmuskel, laut und kalt und unwillig, aber er zog tief die Luft ein und ließ noch einmal seinen Daumen über Steves Handrücken streichen.
Er drückte sanft aber bestimmt Steves Finger, bevor er aufstand.
Er wäre gleich wieder da, nur einen Moment. Steve war nicht alleine. Er war hier.
Seine Gelenke, müde, steif und taub, protestierten mit ziehenden Schmerzen gegen das Aufstehen - oder das lange Sitzen. Er musste sich strecken, lang, fest und seine Knochen, Knie, Knöchel, Rücken, Nacken, sprangen mit einem widerspenstig wohltuenden Knacken zurück in richtige Positionen.
Seine Beine waren eingeschlafen, stachen und brannten unter dem wieder erweckten Blutfluss und er fluchte leise, während er zu Charlie humpelte. Er beugte sich neben ihr nach unten und blickte ebenfalls auf den Bildschirm. “Hier, das ist die Steuererklärung für den Laden. Siehst du die Gewinne, die erzielt wurden? - Und jetzt hier, sein Kontoauszug.”
Wie kam sie an seinen- Vollkommen egal. Er sollte Charlie wirklich nicht mehr in Frage stellen, wenn es um Magie am Computer ging.
Was nicht egal war, waren die Zahlen, die ihn vom Bildschirm aus ansprangen.
Es waren nicht einmal zweihundert Dollar auf Steves Konto.
Fuck.
Kalt, klumpige Übelkeit stieg aus seinem Magen seinen Hals hinauf und er schluckte hart dagegen an.
“Alastair. - Alastair hat das Geld.”
Charlie schien noch einen kurzen Moment verwirrt, während Sam fast ergeben gegen die Rückenlehne sank. “Fuck.”
“Was? Nein. Wieso sollte-” Ihre Stirn zog sich in tiefere Falten, wütende Falten. “Ganz bestimmt nicht, Bitch. Er muss es auch irgendwo hingeschafft haben! Und ich werde es finden.” Sie ließ ihre Fingerknöchel knacken und kurz darauf füllte schnelles, klackerndes Tippen den Raum.
“Ja, sehr gut. Ich nehm es auch gleich in die Anklageschrift mit auf.”
Dean nickte, während Sam wieder in seinem Handy versank und- Was?
“Anklageschrift?”
Sam blinzelte einen Moment, fast etwas ertappt, bevor er sich räusperte, auf der Bank umher rutschte und nervös auf die Rückseite seines Handys trommelte.
“Ich- ich dachte, vermutlich hat Steve keinen Anwalt. Da wollte ich schon mal die Anklageschrift vorbereiten. Dieser Wichser hat immerhin überlebt und er hat Steve verletzt und misshandelt. Ich bin schon seit ich hier bin, mit Bela in Kontakt. Der Arsch wird sich wünschen, nie Hand an Steve gelegt zu haben!"
Dean war sprachlos, nicht mit kaltem Entsetzen oder würgender Übelkeit sondern mit warmen, schlagendem Herzen, das mit jedem Satz eine neue Welle Zuneigung durch seine Adern pumpte, bis sie so voll waren, dass sie ihm die Kehle zuschnürten.
Er schnaubte fast ungläubig, bevor er mehrfach nickte und versuchte heimlich an seinen verräterischen Augenwinkeln zu wischen.
Er konnte nichts tun.
Er konnte Steve nicht halten, ihn nicht wiegen, beruhigen und helfen.
Aber Charlie und Sam schafften es, sie waren da, für Steve. Einfach- so.
“Danke.” Seine Stimme klang klobig, feucht gekocht von der Wärme in seinen Andern und er drückte Charlie einen Kuss auf die feuerroten Haare, während er Sam durch seine Haare fuhr. “Ich- Danke. Steve wird-”
Charlie unterbrach ihn mit einem ungeduldigen Wedeln ihrer Hand.
“Lass uns nur machen, Dean. Dafür ist Familie da.”
Er schnaubte über die Nonchalance in ihren Worten und nickte, während sein Blick zurück zu Steve ging.
Familie, ja.
Gott, er war ihnen so dankbar.
“Wow, seht ihr beschissen aus.”
Dean schreckte aus dem Stuhl hoch, in dem er neben Steves Bett eingeschlafen war, und blinzelte einen Moment verwirrt umher, bis er die Situation einordnen konnte.
Anruf.
Alastair.
Steve.
Krankenhaus.
Sein Herz machte einen panischen, erschrockenen Satz, aber als sich seine Augen ruckartig auf Steve richteten, lag er immer noch dort, weiß wie Meereswellen an einem Wintermorgen, reglos und kalt.
Garth ließ ihn kaum alles richtig erfassen, bevor er ihm den Papphalter, in dem vier Kaffeebecher steckten, hin hielt.
Dean blinzelte ein paar Mal, zog den vordersten Kaffee heraus, nahm einen Donut aus der Schachtel, die Garth ihm als nächstes präsentierte und rieb sich mit dem Handrücken träge die Augen.
Sein Rücken und Nacken brannte bei jeder Bewegung und seine Augen waren verklebt mit unruhigem, erholungslosem Schlaf.
Er brauchte vermutlich dringend eine Dusche, etwas Neues anzuziehen und - Gott, der Kaffee schmeckte fantastisch.
Dean brummte zufrieden und nahm so schnell, wie es die Hitze in dem Getränk zuließ, weitere Schlucke.
“Danke, Garth.” Oh, wow, der Donut war so frisch, er war noch warm. Wie spät war es, verdammt?
Garth grinste ihn an und zwinkerte, während er Charlie und Sam, beide mindestens so derangiert wie er, ebenfalls Kaffeebecher und Donuts reichte.
Dean rieb erneut mit dem Handrücken an seinem Auge, bevor er vorsichtig aufstand. Seine Muskeln brannten wütend und er rollte mit den Schultern.
“Was machst du hier?”
Garth hatte die Schachtel Donuts auf dem Fensterbrett hinter Charlie und Sam positioniert und nippte ebenfalls an seinem Kaffee. Seine Augen glitten an Dean vorbei direkt zu Steve und Dean schnaubte leise, ehe er nickte.
Klar.
“Dank-”
“Wie viele werden es denn noch?” Bess warme Apfelkuchenstimme zog zimtstreng durch den Raum und Dean klappte automatisch den Mund zu - Garths klappte auf.
Dean bemerkte, wie ihr Blick sich streng auf ihn legte, aber dann abwich, Garth musterte und- etwas war plötzlich anders, als sie ihre blonden Haare hinter ihr Ohr strich und zu Steve ging.
Dean machte vollkommen automatisch Platz, während Bess Geräte und Infusionen überprüfte, Verbände kontrollierte und - immer wieder leicht über die Schulter sah.
Zu Garth.
War einer mehr denn wirklich so schlimm?
“Entschuldigung, wir- wollen Sie nicht überrennen. Wir sind-”
“Möchten Sie einen Donut?”
Deans Kopf zuckte zu Garth, der, ohne den Blick von Bess abzuwenden, nach der Schachtel gegriffen hatte. Charlie war notdürftig ausgewichen, um das zu ermöglichen. “Es gibt noch welche mit Gelee. Himbeere. Möchten Sie?”
Bess war mit Steve fertig und scheinbar zufrieden, nachdem sie die dünne Decke über seiner Brust glattgezogen hatte, und drehte sich zu Garth um.
“Oh, das- Ist so lieb!” - War sie rot? - “Aber, ich kann nicht. Das ist ein Patientenzimmer, ich meine- Ich arbeite und habe gerade keine Pause. Aber- Danke. Mr-?”
“Garth, mein Name ist Garth.”
“Ich heiße Bess.” Dean sah etwas fassungslos dabei zu, wie die beiden sich die Hände gaben - und eine deutlich zu lange Zeit nicht losließen, Charlie dagegen frohlockte geradezu, während sie dem Schauspiel folgte.
Aus Bess’ Hosentasche klang ein lautes Piepsen - und sie ließ zur sichtlichen Enttäuschung von Garth - seine Hand los.
“Oh, ich- Ich muss- Es war schön, Sie kennen zu lernen, Garth. Ich- Ja.”
Sie verschwand aus Steves Zimmer, aber nicht ohne noch einen Blick über die Schulter zu werfen.
Garthe beugte sich so weit zur Seite, wie er konnte, um sie so lange wie möglich im Blick zu haben, und Dean schüttelte einfach den Kopf, bevor er seinen zu kleinen Kaffee leerte.
Unglaublich. Unglaublich.
Dean räusperte sich streng, als Garth sich immer noch verbog wie ein Baustein aus Tetris, obwohl Bess bereits lange den Flur hinab verschwunden war.
“Oh, ehm - sorry. Ich wollte nicht-” Garth lächelte schief und nahm einen großen Schluck Kaffee. “Eine nette Frau, nicht wahr?” Charlie gurgelte kichernd in ihrem Kaffee, Dean verdrehte die Augen und Garth wechselte eilig das Thema: “Ja, ehm. Sag mal, Dean, wie lautet die Adresse von Steves Laden?”
“Steves Laden? Wieso?”
Garth zuckte nur mit den Schultern, leerte seinen Kaffee und nahm Dean in vollkommener Selbstverständlichkeit seinen leeren Becher ab.
“Ich wollte mal vorbei schauen, ob alles in Ordnung ist. Immerhin wissen die zwei Mädchen nicht, was passiert ist, oder?”
Dean konnte spüren, wie seine Gesichtszüge entgleisten.
Natürlich, verdammt!
Steve hatte einen Laden! Einen Job, er musste- Jemand musste-
“Hey, schon okay. Ich kümmere mich darum.” Garth machte Finger Guns und zwinkerte. “Dafür ist Familie doch da! Schreib mir einfach die Adresse!”
Bevor Dean widersprechen konnte, tackelte Garth ihn in einer eisernen Umarmung, dann Charlie und Sam, um schließlich sanft Steves Schienbein unter der Decke zu tätscheln.
Der Kaffee hatte ihn gewärmt.
Sein Innerstes fühlte sich nicht mehr kalt an, nicht mehr so, als würden Eiskristalle bei jeder Bewegung an seinen Venen kratzen und in seine Muskeln stechen.
Der Kaffee, Charlies eifriges Tippen, wie Sam immer wieder den Raum verließ, um mit Bela oder der Polizei zu telefonieren, das Bess sanft seine Schulter drückte, nachdem sie nach Steve gesehen hatte und das Garth, als er ein paar Stunden später mit einigen Dosen Cola und frischen Sandwiches wieder kam, die selbe blaue Veste trug, wie Steve sie im Laden getragen hatte.
Sein Namensschild war handgeschrieben und während Dean den Stuhl an Steves Bett räumte, um etwas zu essen, setzte sich Garth hin, legte ihm vorsichtig die Hand auf den Unterarm, und flüsterte leise Statusberichte in sein Ohr, darüber, wie es den Mädchen ging, dass er sich einen Überblick verschafft hatte und diese Woche wohl noch eine Bestellung für weitere Ware rausgehen musste.
Charlie versprach dabei zu helfen, dass Garth in das System kam.
All das wärmte ihn, ließ seine Adern unter Zuneigung, Dankbarkeit und Sehnsucht weiten, bis sein Hals nur noch schwer um einen Kloß herum schlucken konnte.
Steve war nicht allein.
Sie waren alle hier, alle für ihn da.
Dean konnte die Dankbarkeit nicht in Worte fassen, konnte die Liebe, die für alle hier in ihm pulsierte, kaum greifen.
Steve wurde geliebt, von jedem hier. Er wurde geliebt und er war nicht allein.
Er hatte eine Familie.
Dean ließ langsam die Cola-Dose sinken, aus der er gerade einen Schluck genommen hatte.
Steve hatte Familie.
Fuck.
“Dean?” Sam’s Stirnrunzeln war auf jedem einzelnen Buchstaben hörbar und Dean schüttelte leicht den Kopf.
“Steve hat-” Sein Mund klappte zu, er knetete einen Moment fest die Lippen aufeinander, während seine Augen stur auf Steves reglosen Körper gerichtet waren.
Steves Familie hatte ein Recht zu wissen, dass Steve im Krankenhaus war.
Fuck. Fuck.
Er schluckte schwer, bevor er sich zu Sam drehte.
“Ich- ich muss was erledigen. Ihr- Ihr bleibt hier, oder? Ihr-” Seine Augen glitten zurück zu Steve. “Er soll nicht alleine sein.”
Sams Stirn zog sich in fragende, nachdenkliche Falten, aber er nickte. “Klar, wir bleiben hier.”
“Danke, Sammy!”
Er küsste Steve auf die Stirn, sanft und federleicht, bevor er ging.
“Dean. Winchester.”
Das tiefe, sonore Brummen von Viktors erdwarmer Stimme klang bis in den letzten Buchstaben genervt und Dean drehte sich mit einem einstudierten, breiten Grinsen zu ihm um.
“Victor!”
“Was ist passiert?” Der plötzliche Umschwung von genervten, rollenden Erdhügeln zu Viktors erdwarmer Sorge ließ Dean einen halben Schritt zurück machen. Er räusperte sich, zu streng, zu rau, als allein der Gedanke eine erneute Welle kalter Panik durch seine Adern jagte.
Auf dem Weg hierher hatte er dreimal anhalten müssen, nur um zu atmen.
Es gefiel ihm nicht, nicht bei Steve zu sein.
Er wollte seine kalte Hand in seiner halten, ihm so viel Wärme und Nähe geben, wie er konnte, wollte die seidenweichen Haare aus seiner Stirn streichen und dabei zusehen, wie Bess und Dr MacLeod zufrieden nickten, wenn sie ihn untersuchten.
Aber das hier war wichtig.
Das hier war für Steve.
Es kostete Dean Mühe, das Grinsen wieder auf seine Lippen zu zerren, aber als Victor missbilligend die Hände in die Hüften stemmte, ließ er es fallen.
“Ich brauche deine Hilfe.”
“Hah!” Victor schlug mit der Akte, die er in der Hand hatte, spielerisch nach Dean und ging an ihm vorbei. “Du? Meine Hilfe? Nach all den schlaflosen Nächten, an denen du Schuld warst, sollte ich dir Schlafmittel in Rechnung stellen! Eine Frechheit, dass du noch mehr forderst!”
Das Grinsen kam diesmal von selbst zurück auf Deans Lippen, als er Victor zu seinem Schreibtisch folgte.
Sie hatten eine Vergangenheit, wenn man das so nennen wollte; Dean war nicht immer das Paradebeispiel eines anständigen Bürgers gewesen, wie er es jetzt meistens versuchte zu sein. Während dieser turbulenten Zeit - Bobby konnte auch ein Lied davon singen - war er mehr als einmal mit Victor, damals noch Streifenpolizist, aneinandergeraten.
Es war nie etwas wirklich schlimmes passiert und nach dem Alter, Weisheit und vor allem ein Ziel Dean aus dem Gröbsten rausgehalten hatten und er beim Notruf angefangen hatte, waren sie sich wieder öfter begegnet.
Wobei Victor keine Begegnung ausließ, um den alten Geschichten nach zu hängen - und Dean bedankte sich währenddessen dafür, dass Victor tragende Säule seines Images war.
Es war gut gemeintes Geplänkel und es ließ Spannung und Härte aus seinen Muskeln schmelzen, wie es nur wenige konnten.
Victor warf die Akte auf den Tisch und lehnte sich mit der Hüfte dagegen, die Arme locker vor der Brust verschränkt.
“Also, wieso kommst du in mein Revier, das überhaupt nicht dein Revier ist, siehst dabei aus, als hättest du seit Tagen nicht geschlafen und willst meine Hilfe?”
Die einzigen, die ihm sonst so direkt und ohne Umschweife auf den Zahn fühlen konnten, waren Sammy und Bobby.
Dean räusperte sich erneut, während seine Hand erdend durch die kurzen Haare fuhr.
“Steve ist im Krankenhaus.” Victor’s Augenbraue zog sich nach oben, aber er wartete geduldig, bis Dean fortfuhr. “Sein Freund hat- Sein Ex-Freund- Es war schlimm.” Es kostete Kraft, dem Echo in seinem Kopf nicht nachzugeben, nicht in den Schreien, dem Schluchzen und den Schmerzen unterzugehen, die durch sein Trommelfell zogen, Kraft, die er kaum noch hatte.
Seine Hände zitterten wieder und er schob sie resolut in die Hosentaschen. “Er ist ganz allein. Er hat keine Blutsverwandten.” Er konnte aus den Augenwinkeln sehen, wie Victor’s Kopf fragend zur Seite kippte, eine stumme Frage, wie er damit helfen können sollte. Dean benetzte mit der Zunge flüchtig seine Unterlippe. “Die Sache ist, Steve hat Familie. Sie waren damals alle im selben Waisenhaus, haben sich aber im letzten Jahr aus den Augen verloren.”
Victor’s Schultern sanken, als ihm klar wurde, was Dean wollte. “Dean…”
“Es ist nur- Sie sind Geschwister, Victor, okay? Blut oder nicht. Ich meine, es ist seine Schwester und sein Bruder und-”
“Dean…”
“Victor-”
“Dean, ich kann nicht.”
Dean biss sich auf die Unterlippe und schloss einen Moment die Augen.
“Victor… Bitte.”
“Ich kann dir nicht einfach die Adresse von jemandem geben, mit dem du nichts zu tun hast oder haben solltest. Du hast selbst gesagt, sie haben seit einem Jahr keinen Kontakt mehr. Wer weiß, ob sie überhaupt noch etwas davon wissen möchten!”
Als seine Zähne in der trockenen Haut seiner Lippe zu brennen begannen, presste er die Lippen aufeinander und nickte langsam, während er Victors erdwarmen Worten lauschte.
“Es ist nur- Egal, wie sehr ich mich mit Sam gestritten hätte, egal was passiert wäre. Wenn er im Krankenhaus wäre-”
Victors Hände fielen aus der Verschränkung vor seiner Brust und er seufzte lang und gedehnt.
“Dann würdest du es wissen wollen.”
“Dann würde ich es wissen wollen.”
Dean konnte sehen, wie Victor zur Decke blickte, wie seine Lippen sich leicht bewegten, als er lautlos bis zehn zählte.
“Fein, meinetwegen. Sag mir ihre Namen, dann seh ich, ob ich etwas finden kann.”
Er holte tief Luft, hielt sie einen Moment unter Victors forschendem Blick und ließ sie dann gepresst und geräuschvoll wieder aus. “Ich kenne ihre Namen nicht. Sie heißt Anna, er heißt Gabriel. Aber ich weiß, in welchem Waisenhaus sie waren!”
“Ich hasse dich.”
“Ja, Father Joshua.” Victor starrte ihn derart genervt und streng an, dass es Dean beinahe leid tat, aber nur beinahe. Endlich, endlich hatten sie den Richtigen am Telefon, einen alten Priester, der im Waisenhaus vor dreißig Jahren gearbeitet hatte - und ein erstaunlich gutes Gedächtnis hatte, zumindest wirkte es so. “Ihre Namen waren Castiel, Anna und Gabriel. Können Sie sich an die Nachnamen erinnern?”
Victor klopfte ungeduldig und rhythmisch mit einem Kugelschreiber gegen den kleinen Block vor ihm, immer wieder nickend - und dann, kritzelte er etwas auf den Block. “Ah, ja. Milton. Ja, fantastisch. Vielen Dank, Father Joshua. Ja, danke, ja. Danke. Auf Wiederhören, danke. Ja-” Er legte auf und ließ sich mit einem lauten Stöhnen in seinem Ledersessel zurückfallen.
Er rieb sich einmal kurz die Augen, bevor er sich ruckartig aufsetzte, sich seiner Tastatur zuwandte und ein paar Buchstaben in eine Suchzeile tippte.
“Er erinnert sich nicht mehr an Gabriel’s Namen, aber Anna…- heißt immer noch mit Nachnamen Milton und besitzt einen Führerschein für Illinoise."
Seine schwungvolle Handschrift setzte eine Adresse unter den Namen auf den Block, bevor er das Papier abzog und es Dean reichte. “Du schuldest mir etwas, Winchester. Etwas großes.”
Dean zog triumphal den Zettel zwischen Victors Fingern hervor.
“Was du möchtest, Victor!”
Anna Milton, nach wie vor wohnhaft in Chicago.
Das Haus, in dem Anna laut den Informationen aus ihrem Führerschein wohnte, war klein, aber gepflegt.
Das Blumenbeet hinter dem frisch gestrichenen Zaun war karg von der kalten Novemberluft aber ein Apfelbaum zeichnete mit bunten Blättern Farbe in den Garten, es gab Vorhänge an den Fenstern und Topfpflanzen auf den Simsen.
Dean räusperte sich und zog den schwarzen Pullover unter seiner Jacke zurecht.
Er war extra noch einmal nach Hause gefahren, hatte geduscht, sich umgezogen und eine Nachricht an Sam geschrieben.
Steve ging es unverändert.
Er wollte einen- Es ging nicht darum, dass er einen guten Eindruck machte.
Aber er wollte Anna nicht erschrecken; Die Nachricht, die er zu überbringen hatte, war schlimm genug. Da musste er nicht auch noch so aussehen, als hätte er seit Tagen weder geschlafen noch geduscht.
Ein tiefer Atemzug, zwei, drei - halfen nicht, damit er sich ruhiger fühlte.
Gott, er wusste nicht einmal, was er eigentlich sagen sollte.
Was, wenn sie nicht zu Hause war?
Dean knetete seine Lippen aufeinander, während er die Eingangstür anstarrte.
Was, wenn sie es wirklich nicht wissen wollte?
Ein kalter, harter Knoten bildete sich in seinem Magen und er schluckte schwer.
Nein, das glaubte er nicht.
Steve- Er liebte sie so sehr. Sie könnte nicht-
Er zog tief die Luft ein und stieß sie durch den Mund wieder aus.
All das Grübeln brachte nichts.
Er musste das hinter sich bringen, für Steve.
Das hier war für Steve und sobald er mit Anna geredet hatte, könnte er zurück zum Krankenhaus fahren, sich wieder neben sein Bett setzen und seine kalte Hand halten, bis sie seine Warme annahm.
“Okay, los.” Er murmelte es zu sich, eine letzte Aufforderung, bevor er auf den kleinen, goldenen Klingelknopf neben der Haustür drückte.
Der Klang war melodisch, weich, fast fröhlich.
Es dauerte nicht lange, bis sich Bewegung hinter der Milchglasscheibe abzeichnete und die Tür aufschwang:
Dean wusste, dass es rational keine Familienähnlichkeit geben konnte, er wusste, dass es keinen Sinn machen würde, nach Ähnlichkeiten zu suchen, aber dennoch war das erste, das er bemerkte, der Blick in ihren grünen Augen.
Sie hatte ihre roten Haare locker nach oben gebunden, ein Bleistift steckte hinter ihrem Ohr und sie sah ihn forschend an; Ein starker und kräftiger Blick, auf eine unbestimmte Art entschlossen, wie er Steve schon manchmal gesehen hatte, wenn er ganz er selbst sein konnte, weil er alles andere vergessen konnte. So, so selten, aber er erinnerte sich an diesen Ausdruck.
Ihre Stirn runzelte sich leicht und eine Spur Unruhe zog in ihre Glieder, ihre Augen, die feinen Linien um ihre Lippen, vermutlich angespornt von Deans eigener Getriebenheit.
“Ja, bitte?”
Dean schluckte erneut, einen Moment perplex, aus dem Takt, und räusperte sich dann eilig.
“Eh - Entschuldigung. Ehm - Mrs Milton? Anna Milton?”
Sie zog eine Augenbraue hoch und nickte bestätigend.
Dean räusperte sich wieder, korrigierte seinen Stand, aufrecht, gerade, und zog ein letztes Mal tief Luft ein.
Fuck, er wusste ja nicht mal, was er sagen sollte. Wie er es sagen sollte.
“Ich- Ich bin-”
Allein die Erinnerung, Schreie, Schmerzen, Schluchzen, konnte so laut in seinen Ohren dröhnen, dass er kaum an etwas anderes denken konnte.
Es auszusprechen- Wie sollte er es aussprechen?
“Ich bin wegen- Ich bin wegen Castiel hier.”
Der Name fühlte sich so fremd an auf seiner Zunge, wie ein ungewohnter Geschmack. Es fühlte sich nicht gut an, nicht richtig Steve so zu nennen.
Steve hatte gewollt, dass Dean ihn Steve nannte.
Er hatte nicht das Recht, ihn Castiel zu nennen.
Er räusperte sich, versuchte einen Moment, den fremden Geschmack hinunter zu schlucken - und beinahe hätte er es nicht bemerkt.
Beinahe hätte er verpasst, wie Annas Finger sich fester in das Holz der Tür krallten, wie eine fleckige Röte ihren Hals hinauf stieg, bis in ihre Wangen, wie ihre Augen feucht wurden, wie ihre Unterlippe begann zu zittern.
Sie zog einen hohen, flachen Atemzug in ihre Lungen, bevor sie sprechen konnte.
“Ist er- tot?”
Ihre Stimme stob auseinander wie im Wind aufgelöste Pusteblumen. Sie schniefte, große Tränen hielten sich mit letzter Kraft an ihren Wimpern fest, während sie weitere Worte hervor kämpfte. “Hat er- hat er ihn-”
Deans Innerstes verkrampfte in dem eiskalten Schock, den allein der Gedanke durch seine Adern vibrieren ließ, einen Moment sprachlos, hilflos, und ihm entglitten die Gesichtszüge.
Großer Gott.
“Nein!”
Es brach aus ihm heraus, stark und sicher, ein Befreiungsschlag für sein erschrockenes Herz, ebenso wie für ihres und sie bedeckte ihren zitternden Mund schnell mit ihrer Hand, senkte ihren Blick, um die Tränen zu verstecken, die ihre Wangen hinunter rollten. Dean brauchte zwei Schritte, bis er bei ihr war und sie bestimmt in die Arme schloss.
Ihr Schluchzen an seiner Brust klang wie heulende Winde, die sich pfeifend an den scharfen Kanten von Blumenblättern schnitten.
“Entschuldigung, es tut mir Leid, es tut mir Leid!”
“Hey, schon okay, alles okay.”
Dean hielt sie, den bebenden kleinen Körper, strich durch ihre herbstlaubroten Haare und wartete, bis das Blumenwiesenwindschluchzen schwächer wurde und das Zittern weniger prominent in ihren Muskeln war. Zugegeben, er brauchte diesen Moment auch, einen Moment Halt, um sich zu sammeln, sich zu sortieren.
Es war nicht egal, Gott, es war ihr so absolut nicht egal!
Sie war Steves Familie.
Anna zog noch einmal tief und feucht Luft ein und drückte sich dann von Dean weg, fuhr kopfschüttelnd mit den Händen unter ihren Augen entlang und über ihre Wangen.
“Oh, mein Gott, es tut mir so Leid. Bitte, kommen Sie rein, bitte. Entschuldigung!” Sie winkte Dean ganz von der Schwelle, auf der er sie gehalten hatte, weg und schloss die Tür.
Dean folgte und blieb wartend stehen, während Anna zu einem Sideboard ging, um ein Taschentuch aus einer Kleenex-Packung zu zupfen. Sie putzte sich so diskret wie möglich die Nase. “Es tut mir so Leid, wirklich. Ich- Nornalerweise-” Sie winkte ihre eigenen Worte beiseite und versuchte trotz der roten Flecken in ihrem Gesicht und der feuchten Augen ein Lächeln auf ihre Lippen zu ziehen. “Also, Castiel geht es gut! - Warum sind Sie dann hier, Mr-?”
Er konnte spüren, wie seine Kiefermuskeln hart wurden, wie sich seine Zähne aufeinander pressten.
Anna beobachtete ihn und das Lächeln sank wie Blütenblätter in einem schwindenden Windhauch. “Es geht ihm- Es geht ihm doch gut, oder?”
Dean kaute kurz auf seiner Lippe, bevor er es fertig brachte, den Kopf zu schütteln.
“Mein Name ist Dean. Ich bin-” Er zögerte, seine Zunge plötzlich bleischwer in seinem Mund. Aber was sollte er sonst sagen? Er hoffte nur, es wäre noch wahr. Nach allem, was passiert war, was er ihm angetan hatte und was Steve hatte erleiden müssen. “Ich bin ein Freund von Steve. Er- Er ist im Krankenhaus und- Es ist ernst.”
Weitere Tränen waren über Annas Wangen gerollt, kalter, nüchterner Schmerz in ihren Augen, aber kein windscharfes Schluchzen mehr.
Dean hatte geholfen, Tee zu kochen, bevor sie sich ins Wohnzimmer gesetzt hatten, auf weiche, dunkelgrüne Polstermöbel, von denen Dean sich fragte, ob Steve auch einmal hier gesessen hatte, Tee trinkend mit seiner Schwester.
Er versuchte, ihr alles zu erzählen und sie stellte strukturierte Fragen, konzentriert und klar und nur manchmal wacklig von neuen Tränen, die über ihre Wangen liefen.
Er erzählte ihr, dass er Steve so nannte, weil es ein Spitzname war, erzählte ihr, dass es Steve nicht gut gegangen war, als sie sich kennengelernt hatten, dass sie sich angefreundet hatten.
Er erzählte ihr, was er alles von ihr und Gabriel wusste, dass er von der Orchidee wusste, die Anna ihm geschenkt hatte, und die Steve immer noch so viel bedeutete, dass Steve sie liebte und sie vermisste.
Dass Steve sie immer noch als Familie betrachtete, egal, was passiert war.
Er erzählte ihr, in groben Zügen, was Alastair getan hatte, wie Alastair ihn geschlagen hatte, wie er ihn gewürgt hatte, wie er ihn so verschreckt hatte, dass er angsterfüllt aus dem Haus gerannt war.
Er erzählte ihr nicht von dem Kuss und davon, dass er Steve alleine gelassen hatte, als er ihn am meisten gebraucht hatte - und Anna fragte nicht danach.
Sie nickte nur, immer wieder, die heiße Teetasse in festem Griff auf ihrem Schoss, bis der Inhalt kalt geworden war.
“Ich hätte das niemals zulassen dürfen.” Das dünne Windhauchen ihrer Stimme war so leise, dass Dean sie beinahe nicht gehört hätte.
Dean hatte gerade einen Schluck von dem Pfefferminztee genommen und schüttelte den Kopf.
“Es ist nicht Ihre Schuld, Anna.” Sie schnaubte ungläubig. “Wirklich, Menschen wie Alastair - machen etwas mit einem, manipulieren jemanden, bis er nicht mehr weiß wo oben und unten ist. Sie hätten es nicht verhindern können, weil sie es nicht haben kommen sehen. Genauso wenig wie Steve es hat kommen sehen. Niemand hat es kommen sehen.” Wieso sagst du nie Ich hab es dir doch gesagt?.
Der traurig wütende Seesturm von Steves Stimme hallte dumpf in ihm nach und er musste sich räuspern.
Er hatte es kommen sehen, er hatte es von Anfang an geahnt, hatte alle Zeichen gesehen und Steve nicht ausreichend gewarnt, hatte ihm nicht geholfen, ihm nicht beigestanden.
Es war seine Schuld.
“Aber wir hätten stärker um ihn kämpfen müssen. Wir hätten nicht einfach aufgeben dürfen!” Eine weitere Träne rollte langsam über ihre Wange und sie wischte sie unwirsch weg, als würde sie es sich nicht erlauben wollen, deshalb zu weinen. Als wäre sie zu wütend auf sich selbst, um das zuzulassen. “Wir haben ihn einfach zurückgelassen."
“Anna-”
Ein unkomisches, hohles Lachen entkam ihr und sie schüttelte den Kopf, bevor sie sich eine gelöste rote Strähne zurück hinters Ohr schob.
“Das war seither immer meine größte Angst; Dass wir ihn zurück lassen und eines Tages ein Fremder vor der Tür steht und mir sagt, dass-”
Sie presste die Lippen aufeinander und Dean konnte das Gefühl bis ins letzte Detail verstehen, die Unfähigkeit, etwas so schreckliches auszusprechen.
“Einen Moment dachte ich wirklich-” Sie zog scharf und feucht die Luft ein und wischte neue Tränen aus ihren Augenwinkeln. “Danke.”
Dean blinzelte überrascht.
“Danke, dass wenigstens Sie für ihn da waren.”
Er schluckte, als ihre Worte ihn hart trafen, schmerzhaft, zielgenau auf die wunde, ungeschützte Stelle, die seit dem Telefonat, seit er alles hatte hören müssen, jeden Moment mit Schmerz und Leid in ihm pulsierte, und er schüttelte den Kopf.
“Ich war auch nicht da.” Sein Lächeln war schwach, enttäuscht und kraftlos. “Nicht, als ich ihn hätte beschützen müssen.”
Nicht, als er ihn gebraucht hatte.
Anna runzelte einen Moment die Stirn, bevor sie den Kopf schüttelte und dann eisern nickte und Dean konnte sehen, wie ihr Kinn wieder begann zu zittern und rutschte auf dem Sessel etwas weiter nach vorne, um seine Hand sanft auf ihr Knie zu legen.
“Aber wir können es jetzt sein.”
Sie konnte es jetzt sein; Dean wunderte sich immer noch, ob Steve ihn sehen wollte, sobald er wach war.
Es war selbstsüchtig, sich ihm jetzt so aufzudrängen, wo er sich nicht wehren konnte - wieder! - und Dean wusste das.
Aber er konnte nicht anders.
Wie sollte er-
Er konnte ihn nicht erneut im Stich lassen.
Er wäre da, so lange, bis Steve ihm sagen würde, er solle gehen.
Als sie ihn ansah, sah er den Kampf in den starken, grünen Augen, wie Hoffnung, Angst und Bedauern darin um das Vorrecht stritten, bis sie schließlich schluckte und den Blick auf ihre Teetasse richtete.
“Sind Sie denn sicher, dass er uns sehen will? Wir haben ihn alleine gelassen.”
“Sie sind seine Familie, Anna. Ja, ich bin sicher.”
Anna hatte daraufhin in Windeseile einige Sachen in eine riesige Handtasche gepackt und Gabriel angerufen.
Sie würden ihn in ein paar Stunden im Krankenhaus treffen, scheinbar war er gerade noch in Atlantic City, und Dean brachte Anna ins Krankenhaus.
Er fuhr deutlich vorsichtiger, jetzt, wo er für Steve kostbare Fracht transportierte.
“Dean, Baby! Ich hab’s!”
Charlies frisches, fröhliches Pfefferminzdessert-Trällern umfing ihn fast genauso wirkungsvoll wie eine Umarmung, als er in Steves Zimmer auf der Intensivstation zurückkehrte und er konnte spüren, wie ein großer Teil Anspannung allein deshalb aus seinen Schultern rieselte.
Steve lag nach wie vor reglos im Bett, das rhythmische Ein und Aus des Beatmungsgeräts genauso ein im Hintergrund verschmolzenes Geräusch wie das Piepen des Herzmonitors.
Er wollte zu Charlie gehen, sie drücken und fragen, wovon zum Teufel sie sprache, wollte Sammy auf die Schulter schlagen, der mittlerweile sein Handy gegen ein Tablet getauscht hatte, er wollte zu Steve gehen, sein Haar aus seiner Stirn streichen und einen sanften, leichten Kuss darauf drücken.
Aber nichts davon war möglich, da kaum einen Augenblick später Anna erschrocken hinter ihm Luft holte.
Er drehte sich zu ihr um, sah, wie sie die Hände vor den Mund geschlagen hatte und mit geweiteten Augen auf ihren kleinen Bruder blickte.
“Oh mein Gott, Castiel.”
Dean hatte, nachdem er Charlie, Anna und Sam einander vorgestellt hatte, Dr. MacLeod gesucht, damit Anna angemessen ins Bild gesetzt werden konnte und seither - saß er nicht neben Steves Bett.
Dort saß Anna; Ihre Hand hielt vorsichtig Steves, ihre Finger strichen verirrte Strähnen aus seinem Gesicht und ihre Hand streichelte seinen Unterarm.
Das war okay, richtig so. Sie war seine Schwester, er wollte sie bei sich haben, da war sich Dean sicherer, als ob Steve ihn an seinem Bett haben wollte.
Trotzdem-
Der Drang ihn zu halten, zu wiegen und zu küssen zu schützen, hatte nicht abgenommen. Es war jetzt nur noch weniger sein Platz als vorher.
Er hatte Steve im Stich gelassen, ihn ausgenutzt.
Er gehörte nicht an dieses Bett. (Gehörte er in diesen Raum?)
“Dean?”
Er zuckte aus seinen Gedanken und drehte den Blick, der auf Steve hängen geblieben war, schnell zurück zu Charlie.
“Ja, sorry, also- Was?”
Sie verdrehte die Augen und blies sich eine rote Strähne aus der Stirn, bevor sie von vorne startete.
Sie hatte Steves Geld gefunden.
Alastair hatte es von Steves Konto abgehoben und angelegt - auf Steves Namen, vermutlich, damit er dafür keine Steuer zahlen musste.
Die Steuererklärung hatte er in Steves Namen gemacht und anhand der Anlage finanziert. Die Gewinne waren auf ein weiteres Konto gegangen, ein ziemlich dickes Konto.
Zugegeben, was auch immer man über Alastair sagen mochte: Er hatte ein Händchen für Finanzen.
Das würde reichen, um Steves Krankenhausrechnung zu begleichen - und da es keinen einzigen Beleg darüber gab, dass Steve zu dem Geld Zugang hatte, das Alastair regelmäßig mit seiner Karte abgehoben hatte, konnte Sam noch weitere Punkte seiner Anklageschrift beisteuern.
Was er auch gleich voller Stolz und Inbrunst tat; Anna hatte bestätigt, dass er jetzt offiziell Steves Anwalt wäre und hatte ihm überschwänglich gedankt.
Es dauerte danach noch circa. fünfundvierzig Minuten, bis ein aalglatter, kleiner Anwalt im Designeranzug im Krankenzimmer erschien.
“Und wer von Ihnen ist Mrs Bradbury? Sie?”
Er deutete auf Charlie, die halb erschrocken, halb verwirrt die Augen aufriss.
“Ich werte das als Bestätigung. - Unterschreiben Sie bitte, hier und hier.”
Dean beugte sich nach vorne, um ebenfalls auf das Formular zu sehen, das der Fremde ihr reichte, während Sam die Augen verdrehte.
“Das ist ein Arbeitsvertrag.”
“Nein, wirklich? Squirrel hier drüben kann lesen. Glückwunsch.”
Der Mann zog einen teuren Kugelschreiber aus der Innentasche seines Jacketts und reichte ihn Charlie.
“Nicht vergessen, hier und hier.”
Charlie griff nach dem Kugelschreiber, als er begann, ungeduldig damit vor ihrer Nase herum zu fuchteln, bevor sie die Blätter straff zog und auffällig genau durch las.
Sie runzelte die Stirn.
“Der ist einen Monat zurück datiert?”
“Ja, weil Sie, mein Liebe, bereits seit einem Monat freischaffend für uns tätig sind. Glücklicherweise sind Sie dadurch damit vertraut, dass man einen Durchsuchungsbefehl braucht, damit man elektronische Nachforschungen zu den Finanzen von potentiellen Opfern und potentiellen Tätern durchführen kann, damit man wiederum das, was man bei diesen Nachforschungen findet vor Gericht verwenden kann.”
“Uhm…”
“Und glücklicherweise haben Sie von uns eben jenen Auftrag zur Durchsuchung der Konten im aktuell vorliegenden Fall erhalten-” Damit zog er ein weiteres Blatt Papier aus seiner Aktentasche hervor. “Haben den Erhalt des Auftrags quittiert - hier unterschreiben - und dadurch einen großen Beitrag zur Anklageschrift geleistet. Vielen Dank. Ihr Honorar wird überwiesen.”
Charlie blinzelte mehrfach, blickte von einem Blatt zum nächsten und dann zu Sam.
Er verdrehte die Augen, nickt aber.
“Das ist Crowley, Fachmann für Schlupflöcher, du kannst unterschreiben. - Danke, Crowley.”
“Nicht für dich, Moose, und ich bin nicht Fachmann für Schlupflöcher, ich bin der verdammte König der Hinterzimmer-Deals, also zügel deine Zunge!”
Er wartete exakt so lange, bis Charlie den letzten I-Punkt in ihrem Namen geschrieben hatte, bevor er schwungvoll Vertrag, Auftrag und Kugelschreiber aus ihren Händen riss.
“Fantastisch. Ich werde Ihnen eine Kopie zukommen lassen.”
Die Blätter verschwanden wieder in der Aktentasche.
“Wenn Sie möchten, können Sie uns gerne weiterhin bei digitalen Nachforschungen unterstützen, Sie haben ein Händchen dafür.”
Er verneigte sich angedeutet, “Squirrel, Moose, Mrs Bradbury, Mrs Milton.”, und drehte sich auf dem Absatz um.
“Fergus! Was machst du hier? Wolltest du deine liebe Mutter besuchen? Du hättest anrufen können, ich habe Patienten.”
Dr. MacLeod stand in dem Türrahmen und musterte Crowley eindringlich, ehe sie zu der kleinen Gruppe im Zimmer blickte. “Er hat sie doch nicht belästigt, oder?”
“Mutter, ich habe hier Klienten!”
Die beiden verließen diskutierend das Zimmer und Dean, ebenso wie Charlie und Anna, sahen Sam verwirrt an.
Er schüttelte den Kopf und hob sein Tablet, um weiter zu arbeiten.
“Fragt nicht…”
Sammy:
Weiß sie es?
Dean runzelte die Stirn, als er die Nachricht auf seinem Handy sah, und blickte fragend zu Sam, der nur einen halben Meter von ihm entfernt saß, nicht mal!, auf der genau verdammt selben Bank wie Dean selbst, direkt neben ihm!
Aber anstatt Deans Starren irgendwie zur Kenntnis zu nehmen, blickte er nur weiter in sein Tablet.
Allerdings bemerkte Dean, wie er die Augenbraue leicht hochzog; Er erwartete eine Antwort.
Deans Augen flackerten einen Moment zu Anna.
Er könnte natürlich so tun, als würde er nicht wissen, was Sam meinte.
Als wäre ihm nicht sofort heiß und kalt geworden, bei diesem einfachen Satz, bei dem Gedanken daran, wie er Steve gegen die Säule gedrängt und geküsst hatte, wie sich seine heiße Haut unter seinen Händen angefühlt hatte, seine seidenweichen Haare, seine Meersalzküsse auf seinen Lippen.
Wie er Steve dabei ausgenutzt hatte, wie er ihn bedrängt und verscheucht hatte.
Wie Steve in der Menschenmenge verschwunden war.
Wie Steve ihn am nächsten Tag angerufen hatte, erstickend in Schmerzen, Schreien und Angst.
Dean hatte ihn geküsst, er hatte ihm gesagt, er solle Alastair verlassen und dann hatte er ihn geküsst und so süß, die Erinnerung war, so schnell sein Herz dabei auch schlug - es stoppte ein paar Schläge später in kaltem Entsetzen.
Er war Schuld an dem, was passiert war.
Er hätte für Steve da sein müssen und ihn nicht- nicht das.
[align=right]Du:
Nein[/align=right]
Anna saß nach wie vor in demselben Stuhl, in dem Dean vorher gesessen hatte, hielt nach wie vor Steves weiße, kalte Hand sanft in ihrer und flüsterte leise Worte zu ihm, die so leicht auf der Blumenwiesenbrise ihrer Stimmen schwebten, dass er sie nur verstehen könnte, wenn er sich wirklich darauf konzentrierte.
Sie verdiente es, dort zu sitzen, bei ihm, neben ihm. Steve verdiente, dass sie dort saß.
Sein Handy vibrierte wieder in seiner Hand und diesmal stellte Dean es auf stumm, bevor er die Nachricht las.
Sammy:
Du solltest es ihr sagen.
Sie wird es vermutlich ohnehin wissen, so wie du ihn anstarrst.
[align=right]Du:
Ich starre ihn nicht an![/align=right]
Sam verdrehte die Augen und warf Dean einen strafenden, genervten Blick zu.
“Fein-” Sein müdes Waldknarren klang geradezu schnippisch, als er das Tablet weg legte und aufstand. Er streckte sich einmal lang durch, wobei einige Wirbel in seinem Rücken der Reihe nach knackten. “Ich habe genug. Ich brauche einen Kaffee.” Dean erntete noch einen strengen Blick, bevor Sam sich Anna zuwandte.
“Anna, Kaffee?”
Sie schreckte fast hoch, blinzelte ein paar Mal, bevor sie freundlich lächelte und nickte.
“Danke, Sam, das wäre wunderbar.”
Er nickte, kontrollierte, ob sein Geldbeutel in der Hosentasche steckte, formte mit dem Mund das Wort Jerk als er an Dean vorbei ging, Dean erwiderte lautlos Bitch, und verschwand aus dem Raum.
Deans Augen zuckten vorsichtig zurück zu Anna und Steve.
Er war alleine mit ihnen, Charlie hatten sie nach Hause geschickt, um sich auszuruhen und Garth bei dem Warenwirtschaftsprogramm im Laden zu helfen.
Sein Blick glitt vorsichtig über die weiße Gestalt, immer noch wie Meereswellen an einem Wintermorgen, aber weniger - schrecklich, weniger harte Ränder, vielleicht auch mehr Farbe.
Aber Dean wusste nicht, ob es nur daran lag, dass er sich langsam an den Anblick gewöhnte.
Trotzdem; Es - ging ihm besser, augenscheinlich.
Dr. MacLeod war zufrieden mit den Fortschritten, auch wenn Dean sie nicht erkennen konnte.
Morgen, sagte sie, wollten sie prüfen, ob sie die Narkose langsam ausschleichen lassen konnten.
Dann würde es immer noch einige Tage dauern, bis er wirklich wach war, aber- es wäre eine Fortschritt; Das Zittern seiner ozeanblauen Augen unter seinen Lidern, ein eigener Atemzug, eine Bewegung in den langen Fingern.
Dean presste die Lippen aufeinander.
Gott, er wünschte sich nichts mehr, als das Steve wach war, dass er ihn ansah mit diesen großen, tiefen Augen, aber-
Irgendwie fürchtete er sich auch davor.
Steve hatte nicht ihn um Hilfe gebeten. Er hatte einfach den Notruf gewählt.
Das letzte Mal, als sie miteinander gesprochen hatten, wirklich miteinander gesprochen hatten, war in der Mall gewesen.
Als Steve wütend gewesen war, aufgewühlt und verletzt.
Als er sich ihm aufgedrängt hatte.
Als Steve einfach gegangen war.
Was, wenn Steve ihn nicht sehen wollte?
Das wäre sein gutes Recht.
Steve hatte ihn vermutlich als Notfallkontakt eingetragen bevor-
Davor.
Als er noch dachte, Anna und Gabriel wollten nichts mehr von ihm wissen, als er dachte, er wäre allein.
Aber er war nicht allein, Anna war genau hier, bei ihm, seit Stunden und ohne Absicht, das Zimmer heute Nacht noch zu verlassen.
(Wann war es eigentlich Nacht geworden?)
Sollte er es ihr wirklich sagen?
Damit, was?
Sie ihn gleich rauswerfen konnte, ihren kleinen Bruder vor ihm beschützen konnte?
Verdammt.
Ja, eigentlich genau deshalb. Verdammt!
Dean holte tief Luft.
Er sollte es ihr sagen.
Noch bevor er anfangen konnte, zu sprechen, spürte er, wie sich seine Stimmbänder rau verkeilten und er räusperte sich streng.
“Uhm, Anna-”
Sie drehte sich im Stuhl halb zu ihm um, lächelte, warm, dankbar vollkommen ohne Grund und-
“Hey! Pass auf, wo du hin läufst, Jumbo-Size!"
Er hörte Sam, der vermutlich besagte Jumbo-Size war, unglücklich Murren, aber noch bevor er darauf reagieren konnte, war Anna aufgestanden und zur Tür geeilt.
“Gabriel!”
Nur einen Wimpernschlag später schlang ein kleiner, braunhaariger Mann Anna in seine Arme und hielt sie genauso eisern fest, wie sie ihn.
Dean, ebenfalls aufgestanden, beobachtete die beiden einen Moment, unsicher, was er jetzt tun sollte, bis Sam hinter Gabriel in der Tür auftauchte und - erst leicht missmutig, aber dann verstehend - auf den kleineren Mann hinab sah.
“Oh, Sie müssen Gabriel sein, möchten Sie auch einen Kaffee?”
Gabriel entließ seine Schwester aus seiner Umarmung und drehte sich mit hochgezogener Augenbraue zu Sam um und musterte ihn einmal auffällig von unten nach oben.
“Kommt drauf an, ist da dasselbe drin, was sie dir ins Müsli getan haben?”
Dean prustete und hielt sich schnell die Hand vor den Mund, erntete aber trotzdem einen unwirschen Blick von Steves “großem” Bruder.
Noch bevor einer von ihnen etwas anderes sagen konnte, legte Anna ihm die Hand die Schulter.
“Gabriel, das sind Dean - und Sam.” Sie deutete zu jedem von ihnen kurz, bevor sie ihre Augen auf Steve richtete.
Gabriel folgte ihrem Blick, nachdem er Sam und Dean kurz angesehen hatte und zog scharf die Luft ein.
“Fuck, Cassie…”
Dean holte einen weiteren Stuhl und Sam einen neuen Kaffee, einen Süßen, bitte! Zucker, Sahne, Sirup, was sie haben!.
Es waren nur wenige Tage gewesen, bis Dr. MacLeod mit Steves Fortschritten zufrieden war, seinem Blutdruck, dem Hirndruck und dem Kreislauf.
Die Medikamente, die Steve im Koma hielten, wurden reduziert, langsam, nach und nach, über mehrere Stunden, Tage.
Sie sollten nicht zu viel erwarten, hieß es, sich bewusst machen, dass ein Aufwachprozess einige Zeit dauern würde, bis die Medikamente nach und nach aus Steves Körper ausschlichen, bis er wieder selbstständig atmen würde, bis er die Augen aufschlug, bis er sie erkannte.
Trotzdem hatte Dean das Gefühl, - und wenn er es sich nur einbildete - dass bereits mehr Leben in Steve zurückgekehrt war, mehr Farbe in seinen winterwellenweißen Wangen, mehr Bewegung in die von seinen Lidern verdeckten Augen.
Gott, er vermisste seine Augen, das ozeantiefe Schimmern, das blitzgewittergrelle Leuchten, er vermisste ihr Stärke, ihren Glanz, er vermisste-
Er vermisste Steve.
Alles in ihm.
Aber es wurde mehr, es wurde besser, Steve ging es besser.
Er schluckte hart, als er den Gedanken immer und immer wieder in seinem Kopf wiederholte, während seine Augen in das immer noch viel zu blasse Gesicht sahen.
Die Hämatome zeichneten sich stark und brutal gegen seine helle Haut ab, aber ihre Ränder wurden leichter, verschwammen vom dunkelm, verletzten Lila zu weichem grün und sanftem gelb, jeden Tag ein bisschen besser, jeden Tag ein bisschen mehr.
Bess war gerade da gewesen, hatte Werte kontrolliert, Monitore geprüft, Medikamente neu eingestellt und Sam hatte Anna und Gabriel mit in die Kantine genommen, ein bisschen die Beine vertreten, nachdem die Beiden schon fast so lange in diesem Krankenzimmer saßen, wie er und Dean.
Insgeheim wusste Dean, dass Sam die beiden mitgenommen hatte, damit er einen Moment mit Steve haben könnte, damit er sich ihm nähern könnte, sich wieder auf den Stuhl an seinem Bett setzen konnte, seine Hand halten, seine Haut berühren, die dunklen Strähnen aus seiner Stirn streichen- aber er konnte es nicht.
Er saß immer noch auf der Bank auf der anderen Seite des Raumes, die Unterarme auf die Knie gestützt, knete seine Hände und starrte ihn an.
Es war - anders, seit Anna und Gabriel da waren.
Nicht schlecht anders, bestimmt nicht.
Er mochte die beiden, die Art, wie sie miteinander umgingen, wie sie mit Steve umgingen, seine Hand hielten, über ihn sprachen und in Erinnerungen lachten, wie Anna durch Steves Haare fuhr und sich über die ständig unordentlichen Strähnen beschwerte, wie Gabriel Steves Schienbein oder Unterarm streichelte und mit ihm sprach, als würde er Antworten erhalten.
Dean konnte es sehen, die Ähnlichkeiten, die nicht nur durch Blut kamen, die Kraft in den beiden, die Stärke und Sturheit, genau wie bei Steve, die Wärme und Liebe, die sie füreinander hatten, die sie für Steve hatten und - so kam es ihm vor - auch allmählich für Sam, Charlie, Garth, Kevin - ihn.
Sie duldeten nicht nur, dass Sam und er weiterhin im Krankenzimmer blieben, sie wünschten es sich, hatten darum gebeten, dass sie blieben - wenn sie wollten.
Wenn sie wollten.
Als könnte sich Dean auch nur vorstellen jetzt gerade an einem anderen Ort zu sein, als hier.
Hier bei Steve.
Seinem Steve.
Dean schluckte einmal hart und lehnte sich mit einem tiefen Atemzug zurück.
Das war das Problem, oder?
Steve war nicht sein Steve.
Er war es nie gewesen - Du wirst ihn nicht haben. Und er wird dich nicht haben. Niemand wird dich haben, Castiel. Niemand. Außer. Mir.
Dean räusperte sich, als ihn die plötzliche Erinnerung an Alastaris Stimme im Inneren gefrieren ließ und fuhr sich streng über die Augen.
Aber - Alastair hatte nicht Recht gehabt, mit nichts von dem, was er gesagt hatte, gar nichts.
Aber er hatte auch nicht Unrecht.
Steve gehörte nicht zu ihm, er gehörte nicht zu Steve.
Er hatte ihn im Stich gelassen, er hatte ihn alleine gelassen.
Er hatte ihn überfordert und verraten, ihn ausgenutzt, als er seine Hilfe gebraucht hatte - und Steve hatte all das alleine ertragen müssen.
Dean war sich immer noch nicht sicher, ob Steve ihn überhaupt sehen wollen würde, wenn er aufgewacht war.
Ob er, sobald er diese tiefen, blauen Augen das nächste Mal sah, sie jemals wieder sehen würde.
Ob Steve einen Blick auf ihn werfen und ihn weg schicken würde.
Er hätte es verdient.
Also nein, er saß nicht neben Steve an seinem Bett, wo sich Anna und Gabriel mittlerweile abwechselnden, er hielt nicht Steves Hand in seiner, wie Anna es auch immer wieder tat, er strich nicht über die Haut an seinem Unterarm, zwischen Infusion und Verband, wie Gabriel es tat.
Er saß hier, auf der Bank, und starrte ihn an.
Dean presste die Fingerknöchel seiner knetend gefalteten Hände gegen seine Stirn, fuhr sich mit der Zunge über die Lippen und schüttelte leicht den Kopf.
Wenn er nur wüsste, was er tun-
Hektisches, lautes Piepsen von den Geräten, die wie Wächter um Steves Bett standen, erstickten seine Gedanken im Keim und sein Kopf zuckte augenblicklich hoch.
Steves Puls- stieg?!
“Steve?”
Steve bewegte sich, er bewegte sich und Dean sprang auf die Beine, in einer Trance aus Fassungslosigkeit, Panik und- Es war keine Hoffnung. Es war zu kalt für Hoffnung.
Er zögerte noch einen Moment, erstarrt, erschrocken, Steves Puls laut und aggressiv gespiegelt von dem Herzmonitor, ein verzweifeltes, schwaches Röcheln gegen den Tubus in seinem Hals, Bewegungen in seinen Armen, Beinen, schwer erkämpft, schwach, aber getrieben. Verängstigt. Verängstigt!
Dean zuckte in Bewegung, hatte in wenigen großen Schritten die Distanz überquert und stand neben Steves Bett, während hinter ihm Bess und Dr. MacLeod in den Raum eilten.
Aus den Augenwinkeln sah er sie einen Moment, nicht hektisch, aber eilig, koordiniert in dem lauten, zuckenden Puls aus dem Gerät, aus Steves Herz.
Einen Moment lang sah er sie, Medikamente prüfen, Maschinen lesen, bis er Steves Augen sah.
Seine offenen Augen, weit, blau, unsehend und panisch.
Er war nicht wach, nicht wirklich, gefangen in einem Alptraum aus Medikamenten und Schlaf und Schmerzen.
Deans Herz hatte Zeit für einen schweren, kalten Schlag durch seine Brust, schmerzhaft und luftraubend, bevor er nach Steves Hand griff, sie zu sich nach oben brachte und einfach hielt, fest gegen das Zittern in den Fingern, warm gegen seine Kälte, haltend und sicher und da.
“Steve”, er beugte sich nach unten, näher, näher, näher, wob seine andere Hand sanft in seine Haare, strich über seinen Nacken, wiegte seinen Kopf zärtlich über seinem Kissen. “Steve, es ist okay, alles okay.”
Sein Ohr passte immer noch so perfekt in die Kuhle zwischen seinem Daumen und seinem Zeigefinger und er strich sanft über seine Wange. “Alles okay, Steve. Ich bin da, okay? Es ist alles okay.”
Steve sah ihn nicht an, nicht wirklich, aber er sah auch nicht weg und Dean lächelte, hielt seine Hand, strich über seine Wange.
“Alles okay.”
Sein Brustkorb hob und senkte sich wieder langsamer, rhythmischer, mit dem Beatmungsgerät, nicht dagegen, er hörte auf, sich zu winden und Dean konnte spüren, wie das bisschen Kraft, das in seiner Hand gestrandet war, wie Wellen bei Ebbe nachließen, zurückgezogen wurde in Dunkelheit, Schlaf und Ruhe.
“Ist okay, Steve, ich bin hier. Wir sind hier. Es ist alles okay.”
Deans Finger strichen weiter sinnlose Muster auf Steves Wange, sanft und zärtlich, und Steve sah ihn immer noch an, sein Kopf kraftlos in die Kuhle geschwemmt, die seine Hand bildete.
Er musste schlucken, aber er hielt das Lächeln aufrecht, warm und sicher, etwas, das Steve mit in seinen Schlaf nehmen konnte.
Seine Augen fielen zu, sein Kopf sackte die letzten, wehrhaften Millimeter widerstandslos weiter gegen seine Hand und Dean zog tief die Luft ein.
Er erlaubte sich, einen Blick nach oben zu werfen, zu Bess und Dr. MacLeod und sah, wie die Ärztin zufrieden nickte.
“Es ist alles in Ordnung, die Medikamente waren flacher eingestellt, als nötig.” Sie schrieb in schwungvollen Linien auf sein Krankenblatt, bevor sie es an Bess weiter reichte. “Er ist ein Kämpfer, das ist ein gutes Zeichen.”
Seine Lippen verzogen sich eisern und hart, aber bevor er etwas darauf erwidern würde, “Gutes Zeichen” am Arsch, blickte er zurück zu Steve.
Der Schlaf hatte ihn wieder, in all seiner bleichen, sanften Weichheit und Dean zwang das Lächeln zurück auf seine Lippen, damit seine Stimme es einfangen konnte: “Dass du ein Kämpfer bist, wissen wir, Steve. Jetzt schlaf, ruh dich aus.”
Dean spürte den rauen Widerstand seiner schwieligen Finger an Steves Haut, als sein Daumen wieder und wieder über seine Wange strich und er wusste-
Er musste ihn los lassen.
Er musste seine Hand zurück ziehen, seine Finger aus den dunklen Haaren, musste seine Hand los lassen und wieder zurück auf seine Bank gehen.
Er musste.
Er müsste.
Gott, er wollte nicht.
Er wollte hier stehen bleiben, genau hier, halb gebeugt über Steve, wollte in sein ruhiges, schlafendes Gesicht sehen, wollte bemerken, wie seine Augen sich unter seinen Lidern bewegten, wollte spüren, wie ganz langsam mehr und mehr Wärme in seine Haut zurück sickerte, wollte sich einbilden, dass er - wenn auch nur ganz leicht - spüren konnte, wie Steve seine Hand ebenfalls drückte.
Aber das konnte er nicht.
Er musste ihn loslassen.
“Schlaf gut, Steve.”
Es war keine bewusste Entscheidung, kein Entschluss, den er gefasst hatte und beinahe war er selbst davon überrascht, mit welcher Selbstverständlichkeit er sich nach unten beugte und einen sanften Kuss auf Steves Stirn drückte.
Er lächelte, als er sich wieder aufrichtete, obwohl er seine Hand unter Steve hervorziehen musste, er lächelte, als seine Lippen kurz, aber sanft seine Fingerspitzen streiften, bevor er Steves Hand behutsam zurück auf das Bett legte.
Ein letztes kurzes Drücken seiner kalten Finger und er drehte sich - zu Anna, Gabriel und Sam im Türrahmen.
Fuck.
“Was ist passiert?”
“Ich hasse diesen Raum!” Gabriel war von seinem Stuhl aufgestanden, lief kleine Kreise im Zimmer und fuhr sich energisch durch die Haare.
Dean schielte von seinem Handy hoch, auf dem er mit seiner Mutter gerade Scrabble spielte, und beobachtete ihn.
Eigentlich hätte Dean erwartet, dass Anna und Gabriel ihn nach dem, was sie gestern beobachten konnten, aus dem Zimmer werfen würden. Aber nachdem Dr. MacLeod erklärt hatte, was - zumindest medizinisch gesehen - passiert war, war- es einfach nicht mehr zur Sprache gekommen.
Er hatte bemerkt, dass Gabriel ihm einen überaus prüfenden Blick zugeworfen hatte und ein leichtes Schmunzeln um Annas Lippen, aber er könnte sich das genauso gut eingebildet haben und wäre dann immer noch nicht schlauer.
Andererseits wollte er auch keine schlafenden Hunde wecken, also hielt er selbst lieber die Klappe.
Wer wusste auch, was sie wirklich gesehen hatten?
Wann sie wirklich ins Zimmer gekommen waren?
Nun, Sam wusste es, sprach mit ihm aber nicht darüber.
Er war nach Hause gefahren, hatte sich mit Eileen getroffen, sie ins Bild gesetzt und war heute in die Kanzlei gefahren, um Steves Fall weiter voranzubringen.
Benny, Garth, Charlie und Kevin schauten in regelmäßigen Abständen vorbei, wobei Dean sich sicher war, dass Garth nicht nur wegen ihnen ins Krankenhaus kam, nicht, wenn er jedes Mal auch etwas für Bess dabei hatte.
Heute morgen, als er für sie Frühstücksburritos und Kaffee gebracht hatte, war es eine Rose gewesen.
Steve machte weiter Fortschritte, je weiter die Medikamente reduziert wurden. Es waren Kleinigkeiten, Bewegungen, ein Zucken in den Muskeln, das schwache Drücken in seiner Hand. Es war wundervoll und voller Erleichterung und zeitgleich unerträglich und zäh.
Er verstand Gabriel, seine Unruhe, das Gefühl wahnsinnig zu werden, wenn man nicht sofort etwas unternehmen könnte, es kratzte genauso in seinem Hinterkopf.
Es war, als müsste jeden Moment etwas passieren, als wäre die sie umgebende Ruhe falsch und trügerisch, als würde jeden Moment etwas aus den Schatten springen.
Es war unnatürlich und nervenaufreibend, ein Gefühl, das an den Knochen nagte und an den Nerven zerrte und sie alle getrieben und unruhig zurückließ.
Dean spürte, wie es in seinen Fingerspitzen vibrierte und unter seiner Haut juckte, auf alles und jeden lauerte, am allermeisten auf Steve; Auf das Rhythmische, fremdgesteuerte Atmen, auf das regelmäßigen Piepsen des Herzmonitors, jede Regung, jede Bewegung, Existenzen reduziert auf einzelne Beobachtungen.
Es machte ihn fast wahnsinnig, genauso wie Gabriel, der mittlerweile stur aus dem Fenster sah.
Anna hatte, woher auch immer sie die Kraft dafür nahm, noch eine Aura der Ruhe um sich, ein Fels in einer Brandung und sie atmete lang aus.
“Gabriel…”
“Nein!” Annas Augen wurden bei der rüden Unterbrechung streng und Gabriel hob entschuldigend die Hände. “Entschuldige. Aber- Komm schon. Das ist schrecklich. So ist Cassie nicht, nicht mal er ist so verklemmt und trocken, dass er sich hier wohlfühlen würde.”
Dean runzelte die Stirn und ließ das Handy sinken, das ohnehin nur noch als Alibi diente.
“Und was möchtest du deshalb unternehmen?” Anna lehnte sich auf ihrem Stuhl zurück und verschränkte mit hochgezogener Augenbraue die Arme vor der Brust.
Gabriel holte tief Luft, während sein Kopf hilflos von rechts nach links schwankte und dann mit den Schultern zuckte.
“Ich weiß es nicht. Irgendwas! Vielleicht - Bilder oder Bücher, dann könntest du ihm wieder vorlesen. Ich meine, er hat gar nichts hier. Nichts zum Anziehen, nicht mal seine Zahnbürste. Wir sollten was besorgen. Damit er-” Gabriel brach ab und fuhr sich wieder durch die Haare. “Damit er sich nicht- Er soll sich wohl fühlen.”
Annas strenge Haltung hatte an Schärfe verloren und sie sah zu Steve.
Vielleicht könnten sie bald den Beatmungsschlauch entfernen. Das wäre ein Zeichen, groß und mächtig und ein wirklicher Fortschritt. Aber soweit waren sie noch nicht, im Moment freuten sie sich über Nuancen an Farbe, die seine Wangen gewannen und seine Hämatome verloren.
Sie seufzte tief.
“Wie willst du das machen? Einfach losgehen und Dinge kaufen, von denen du denkst, sie würden Castiel gefallen?”
“Nein, ich meine, vielleicht!-”
“Ich könnte Jo fragen, ob ihr in die Wohnung könnt.” Die Worte waren aus ihm herausgesprudelt, ohne überhaupt darüber nachzudenken, fast zeitgleich mit Gabriels.
Beide Köpfe zuckten zu ihm und einen Moment herrschte heiße, unerträgliche Stille.
“Jo?” Annas strenge Augenbraue war wieder an ihrem Platz und Dean räusperte sich unwohl und rutschte auf der Bank herum. Gott, sie konnte furchterregend sein!
“Jo, ja. Sie uh- Sie war mit ihrem Partner Rufus die erste am Tat- in der Wohnung. Wenn die Spurensicherung mit der Beweisaufnahme fertig ist, dann kann ich fragen, ob ihr rein könnt, denke ich. Ich meine, ich weiß nicht, ob- ob es klappt. Aber ich könnte… fragen. Ihr seid seine Familie also- uhm.” Es war beinahe anstrengend, seinen Mund zuzuklappen, bevor ihm noch mehr Nonsense entkommen konnte.
Annas strenger Blick machte ihn fast nervös und, wie so oft, seit er sie kennengelernt hatte, sah er ganz deutlich Steves große Schwester in ihr.
Wieder zog sich ein Moment Stille durch den Raum, bevor Gabriel die Arme entnervt in die Luft riss.
“Worauf wartest du?! Ruf sie an!”
“Tolle Kontakte, muss man dir lassen, Dean-O.” Gabriels Stimme zog sich spitzbübisch wie der zuckrige Widerstand in Karamell und Dean verdrehte nur die Augen, als er den Wohnungsschlüssel in seine Hand fallen ließ.
Ja, die Spurensicherung war mit der Wohnung fertig, was nicht zuletzt daran lag, dass sowohl beide Tatwaffen gesichert werden konnten, als auch beide vermeintlichen Täter beziehungsweise Opfer und daran - und das sorgte immer dafür, das Deans Herz kalt krampfte - dass die Aufzeichnung des Telefonats offiziell als Beweismittel zugelassen wurde.
Alastair war so gut wie geliefert. Er mochte die beiden Schüsse in den Bauch überlebt haben, die Steve ihm in eindeutiger Notwehr verpasst hatte, aber er würde - wenn es nach Sam und seinem Team ging - den Rest seines Lebens hinter Gittern verbringen.
Da die Beweislage gesichert war, gab es laut den Ermittlern keinen Grund mehr, Steves Wohnung versiegelt zu lassen.
Also hatte Jo zugestimmt, sie vor der Wohnung zu treffen, hatte das Siegel hochoffiziell entfernt und ihnen den Schlüssel gegeben, genauso wie Steves Handy, das als Beweismittel mitgenommen und geklont worden war.
Gabriel atmete einmal tief durch, bevor er den Schlüssel in das Schloss steckte und aufsperrte.
“Ich war seit über einem Jahr nicht hier. Ich frag mich wa-” Seine Stimme starb auf seinen Lippen, nur ein paar Schritte nach der Tür und Dean folgte ihm mit gerunzelter Stirn.
Fuck.
Dean hatte protestiert, als Anna beschlossen hatte, dass er und Gabriel in die Wohnung fahren würden, damit sie bei Steve bleiben konnte.
Dass es nicht richtig wäre, er kein Recht dazu hätte einfach-
Einfach bei Steve aufzutauchen, einfach in seiner Wohnung zu stehen, seinem Rückz-
Es wäre einfach nicht richtig, nicht ohne Steve.
Er gehörte nicht in diese Wohnung, nicht ohne Steve. Er war kein Teil davon.
Er hatte schon einige Grenzen überschritten, als er das zweite Mal im Laden aufgetaucht war, auch wenn es nur passiert war, weil er krank vor Sorge gewesen war.
Dass er jetzt einfach so, ohne Anmeldung, ohne Steves Wissen in seine Wohnung gehen würde, fühlte sich schwer und merkwürdig an.
Andererseits, und das war es wohl gewesen, was ihn Anna gegenüber hatte einknicken lassen, war er auch ein bisschen neugierig, ein bisschen gespannt, ein bisschen aufgeregt.
Er wollte die Orchidee sehen, von der er wusste, dass sie im Wohnzimmer auf der Fensterbank stand, wollte das Sofa sehen, auf dem Steve und er einige Abende telefonierend verbracht hatten.
Er wollte sehen, wo die Kerzenständer standen, die Steve wegen ihm gekauft hatte.
Es war trotzdem noch falsch ohne Steves Wissen hier zu sein - und seine Neugierde änderte gar nichts daran - aber er hoffte, dass die Anwesenheit von Steves Bruder es wenigstens etwas in rechte Licht rücken könnte, dass das nicht noch etwas war, auf das Steve wütend sein würde, wenn er erst ganz aufgewacht war.
Denn es kribbelte in ihm, das Gefühl von Aufregung und Neugierde und Verbotenem, wie ein Kind, das sich am Weihnachtsmorgen nach unten stahl, um schon die Geschenke zu sehen.
So falsch und verwirrend und aufregend, dass er darüber eine Tatsache vollkommen vergaß: Das war nicht mehr Steves Wohnung.
Es war ein Tatort.
Nach dem kleinen Eingangsbereich standen sie ungebremst und ungefiltert direkt darin, in den Spuren des Kampfes, der Schmerzen, des Schluchzens und der Schreie.
Ein Tisch am anderen Ende, samt seiner beiden Stühle, war umgeworfen, alle Beine in die Höhe gestreckt, davor auf dem Boden lagen Briefen, Servietten, zwei lange, weiße Stabkerzen und ein eiserner Kerzenständer.
Dean wusste mittlerweile, dass Steve Alastair mit dem anderen Kerzenständer gegen den Kopf geschlagen hatte, nachdem-
Nachdem Alastair ihm den Arm gebrochen hatte.
Dean braucht alle Kraft, bei dem Gedanken, bei dem Echo des Schreis, das durch seinen Kopf und seinen ganzen Körper hallte, nicht zurückzuweichen.
Regale waren abgeräumt, der Couchtisch lag auf der Seite und an der Wand des Tresens zu ihrer rechten waren rostrote, verschmierte Flecken, als wäre etwas - jemand. Steve. Steve. Steve. Steve - dagegen geschlagen worden.
Direkt vor ihnen waren die großen, getrockneten Lachen aus dunklem Blut, das sich in den hellen Teppich gefräst hatte.
Dean konnte es hören, wie bei dem Anblick sein Atem in seiner Kehle gefror, konnte spüren, wie Eis und Gletscher zurück in seine Blutbahn liefen, wie Erinnerungen und Echo in seinem Kopf so laut anschwollen, dass er sein eigenes Herz darüber kaum noch wahrnehmen konnte.
Immer wieder, Knall, [i]Knall, Knall[/i]. “Hast. Du. Vergessen. Wo. Dein. Platz. [i]Ist?!”[/i]
Als Gabriels Augen darauf fielen, stolperte er einen Schritt zurück und stieß gegen Dean, rempelte ihn aus den schmerzhaft verklebten Lungen, weg von seinen eigenen zitternden Händen und von der brennenden Übelkeit, die seine Speiseröhre hinauf ätzte.
Er sah zu Gabriel, zu Steves Bruder, in sein weißes Gesicht, auf seine zitternden Hände und das schwere Schlucken in seinem Hals und etwas in Dean klickte an seinen Platz.
“Gabriel…” Eine Ruhe, die er selbst nicht spürte, lag in seiner Stimme, als er die Hand hob, um sie auf Gabriels Schulter zu legen.
“Die hab ich ihm geschenkt.” Gabriels Stimme rieselte so leise in seine Ohren, Puderzucker auf einem Dessert, dass er ihn beinahe nicht gehört hätte.
“Was?”
Gabriel zog scharf die Luft ein, bückte sich und hob die Waffenkiste auf, die aufgeklappt neben dem getrockneten Blut auf dem Boden lag.
“Ich hab sie ihm geschenkt, als er hier eingezogen ist. Ich weiß noch, dass er sie erst nicht haben wollte. Aber ich fand, er brauchte mehr, um sich in der Großstadt zu verteidigen.” Er lachte fast, halb gefangen zwischen einer Erinnerung um dem Schrecken der Gegenwart. “Anna war so sauer. Cassie hatte frisch die Wohnung gekauft, sie kam mit einer Orchidee an und ich mit der Waffe.”
Gabriels Hände zitterten so sehr um die Kiste, dass man meinen könnte, sie würde ihm aus der Hand fallen.
“Er wollte ihn damit erschießen, oder? Das hat einer der Polizisten zu Sam gesagt, das war in der Aufzeichnung. Alastair wollte ihn damit erschießen.” Gabriel schnaubte eine groteske Mischung aus Verachtung, ungläubigem Lachen und Verzweiflung.
“Du wirst ihn nicht haben. Und er wird dich nicht haben. Niemand wird dich haben, Castiel. Niemand. Außer. Mir.” PENG! [i]PENG![/i]
Dean musste hart schlucken, bevor er sprechen konnte.
“Aber das hat er nicht, Gabriel. Es war nicht deine Schuld.”
“Vielleicht nicht, aber sie hat ihm auch nicht geholfen.”
Als Gabriel wieder tief Luft holte, klang es gefährlich feucht und er fuhr sich grob über seine Augenwinkel. Er stellte die Box mit mehr Nachdruck als nötig auf das Sideboard vor ihm und schluckte hörbar.
“Es war nicht deine Schuld.”
Gabriel drehte sich zu ihm um und zuckte hilflos mit den Schultern. “Aber Cassies auch nicht.”
“Nein, es war Alastair’s Schuld. Es war nur Alastair’s Schuld. Mit oder ohne Waffe, du wolltest ihn beschützen.”
Seine Stimme klang deutlich fester und stärker, als er sich fühlte.
Aber es stimmte.
Es war nicht Gabriels Schuld, es war Alastair’s Schuld.
(Und seine, zu einem kleinen Teil war es auch seine Schuld.)
Ein Muskel in Gabriels Wange spannte sich einen Augenblick hart an, bevor er tief Luft holte, als müsste er die Worte und ihre Bedeutung mit ihr bis auf den Grund seines Seins ziehen, sich durch die Haare fuhr und nickte.
“Okay.”
Deans verkrampfte Muskeln entspannten sich etwas, für jeden Millimeter, den Gabriel mit stoischer Entschlossenheit bedeckte, wurden sie lockerer.
Gabriels Augen glitten durch den Raum, blieben an den Flecken hängen, an den umgeworfenen Möbeln und er schluckte wieder. “Okay, okay, ok-”
Er runzelte erst die Stirn, schüttelte dann den Kopf und Dean folgte verwirrt seinem Blick.
Was-?
“Er kann nicht hier bleiben.”
Deans Kopf zuckte zurück zu Gabriel.
“Du wirst mir helfen, oder? Er braucht eine neue Wohnung. Er kann nicht- Er wird nie wieder einen Fuß hier rein setzen.”
Dean wusste, wusste, dass das nicht okay war, nicht sein Recht und nicht sein Platz etwas zu sagen, Gabriel Recht zu geben oder zu widersprechen.
Es war nicht in Ordnung, jemandem, dem das passiert war, was Steve durchlitten hatte, noch mehr Entscheidungen und Freiheiten wegzunehmen, ihn noch mehr einzuengen und zu leiten, zu steuern, ohne ihn zu fragen, ohne seine Meinung einzuholen.
Es war nicht hilfreich, von einer fremdgesteuerten Umgebung in eine andere zu stolpern.
Aber zeitgleich konnte er das Blut aus dem Teppich fast riechen, konnte das Echo von Steves Schreien immer noch hören, konnte seine eigenen Hände kaum davon abhalten, zu zittern.
Dean konnte spüren, wie alles in ihm schrie, brüllte, dass Steve nie, nie, nie wieder hierher kommen müsste, wenn er nicht wollte.
Dass Dean alles dafür tun würde, und das zu verhindern.
Er nickte.
“Ich kenn da jemanden, ich ruf ihn später an.”
“Hmpf.”
Dean, der gerade Steves Kleiderschrank sondierte - wer hängte denn bitte seine Pullover auf? - zog eine Augenbraue hoch, drehte sich aber nicht zu Gabriel um.
“Was?”
Gabriel stand hinter ihm im Schlafzimmer, er wusste nicht genau, was er suchte, aber offensichtlich hatte er es nicht gefunden.
Sie hatten sich, nachdem sich beide wieder gefangen hatten, erstmal einen groben Überblick verschafft.
Alastair's Sachen waren bereits zusammengepackt worden, fein säuberlich in Kartonagen neben der Couch, vermutlich von Steve, bevor er ihm eröffnet hatte, dass er verschwinden sollte und die ganze Tragödie ihren Lauf genommen hatte.
Zumindest hatte Gabriel an alles, was es sonst noch in der Wohnung gab, wenigstens irgendwie das Label Steve hängen können, oder - in seinem Fall - Cassie.
Der Kühlschrank war halbvoll, das Wohnzimmer ein einziges, schreckliches Chaos und der Rest penibel sauber.
Es stimmte übrigens tatsächlich, Steve hatte keinen Fernseher, auch wenn Dean es immer noch nicht richtig glauben konnte. Er hatte ein Tablet, dessen Akku leer war, einen nicht passwortgeschützten Laptop und eine irrationale Anzahl an Büchern, aber keinen verdammten Fernseher.
Fast ein Frevel, da waren er und Gabriel sich einig.
Gabriel hatte Steves Handy aus dem Beutel, in dem Jo es ihnen gegeben hatte, befreit, es wieder zusammengebaut und zum Aufladen ins Wohnzimmer gelegt, bevor er ins Badezimmer gegangen war, um Steves Sachen zu holen.
Dean hatte währenddessen den Schrank unter die Lupe genommen in der Hoffnung, gemütliche Pullover, Sweatshirts oder einen Pyjama zu finden.
Zugegeben besaß Steve davon nicht gerade viel, dafür aber viele Hemden.
Dean war immer tiefer in den Schrank getaucht, in der Hoffnung, weiter hinten noch andere Kleidungsstücke zu finden, außer gebügelte Hemden, Jacketts, einige Westen aus dem Laden und Pullover, die vornehm aber ungemütlich aussahen.
Ehrlich gesagt war er sich nicht sicher, was zum Teufel Gabriel eigentlich in der Zwischenzeit tat - und er hatte keine Antwort auf seine Frage bekommen.
Dean tauchte aus dem Schrank wieder auf und blickte hinter sich, wo Gabriel gerade die unterste Schublade einer Kommode aufzog, darin herumwühlte und dabei ein paar zusammengerollte Paar Socken auf den Boden beförderte, und dann wieder zuschob.
“Was suchst du?!”
Gabriel stand auf und blickte sich fast geistesabwesend im Schlafzimmer um, bevor seine Augen Dean wiederfanden.
“Wir sind nicht da.”
“Was?!”
Er hatte die scharfen Wendungen, die Gabriels Verstand manchmal urplötzlich machte, noch nicht ganz durchschaut.
“Wir sind nicht hier. Ich meine- Bilder von uns. Als Cassie damals hier einzogen ist-” Er klang irritiert, fast enttäuscht, eine zerborstene Karamelskulptur über schmelzendem Eis, während er weiter durch den Raum sah. “Er hatte so viele Bilder von uns. Ich meine, wir alle haben Bilder von einander. Das hat man doch, oder? Bilder von-”
Dean musste das von der Familie, das in Gabriels Hals feststeckte, nicht hören, um es aus seinen zusammengepressten Mundwinkeln lesen zu können. Er ließ den für ein Krankenhaus viel zu schicken Pullover los und blickte sich ebenfalls im Raum um.
Die einzigen Fotos, die in Steves Wohnung standen, waren Bilder von Alastair und Steve, wahlweise alleine oder zusammen und als Dean einen näheren Blick auf einige Bilderrahmen geworfen hatte, die im Wohnzimmer auf einer niedrigen Kommode gestapelt waren, konnte er sie fast chronologisch ordnen, nur anhand dessen, wie das Licht in Steves Augen immer dunkler und sein Lächeln immer kleiner geworden war.
Wenn nicht mit Bilderrahmen, waren die meisten Oberflächen mit geschmackvollen Objekten geschmückt, Topfpflanzen, Kerzenständer und kleinen Kunstobjekten.
Keine Bilder von Gabriel oder Anna.
Gabriel setzte sich mit einem schweren Seufzen auf das Bett und rieb sich mit beiden Händen die Schläfe.
“Ich dachte nur- Ich dachte, ich könnte ihm eines oder zwei mitbringen. Damit der Raum ein bisschen- freundlicher wird.” Er zog scharf die Luft ein und einen winzigen Moment dachte Dean, es klang beinahe feucht. “Andererseits, wir haben ihn im Stich gelassen.”
“Gabriel…”
“Nein! Ich meine, es ist so. Wir haben ihn alleine gelassen. Ich hätte die Fotos auch weggeräumt.”
“Vermutlich war es Alastair.”
Gabriel zog die Stirn in Falten, bevor er einen fragenden Blick zu Dean warf.
Er räusperte sich, zuckte unstet mit den Schultern und drehte sich wieder zum Schrank.
“Als wir noch bei meinem Dad gelebt haben, Sammy und ich, hatte ich nur ein einziges Foto von meiner Mum. Und das hatte ich nur, weil ich es vor ihm versteckt habe. Vermutlich wollte Alastair euch nicht sehen, also hat er Steve Druck gemacht, sie wegzuräumen.”
Es krampfte in seinem Inneren, seinem Herz, seinen Lungen, in seinem Blut bei der bloßen Vorstellung, wie Alastair Steve dazu gedrängt hatte, wie er ihn manipuliert und verletzt hatte, bis Steve eingeknickt war und die Bilder seiner Geschwister entfernt hatte, bis das letzte, sichtbare Stück Halt und Liebe in Steves Leben in irgendeiner Schublade oder einem Karton verschwunden war.
Er hörte, wie Gabriels Schritte über den Teppich näher kamen, sah aus den Augenwinkeln, wie er sich in den Türrahmen des Kleiderschranks lehnte, die Arme verschränkt und auf der Unterlippe kaute.
“Glaubst du, er hat sie weggeworfen?”
Dean versuchte, seine Hände beschäftigt zu halten, nützlich zu sein, während Steves Schrecken und Terror langsam in Gabriels Realität sickerten und er stieß die Luft in einem unsicheren, gepressten Murren aus, bevor er Gabriel kurz ansah.
“Nicht, wenn er es verhindern konnte.”
Gabriel musterte ihn, fixierte ihn einen Moment nachdenklich, ehe er tief Luft holte und nickte, eine seidendünne Akzeptanz, die sich auf den Moment konzentrierte, größere Probleme für spätere Augenblicke sparte.
Gabriel konnte jetzt nichts weiter tun, als seinem Bruder so zu helfen, wie es seine Möglichkeiten zuließen.
Dean erwiderte das Nicken und schob einige Kleiderbügel nach vorne, wo Gabriel stand. “Komm, hilf mir lieber, was richtiges zum Anziehen zu finden.”
Gabriel blickte in den Schrank und verzog entsetzt den Mund.
Dean lachte leise.
“Ist das ein Rucksack, da oben?”
Sie hatten sehr weit hinten im Schrank, wo sie sich bereits in einen schmalen Gang zwängen mussten, tatsächlich ein paar weiche Sweatshirts, Sweatpants, T-Shirts und Pyjamas gefunden, eingepackt in einen Kleidersack, und hatten ihre Ausbeute auf dem Bett weiter sortiert.
Dean faltete gerade, was mit ins Krankenhaus sollte, in kleine, praktische Rollen, während Gabriel nach einem Koffer, einer Reisetasche oder einem Rucksack suchte.
Dean legte die Rolle aus rotem T-Shirt auf das Bett und kam ebenfalls zum Kleiderschrank.
“Ja, glaube schon. Warte, lass mich.”
Gabriel trat mit ausladender Geste beiseite und Dean schob sich nach ganz hinten in den schmalen Kleiderschrankgang und streckte sich, um den potentiellen Rucksack aus dem obersten Regal zu angeln.
Er bekam ihn an einer vorderen Tasche zu fassen und zog experimentell dran, aber - er war schwer.
“Ich glaube, da ist was drin.”
Der Regalboden war hoch, so hoch, dass sogar er sich auf die Zehenspitzen stellen musste, um den Rucksack zu greifen zu kriegen, und er streckte sich weiter, die Zunge angestrengt zwischen die Lippen geschoben, rüttelte und zog, so langsam und vorsichtig wie mit einer Hand möglich, bis er seinem Zerren Zentimeter um Zentimeter nachgab:
Der Rucksack ruckte näher an die Kante, etwas in dem Rucksack darüber hinaus und Dean konnte gerade noch verhindern, dass das schwere Ding ihm direkt ins Gesicht knallte, indem er beide Hände hoch riss und ihn abfing.
Trotzdem peitschten ihn die Schnallen der Rückengurte gegen die Nase und sein Ellbogen stieß mit einem lauten Knall gegen die Wand.
“Verflucht nochmal, was hat er da drin?!”
“Sehr beeindruckend.” Gabriel klatschte langsam und Dean verdrehte die Augen.
“Ach, halt die Klappe!”
Gabriel ignorierte ihn und streckte bereits die Hände nach dem Rucksack aus, aber Dean hielt ihn weiterhin über seinen Kopf, als er sich an ihm vorbei und aus dem Schrank heraus drückte.
Wenn er schon derjenige war, der von dem Teil beinah erschlagen wurde, dann wollte er auch wissen, was da drin war.
Dean setzte den - beeindruckend uneingestaubten - Rucksack mit Nachdruck auf dem Bett ab und zog den Reißverschluss auf. Er konnte Gabriel genervt hinter ihm seufzen hören und das Rascheln von Kleiderbügeln, ignorierte es aber gekonnt, als er in das Innere spähte.
Waren das-?
Er griff hinein, zog behutsam einen der Bilderrahmen heraus und betrachtete ihn.
Das Bild zeigte Steve, Gabriel und Anna. Die Aufnahme musste bestimmt fünfzehn Jahre alt sein: Sie standen, Arm in Arm, vor einem Karussell, scheinbar auf einem Vergnügungspark. Gabriel hatte eine große Portion blaue Zuckerwatte in der Hand und Anna einen Teddybär.
Steve war um so vieles jünger, sein Lachen war breiter und strahlender, als Dean es bis jetzt gesehen hatte, seine Augen leuchteten fröhlich auch wenn Dean sich sicher war, dass das Foto dem wirklichen Blau, das seine Augen gehabt haben mussten, nicht gerecht wurde, sein Arm um Annas Schulter geschlungen und die freie Hand hielt er winkend zum Fotografen.
Dean lachte schnaubend, legte das Bild neben den Rucksack auf das Bett und zog ein weiteres hervor:
Das Bild war jünger.
Steve und Gabriel auf dem grünen Sessel aus Annas Wohnung, der noch in Folie gehüllt war, halb ineinander verknotet, vermutlich in einem Kampf, wer in dem Sessel sitzen durfte. Ihre Haare waren zerzaust, die Kleidung dreckig und sichtlich durchgeschwitzt. Anna hatte das Foto gemacht, man sah sie in einem Spiegel, der neben dem Sessel an der Wand lehnte, die roten Haare in einen unordentlichen Dutt hochgesteckt, der aus einem Kopftuch hervor schaute.
“Hey, Gabriel”, er legte das Bild wieder beiseite und zog das nächste hervor. “Ich hab euch gefunden.”
Dean zog den Reißverschluss des Rucksacks zu und blickte sich nochmal im Schlafzimmer um.
Sie hatten alle Bilder ausgepackt (und Dean hatte diskret die Kleidung eingepackt und nicht bemerkt, wie Gabriel an seinen Augenwinkeln gewischt hatte, als er die Fotos durchgesehen hatte) und stattdessen die Sachen für Steves Krankenhausaufenthalt eingepackt.
Jetzt befanden sich darin Krankenhaus taugliche Kleidung, Zahnbürste, Zahnpasta, Bürste und Rasierer, das aufgeladene Tablet und eine Auswahl der Bilderrahmen.
Seine Augen glitten suchend über die Oberflächen im Schlafzimmer, den offenen Schrank, die offen stehenden Schubladen und die Kleidungsstücke auf dem Bett.
Er hoffte, sie würden nichts vergessen.
Einerseits wollte er nicht, dass Steve etwas fehlte, wenn er aufwachte und andererseits- wollte er ehrlich gesagt nicht nochmal her kommen.
Auf jeden Fall nicht ohne Steve.
Es hatte etwas gedauert, bis ihm klar geworden waren, dass nicht nur die Erinnerungen und das Echo von Steves Leiden und die Blutlachen auf dem Fußboden dafür sorgten, dass sein Blut sich eine Spur zu kalt anfühlte oder er eine unangenehme, raue Übelkeit in der Kehle hatte.
Es war die Wohnung, alles, was sie aussagte, wie sie sich anfühlte.
Auch ohne Alastair’s Sachen fühlte sie sich nicht an wie- wie Steve.
Vielleicht hatte er auch zu gesteigerte Erwartungen gehabt, aber er konnte kaum etwas in der Wohnung ansehen, ohne dass das Gefühl von Alastair’s Schatten über seine Schultern lief.
Erst hatte er vermutet, es lag an ihm, dass er Steve einfach nicht gut genug kannte, weil er ihn nicht kannte, aber dann hatte er Gabriels Ausdruck gesehen, wenn er lange in ein Regal gestarrt hatte, bevor er sich mit angespanntem Kiefermuskel abwandte.
Dean räusperte sich aus seinem Gedankengang, zog nochmal an dem Reißverschluss und schulterte den Rucksack.
Sie hatten bestimmt nich- Bücher.
Anna hatte sie gebeten, ein paar von Steves Büchern mitzubringen, damit sie ihm etwas vorlesen konnte, genau.
Vielleicht hatte Gabriel schon eine Auswahl getroffen.
Er war, nachdem er die Bilder, die mit ins Krankenhaus durften, ausgesucht hatte, ins Wohnzimmer verschwunden und seither hatte er nichts mehr von ihm gehört; Außer der völlig unvermittelten Frage, wann Dean Geburtstag hatte.
Dean schob die Schubladen zu und schloss die Schranktüren, bevor er ebenfalls ins Wohnzimmer ging.
Gabriel hatte den Blutfleck auf dem Teppich mit einem großen Handtuch aus dem Wäschekorb im Badezimmer verdeckt und saß mit gerunzelter Stirn tief über Steves Handy gebeugt auf der Armlehne des Sofas.
Dean musterte ihn kurz fragend im Vorbeigehen, bekam aber keine Reaktion, also stellte er den Rucksack vorsichtig auf dem Tresen ab, fuhr sich durch die kurzen Haare und blickte sich in der Wohnung um, ob sie sonst noch etwas vergessen hatten.
Sie hatten die umgeworfenen Möbel wieder aufgestellt, kontrolliert, ob einer der Briefe, die verstreut auf dem Boden lagen, von besonderer Dringlichkeit wäre und die umgeworfenen Sachen aus den Regalen notdürftig zusammen gesammelt und auf den Tisch gelegt.
“Ich glaube, wir haben alles, außer die Bücher. Welche sollen wir mitnehmen? “
Dean sah zu Gabriel, aber er brütete weiter über Steves Handy und Dean runzelte die Stirn, sagte aber nichts dazu.
Wer wusste schon, was Gabriel darin gefunden hatte, ob es Fotos waren oder E-Mails, die ihn beschäftigten oder ob er Probleme damit hatte, das Handy wieder in Gang zu kriegen.
Damit könnte ihnen spätestens Charlie weiterhelfen.
Seine Augen glitten über die aneinander gedrängten Buchrücken, dicht an dicht an dicht, so voll gestopft, dass es fast schwierig war, einzelne Bücher rauszuziehen.
Wow.
Ein leichtes Lächeln breitete sich auf seinen Lippen aus.
Er konnte Steve geradezu vor sich sehen, in einer Decke auf der Couch, einen Kaffee in der einen Hand und ein Buch in der anderen Hand, entspannt und glücklich, keine wunden Stellen in seinem Gesicht, keine dunklen Ringe unter seinen Augen, keine weiß Haut.
Es war eine schöne Vorstellung.
Dean räusperte sich, als ihm klar wurde, dass er ins Leere starrte und zog mit Nachdruck ein eingeklemmtes Buch aus dem Regal, dessen Rücken schon deutlich abgegriffen wirkte.
Offensichtlich musste Steves es öfter gelesen hab-
“Sag mal, Dean, eine Frage.”
Er drehte sich zu Gabriel um, der sich aus der gebeugten Haltung über Steves Handy aufrichtete, um ihm das Display entgegen zu halten.
Dean runzelte verwirrt die Stirn, bevor er auf dem Display die bekannten Umrisse von Textnachrichtsblasen erkannte.
Er war nah genug dran, um zu sehen, dass der Kontakt, dessen Chat offen war, unter D. abgespeichert war.
Fuck.
“Wofür musstest du dich entschuldigen?”
Fuck.
Dean konnte geradezu spüren, wie die Farbe aus seinem Gesicht wich, kalt und klamm, bis auf seine Wangen, die unangenehm heiß brannten.
Wörter, Erklärungen und pochender Herzschlag sammelten sich in seinem Kopf, drückten auf seine Zunge, unsinnig, unsortiert und dabei überzulaufen.
Im selben Moment strömten die Erinnerungen in seine Blutbahn, das heiße Gefühl von Steves Meersalzküssen auf seinen Lippen, seine Hände in seinen Haaren, der Geruch von Sommerregen und Sturmwolken, Steves rasendes Herz an seiner Brust.
Dean musste sich anstrengen seinen Mund zu schließen und er schluckte schwer gegen die Wortfragmente und hektischen Erklärungsversuche, die sich dicht gedrängt an die Meersalzkusserinnerung auf seiner Zungenspitze sammelten.
Er räusperte sich, riss den Blick von dem Handy los und sah zu Gabriel.
Er hatte die Augenbraue nach oben gezogen und musterte Dean, jeden Millimeter seiner Mimik, jede noch so kleine Regung, jede Bewegung und Dean fühlte sich fast ertappt, als er sich mit der Hand durch die kurzen Haare fuhr.
Er hatte ja gewusst, dass dieser Moment kommen würde, dass er sich nicht unbegrenzt dahinter verstecken könnte, dass er nur ein Freund von Steve wäre.
Gott, er wünschte, er wäre es.
Er wünschte, er hätte sich zusammenreißen können, damals in der Mall, hätte sich Steve nicht aufgedrängt, ihn nicht ausgenutzt und alleine gelassen, als er ihn am meisten gebraucht hatte.
Er wünschte, er könnte voller Überzeugung sagen, er wäre nach wie vor Steves Freund, weil er sich sicher sein konnte, dass Steve es genauso sah.
Aber jetzt, hier, seit dem Anruf, der alles verändert hatte, seit dem Kuss, der alles verändert hatte, war er sich darüber nicht mehr sicher.
Er war Steves Freund gewesen und dann hatte er-
Er hatte gedacht,-
Nein, er hatte gehofft, dass er länger bei Steve hätte bleiben können.
Dass er diese Frage, diese Spannung, erst konfrontieren müsste, wenn Steve wach war und ihn aus dem Zimmer werfen würde, weil alles in Allem er daran Schuld war.
Er war Schuld daran, Steve nicht früher, nicht überzeugender, nicht mehr gewarnt zu haben, er war Schuld daran, dass sich Steve bei ihm nicht mehr sicher gefühlt hatte, weil er sich ihm aufgedrängt hatte, und Steve deshalb das Gefühl gehabt hatte, sich Alastair alleine in den Weg stellen zu müssen.
Er war Schuld daran, was Alastair ihm angetan hatte, weil er ein Teil davon geworden war, weil er Alastair direkt in die Karten gespielt hatte.
Es wäre nur logisch, es war nur logisch, dass Steve ihn dann nicht mehr sehen wollte.
Aber- Aber so lange-
Bis Steve ihn rauswarf, wollte Dean bei ihm sein, ihn so weit wie möglich unterstützen, für ihn da sein - und wenn er nur auf der anderen Seite des Raumes auf einer Bank saß.
Aber jetzt, wo Gabriel die Nachrichten ausgegraben hatte, war das wohl vorbei.
Die Nachrichten.
Dean runzelte einen Moment die Stirn, bevor die Antwort noch vor der Frage in seinen Kopf fiel.
“Er hat meinen Geburtstag als PIN verwendet?”
Gabriel zog in einer bestätigend besserwisserischen Art beide Augenbrauen hoch und Dean schnaubte kurz, halb amüsiert lachend, halb verwundert, ehe er mehrfach nickte.
“Also”, Gabriel wackelte mit dem Handy. “Wofür?”
Dean konnte nicht verhindern, dass er Gabriels Blick auswich, dass er lieber auf das Buch in seiner Hand sah, ohne das Cover überhaupt wahrzunehmen, dass er sich erst sammeln musste, die Wörter sortieren musste, bevor er sich streng räusperte.
“Ich habe ihn geküsst.”
Die Worte ließen seinen Mund trocken werden, rau und verzweifelt, während er spüren konnte, wie sein Herzschlag sich allein bei dem Gedanken daran beschleunigte.
Er war ihm so nah gewesen, hatte seinen Atem auf der Haut gespürt, seine Hände in seinen Haaren, Meersalzküsse auf seinen Lippen, das Kribbeln tosender Wellen auf seiner Haut.
Es hatte ihn nach unten gezogen, tief und weit und tiefer und weiter.
Egal wie sehr er wusste, wie schlecht, wie falsch der Kuss gewesen war, er konnte nicht aufhören darüber nachzudenken, sich daran zurück zu erinnern und das elektrische, sehnende Vibrieren in seinen Muskeln zu spüren.
Er vermisste Steve. Er vermisste alles an ihm, seine Augen, seine Stimme, seine Nachrichten, sein kleines, privates Lächeln und - Gott - er vermisste diesen Kuss.
Dean musste sich nochmal räuspern, strenger diesmal, rauer, bevor er hart schluckte.
“Ich habe ihn geküsst und dann ist er gegangen.”
Gabriels Augenbraue war in die Höhe geschossen und er sah ihn mit gerunzelter Stirn forschend an, als wäre er ein Insekt, das man identifizieren musste, ob es gefahrlos zerschlagen werden konnte, oder ob es bereits größeren Schaden angerichtet hatte.
“Das war’s? Du hast ihn geküsst und dann ist er gegangen. Sonst ist nichts passiert? Er hat das einfach- über sich ergehen lassen und ist dann abgehauen?”
Dean benetzte die Lippen mit seiner viel zu trockenen Zunge.
Er erinnerte sich daran, an jedes Detail des Kusses, wie Steve erst an seinem Handgelenk gezogen hatten, atemlos und mit Augen dunkel und blau wie das Meer in der Abenddämmerung, wie er förmlich hatte sehen können, wie Steves Gedanken in seinem Kopf umher gerast waren, wie er seine Hand durch Deans Haare hatte gleiten lassen - wie er ihn wieder zu sich gezogen hatte, in einen weiteren Kuss, tief und leidenschaftlich, energisch und geradezu verzweifelt.
“Dean?”
Dean holte einmal tief Luft, bevor er fast hilflos mit den Schultern zuckte.
“Er hat mich zurück geküsst. Also- Ich habe ihn geküsst, dann hat er mich geküsst.” Bildete er sich etwas darauf ein? Im ersten Moment hatte er das, ja. Aber jetzt? Mittlerweile war ihm klar, dass das vermutlich mehr ein Reflex gewesen war, ein Klammern und Festhalten an einen Funken Zärtlichkeit, an Zuneigung, nach der sich Steve so sehr gesehnt hatte, aber die Alastair ihm verwehrt hatte.
Immerhin, an diesem Tag hatte er Steve so angegangen, dass er ohne Schuhe und ohne Jacke aus dem Haus gestürmt war.
Natürlich hatte er sich in den wackligen Komfort von Deans Avancen gestürzt.
Wer hätte das nicht?
Das war auch nicht das, was zählte.
Was zählte war, wie Steve Dean von sich gestoßen hatte.
Wie er ihn schockiert angesehen hatte, sprachlos und entsetzt.
Wie er sich umgedreht hatte.
Wie er in der Menge verschwunden war.
Deans Hals kratze, rau und trocken von der Erinnerung an das bleierne Gefühl in seinem Magen.
“Und dann hat er mich weggestoßen und ist davongelaufen."
Gabriels Stirn war nach wie vor in tiefe Falten gezogen und Dean wertete das als Aufforderung, weiter zu sprechen.
“Am nächsten Tag wollte er Alastair verlassen, ganz alleine, weil er niemanden mehr hatte, den er kontaktieren konnte.” Er hörte und spürte, wie seine Stimme an dem Sandpapier in seinem Hals kratze, dass die Erinnerung eng um seine Stimmbänder zog.
Sein Atem war eine Spur zu hektisch, eine Spur zu nachdrücklich, eine winzige Spur feucht und er konnte Gabriel nicht mehr ansehen.
“Ich hab ihn geküsst und dann war er auf einmal ganz alleine. Ich hätte nicht- Ich hätte mich ihm nicht-”
Die Wörter wollten nicht aus seinem Mund, klebten an seinem Gaumen, als würden sie sich mit Widerhaken festkrallen.
“Dafür wollte ich mich entschuldigen. Ich hab ihn allein- Ich hab dafür gesorgt, dass er alleine war, als er Alastair verlassen wollte.”
Dean knete seine Lippen aufeinander, fest und fast schmerzhaft, bis er die Courage erarbeitet hatte, Gabriel wieder anzusehen.
Er fragte sich, ob heute der Tag war, an dem Steves Bruder ihm eine verpassen würde.
“Hmm.” Gabriels Brummen war tief und voll, Kakaopulver auf einem Schokoladendessert. “Verstehe.”
Er steckte das Handy weg und stand von der Armlehne auf, als wäre nichts geschehen. “Nimm das von Cummings mit. Das ist eines von Cassies Lieblingsbüchern.”
Dean schüttelte verdutzt den Kopf. “Was?”
“Das Buch, zu deiner Rechten, E. E. Cummings, das nehmen wir auf jeden Fall mit.”
Seine Augen folgten Steves Bruder, der so vollkommen selbstverständlich um die Couch herum ging und gezielt Bücher aus dem Regal zog, als wäre nichts gewesen, als hätte er nicht gerade-
“Du willst nichts dazu sagen?”
Gabriel blickte von dem Klappentext, den er gerade überflog, zu ihm hoch, eine Augenbraue streng nach oben gezogen und ein fast amüsiertes Schmunzeln im Mundwinkel.
“Dean-o, es ist nicht meine Entscheidung, wen Cassie küsst oder nicht - und wenn es das wäre, hätte er die Geschichte mit Alastair schon vor langer Zeit begraben. Du hast ihn geküsst, er hat dich nicht mit einem gezielten Schlag auf die Matte geschickt. Mehr muss ich nicht wissen.”
“Er- Was?”
“Nimmst du jetzt endlich Cummings aus dem Regal?”
Zwei Tage später konnte Steve wieder alleine atmen.
Es war- anstrengend.
Dean holte einmal tief und betont Luft, während er vor der Kaffeemaschine im Krankenhausflur stand und darauf wartete, dass der Automat mit seiner Bestellung fertig wäre.
Steve war die letzten Tag in ständigem Delirium gewesen.
Nachdem er vor ein paar Tagen selbstständig hatte atmen können, war das wie ein Zeichen gewesen.
Groß und wichtig, voller Hoffnung und Erwartung und Seelenfrieden, so lange, bis ihnen klar wurde, wie lange die Medikamente noch brauchen würden, bis sie seinen Blutkreislauf, seine Gedanken und seine Wahrnehmung verlassen hatten.
Manchmal wachte er auf seinem leichten Schlaf fast panisch auf, mit geschwächten Muskeln hektisch greifend, bis Anna oder Gabriel oder Dean ihn an die Hand nahmen und beruhigenden Nonsense in sein Ohr flüsterten.
Manchmal wachte er lächelnd auf, sah seine Geschwister an und murmelte von lang vergangenen Zeiten, als wäre es gerade passiert.
Manchmal wachte er auf und erkannte keinen von ihnen, bevor er wieder einschlief.
Dr. McLeod war deshalb nicht beunruhigt - und das war das einzige, das Anna, Gabriel und ihn beruhigte.
Es würde besser werden, das hatte sie ihnen versichert.
Steve hatte es schon so weit geschafft, aus der langanhaltenden Narkose in selbständiges Atmen, Bewegungen, Reaktionen - jetzt musste sich sein Kopf nur wieder neu sortieren, musste nur wieder Fuß fassen in der Realität.
Dann wäre alles wieder in Ordnung.
Zumindest hoffte Dean das.
Er kaute leicht auf seiner Unterlippe und blickte rüber zu Gabriel, der gerade über den Tresen gelehnt mit Bess sprach, einen Krankenhaus-Lutscher für Kinder in der Hand, und offensichtlich versuchte, noch mehr davon zu ergattern.
Anna saß bei Steve am Bett, Charlie und Garth waren gerade mit Eileen und Gilda im Laden und Sam war in der Kanzlei.
Gabriel hatte weder die Textnachrichten, noch die Tatsache, dass Dean seinen Bruder geküsst hatte, wieder erwähnt. Zwar war sich Dean sicher, dass er es Anna erzählt hatte, aber auch sie schien davon nicht beunruhigt oder besorgt zu sein, oder gar wütend.
Sie hatte viel mehr etwas Allwissendes an sich, das sich nahtlos mit ihrer Aura als Große Schwester verband.
Trotzdem war es ein merkwürdiges Gefühl, weiterhin hier zu sein, als wäre es geborgte Zeit, als könnte - und würde - alles jeden Moment in sich zusammenbrechen.
Er wollte nicht, dass es zusammenbrach, nichts und niemand.
Er wollte, er wünschte sich so sehr, dass Steve die Augen aufschlug, dass er klar war und es ihm - den Umständen entsprechend - gut ging, dass er Anna und Gabriel sehen und sich freuen würde.
Dass er ihn ansehen und- und vielleicht lächeln würde.
Er wollte nicht, dass etwas zerbrach, am allerwenigstens Steve.
Er wollte ihn halten, weigen, trösten, küssen, um sicherzustellen, dass das nicht passierte.
Aber was er getan hatte schwebte über seinen Kopf wie ein Damokles-Schwert und jedes Mal, wenn Steve aufwachte und ein winzig kleines bisschen klarer war, als das Mal davor, sackte es ein Stück nach unten.
Vielleicht könnte Steve ihm verzeihen, vielleicht könnten sie wieder von vorne anfangen, vor dem Kuss neu laden und so weitermachen, wie bisher, sobald Steve etwas Ruhe und Erholung genossen hatte, sobald Alastair hinter Schloss und Riegel wäre und er niemals wieder Angst haben müsste.
Vielleicht könnten sie sogar… Nur vielleicht, wenn-
“Jungs!” Annas Blumenwiesenstimme rauschte durch den Flur und gegen seine Ohren wie eine plötzliche Böe durch Blütenblätter und er erstarrte, genau wie Gabriel, einen Moment, ein tiefes, entsetztes Ziehen in den Magengruben aus lang mit sich getragener Angst, bevor die Leichtigkeit in Annas Tonfall sie ganz erreichen konnte.
Alles war in Ordnung, alles war gut.
Nein, besser.
Gabriel stürzte vor ihm die kurze Distanz zwischen Bess’ Tresen und Steves Zimmer entlang und in den Raum.
Dean folgte ihm, dicht auf den Fersen, und blieb im Türrahmen stehen.
Steve war wach.
Kein Delirium, kein wirres, unkonzentriertes Traumflüstern, keine Angst oder Panik.
Er war wach - und er weinte.
Seine Arme waren eng um Anna geschlungen und sein Kopf in ihre Halsbeuge gedrückt.
Dean konnte das Schulzen bis hier hören, atemlos, schlafrau und feucht.
Gabriel kam zu ihnen, legte Steve die Hand auf den Unterarm, den sie alle so oft berührt und gestreichelt hatten, als er noch unter der Narkose gestanden hatte, und Steves Kopf zuckte nach oben.
Große, dicke Tränen klebten an seinen Wimpern, liefen über seine Wangen und er angelte mit seinem ganzen, geschienten Arm nach Gabriels Körper, um ihn ebenfalls an sich zu pressen.
Dean konnte sehen, wie Anna eilig die Tränen von ihren Wangen wischte, die fast sofort von neuen ersetzt wurden, konnte sehen, wie Gabriels Haut vom Hals aufwärts rot wurde, konnte das Zittern seiner Tränen in seinen Schultern sehen.
Steve sackte gegen seine Geschwister, weinend und schluchzend mit bebenden Schultern und halblauten Wörtern, die nur die drei hören konnten.
Steve war wach.
Steve war wach.
Er war bei seiner Familie, er war wach, es ging ihm gut.
Es ging ihm gut.
Eine Flut von Emotionen brandete von Innen gegen Dean, sein Herz, seine Lungen, seinen Hals, Mund, Lippen, es erstickte ihn beinah in taubem Freudentaumel.
Steve war wach, wach, wach, wach, wach, und seine Hände brannten mit dem Drang, ihn in seine Arme zu schließen, ihn zu halten und zu wiegen, die Tränen von seinen Wangen zu wischen und zu küssen, seine Lippen auf seine zu legen, wenn er es zulassen würde, seinen Atem, seinen eigenen, selbstständigen Atem, an seiner Haut zu spüren, kochendes Meersalz, der Geruch von Sturmwolken und Sommerregen und-
Dean konnte es sehen, konnte die Bewegung erahnen, bevor sie ganz vollendet war, gleich würde Steve den Kopf heben und ihn-
Er wich zurück und zur Seite, vollkommen ohne Gedanken, ohne Willen, ein reiner Reflex.
Er- konnte nicht.
Er konnte jetzt nicht in diesem Zimmer sein, bei Steve, bei Steve und seiner Familie.
Er musste-
Er konnte nicht.
Dean zwängte ein schmerzhaftes Schlucken seinen Hals hinunter, an seinem rasenden Herzen vorbei, weg von den freudig atemlosen Lungen, von dem pulsierenden Blut in seinen Adern hinab in seinen Magen, wo es sich wie ein Stück Blei ausbreitete.
Er spürte Bess’ Blick auf seinem Rücken, als er den Gang entlang ging, eilig, hektisch, fast gehetzt. Er spürte ihn, bis sich die Aufzugstüren hinter ihm schlossen.
Geschrieben von: June - 15.08.2022, 10:56 - Forum: The Others
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Kapitel 13
that’s a lie
Dean rieb sich energisch mit beiden Händen über die Schläfen, Stirn, Wangen und den Kiefer, bevor er einen tiefen, betonten Atemzug in seine Lungen zwängte und ihn gepresst wieder ausstieß.
Normalerweise war das Auf und Ab der Stimmen in der Zentrale für ihn beruhigend; das Klingeln der eingehenden Notrufe, die beschwichtigenden, sanften Stimmen, die Menschen in Not halfen, sie trösteten und ihnen Kraft gaben.
Es ließ ihn sogar ruhiger werden, wenn er Notrufe annahm, zu spüren und zu hören, wie seine Worte andere beruhigten, sie erdeten, und sie sich sicherer fühlen konnten, bis Hilfe ankam.
Aber heute fühlte er sich nicht ruhig oder beruhigend, er war nicht geerdet, glaubte nicht, jemanden erden zu können und seine Stimme kratze zu sehr in seinem Hals, als das er glaubte, jemandem damit zuhelfen.
Er gab sich natürlich trotzdem die größte Mühe, verdammt noch mal, natürlich tat er das!, seine Stimme sanft, klar und leitend sein zu lassen, damit die Mensche, die anriefen, sich darin wiegen konnten, bis Sicherheit und Hilfe in Sicht war.
Sobald die Leitung allerdings wieder frei war, fühlte es sich an als würde seine Schädelinnenseite jucken, als hätte er Druck auf den Ohren, den er einfach nicht los wurde, als würden tausende unsichtbare Käfer über seine Haut krabbeln, egal wie oft er mit den Nägeln darüber kratze:
Er war bis ins Mark unruhig und getrieben und- und-
Steve hatte auf keine seiner Nachrichten reagiert.
Seine Zunge befeuchtete fahrig seine sich ständig trocken anfühlenden Lippen, während er einen Blick auf sein Smartphone warf.
Immer noch keine neue Benachrichtigung, aber wie in einem Zwang griff er trotzdem danach, entsperrte es und öffnete den Chat mit Steve.
Du:
Es tut mir Leid!
Wirklich, Steve, ich hab einen Fehler gemacht! Es tut mir Leid
Steve?
Bitte antworte mir
Bist du zu hause?
Wo ist earl?
Geht es dir gut?
Steve?
Steve komm schon lass uns darüber reden
Bitte Steve
Lass uns reden okay?
Steve wir sollten wirklich darüber reden Ich BITTE dich
Steve??
Nein, keine Nachricht, keine Antwort, keine Reaktion.
Verdammt, er hatte sie nicht einmal gelesen.
Vermutlich war es aber ein gutes Zeichen, das sie immerhin angekommen waren. Das hieß doch, er hatte ihn noch nicht blockiert, oder?
Aber das half ihm auch nicht, wenn Steve ihn ignorierte!
Dean fuhr sich wieder über das Gesicht und zog noch einen tiefen Atemzug in seine zu leeren Lungen.
Es war erbärmlich.
Er war erbärmlich!
Wie er klammerte und bettelte und flehte; Er sollte sich schämen.
So- das- Das war nicht in Ordnung. Er sollte nicht- Durfte nicht-
Verdammt noch mal!
Aber er-
Er konnte es immer noch spüren; Steves Hände in seine Haaren, seine heißen, rauen Lippen auf seinen, sein Herzschlag direkt an seiner Brust, das Brennen kochender Meereswellen, an jeder Stelle, an der er ihn berührt hatte, zusammen mit dem Geruch von Sturmwolken und Sommerregen, der seine Nase einfach nicht verlassen wollte.
Dean schluckte schwer und fuhr sich wieder über die Lippen, bevor er bestimmt das Handy weglegte.
Es juckte ihn in den Finger, weitere Nachrichten zu schreiben, jede Minute, jede Sekunde eine wenn möglich. Er wollte-
Es hatte ihn sämtliche Willensstärke gekostet, heute nicht direkt in Steves Laden zu fahren, ihn nicht zu packen, in sein Büro zu ziehen und gegen den Schreibtisch zu drängen, um-.
Er wollte- Er-
Er konnte nicht.
Nein, er durfte nicht. Verdammt, er hätte es nicht tun sollen.
Dean stützte seine Ellbogen auf seinen Schreibtisch und legte seinen Kopf in seine Hände.
Er war so ein Idiot gewesen, so ein verfluchter Idiot.
Wie oft hatte er sich gesagt, dass er Steve nicht bedrängen würde? Dass er ihm seine Gefühle nicht aufzwängen würde, dass er das, was er mit Steve hatte, nicht ruinieren würde, weil er er ihn nicht in der Hose lassen konnte! Wie oft?!
Seine Fingernägel kratzen mit mehr Druck, als es angenehm war, über seine Kopfhaut und er nahm weitere, sammelnde Atemzüge.
Er war ein- ein Idiot. Und ein Arschloch.
Wie konnte er-
Er hatte sich ihm aufgedrängt, hatte ihn ausgenutzt, in einer Situation, in der er seine Hilfe benötigt hatte, verletzlich gewesen war und ängstlich. Und er hatte- Er hätte ihm helfen müssen, für ihn da sein müssen, als Freund, nicht als- Ihn nicht mit seinem- seinem- präpubertären Rumfummeln belästigen!
Scheiße.
Scheiße!
Seine Station klingelte.
Dean schluckte einmal, nahm noch einen tiefen Atemzug und setzte sich ruckartig wieder hin.
Er war ein Arschloch. Ein riesiges, verfluchtes Arschloch; aber deshalb würde er niemanden hängen lassen, der den Notruf anwählte!
Er richtete sein Headset und griff nach der Maus, um das Gespräch anzunehmen, während sein Blick routiniert zur angezeigten Nummer wanderte.
Dean konnte genau spüren, wie sein Herzschlag in diesem Moment aussetzte.
Steve.
Das war Steves Handynummer.
Seine Augen hüpften nochmal starr und weit über jede einzelne Ziffer, aber es gab keinen Zweifel. Er kannte Steves Nummer. Das war Steves Nummer.
In Sekundenbruchteilen konnte Dean spüren, wie sein Hals trocken wurde, wie sich kalte, blasige Galle aus seinen Magen nach oben kämpfte und sich übel und trocken auf seine Zunge legte, wie seine Hände nass und schwitzig wurden, während er das Gespräch annahm.
Der Timer begann zu laufen und Dean musste hart schlucken, bevor er sprechen konnte: “911, wie k-”
“Was soll das bedeuten?!”
Deans Mund klappte augenblicklich zu.
Eine Dachlawine aus Eis und frostigen Splittern rannte aus seinem Headset seinen Nacken hinab, über seine Wirbelsäule und verkeilte sich in jeder Fuge seiner Knochen.
Die Stimme, die durch die Kopfhörer eisig und scharfkantig in seine Ohren vibrierte, war nicht das tiefe Meeresrauschen von Steve.
Sie fühlte sich unnatürlich kalt an, wie ein aufgelöster Gletscher, der langsam und schneidend in seine Ohren tropfte, und sei es nur, weil er erwartete hatte, das klirrende Bleikristallglas-Zittern von Steves Tränen zu hören - im schlimmsten Fall - oder wenigstens das grabestiefe Rauschen von Whiskeyrauen Kieselsteinen, die von Meeresstrudeln in seine Ohren geschwemmt wurden.
Dean versuchte den Schauer, der mit fröstelnder Gänsehaut seinen Nacken hinab fließen wollte, abzuschütteln.
War das- war das Earl?
Wo war Steve?
Wie ging es ihm?
Was- verfluchte Scheiße!
Was war passiert?!
Seine Finger schwebten bereits über dem Mute-Button, ein Zucken davon entfernt, sich mit der nächsten Streife in Steves Nähe in Verbindung zu setzen, aber - und es brachte die kalte, trockene Galle zurück auf seine Zunge - dafür gab es im Moment keinen Grund. Im Moment, da niemand auf ihn reagierte, da ihn niemand direkt ansprach, musste er davon ausgehen, dass der Notruf aus Versehen gewählt worden war.
Verflucht noch mal, Steve! Wieso hatte er den Notruf gewählt?
Wieso hatte er nicht ihn angerufen?
Deans Hand krampfte fast, als er sie widerwillig zurückzog. Er- konnte, durfte keine Streife durch die Stadt schicken, ohne dafür einen plausiblen Grund zu haben.
Er-
Gott, wenn er wenigstens gar nichts gehört hätte! Dann hätte er jemanden zur Kontrolle schicken können, aber-
Dean schluckte erneut, atmete beruhigend durch und nickte.
Alles in Ordnung. Er hatte die Situation im Griff, er würde das klären.
Gerade wollte er ansetzen nochmal zu fragen, auf sich aufmerksam machen, sich Aufmerksamkeit verschaffen, als-
“Du hast mich verstanden.” Die männliche Stimme, die durch die Leitung rollte, war tief, wie eine Schlucht, rau und kantig wie die Felsen an den Seiten, sonor, voll und kräftig.
Deans Herz machte einen Satz und pumpte warme, glühende Erleichterung durch seine Adern, bevor er die Worte ganz sortiert hatte, bevor es ganz von seinen Ohren in sein Bewusstsein getropft war:
Steve. Steve.
Es ging ihm-
Die baritonen, tiefen Wellen von Steves Stimme spülten Hitze und Erleichterung um seine von Earls Stimme gefrorenen Nerven und er wollte sich einen Moment in der Gewissheit wiegen, dass - zumindest im Moment - Steve in Ordnung war.
Aber ein heftiger, übler Ruck in seinem Magen hielt ihn davon ab;
Seine Stimme war fest, bestimmt, kräftig, so nah an dem wütenden Krieger, den Dean in der Bar getroffen hatte, aber trotzdem weit entfernt. Am Ende, bei den letzten Worten, war seine Stimme eine Spur dünner, eine Spur unstet, wackelig.
Es war nicht das fast zersplitterte Bleikristallglas, das von Tränen und Trotz zusammengehalten wurde, aber ein zitternder, schutzloser Nerv, wie eine zu stramm gespannte Saite in einem Bass: Er hatte Angst.
Er hatte sich nicht verwählt, es war kein unabsichtlicher Anruf.
“Ich möchte, dass du gehs-”
Deans Herz setzte einen weiteren, schweren Schlag aus, als ein lauter, heftiger Stoß durch die Leitung brach, wuchtig, gewalttätig; Als würde etwas gegen eine Wand gestoßen werden.
Er schluckte hart.
Nicht etwas; Jemand. Steve
Fast zeitgleich zog das typische Klatschen von Hand gegen Haut durch die Leitung.
“Alastair!, lass mich lo-grrugl” Steves Worte erstarben in einem erstickten Gurgeln, dessen zähes, atemloses Kriechen durch die Leitung Deans Hals ebenso zuschnürrte, wie der taube Schlag Hilflosigkeit in seinem Blut.
Er konnte sie wieder vor sich sehen, die bunten, schillernden Hämatome von Earls Fingern um Steves Hals, wie eine höhnische, brutale Halskette.
Einen Moment lang war Dean vollkommen erstarrt, wie ein Reh in den Scheinwerfern seiner Erinnerung, an dem Tag in Steves Laden, als er seinen Hals berührt und die weiche, wunde Haut gespürt hatte, als er das Zittern und die Angst in den Augen gesehen und in den Muskeln gefühlt hatte, die diese Brutalität in ihm hinterlassen hatten.
Seine Finger wurden taub, kribbelten in der Blut abschneidenden Hilflosigkeit in seinen Adern; Er konnte es nicht verhindern. Er konnte Steve nicht zu Hilfe eilen, nicht durch seine Tür stürmen, Ear- Alastair nicht von ihm wegreißen und Steve in die Sicherheit seiner Arme schließen.
Er konnte nur-
Ein Röcheln ätzte sich wie Säure durch die Leitung und Dean sprang von der Leere in seinem Kopf in Aktion; er schaltete das Gespräch mit Steve auf stumm und verband sich mit der nächstgelegenen Streife.
“Hier Dispatch, wir haben einen Fall von Häuslicher Gewalt mit tätlichem Angriff, ein Opfer, männlich, Anfang-Mitte dreißig, bisher zu erwartende Verletzungen am Hals durch Würge-”
“Dean? Hier sind Rufus und Jo. - Wir sind frei, sag uns wo’s lang geht.”
Deans Augen schlossen sich mit einem stockendem Atemzug der Erleichterung, als Jo’s leichte, warme Sommersonnenstimme die Leitung füllte, während seine Finger über die Tasten flogen, um den Notruf einzugeben.
Hilfe war unterwegs.
Jo und Rufus, die beiden würden das hinkriegen, den beiden würde er sein Leben anvertrauen - und- und sogar Steves.
Er gab ihnen die Adresse durch und schluckte hart.
“Ich kenn die Wohnungsnummer nicht und kann nicht mit dem Opfer sprechen. Ihr müsst-” Er benetzte seine Lippen, als könnten die letzten Wörter, die sich trocken an seinen Gaumen klammerten, an der Feuchtigkeit hinaus gleiten.
“Sind schon unterwegs, Deano.” Er hörte Rufus im Hintergrund abfällig über den Spitznamen schnauben.
“Alles klar, schnell und leise.” Er setzte währenddessen eine weitere Meldung an die Rettungssanitäter ab, mit der Anweisung, auf die Polizei vor Ort zu warten.
“Bestätige.”
Steve musste nur noch etwas durchhalten, Hilfe war unterwegs.
Dean schaltete das Gespräch augenblicklich zurück zu Steve und hielt unbewusst die Luft an, während er auf jedes noch so kleine Geräusch lauschte, das sich mühsam durch die Leitung zwängte.
“Lass - mich - los!” Wieder ein Gurgeln, als - vermutlich - Alastair die Hand fester um Steves Hals zusammendrückte.
Dieser- Bastard!
“Glaubst du denn, das ist so einfach, Castiel?”
Sein Herz war fast taub, von dem festen, blutleeren Rasen in der kalten Ohnmacht, aber trotzdem schaffte es es, einen heißen, aufgeregten Sprung zu machen, der es für einen Augenblick aus der eisigen Gletscherlawine von Alastairs Stimme hob.
Castiel.
Cas-ti-el. Castiel.
Das war er, Steves Name. Castiel's Name.
Sein Magen flatterte einen winzigen Augenblick, bevor das federleichte Gefühl durch ein weiteres Röcheln von Steve in zähe Übelkeit umschwenkte und er seinen Fokus zurecht rückte.
“Glaubst, du, du kannst mich so einfach verlassen?!”
Verlassen. Verlassen.
Steve wollte ihn verlassen.
Sein Gletscher umschlossenes Herz krampfte, heiß und glühend, in seiner Brust. bevor es angsterfüllt in sich zusammen fiel.
Großer Gott, er wollte ihn verlassen. Er wollte ihn verlassen - und er war allein mit ihm.
Deans Mund wurde trocken und er zwang ein hartes Schlucken seine dürre Kehle hinunter.
Wieso machte er das allein? Wieso ließ Steve ihn nicht helfen? Ihn nicht bei ihm sein?! Er hätte ihn-!
Er hätte ihn beschützen können und-
“Du wirst mich nicht verlassen! Wir gehören zusammen, Castiel! Du gehörst zu mir!”
Deans Nasenflügel flatterten bei dem bemüht ruhigen, tiefen Atemzug, den er in seine Lungen zwängte, um seine rasenden Gedanken aus ihrem Rondell in den eigentlich Fokus, den wichtigen Fokus, Steve!, zurück zu zerren.
Gott, er musste etwas tun! Er-
“Wieso solltest du mich verlassen wollen?”
Eine unerwartete, kalte Welle aus Übelkeit und Unbehagen flutete aus seinem Headset in seine Ohren bis in seinen Magen, als er das fast schnurrende Säuseln aus den kalten Eisdünen von Alastairs Stimme sirren hörte. Nicht nur, dass seine frostkalte Stimme sich mit diesem säuselnden Klang vollkommen falsch und grotesk an fühlte; Sie war zudem noch von einer derart bedrohlichen Schärfe durchzogen, dass Dean den Drang bekämpfen musste, an seinen Ohren nach Blut zu tasten.
Er konnte es geradezu vor sich sehen; eine Szene aus einem Film, den man nicht wegschalten kann;
Steve gegen eine Wand gedrückt, Alastair’s Hand um seinen Hals, die Lippen des unbekannten Gesichts mit einem frostsüßen Lächeln nah an seinem Ohr, Steves tiefe blauen Augen weit und angststarr und-
Ein erneutes Gurgeln presste sich mühsam durch Steves Hals und die Leitung, zusammen mit dem Fragment eines geröchelten Wortes und Dean schloss mit einem schweren Schlucken die Augen.
Hilfe war unterwegs.
Hilfe war unterwegs!
“Ich habe dir so viel gegeben, Castiel”, Alastair's Stimme war weich und scharf wie nasser Schnee, flirrend wie kaltes Metall, das durch die Luft gezogen wird. “Ich habe dir alles gegeben. Ich habe mich um dich gekümmert, habe mich um deinen lächerlichen kleinen Laden gekümmert. Ich war für dich da, wo du doch so alleine warst, ganz ohne Familie. Ich war da.”
Steves Atem zog sich in einem hohen, pfeifenden Ton durch seine eingeengten Luftwege und Dean wurde plötzlich klar, dass Alastair immer weiter zu drücken musste, ihn immer weiter würgen musste.
Weiter und weiter und weiter und fester und fester und fester.
Die ohnmächtige Hilflosigkeit, die sich bei diesem Gedanken durch sein Blut zog, erstickte ihn beinahe selbst.
Alastair stand dort, dort in diesem Wohnhaus, dicht an dicht vor Steve und drückte ihm die Luft ab - und Dean konnte nichts tun.
“Ich habe dir alles geben, Castiel, und so dankst du es mir? Du willst mich verlassen? - Du verlässt mich nicht. - Hast du gehört?!” Alastair’s Stimme nahm eine schnelle, schneidende Wendung und Dean zuckte selbst zusammen, als eine plötzliche Aggressivität durch die Leitung brach, wie Schneelawinen von einer Klippe.
Er hörte Steve’s Erwiderung nicht.
Er hörte gar nichts von Steve.
Ein frostkalter Schrecken sammelte sich in seinem Magen, gleich neben dem aggressiven Schneegeröll Alastair’s Stimme, das er mühsam hinunter geschluckt hatte.
Er hörte Steve nicht.
Er hörte ihn nicht.
Kein Röcheln, kein Wimmern, nicht das vorsichtige Atmen von bleikristallinen Tränen oder zwängende Luftzüge durch verengte Atemwege.
Nichts. Nichts!
Seine Augen fixierten den Tracker von Jo und Rufus’ Polizeiwagen.
Gott, sie würden noch Minuten brauchen. Minuten! Wie könnte er- wie sollte er- er musste-!
“Hör auf!”
Dean hatte nicht mal bemerkt, dass er in lauschenden Verzweiflung die Augen geschlossen hatte; Erst, als er sie durch den eiskalten Ruck von Alastair’s Stimme wieder aufriss.
“Hör auf, Castiel! - Hör-” Ein einzelnes, lautes, hallendes Klatschen vibrierte durch die Leitung.
Dean könnte seine Herzschläge zählen, laut und schnell bis hoch in seinen Hals, in der dröhnenden Stille, die das Echo des Schlages hinterlassen hatte und weiter zog, breit und ausladend, Sekunde um Sekunde weiter und größer werdend.
Er hatte ihn geschlagen. Alastair hatte Steve wieder geschlagen, direkt hier, direkt vor ihm, und er konnte nichts dagegen t-
Das röchelnde Gurgeln, das das kalte Echo und seine Gedanken durchbrach war - anders.
Dean hatte die Stirn in tiefe, konzentrierte Falten gerunzelt, die Augen geschlossen, um jede Nuance eines jeden Geräusches aufzufangen, einzufangen, jeden noch so kleinen, undeutlichen Atemzug von Steve wahrnehmen zu kommen, um sein rasendes Herz irgendwie in dem Gedanken wiegen zu können, dass er noch dawar.
Aber das Röcheln, das Gurgeln und Würgen, das stoßweise durch die Leitung brach war anders.
Anders als vorher, anders als das erschrockene, angststarre Ziehen von letzter Luft, das es vorher gewesen war.
Deans Fingerknöchel krallten wie Schraubzwingen um die Tischplatte seines Schreibtisches, als könnte die schmerzhafte Spannung seinen Ohren helfen, sich weiter zu fokussieren.
Er hörte - Bewegung, Rascheln und Rauschen von Stoff, schroffes, ungeduldiges Atmen, Schnauben und-
“Hör auf, du Bastard!” Alastair’s Stimme peitschte so laut durch die Leitung, dass Dean unvermittelt von seinem Stuhl aufsprang, um selbst zurückzuweichen, gefolgt von einem dumpfen Knall. “Du schlägst mich ins Gesicht?! Mich?! - Wie kannst d-!” Der Rest seines Satzes ging in einem hohen, Schmerz erfüllten Gurgeln unter.
Deans Herz vergaß einige Schläge lang seine Aufgabe, als die Wörter nicht nur sein Gehör erreichten, sondern auch sein Gehirn.
Es war Steve gewesen. Steve hatte ihn geschlagen.
Steve hatte sich gewehrt!
Steve wehrte sich jetzt gerade!
“Steve! Steve!” Deans Finger krallten sich um das Headset, als könnte er die Wörter so schneller hindurch zwängen, während er weiter auf die Geräusche lauschte, die sich so unendlich langsam anfühlten, halb, unvollständig.
Gott, er musste zu Steve, er musste-
“Hallo?!” Steves hektische, wundraue Stimme brach wie eine Sturmwelle gegen sein Ohr und durchspülte ihn mit Erleichterung. “Hören Sie mich? Ich brauc- ARGH!”
Dean konnte hören, wie das Handy auf den Boden fiel, das dumpfe Klonk, als es auf Teppich landete.
Ein lauter, harter Knall.
Steves Schmerzensschrei.
“Du bleibst hier!”
Deans Faust schlug auf seinen Schreibtisch, wütend und unkontrolliert - und von ihm vollkommen unbemerkt.
“Lass mich los! Alastair- Lass mich los! - Du tust mir we-aaargh!” Deans eigene Muskeln zitterten unter der wimmernden, schmerzerfüllten Flut von Steves Flehen und er schluckte schwer.
Rufus und Jo waren immer noch nicht angekommen, immer noch viel zu weit weg, um irgendetwas zu verhindern.
“Ich tu dir weh? Wie? Damit?” Ein erneuter Schmerzensschrei brandete nach Alastair's kaltem, giftig süßem Schneiden durch die Leitung und Dean zog scharf die Luft ein. “Was denkst du wer du bist? He?!”
Ein ruckartiger Schrei.
“Du schlägst mich?!”
Ein Schrei.
“Du trittst mir zwischen die Beine?!”
Schrei.
“Hast du-” Schrei.
“Vergessen.”
Gurgelndes Wimmern.
“Wo.”
Gott, er hörte Steve schluchzen.
“Dein. Platz. Ist?!”
Ein ohrenbetäubendes, widerliches Krachen brach durch die Leitung und eine plötzliche Welle aus Übelkeit und kaltem Grauen brandete aus Deans Magen gegen seine Kehle.
Fast in derselben Sekunde flutete Steves Agonie in einem markerschütternden Schrei sein Gehör, seinen Kopf, sein rasendes, machtloses Herz.
Dean taumelte einen Schritt zurück, seine Hände taub, sein eigener Atem stoßweise, hektisch und fassungslos.
Alastair gurrte, kaum hörbar durch das entfernte Telefon, nah, leise und intim, vermutlich direkt an Steves Ohr, während sein Schrei immer noch in Deans Ohren widerhallte und die Übelkeit aus seinem Hals sich schwer, zäh und blasig auf seiner Zunge ausbreitete.
“Weißt du es jetzt wieder?” Alastair’s Stimme war so kalt wie Raureif an zerbrochenem Glas und süß wie türkischer Honig. “Weißt du jetzt wieder, wo du hingehörst? Dass du zu mir gehörst?”
Er hörte den dumpfen Strudel von Steves Schluchzen und es riss ihn beinah von den Füßen, unfähig und taub und machtlos und wehrlos.
Steve musste aufhören.
Steve musste aufhören bevor Alastair ihn-
Er konnte den Gedanken nicht beenden, konnte nur in tauber Verzweiflung auf den Tracker von Jo und Rufus sehen, der noch immer so viele Minuten entfernt war, kleine Ewigkeiten, wenn doch Sekunden ausreichen konnten, bis Alastair weiter und weiter ging und-
“Ja”, Steves Stimme war erstickt von schmerzschweren Tränen, die in seiner brüchigen Flut schwammen wie Eisschollen. “Ich weiß, wo ich hingehöre.” Er konnte die zittrigen Atemzüge hören, die folgten, konnte die winzigen Ausschläge auf seinem Display sehen.
Das Geräusch von auf schweißnasser Haut platzierten Küssen tropfte durch die Leitung und Galle durch seinen Mund.
Er zog selbst tief Luft ein, gegen das kalte Krampfen um sein Herz, gegen nachtschwarze Verzweiflung und glutheißen Hass und eiskalte Angst.
Steve gab nicht auf, Steve hatte nicht verloren. Das war nicht seine letzte Chance, er musste-
Es war nur ein Rückzug. Strategisch, nötig. Aber temporär.
Er könnte ihm helfen. Bei ihm sein, für ihn da sein, wenn er ihn ließ, und dann würden-
Ein dunkles, metallenes Knallen riss Dean aus seinen Gedanken und er starrte auf den plötzlichen, lauten Ausschlag, taub und fassungslos und herzrasend: “Steve!” Sein Schrei dröhnte sogar in seinen eigenen Ohren nach.
Hatte Alastair- Hatte- Was-
“Dean!” Er konnte hören, wie Steve näher kam, zu ihm - zu dem verdammten Handy kam - und- “Hilf mir, Dean!”
Er war nah, so nah, direkt am Handy, er musste raus-raus-raus-raus!
Aber kaum eine Sekunde später, noch bevor Dean die Luft in seinen Lungen in Worte umwandeln konnte, hörte er einen erneuten, dumpfen Schlag und Steves gepeinigten Aufschrei.
Dean konnte nicht atmen, nicht sprechen, sich nicht bewegen, Gott, er glaubte, dass nicht einmal sein Herz schlug, vollkommen gefangen und erstarrt in dem Gewirr aus Geräuschen, hektischem Atem, Knurren, Schluchzen, schmerzvollem Aufschreien und den dumpfen Schlägen, die durch die Leitung halten.
Immer wieder, Knall, Knall, Knall! - und dann zog sich ein Moment Stille in Ewigkeiten.
Dean hörte, wie sich das Handy bewegte, wie es über Teppichboden rieb, bevor es aufgehoben wurde.
“Oh, Hallo, Dean.”
Er spürte, wie sein Innerstes überfror, wie harte, scharfe Eiskristalle sich an seine Adern setzen, sein Herz, seine Lungen, seine Luftröhre und er zog einen letzten Mundvoll warme Luft hinunter: “Alastair.”
“Oh, gut”, Alastair's schneerollendes Gurren war Übelkeit erregend süß und Dean schluckte schwer um die Blase aus Galle und Gift in seiner Kehle herum. “Dann können wir uns ja eine Vorstellungsrunde ersparen. Also, Dean, hast du es mit meinem Mann getrieben?”
Der fast beiläufige Tonfall nahm von einer Silbe auf die nächste den Klang einer gefährlich scharfen Rasierklinge an und Dean musste sich konzentrieren, um nicht zusammen zu zucken.
Er konnte Steve nicht hören.
Egal, wie sehr er sich bemühte, wie sehr er sich konzentrierte, er konnte ihn nicht hören, kein Wimmern, kein Schreien, keine schmerzschweren Tränen, nichts. Nichts.
Er spürte, wie Panik und Adrenalin sich heiß und brennend in seinem Blut mischten, aber er schluckte es mühselig hinunter, einmal, zweimal, bis sich seine Stimme sicher genug anfühlte.
“Wo-” Sie brach in der Mitte durch, er brach, zog tief Luft ein und setzte erneut an. “Wo ist er? Wie- Was hast du getan?”
Alastair’s Zunge schnalzte wie ein Peitschenhieb missbilligend durch die Leitung.
“Na, na, na, Dean! Ich habe dir zuerst eine Frage gestellt: Hast - du - es - mit - meinem - Mann - getrieben?”
Dean hörte, wie Alastair’s Finger bei jedem Wort auf etwas klopfe, hart, fest - metallern?
Er schluckte wieder, schloss die Augen in dem Bemühen, weiter, tiefer in den Hintergrund zu lauschen. Er musste doch etwas hören!
“Oh, Deeeaaan. Ich werde nicht gerne ignoriert.”
Die trügerische Süße in Alastair’s Stimme trieb eine stechendkalte, unwohle Gänsehaut über seinen Rücken. Jedes Wort fühlte sich an, als würde man einen weiteren Schritt auf einen schneebedeckten, zugefrorenen See machen, unfähig zu sagen, wie viele Risse das Eis bereits hatte und wann es brechen und einen einfach verschlucken würde.
Gott.
So war es gewesen, nicht wahr?
All die Zeit über war es für Steve genau so gewesen. - Und Dean hatte nichts dagegen unternommen.
Ein metallisches Fling-Geräusch, gefolgt von einem mechanischem, lauten Klicken holte Deans Aufmerksamkeit zurück auf seinen eigentlichen Fokus, seinen wichtigen Fokus und er schluckte erneut hart gegen plötzliche Trockenheit in seinem Mund.
Er musste, musste wissen, wie es Steve ging.
Er musste. Musste!
Seine Lippen wölbten sich mehrfach widerspenstig, trocken geatmet und mit dem Geschmack von saurer Galle daran, bevor er die nächsten Worte heraus pressen konnte.
“Alastair, wo ist er. Was hast du getan?”
Sein Herz raste so laut in seinem Hals, direkt unter seinem Kehlkopf, dass er das Gefühl hatte, man könnte seine Wörter darüber nicht einmal hören.
Aber er musste es wissen, nur das.
Nur ein Geräusch von Steve.
Alastair seufzte, laut, gedehnt und - nahezu enttäuscht?
“Weißt du Dean, es ist unheimlich unhöflich nicht zu antworten. Aber offensichtlich hast du mit der Antwort dieser Frage, massive Probleme, also machen wir eine kleine Bonusrunde, einverstanden?”
Alles in Dean stoppte, seine Lunge, sein Herz, sein Blut, schien zum Stehen zu kommen, vollkommen erstickt in dem Gefühl einer nahenden Katastrophe, die sich frostkalt durch die Gletscher von Alastair’s Stimme aufbaute; Als würde eine Lawine auf einen zurauschen, walzend, übermächtig und unmöglich abzuwenden.
“Alastair-”
“Ich habe zwei Fragen für dich, mein lieber Dean. Erstens: Was halte ich in meiner Hand?” Dean runzelte die Stirn. “und zweitens: Wie testet man nach einem Schlag auf den Kopf”, Alastair’s Stimme sprang bei dem Wort in einer geradezu spitzbübischen Boshaftigkeit, “den Schweregrad der Verletzung?”
Die Puzzleteile fielen in Deans Kopf an ihren Platz, wie Schnee und Eis von einem Dach auf einen Passanten.
Großer Gott. Großer Gott, nein!
“Alastair-!”
“Erstens: Ein Messer.”
Nein.
Nein, nein, nein, nein, nein!
“Zweitens-”
Ein gellender Schrei brach unvermittelt durch die Leitung.
Er riss Dean mit sich, ließ ihn taumeln und schwanken, nein, nein nein nein!, sodass er sich an seinem Schreibtisch abstützen musste.
Seine Lunge war leer und flach in seinem Körper, sein Kopf schwirrte in dem heißen, schmerzerfüllten Strudel von Steves Schrei.
Nein, nein, nei-!
Plötzlich wurde der Schrei dumpf, leiser, gurgelnd, als würde-
Seine Finger wurden taub bei dem Gedanken.
Als würde Alastair Steves Mund zuhalten.
“Oh, Hallo, Castiel! Schön, dass du wieder bei uns bist!” Rasiermesserscharfe Wut schnitt kalt in Alastair's Stimme. “Also, Dean, hast du es mit meinem Mann getrieben?!”
Seine Worte schlugen auf Deans Ohren wie eine Peitsche und er zuckte heftig zusammen und ohne nachzudenken sprudelte eine Antwort aus ihm heraus, schnell, hektisch und taub: “Nein!”
Dieses eine Wort ließ ihn bereits atemlos nach Luft schnappen.
Alaistaris missbilligendes Zungenschnalzen vermischte sich mit einem unterdrückten, nassen Wimmern im Hintergrund.
Großer Gott!
“Ach, nein? Dann sag mir, woher ihr euch kennt. Hast du ihm diesen Floh ins Ohr gesetzt? Dass er mich verlassen soll?”
Das nasse Wimmern wuchs zu einem dumpfen, schmerzlauten Schluchzen.
Was machte er mit ihm?!
Deans Hände zitterten und er kämpfte einen schweren Schluck Luft durch seinen zu engen, zu trockenen Hals und seine Finger um die Tischkante.
Er war machtlos. Hilflos.
Das konnte nicht wirklich passieren, oder?
Das durfte nicht passieren.
Seine Augen fielen auf den Tracker.
Sie wären jeden Moment an dem Gebäude.
Sie müssten nur noch die Wohnung finden.
Dann würde es Steve wieder gut gehen, dann wäre alles in Ordnung.
Jo und Rufus würden sich um Alastair kümmern; Und er sich um Steve.
Sie mussten nur noch ein wenig durchhalten, nur ein kleines bisschen.
Er musste das schaffen.
Er würde das schaffen.
Etwas klicke in Dean an seinen Platz und er ballte die zitternden Finger in feste Fäuste. Er hielt sich daran fest, zog den Gedanken schützend um seine bebenden Muskel und seine rasenden Gedanken.
Er musste ihn nur beschäftigen. Dann würde Steve nichts mehr passieren.
Er musste nur richtig antworten.
Der nächste Atemzug fiel ihm leichter.
Er war dafür ausgebildet worden.
Er hatte gelernt Gespräch zu steuern, das zu sagen, was er sagen musste, damit alles nicht weiter eskalierte.
Er konnte das.
Er würde Steve da raus kriegen.
Er konnte das.
“Alastair-”
“Falsche. Antwort!”
Steves unvermittelter, erstickter, gurgelnder Schmerzensschrei brandete erneut durch die Leitung, ertränkte ihn in mitreißender Panik und Dean verlor erneut alle Fassung:
“Im Laden! Okay! Im Laden! Ich hab Kekse gekauft!” Alles um Dean herum war leer, es war egal, wo er war, er wusste nicht mal mehr, wo er war, vollkommen fixiert und konzentriert auf Steves feuchte, wimmernde Atemzüge, die sich unter Alastair's Hand durchmogeln konnten und dem zähsüßen Gurren von Alastair.
Gott, er war wahnsinnig.
“Ich glaube, Dean, langsam verstehst du die Regeln.”
Dean wischte sich den kalten Schweiß von der Stirn, während er tief durchatmete.
Okay, wenn er mitspielen musste, dann würde er mitspielen. Kein Problem.
Sie würden das schaffen.
Er musste schneller antworten!
“Ja, ich hab sie verstanden.”
Das Geräusch als Alastair’s Kehle klang fast wie ein Schnurren.
“Hörst du, Castiel, so erwarte ich Antworten.” Steves Atem zog scharf durch seinen abgedeckten Mund. “Also, Dean: Hast du ihm diesen Floh ins Ohr gesetzt?”
Ja, verdammt. Das hatte er.
Das war seine Schuld. Seine Schuld.
Aber was würde Alastair erst tun, wenn er das zugab?
Deans Zähne schmerzten, so fest biss er sie aufeinander: “Nein.”
“Lüg mich nicht an.”
Er schloss die Augen, konzentrierte jede Faser seiner Stimme darauf klar zu sein, aufrichtig. Er musste ihn überzeugen.
“Nein.”
“Lüg. Mich. Nicht. An.”
“Nein!”
Der Schmerzensschrei war lauter diesmal, aber nicht weniger bedeckt; Die Schmerzen waren nur schlimmer. Sie waren schlimmer!
Dean schlug mit der Faust auf den Tisch, als könnte das brennende Pochen in seiner Handkante etwas an Steves Schmerzen ändern, die durch durch sein Gehör, seine Knochen, seine Muskeln, seinen gesamten Körper brandeten wie eine Sturmflut aus Eis und Schnee.
Schmerzen, die er verursachte.
An denen er Schuld war!
Er-
“Sag mir die Wahrheit, Dean!” Alastair’s Stimme war der kalte Singsang von frisch getautem Schnee und etwas in Dean fiel von seinem Platz.
Er konnte nicht gewinnen.
Er konnte nicht so antworten, dass Alastair Steve nicht mehr weh tat.
Er hatte verloren.
Er war ein Teil davon.
In dem Moment, in dem Steve auf ihn reagiert hatte, in dem Moment, in dem Steve seinen Namen gerufen hatte, war er Teil von Alastair’s Manipulation geworden.
Er war nicht objektiv, es war Steve, verdammt. Sein Steve.
Er konnte nicht objektiv sein, er konnte nicht richtig antworten, weil er Steve gegen ihn benutze - und ihn gegen Dean.
Alastair konnte Steve unter Kontrolle halten, weil er ein Teil davon geworden war.
Übelkeit stieg in seinem Mund auf, seiner Luftröhre, seinem Blut, während sein fassungsloser Blick unfixiert auf den Monitor starrte, wo leise, kleine, nasse Ausschläge von Steves Tränen und Schmerzen zeugten.
Es war seine Schuld.
Es war seine Schuld.
Er konnte nicht auflegen und er konnte nicht richtig antworten.
Er konnte Steve nicht beschützen und er konnte nicht richtig antworten.
Er hatte verloren.
Er hatte ihm direkt in die Karten gespielt, ohne es zu wissen und Alastair hatte gewonnen.
Egal wie er antworten würde, er würde Steve wehtun, immer und immer weiter, bis Jo und Rufus die richtige Wohnung fanden - und dann könnte es bereits zu spät sein.
Alastair war wahnsinnig.
Er. Hatte. Verloren.
Es war wie ein dumpfer Schlag, Wut, Verzweiflung, Angst, der durch seinen gesamten Körper stob, durch seinen Kopf, seinen Torso, bis in seine zur Faust geballten Hände, in seine Kehle, auf seine Zunge.
Aus seinem Mund.
“Das habe ich! Du, Bastard! Du, verfluchter Bastard! Hör auf! Hör auf! Lass ihn in Ruhe!”
Das eisige, freudlose Geräusch von der anderen Seite der Leitung glich in perverser Weise einem Kichern.
“Oh, Dean. Glaubst du, ich habe Angst vor dir? Glaubst du, du kannst irgendetwas tun?”
Deans Kiefermuskeln pressten sich starr aufeinander. Das funktionierte nicht. Er hatte verloren, als er ein Teil davon geworden war. So hielten sie nicht durch, so konnte er Steve nicht beschützen.
Alastair wäre nicht zufrieden, egal, was er sagen würde.
Er konnte nicht gewinnen.
Er musste etwas anderes tun.
“Hör auf ihm wehzutun.” Bitte, irgendetwas anderes.
“Wie lautet dein Nachname, Dean?”
Er schloss mit einem harten Atemzug die Augen. Nein.
Nein, das musste aufhören.
Er musste Zeit schinden, er musste-
“Hör auf ihm wehzutun.”
Seine Hände zitterten wieder.
Etwas anderes.
“Wie du möchtest-!”
“Alastair, nicht!”
Der Schrei war gedämpft, laut und merkwürdig gurgelnd, aber das war nicht alles, was er hörte.
Da war ein weiteres Geräusch, ein surrendes Luftrauschen, ein kleiner Pfeifton, wie ein Ballon, der langsam Luft verlor und dabei unter Wasser gedruckt wurde, leise, pfeifend, blubbernd.
“Hörst du das, Dean? So klingt eine perforierte Lunge. Er hat zwei davon! Hörst du, wie die Luft austritt? - Wie lautet dein Name?!”
“Winchester!” Der letzte Rest Luft in seinen atemlosen Lungen presste das Wort über seine Lippen.
Alastair war wahnsinnig.
“Mein Name ist Dean Winchester.”
Alastair schnurrte fast, vollkommen zufrieden mit dem weichen, wackligen Tonfall in Deans Stimme, dem nassen Schatten, der mit Atemlosigkeit und Panik seine Luftröhre hinauf kletterte und sich um seine Stimmbänder legte, seinen Hals zuschnürte und seine Muskeln versteifte.
Er war wahnsinnig, wahnsinnig! Er würde Steve- Er würde-
“Sehr gut, Dean. Sehr gut.”
“Hör auf, ihm weh-”
“Da ich davon ausgehe, dass du versucht meinen Mann zu ficken, glaube ich nicht, dass du eine Frau hast, oder eine Freundin. Vielleicht einen Freund? Nein? Eine Schwester vielleicht? Einen Bruder?” Dean konnte den besiegten, langen Atemzug nicht aufhalten, der seine Lippen verließ. “Ah, einen Bruder.”
“Alastair-”
“Falls du glaubst, mein lieber Dean, du könntest irgendetwas tun, dich irgendwie rächen oder wehren oder auch nur darüber nachdenken, was hier gerade passiert, es irgendjemandem erzählen. Dann möchte ich, dass du weißt, ich werde deinen Bruder finden. Ich werde ihn finden, Dean, und dann - werde - ich - ihm - wehtun. Schlimmer noch als Castiel. Ich werde ihm wehtun.” Steve schluchzte hoch und schmerzerfüllt auf. “Und dann, Dean, werde ich dich finden - und ich werde dir wehtun. Ich werde dir so unvorstellbare Schmerzen bereiten, dass du den Verstand darüber verlieren wirst. Hast du mich verstanden?!”
Sein eigener Herzschlag war derart dumpf und taub in seiner Brust, dass er ihn kaum noch spüren konnte.
Er hatte verstanden.
Er hatte alles verstanden.
Aber Jo und Rufus durchkämmten die Stockwerke.
In welchem Stockwerk waren sie?
Er hörte das gurgelnde, röchelnde Atmen von Steve, so fragil und schwach und falsch.
“Hör auf-”, er musste nach Luft schnappen, “-ihm wehzutun.”
“Ich werde dich finden, Dean Winchester, und dann bring ich dich um.”
Der plötzliche Schrei, der alles durchbrach war laut, wütend - und nicht von Steve.
“Du verdammter- Wo willst du ihn?!” Alastair's eiskalte Wut brach durch die Leitung und schüttelte Dean aus seiner Starre. Er griff an sein Headset, drückte es näher, fester an sein Ohr, um kein Geräusch zu verpassen.
Steve!
Steve, Steve, Steve, Steve!
Was tat er?!
Was verflucht machte er da?!
“Gib mir-! Gib mir das! Gib her!” Der Knall von Haut auf Haut zog durch die Leitung und dann ein Klicken. “Tz.” Dean konnte hören, wie etwas zu Boden fiel, klobig, fest, was?!, und dann ein erneutes Klicken, wieder, wieder, Klack, Klack, Klack.
Metallern, routiniert und so vertraut. “Kannst du dir das vorstellen, Dean?”
Bitte nicht.
Bitte nicht.
Bitte, bitte, bitte.
“Unser lieber Castiel hat eine Waffe in unser Heim gebracht, eine geladene - auch noch. Schämst du dich gar nicht, Castiel? Du hättest jemanden verletzen können.”
Dean schloss kraftlos die Augen.
Bitte nicht, bitte, bitte, bitte.
“Wolltest du damit deinen kleinen Freund beschützen, hm?, Castiel? Wolltest du? - Wolltest du mir wehtun?”
Ein gurgelnder, flacher Atemzug war die Antwort.
Bitte nicht.
Dean hörte das bekannte Geräusch eines gespannten Hahns.
Sie hatten verloren.
“Du wirst ihn nicht haben. Und er wird dich nicht haben. Niemand wird dich haben, Castiel. Niemand. Außer. Mir.”
Es war vorbei.
“Alastair.” Er hörte, wie die feuchte Mutlosigkeit weiter seine Stimmbänder hinauf kroch, wie sie sich auf seine Kehle und seine Zunge und seine Lippen legte, wie sie seine Worte weich, nass und wacklig machte. “Bitte.”
“Keine Sorge. Vielleicht findet ihr euch ja im nächsten Leben. Denn in diesem gehört er ganz mir.” Die Pause, die sich durch die Leitung schob, dauerte eine ganze Ewigkeit. “Ich denke, ich werde ihm ins Herz schießen, Dean. Als kleines Andenken an dich.”
Sparking! Herzlich Willkommen in der Welt von Dragonball! Eine kleine Gruppe treuer Fans von Son Goku und CoKG haben sich (erneut) zusammengefunden um ein paar spannende Abenteuer in dieser von uns geliebten Welt zu erleben. Wir sind zwar alle nicht in der Lage wunderbare Codes zu schreiben und einem Forum damit einen wahnsinnig tollen Look und einzigartige (und oft praktische) Features zu verpassen, dann hätten wir uns auf einem Logo-losen Webspace niedergelassen, aber immerhin haben wir richtig Lust mit euch in diese Welt zu gehen und ein wenig die Sau raus zu lassen. Oder so. Zugegeben, unser Regelwerk ist etwas unkonventionell und die Organisation wohl nur mäßig aber unser Hauptfokus liegt auf von User, für User und mit Usern diese Welt zu beleben. In erster Linie konzentrieren wir uns auf die durch die Serie bekannten Canons, eigene Charaktere werden nur bedingt zugelassen, aber ihr dürft sie natürlich trotzdem vorstellen! Wir spielen kein Dragonball GT, kein Dragonball Super. Sogar Dragonball Z haben wir teilweise ausgeklammert. Wir setzen vor Boo an und unser erster Plot ist das 25.th Kampfsportturnier. Von hier an schreiben wir unsere eigene Story und laden euch herzlich ein, sie mit uns zu formen. Ohne Götter, ohne tausend Universen. Gutes, altes Dragonball.
Uns ist bewusst, dass forumieren nicht der beliebteste Partner ist und vielleicht ziehen wir im Laufe der Zeit auch auf ein richtiges Board (sofern wir Leute mit Skill und Lust finden, soetwas aufzuziehen xD Wir haben das (also den Skill) definitiv nicht) aber hoffentlich ist das für euch kein totschlagargument um sich nicht bei uns umzusehen! Unser Fokus soll vor allem darauf liegen, die Welt mit jedem User des Boards gemeinsam zu formen und Plots zu erarbeiten, von denen nach Möglichkeit jeder etwas hat! Also wenn ihr richtig Bock habt, dann versucht es doch mal bei uns! Fühlt euch herzlich eingeladen, euch bei uns zu melden und wir werden gemeinsam die Welt vor jedem Unheil schützen.
Diese Geschichte entstand bei einer Challenge in einem anderen Forum. Da hat man dann die Story geschrieben und der Person geschenkt die einem zugeteilt wurde. Ich hatte @tenten31 hehe was für eine schicksalhafte Fügung xD Daher wollte ich sie euch auch einmal zeigen. Viel Spaß damit!
Ein außergewöhnliches Wochenende
Keiner wusste so recht, wessen Idee es überhaupt war Campen zu gehen. Jedenfalls war es dieses Wochenende soweit und alles war vorbereitet. Alle Sachen die sie für's Wochenende brauchten standen fein säuberlich eingepackt in Taschen an den Wagen gelehnt. jeder wusste wer das so ordentlich gemacht hatte. Richtig! Wer denn sonst ausser Alfred Pennyworth. Offiziell nur der Butler von Bruce Wayne. In Wirklichkeit war er viel mehr als nur der Butler. Er war die Seele und das Herz von Wayne Manor. Wie ein Vater zog er Bruce auf als dessen Eltern ermordet wurden. Eigentlich war er wie ein Vater zu allen die hier im Haus lebten. In der Vergangenheit und in der Gegenwart.
Daher könnte es auch er gewesen sein. So ein Wochenende einte die Familie. Vielleicht aber auch war es Dick Grayson der erste Robin. Ihm war es auch zuzutrauen. Er wollte immer, dass sich alle vertrugen und etwas gemeinsam unternahmen. Da würde so ein Wochenende richtig gut passen. So langsam kamen auch alle zusammen. Damian, Bruce leiblicher Sohn hatte sich anfangs verhemend dagegen gewehrt und sich geweigert. Jetzt stand er aber als erstes am Wohnwagen. Nichtmal Grayson, den der Junge über alles liebte und alle Besitzansprüche hegte die es nur geben konnte hatte es geschafft ihn zu überzeugen. Für Damian würde es zu langweilig werden. Deswegen hatte er sich geweigert. Seine Meinung änderte sich aber schlagartig als bekam gegeben wurde, dass die Kents auch mit zum Camping fahren würden. Hatte sich so ergeben als Clark, der Bruce bester Freund ist, der schon zur Familie gehörte, meinte es würde sicher Spaß machen und er würde, seinen Sohn Jonathan, der Damians bester Freund ist, mitschicken. Clark war es auch der Bruce überzeugte mitzugehen. Sollte schließlich ein Familienausflug werden. Da Familie nicht nur aus Blut bestand, was diese Familie durchaus bewies, war es keine ungewöhnlich Zusammenkunft. Bruce ließ sich dann aber erst überzeugen als Clark ihm versicherte sich um Gotham keine Sorgen machen zu müssen. Denn einige Helden der Justice League, würden sich schon drum kümmern. Aus diesem Grund konnte Jason sich auch nicht davor drücken mitzugehen. Es waren nur zwei Tage und sollte doch die Welt untergehen würden sie Dank Superspeed auch schnell wieder in Gotham sein. Da Jason eh schon immer ein Einzelgänger war, zumindest was Freunde betraf, brachte er Niemanden mit. Schade eigentlich.
Bei Tim sah es schon anders aus, denn Conner Kent war sein bester Freund und auch Teil der Familie. Sie hätten auch mit einem Privatjet in die Berge fliegen können. Aber mal ehrlich? Wo wäre dann der ganze Spaß? So konnte man Camping mit einem Roadtrip kombinieren. Es war noch sehr früh. Alle Termine für dieses Wochenende inklusive Freitag wurden bei allen abgesagt, sodass sie mehr vom Tag hatte. Als endlich alle da waren und das Gepäck verstaut stiegen alle in den Wohnwagen. Es war ein großer Wohnwagen, schließlich mussten 9 Personen, zwei Hunde und einiges an Gepäck reinpacken. Mit der Kreditkarte von Bruce Wayne war dies aber keine allzu schwierige Sache.
Sie fuhren noch vor Sonnenaufgang los. Alfred fuhr den Wagen und anfangs saß Dick neben ihm, damit sie sich auchmal abwechseln konnten. Bruce grübelte und hatte kein gutes Gefühl bei der Sache. Clark war wieder damit beschäftigt, seinen besten Freund davon anzubringen zu grübeln. Jason saß in der hintersten Ecke, bloß nicht kommunizieren. Lieber beschäftigte er sich mit Tidus und Krypto. Tim und Kon amüsierte sich dabei, Damian und Jon zu beobachten wie die sich leicht über ein Spiel aufregten was sie spielten. Jon gab dem Name des Spiels eine neue Bedeutung. Ich sehe was, was du nicht siehst und das ist…. Eigentlich hätte der Junge jetzt etwas aussuchen müssen was gefunden werden konnte. Jon hingegen hatte etwas ausgesucht, was man nur mit Röntgenblick sehen konnte. Für ihn etwas ganz normales. Damian hingegen war nicht so begeistert davon und wollte dann nicht weiter spielen. Dick sah etwas rüber und musste grinsen. „Das Spielt heißt nur so, das bedeutet nicht, dass du dir etwas aussuchen sollst, was Damian unmöglich sehen kann. Er hat ausnahmsweise mal Recht, keine Superkräfte.“
Plötzlich schmollten beide Jungs und alle, sogar Bruce fingen an zu lachen. Damian schmollte, weil Dick meinte er hatte ausnahmsweise mal Recht und Jon schmollte, weil er seine Superkräfte nicht nutzen durfte und Damian somit die Diskussion gewonnen. Kurz darauf lachten die beiden Jüngsten dann auch.
Ende
Vielleicht gibt es eine Fortsetzung, vielleicht aber auch nicht
„Lexa. Ruf Steve Taylor an“, wies er die KI in seinem Smartphone an und wartete auf die Verbindung. „Sagen Sie den Termin heute Abend mit dem Bürgermeister und den Stadträten ab“, sagte er, als eine Stimme sich am anderen Ende gemeldet hatte „Rufen Sie danach den Mother-Care-Service an. Ich benötige Referenzen für neues Personal, spätestens nächste Woche. Die Profile sollen direkt zu mir geschickt werden. Der Architekt soll den Zeitplan ändern, der Umbau des Penthouses muss in 5 Wochen abgeschlossen sein. Dann legen Sie mir die Akten zu Browns auf den Tisch. Die vollständigen Akten und nicht nur die Hälfte und umsortiert, wie beim letzten Mal. Sagen Sie Simon aus der Finance, dass er mich beim Mittagessen trifft, ich will den Report des letzten Quartals der Holding und Dolores soll mir die Prüfberichte der Lex-Tech senden. Den Termin zur Besprechung legen Sie auf Mittwoch, am besten nachmittags. Die üblichen Statistiken schicken Sie mir auf mein Pad ich werde sie mir später ansehen.“Der Mann am anderen Ende der Leitung hatte keine Möglichkeit etwas zu sagen und Luthor hoffte, dass er diesmal alles notierte. Am wenigsten konnte er es leiden, wenn jemand seine Arbeit nicht zu hundert Prozent erledigte. Kurz überlegte er, ob er noch etwas hinzufügen musste, doch auf Anhieb fiel ihm nichts ein. „Was haben Sie für mich?“, fragte er also, um sich auf den neuesten Stand bringen zu lassen. Aufmerksam hörte er zu, was sein Assistent ihm erzählte, dabei interessierte ihn vor allem, was zwischen den Zeilen gesagt wurde.
Das Marketing hatte Probleme mit einigen Urheber-Rechten, der Monats-Abschluss der Lex-Labs lief gerade nicht rund und einer seiner führenden Labor Experten war in eine finanzielle Schieflage geraten und hatte sich, durch einen Seitensprung, in Schwierigkeiten gebracht. Aus Erfahrung wusste der Geschäftsmann, dass besonders, private Schwierigkeiten des Laborpersonals, schnell in geschäftliche Schwierigkeiten umschwenken konnten. Es kam nicht selten vor, dass besonders seine hochrangigen Wissenschaftler in Affären verstrickt wurden. Sei es geschäftliche Affären, oder wie in diesem Fall, private. Besonders wenn Frauen im Spiel waren, fühlten sich die Männer dazu hingerissen mit ihrem Aufgaben zu prahlen, um bei den Damen Eindruck zu schinden. Je älter, desto schlimmer. Waldemar Perczynski war bereits seit einigen Jahren in verschiedene Projekte federführend eingebunden Den geheimen und den weniger geheimen. Sollte er sich an irgendeiner Stelle jedoch nur vage verplappert haben, so hätte die gesamte Lex Corporation ein riesiges Problem. Es könnte sogar seine bevorstehende Präsidentschaftskandidatur in Gefahr bringen. So Weit würde es Lex es allerdings nicht kommen lassen. Ja, der Professor war ein Genie auf seinem Gebiet, aber niemand war unersetzbar. Zudem war es nicht das erste Mal, dass er diesen Mann aus der Scheiße ziehen musste. In Gedanken seufzte er und überlegte bereits, welche Summe an Schweigegeld dieses Mal bereitgestellt werden musste, oder ob drastischere Maßnahmen zu ergreifen waren.
„Recherchieren Sie die genauen Projektdaten, den aktuellen Stand und die bis jetzt gesetzte Deadline des Projekts Rose. Zudem will ich die vollständige Aufstellung des Personals und sämtlicher Personen, die in diesen Bereichen ein- und ausgehen sind. Handwerker und Putzkolonne inklusive, damit meine ich, nicht nur die Stammbelegschaft, sondern auch das Aushilfspersonal. Die Unterlagen, der bis jetzt getätigten Ausgaben und der Budgetplanung benötige ich, wenn ich im Büro bin. Reden Sie mit Perczynski und fragen Sie Ihn wie es dazu kommen konnte, welcher Schaden bereits entstanden ist und wie wir ihm da heraushelfen können. Ich fahre nach dem Mittagessen in die Lex-Health-Labs und werde dann persönlich mit ihm reden, davon soll er allerdings nichts wissen. Bis dahin benötige ich die Unterlagen. Teilen Sie der Lab-Finance und dem Marketing mit, die sollen Ihre Probleme bis morgen früh geregelt bekommen, ich möchte mich nur ungern damit beschäftigen. Ich werde gegen halb eins im Büro sein, sehen Sie zu, dass sie, bis dahin, alles zusammen haben“, er beendete das Gespräch, ohne auf eine weitere Erwiderung zu warten, fluchte laut und schlug aufs Lenkrad. „Diese verdammten, schwanzgesteuerten, hirnverbrannten Weißkittel!“ Lex überlegte, ob er ein Kastrations-Projekt zur Unterdrückung der Hormone ins Leben rufen sollte, nicht dieses Zeug, dass er bereits auf den Markt gebracht hatte und ständig nach gespritzt und dosiert werden musste. Etwas dauerhaftes ohne nach dosieren, vielleicht nur 1- oder 2-mal gespritzt und dann mit dauerhafter Wirkung. Nicht für die breite Masse, nur für einen ausgewählten Personenkreis damit diese nicht das Ziel aus den Augen verlieren würden. Bei diesem Gedanken musste er grinsen, dann er schüttelte den Kopf.
Mittlerweile hatte er die Schnellstraße erreicht und drückte das Gaspedal durch. Dieser elendige Waldweg raubte ihm immer Zeit, aber noch war es ein Übel, dass er gerne in Kauf nahm. „Jetzt lass dir nicht die Laune versauen“, sagte er zu sich selbst und schaltete das Radio ein.
„doo doo doo. Baby Shark doo doo doo“, tönte es ihm plötzlich entgegen und er zuckte aufgrund der Lautstärke zusammen. Sofort dreht er die Musik etwas leiser. Ein breites, glückliches Grinsen machte sich auf seinem Gesicht breit. Letzte Woche hatte er Lena mit auf eine Spritztour genommen und dieses Lied lief in Dauerschleife, während das kleine Mädchen fröhlich versuchte, mitzuträllern. Lex blickte auf den Beifahrersitz, auf dem normalerweise der Kindersitz installiert war, heute jedoch dem kleinen Picknick Korb gewichen war. „Vielleicht doch ein Kastrations-Projekt“, murmelte er als er an seine kleine Tochter dachte. Ja, sie war gerade erst 2, aber sie würde nicht ewig eine 2-Jährige bleiben. Oder vielleicht doch? Er wechselte auf den Radio-Kanal. Nein, definitiv nicht ewig 2, denn das würde bedeuten, dass diese Kinderlieder niemals ein Ende nehmen würden. Zwar mochte er die Phase in der sich die kleine Luthor befand, aber dennoch war es anstrengend dasselbe Lied mehrere Stunden am Stück zu hören. Besonders, wenn er in Meetings saß und diesen Ohrwurm kaum losbekam. Zum Glück konnte niemand in seinem Umfeld Gedanken lesen. Lächelnd setzte er seinen Weg Richtung Metropolis fort, nichts sollte seine Stimmung trüben, denn heute war ein besonderer Tag.
Je näher er Metropolis kam, desto voller wurden die Straßen und bereits auf dem Zubringer konnte er den Lex-Tower sehen. Es war das höchste Gebäude in dieser Stadt, seiner Stadt. Das gläserne Gebäude reflektierte das Licht der Sonne und schimmerte golden. Er genoss den Anblick. Dies waren sein Werk, sein Monument, sein Vermächtnis und sein Versprechen. Irgendwann würde Lena verstehen was dieses Gebäude ihm bedeutete. Er würde sie herumführen und seine Geheimnisse mit ihr teilen. Ihr würde er die Geheimnisse dieses Gebäudes verraten. Jeden Winkel mit ihr abgehen, ihr die Wände zeigen, die keine waren, Aufzüge, die augenscheinlich ins Leere führten und die tief unter der Erde liegenden Räume, von denen niemand etwas ahnte. Nur eine Handvoll, ausgesuchter Personen wusste von diesen geheimen Laboren und den Experimenten, die dort stattfanden. Niemals durfte es passieren, dass nur der Hauch einer Idee dieser verborgenen Labore an die Öffentlichkeit drang. Dafür hatte er Vorkehrungen getroffen. Auch das würde er Lena zeigen, wenn sie einmal so weit war, dass sie in seine Fußstapfen treten konnte. Bis es so weit war, sollte sie eine glückliche, unbeschwerte Kindheit haben. Dafür tat er alles. Er würde sie erst dann damit belasten, wenn sie bereit dazu war. Wenn sie verstand, was er dort tat und vor allem, warum er es tat. Lex blickte über die Skyline von Metropolis. Sein Werk. Diese Stadt hatte er im Laufe der Jahre nach seinen Vorstellungen erbaut. Wäre er damals nicht gekommen, dann wäre Metropolis ebenso herunter gekommen wie nun Gotham. Mit seiner LexCorp brachte er den Wohlstand, er holte die Leute von den Straßen und gab ihnen die Möglichkeit in seinen verschiedenen Firmen zu arbeiten. Er baute Fabriken, Labore, Krankenhäuser, soziale Einrichtungen. Alles damit die Menschen, die hier lebten, wirklich gut leben konnten. Die Infrastruktur wurde erneuert und modernisiert. Sein Ziel war noch lange nicht erreicht, alles umzusetzen würde noch Jahre dauern, aber es war ein Ziel, dass er erreichen konnte und wollte.
Die große Kugel des Daily Planet schob sich in seinen Blick. Der Planet, eines der wenigen Gebäude, die sich nicht in seinem Besitz befanden. Jetzt nicht mehr. Vor einigen Jahren hatte er den Daily Planet gekauft, um mehr Einfluss auf die Berichterstattung nehmen zu können. Immer wieder war es den Reportern gelungen einige seiner Projekte aufzudecken und das hatte ihn einiges an Kosten, Mühen, Anwälten und vor allem Nerven gekostet. Nach der Übernahme wurde es ruhiger und entspannter, alles lief so, wie er es sich wünschte. Hauptsächlich lag es daran, dass er personelle Änderungen innerhalb der Redaktion vornehmen ließ. So hatte er keine Skrupel Lois Lane und James Olsen die Kündigung zu übergeben. Selbst ein Perry White konnte da nichts gegen ausrichten. Es war immer gut ein Druckmittel in der Hand zu haben. Und zumindest in Whites Fall besaß er mehrere. Kleine Geheimnisse, süße Geheimnisse die Perry jeden einzelnen Tag einen Stich versetzten und ihn immer daran erinnerten, wer dass sagen hatten. Es wurde also ruhiger in den Schlagzeilen des Planets. Keine Enthüllungen seiner eigenen Firmen, dafür anonyme Tipps, die der Konkurrenz das Fürchten lehrte und dadurch eine Gewinnmaximierung für ihn. Win Win.
Es war perfekt, bis vor einigen Monaten.
Ein unbeschrifteter Briefumschlag lag auf seinem Schreibtisch. Weiß und unschuldig. Harmlos. Der Inhalt jedoch war brisant und ließ kalte Schauer über seinen Rücken jagen. Lex erinnerte sich daran, wie er sich setzen musste und die losen Blätter, die in dem Umschlag waren, wieder und wieder ansehen musste. Der Entwurf eines Zeitungsartikels, Fotos. Material, dass, sollte es zur Veröffentlichung kommen die Welt aus den Fugen geraten musste. Seine Welt. Er las den Artikel wieder und wieder. Nahm die Fotos in die Hand. Legte sie auf die Seite nur um sie sofort erneut wieder anzusehen. Nein. Das konnte er nicht zu lassen um keinen Preis der Welt. Egal was der Preis war, er wäre bereit ihn zu zahlen. Niemals würde er zu lassen, dass seine Tochter den Blicken der Öffentlichkeit preisgegeben würde. Erneut nahm er eines der Fotos zur Hand. Ein kleines, braunhaariges Mädchen, in einem schicken Kleid, die Haare durch das Spielen und Toben etwas zerzaust. Umringt von ihren Stofftieren schaute sie glücklich zu dem Mann auf, der neben ihr saß. Sehr genau erinnerte er sich an den Tag:
Es war Lenas 2. Geburtstag. Diesen Tag hatte er sich frei genommen. Die Nanny hatte eine Tasche zusammen gepackt mit allen Notwendigkeiten und etwas Proviant. Mit den ersten Sonnenstrahlen brachen sie auf. Nur sie beide, keine Nanny, keine Assistenten, keine Anrufe kein Business. Ihre erste Station führte sie an seinen privaten Strand. Lena liebte das Wasser, sie quietschte vergnügt, wenn eine Welle ihre kleinen Beine traf und sie kitzelte. Auch liebte sie es Löcher in den Sand zu buddeln, um die Grube dann mit Wasser zu befüllen. Fasziniert beobachtet sie den feinen Schaum, der sich an der Oberfläche bildete und versuchte ihn mit ihren Fingern zu fassen. Das Mittagessen nahmen sie in Ihrem Strandhaus ein. Nach dem Mittagsschlaf fuhren sie zu dem eigens für Lena gebauten Freizeitpark. Der Park hatte eine riesige Fläche, war allerdings noch sehr spärlich bebaut. Es war ein mitwachsender Park, ein riesiger Spielplatz, ein kleines Kettenkarussell und ein Karussell mit lustigen bunten Tieren. Die Planung stand bereits für die nächsten 10 Jahre. Wahrscheinlich würde er den Park für Besucher freigeben, in ein paar Jahren, wenn die noch brachliegende Fläche ebenfalls bebaut war. Als die Sonne langsam unterging fuhren sie wieder zurück zum Anwesen. Lena war müde und quengelte etwas herum. Damit sie abgelenkt wurde, suchte er den Sender mit Kinderliedern heraus und die teils sehr fragwürdigen und unsinnigen Texte mitzusingen. Mehr falsch als richtig, aber die Ablenkung funktionierte. Nicht lange und die kleine piepsige Stimme des Kindes verstummte. Sie war eingeschlafen. Lex drehte die Musik etwas leiser und blickte immer wieder abwechselnd von der Straße auf das Gesicht des friedlich, schlafenden Kindes. Niemals würde er zu lassen, dass ihr irgendetwas passierte.
Dann blickte er auf die Schlagzeile die fett gedruckt über dem Artikel zu lesen war: ERBIN DER MACHT!
Dann las er weiter. Der Artikel beinhaltete im Großen und Ganzen die Statements, die seine Presseabteilung nach der Geburt seiner Tochter veröffentlicht hatte. Das Statement hatte er seinerzeit selbst verfasst, daher war er mit dem Inhalt mehr als vertraut. Komplikationen, die nach der Geburt dazu führten, dass seine Frau für einige Zeit in ein Koma fiel und sie zu einem Pflegefall machten. Ihr tragischer Tod bei einem Großbrand in dem Pflegeheim, in dem sie untergebracht wurde. Sein Rückzug aus der Öffentlichkeit, um die Trauer und die neue Lebenssituation zu verarbeiten und das ganze übliche Geschwätz. Eine weitere Schätzung wie hoch sein Kontostand zurzeit wäre und dann Spekulationen darüber, ob das Kind das Firmenimperium übernehmen wird. Doch als er weiter las wurde er stutzig. Weitere Zeilen behandelten Lenas Charakter, wie impulsiv, aufgeweckt und fröhlich sie war. Das sie versuchte Käfer mit ins Haus zu nehmen, um sie vor Regen und Sturm zu beschützen. Ihre Vorliebe für Delfine. Welche Geschichte ihr zurzeit am besten gefiel. Dies war Insiderwissen und niemand von außen hatte auch nur den Hauch einer Ahnung von den Vorlieben seines Kindes. Die Ausführungen waren sehr detailliert und er musste davon ausgehen, dass die Person, die diesen Artikel verfasst hatte, sich einen persönlichen Eindruck verschafft hatte.
Nachdenklich betrachtete er das zweite Foto, das dem Umschlag beilag: Eine Porträtaufnahme von Lena, wie sie fröhlich in die Kamera lachte. Dieses Foto wurde jedoch nicht, wie das andere in der Öffentlichkeit aufgenommen. Es stammte direkt aus Lenas Kinderzimmer.
„STEVE“, brüllte er. Sein Assistent saß in der Regel nur einen Raum weiter damit er schnell zur Stelle sein konnte, sollte er ihn benötigen. Wütend stopfte er die Papiere wieder in den Umschlag, als sich die Tür öffnete und sein Assistent eintrat. Lex funkelte den Mann wütend an. „Schaffen Sie mir sofort diese schnüffelnde Schlampe Lane her“, befahl er dem jungen Mann. „Zudem benötige ich die Verbindungsdaten, Kontobewegungen und Zugangszeiten der Angestellten des Landsitzes. Besonders die des Kindermädchens. Die Aufzeichnungen der Überwachungskameras für den Innen- und Außenbereichs der letzten 6 Monate besorgen sie mir ebenfalls. “, führte er weiter aus. Vereinbaren Sie einen Termin mit dem Architekten. Den Leiter der Lex-Security will ich heute noch sprechen.“Sein Assistent machte hastige Notizen. Lex schloss für einen kurzen Moment die Augen.
„Lassen Sie sich von Lane nicht abwimmeln, sie soll ihren Arsch hier her bewegen, zur Not schleifen Sie sie her. Jedes Mittel ist mir recht. Nur sehen Sie zu, dass es schnell passiert.“ Seine Stimme wurde wieder ruhiger und er blickte den Mann, der vor ihm stand, an und immer noch auf seinen Notizblock schrieb. „Wird´s bald“, herrschte er ihn an und sah zu wie sein Assistent hastig den Raum wieder verließ. Erneut nahm er den Umschlag und holte die Fotos raus. Nun musste er warten, es fiel ihm schwer. Wie ein Tiger im Käfig lief er in seinem Büro auf- und ab. Er grübelte, wie er sein Sicherheitsleck schnell und effektiv schließen konnte. Zuerst war es logisch, dass die undichte Stelle beseitigt werden musste und das sehr schnell.
Endlich, nach einer gefühlten Ewigkeit rief seine Sekretärin an, um ihm mitzuteilen, dass Lois Lane eingetroffen war. Sollte er sie warten lassen? Nein, dafür war die Angelegenheit zu wichtig. Da stand sie vor ihm. Arrogant und kampfeslustig. Ja, so kannte er sie, so mochte er sie. Jedenfalls war es früher einmal so gewesen.„Lois. Schön, dass Du die Zeit gefunden hast her zu kommen“, mit einem freundlichen Lächeln deutete er auf den Stuhl, der vor seinem Schreibtisch stand. Sie setzte sich, lies ihn jedoch nicht aus den Augen. Ihr war klar, dass sie nicht nur auf einen Kaffee hier war, um über alte Zeiten zu plaudern. „Lex, was soll das? Ich habe zu tun. Also mach es kurz“, erwiderte sie Feindselig und reckte ihr Kinn leicht nach oben. Sie war bereit sich zu verteidigen.
Er setzte sich auf die Kante des Schreibtisches und blickte zu ihr herunter. „Ich denke nicht, dass Du in naher Zukunft noch viel zu tun haben wirst“, seine Stimme war sanft, fast schmeichelnd. Der Briefumschlag mit ihrem Artikel und die Fotos landete in ihrem Schoß. Lex stand auf, ging um den Schreibtisch herum und setzte sich seinen großen Stuhl. „Erklär mir das“, forderte er, sein Blick wurde kalt und unbarmherzig. Lois holte die Papiere aus dem Umschlag und sah sie kurz an, dann warf sie den kleinen Stapel wieder zurück auf den Schreibtisch. „Es liegt im öffentlichen Interesse. Gerüchte machen die Runde“, antwortete sie lapidar und zuckte mit den Schultern. In Lex zuckte ebenso etwas und nur mühsam schaffte er es sich zu beherrschen und sie nicht eigenhändig zu erwürgen. „Der Klimawandel ist öffentliches Interesse, die Stromversorgung liegt im öffentlichen Interesse. NICHT meine Tochter“, für ihn war es vorbei mit den Nettigkeiten. Sie hatte den Bogen eindeutig überspannt. „Lex..“, setzte sie an, doch er unterbrach sie sofort: „Der Artikel wird nicht gedruckt. Du wirst meine Tochter nicht zur Zielscheibe machen. Ich will nicht, dass irgendwelche Reporter auf die Idee kommen sie für ihre Sensationsgier zu missbrauchen.“ Sein Blick machte deutlich, dass es an diesem Entschluss nichts zu rütteln gab. „Weißt Du“, Lois Stimme klang gespielt unschuldig, Lex ahnte, dass jetzt die Hiobsbotschaft kam. „die Bilder wurden bereits an unabhängige Verleger verkauft“, sie sah auf ihre Fingernägel und blickte dann triumphierend zu ihm auf. „DU HAST WAS?“ Luthor platzte der Kragen, er sprang auf und beugte sich weiter über den Schreibtisch. „WIE KANNST DU ES WAGEN. DU BRICHST IN PRIVATES EIGENTUM EIN! VERLETZT PERSÖNLICHKEITSRECHTE und VERKAUFST DIE AUFNAHMEN MEINER TOCHTER AN IRGENDWELCHE SCHMIERBLÄTTER?!“ Er holte tief Luft. „Du bist zu weit gegangen Lois“ fügte er ruhiger hinzu und sah sie an. Lois lächelte unschuldig. „Du weißt, die Zeiten sind hart. Jeder will ein Stück vom Kuchen“, sie stand auf. „Wenn sonst nichts mehr ist“, mit wippenden Gang schlenderte sie zur Tür. Lois Lane wusste, dass sie gewonnen hatte. Lex ließ sich in seinen Stuhl fallen: „Was willst Du?“ Lois blieb mit dem Gesicht zur Tür stehen, sie grinste. „Wie bitte?“ Langsam drehte sie sich um. „Sag mir was Du willst“ er blickte geradewegs an. Keine Spur mehr von Feindlichkeit oder Arroganz. „Lois. Bitte“. Wann hatte er das letzte Mal um etwas gebeten? Er wusste es nicht mehr, doch sie hatte es geschafft. „Ich will das der Planet wieder unabhängig ist.“ Sie setzte sich wieder in den Stuhl vor dem Schreibtisch. „Damit meine ich komplett frei.“ Sie sah ihn heraus fordernd an, schätzte ab, ob sie wirklich am Ziel war. Sein Gesicht drückte verschiedene Emotionen aus. Fassungslosigkeit, Wut, Verzweiflung und Angst? Wann hatte sie jemals Angst in den Augen von Lex Luthor gesehen. Lex räusperte sich und lehnte sich in den Sessel zurück. „Ich gehe davon aus, dass Du bereits Kontakt mit potenziellen Käufern aufgenommen hast“, er sah sie an sie nickte, stand auf und holte einen großen Umschlag aus ihrer Tasche, den sie vor ihn hinlegte. „Es wurde bereits alles vorbereitet.“ Der Umschlag enthielt bereits sämtliche Unterlagen, die benötigt wurden, um den Daily Planet seiner Herrschaft zu entziehen. Sie waren vollständig. Ein Blick auf den Kaufvertrag war ein Schlag ins Gesicht, unter anderen Umständen, hätte er diesen Fetzen Papier sofort zerrissen. Doch die Umstände waren keine gewöhnlichen. Er nahm seinen Stift und unterzeichnete die Seiten, um den Deal rechtswirksam zu machen. „Sollte eines dieser Fotos oder irgendein anderes Foto meiner Tochter jemals veröffentlicht werden, wird Dein Leben und dass der Menschen, die Du liebst zur Hölle und nicht einmal dein heißgeliebter Superman wird Dich da raus holen können“, es war ein Versprechen keine Drohung und Lois wusste das er es ernst meinte. Auch wurde ihr damit klar, dass er die Verantwortung von zukünftigen Veröffentlichungsversuchen seines Erben in ihre Hände legte. Lex stand auf: „Lois, Du weißt ich habe Dich und Deine Arbeit immer respektiert. Selbst Deinen, sehr fragwürdigen Geschmack was deine Partner betrifft habe ich toleriert. Und hättest Du mich gefragt, ich hätte dir und Clark, geholfen die Familie zu gründen, die Ihr Euch gewünscht habt. Ab jetzt bist Du nicht mehr und nicht weniger als irgendein anderer dieser Aasgeier da Draußen. Sollte ich herausbekommen, dass Du mit irgendeinem meiner Angestellten versuchst ein Pläuschchen zu halten, egal welches Thema es betrifft, dann sei Dir ebenso sicher, dass Du damit ein Leben zerstören wirst. Es wird keine Tipps mehr geben, keine Gefälligkeiten und ich werde nicht mehr wegsehen“, er hob den Arm und deutete auf die Tür. „Wenn Du mich jetzt entschuldigst, ich habe noch zu tun“, demonstrativ drehte er sich um und blickte zum Fenster raus. Das Klicken der sich schließenden Tür verriet ihm, dass Lois gegangen war. Er verbarg sein Gesicht in den Händen und dachte über Lenas Zukunft nach.
Im Laufe des Tages besprach er mit dem Architekten die Umbaumaßnahmen des Penthouses. Danach traf er sich mit dem Leiter seiner Security Abteilung, um über geeignete Maßnahmen für die Erhöhung der Sicherheit des Landhauses zu erhöhen. Die Unterlagen des Personals und die Sichtung der Aufnahmen bestätigten seinen Verdacht.
Noch am selben Abend erreichte ihn der Anruf der Mother-Care Agentur, dass Lenas Nanny bei einem Autounfall tödlich verunglückt war, sie jedoch sofort für Ersatz sorgen würden. Fast hätte es ihm leid getan, er bedankte sich für die Information und bat um die Kontaktdaten der Familie. Zumindest seine Kondolenz wollte er ausdrücken und die anfallenden Kosten der Beerdigung übernehmen.
Ein Hupen riss ihn aus seinen Gedanken. Der Zubringer war überfüllt und wie es für Metropolis um diese Uhrzeit üblich war stand er im Stau
So, einige von Euch kennen mich ja bereits und meine Affinität zu den weniger beachteten (geliebten) Chars. Ich hoffe es gefällt Euch, auch wenn es nicht aus der üblichen Superhelden Ecke kommt und zumindest in diesem Teil nicht kommen wird. Also lasst Euch überraschen und teilt Eure Gedanken mit mir. Und nun wünsche ich viel Spaß.
PROLOG
„Daddy! Will weiter!“, das kleine Mädchen lief durch die großen Türen, die hätten geschlossen sein müssen. Ihr kastanienbraunes, schulterlanges Haar glänzte in der Sonne und war noch ganz zerzaust. Sie trug ein weißes Nachthemd bedruckt mit kleinen bunten Einhörner und rannte auf ihren kleinen nackten Füssen auf die große Marmorne Treppe zu. Sie hasste es, wenn ihr Vater wieder gehen musste. Besonders dann, wenn die Geschichte, die er gerade erzählt hatte, noch nicht zu Ende war. Oder er eine weitere erzählen sollte.
Erschrocken drehte sich der Mann im edlen Designer-Anzug um. Sofort ließ sein Griff, um die Tür zu seinem Mercedes SLS AMG Roadster nach, und er lief dem Kind entgegen. Wo zum Teufel war Sophia? Was zur Hölle war mit den Angestellten nicht richtig. Die einzige Aufgabe, die diese Frau zu machen hatte, war, auf seine Tochter aufzupassen und ihre Wünsche zu erfüllen. Spielen, singen, tanzen, Geschichten. Die Türen standen offen, er hatte sie geschlossen, dessen war er sich sicher. Er schloss IMMER die Türen hinter sich. Genau damit, dass, was nun gerade passierte nicht geschehen konnte. Und nun standen genau diese beiden Türen, die eine Barrikade zwischen dem Kind und den Gefahren der Treppe, darstellten offen.
In der Zwischenzeit hatte das Kind, auf wackeligen Beinen, bereits die ersten Stufen der steilen Treppen des Anwesens erreicht. Wann hatte sie gelernt so schnell zu laufen? Und dann passierte es, die Füße stolperten und der Schwerpunkt des Kindes verlagerte sich nach vorne. Sie fiel und drohte mit dem Gesicht voran auf die Marmornen Stufen zu Fallen. Der Weg von seinem Wagen zu seiner Tochter, um ihren Fall zu verhindern, kam ihm unendlich lang vor und er holte alles aus sich heraus, um das Schlimmste zu verhindern. Im allerletzten Moment bekam er eines der kleinen Arme zu fassen und zog das Kind zu sich hoch. „Daddy weiter“, sagte das Mädchen und drückte kichernd seine Nase gegen seinen Hals. Er schloss die Augen und drückte das Kind fest an sich, sein Herz raste, sein Atem ging, ob des schnellen, ungewohnten Laufs heftig. „Heute Abend, mein Schatz. Versprochen. „Sagte er sanft, sein Herz pochte bis zum Hals. Tief atmete er den Duft des Kindes ein und spürte, wie er sich langsam wieder beruhigte. Das Adrenalin, das ihn gerade eben noch zur Höchstleistung getrieben hatte, ließ nach und sein Atem wurde ruhiger.
Eine dunkelhaarige Frau erschien, abgehetzt, in der Tür. Sie schien erleichtert, dass dem Kind nichts zugestoßen war und doch spiegelte ihr Blick den blanken Horror wider, der sich gerade in ihrem Inneren abspielte. Sie schluckte schwer und lief den beiden entgegen. „Mr. Luthor, Sir. Es tut mir leid“, ihr spanischer Akzent war unüberhörbar. Es waren nur zwei Minuten, die sie abgelenkt war. In dieser Zeit musste die kleine Luthor an ihr vorbei sein, um ihrem Vater hinterher zu laufen. Etwas dass das Kind jeden Morgen, wenn er in die Stadt fahren musste, tat. Montags war es meistens besonders schlimm. Da ließ sich das Kind nur schwer beruhigen und Sophia war froh, dass ihr Arbeitgeber noch keine Kenntnis hatte. Er zahlte ihr einen guten Lohn, dafür verlangte er allerdings auch sehr viel. Und es gab Gerüchte, über den Unfall, den ihre Vorgängerin erlitten hatte. Also versuchte sie ihr Bestes um seinen Anforderungen gerecht zu werden. Auch wenn es sie manchmal zur Verzweiflung trieb jeden, wirklich jeden Wunsch des Kindes erfüllen zu müssen.
Lex Luthor blickte die Frau, die zitternd an seine Seite trat nicht an. Hätte er es getan, dann wäre er explodiert und das wollte er seiner Tochter ersparen. Natürlich konnte er diesen Fehler nicht tolerieren und würde es auch nicht. Aber erst heute Abend, wenn Lena bereits schlief. Dann hatte sich die Frau bei ihm zu erklären. Wie er danach weiter verfahren würde, machte er von ihrer Rechtfertigung abhängig. Diese Art von Gesprächen waren nicht für die Ohren einer 2-Jährigen bestimmt. Sie würde noch früh genug erwachsen werden und, wenn es nach ihm ginge, irgendwann selbst einmal diese Art von Gesprächen führen. Doch das Erwachsen werden hatte noch Zeit, sehr viel Zeit. „Sei lieb und hör auf Sophia, sonst hatte sie heute ihren letzten Tag hier“, sagte er in sanften Ton zu dem Kind und lächelte sie an. Sein Blick war eisig, als er die Nanny dann doch ansah und ihr das Kind übergab. „Sorgen Sie dafür, dass so etwas nicht noch einmal passiert“, seine Stimme hatte einen warnenden Unterton. „Wir sehen uns heute Abend und dann lese ich weiter“, wandte er sich in zärtlichen Tonfall noch einmal an seine Tochter und verabschiedete sich mit einem Kuss auf der Stirn von dem Kind. Dann ging er die Treppe herunter, richtete sein Sakko, dass beim Laufen verrutscht war und stieg auf der Fahrerseite seines Wagens ein. Ein Blick auf den Beifahrersitz zeigte ihm, dass wenigstens sein persönlicher Assistent seine Arbeit verstand. Den Korb, der eine Flasche Champagner, 2 Gläser und einen Strauß roter Rosen beinhaltete wurde sogar sorgfältig angeschnallt, damit kein Missgeschick passieren konnte.
Langsam fuhr er die lange Auffahrt, die zu seinem Landhaus führte, herunter. Es war ein großes Anwesen. Wenn man von vorne darauf zu fuhr sah es aus wie ein durchschnittliches Landhaus. Ein Ferienhaus für die Städter, die sich ein wenig in der Natur erholen wollte. Hatte das Haus jedoch betreten, teilte es sich nach hinten hin in 2 verschiedene Richtungen. Eine große, edle Holztreppe mit Verzierungen, die sich in der Mitte teilte, bildete das Herzstück des Empfangsbereiches. Die Räume auf der rechten Seite des Hauses lagen bildeten, wurden ausschließlich für die privaten Zusammenkünfte mit ihm und Lena genutzt. Sein Schlafzimmer, Arbeitszimmer, Wohnzimmer und der Essbereich, sowie Spiel- und Schlafzimmer seiner Tochter befanden sich auf dieser Seite. Der linke Teil des Hauses wurde, außer an den Wochenenden grundsätzlich tagsüber genutzt. Lex wollte nicht, dass sein Personal in seiner Abwesenheit in seine privaten Räume eindrang, besonders sein Arbeitszimmer war mehrfach gesichert, um unbefugte fernzuhalten. Der linke Teil war der meistgenutzte Teil des Hauses, da sich hier Lenas leben abspielte, wenn er abwesend war. Auch hier gab es ein Spiel- und Schlafzimmer für seine Tochter. Zusätzlich ein Esszimmer für die Mahlzeiten und einen weiteren großen Raum als Wohnzimmer. Hinter dem Haus gab es ein weiteres Haus, in dem ein Pausenraum für die Angestellten, sowie die Küche, Hauswirtschaftsräume und der Bereich der Sicherheitsleute untergebracht waren. Beide Häuser waren durch einen kleinen Flur miteinander verbunden.
Dahinter erstreckte sich ein riesiger, Parkähnlicher Garten. Alte, hohe Bäume standen ringsherum und spendeten Schatten, wenn die Sonne hochstand. Es gab einen kleinen Pool, dessen kristallklares Wasser bis zu den Waden ging. Ein großer Sandkasten mit einer kleinen Wippe, Schaukel und einem Spielhaus fand man dort ebenfalls. Alles miteinander verbunden durch eine gepflegte Rasenfläche, die ebenfalls als spiel- und tobe Fläche genutzt wurde.
Lex hatte es nach dem Tod von Lenas Mutter geerbt. Ebenso wie er alles andere von ihr erbte, einschließlich ihrer Anteile an seinem Firmenimperium. Die Ehe an sich hatte er bereits nach kurzer Zeit bereut. Doch rückblickend gesehen, war es die richtige Entscheidung gewesen. Der silberne Mercedes fuhr umringt von Bäumen auf das große, moderne, mit dem besten Security Systemen, die er entwickelt hatte, zu. Rechts und links säumten Bäume den sorgfältig asphaltierten Weg. Ein Blick in den Rückspiegel zeigte ihm, das große Anwesen, dass langsam kleiner wurde. Lena war bereits wieder im Haus. In Sicherheit. Jedenfalls hoffte er es.
Fast bedauerte er es, dieses Landgut aufgeben zu müssen. Die Ereignisse der letzten Monate machten es allerdings notwendig. Die schmerzhafte Erkenntnis, dass selbst die besten Sicherheitssysteme nicht zwangsläufig dazu führten neugierigen Blicken entgehen zu können. Ein umfassender Umbau seines Penthouses in Metropolis war nötig, damit er Lena zu sich in die Stadt holen konnte. Vorteilhaft daran war, dass er sich die lange Fahrt sparen konnte und dass seine Tochter, auch während er arbeitete bei ihm sein konnte. Das vermittelte ihm das Gefühl der Sicherheit. Niemand konnte besser auf sein Kind Acht geben als er selbst. Das Landhaus war dann nicht mehr nötig. Vielleicht noch als Ferienhaus, oder als Reitstall, sollte Lena irgendwann einmal Pferde haben wollen. Bis dahin hatte er noch genügend Zeit zu überlegen. Endlich hatte er das Tor passiert, dass sich hinter ihm wieder schloss.
Die Uhr im Armaturenbrett zeigte 8.30 Uhr an. Es würde noch eine halbe Stunde dauern, bis er das Waldgebiet verlassen und eine weitere Stunde, um wieder in Metropolis zu sein. Also konnte er die Zeit auch sinnvoll nutzen.
Geschrieben von: June - 16.08.2021, 12:58 - Forum: The Others
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Kapitel 12
but maybe
Dean stand an der Küchenzeile im Pausenraum und goß kalten, starken Kaffee in seinen To-Go-Becher mit Stanford-Aufdruck.
Der Tag war lang gewesen, oder viel eher der Arbeitstag war lang gewesen; Er hatte mit der Frühschicht begonnen und das auch noch an einem Sonntag.
Aber jetzt war es früher Nachmittag und Kevin und er hatten es geschafft.
Endlich.
Dean verdeckte halbherzig ein Gähnen mit seinem Oberarm und fuhr sich dann mit der Hand über die Augen.
Er wollte nach Hause, sich noch kurz aufs Ohr legen und-
Okay, weiter hatte er bis jetzt noch nicht gedacht, unter anderem, weil mit Steve telefonieren keine Option war, egal wie gerne er ihn anrufen würde.
Earl war seit Mittwoch wieder da und das hatte ihre Kontakte auf Steves Zeit im Laden beschränkt; Manchmal hasste er es, dass Steves Laden Sonntags geschlossen hatte, oder viel eher hasste er die Grundsituation.
Bei dem Gedanken, dass er ihm frühestens Montag wieder sicher schreiben konnte, zog es unangenehm in seiner Brust und seine Augen verdunkelte sich unwillig.
Er- Er wollte Steve schreiben. Er wollte mit ihm telefonieren, seine Stimme hören, die Art, wie er die Wörter betonte, wie die Abgründe zwischen seinen Silben klangen, das leichte Lachen, das ihm manchmal entkam und das er versuchte zu verstecken.
Er wollte-
Fuck.
Deans Hand fuhr grob über seine Haare, in dem vergeblichen Versuch, seine Gedanken etwas mehr zu ordnen, und sein Blick glitt automatisch zur Uhr im Pausenraum; Es war kurz nach zwei und Dean legte nachdenklich den Kopf schief. Als könnte er daran einen Indikator abschätzen, wie wahrscheinlich oder unwahrscheinlich es war, dass es Steve im Moment gut ging.
Gott, er hasste es;
Er hasste Earl, er hasste die Situation, in der Steve sich befand, er hasste es, ihm nicht helfen zu können, dass Steve sich nicht helfen ließ;
Er hasste das konstante Vibrieren der Sorge in seinem Inneren, wie eine ständig zu stramm gespannte Gitarrensaite, die immer leicht in einem tiefen Basston durch seine Knochen schwang und- Nein.
Nein, er hasste die Sorgen, die er sich um Steve machte nicht im geringsten, er-
Er hasste nichts an ihm, es war eher das genaue Gegenteil. Er konnte nicht aufhören, an ihn zu denken; Die blauen, tiefen Augen, die strahlen und funkeln konnten, regelrecht leuchteten, wenn er wirklich fröhlich oder wirklich wütend war, die dunklen unordentlichen Haare, an denen sogar Charlie verzweifelt war und die so weich und seidig aussahen, dass er kaum dem Drang widerstehen konnte, seine Finger hindurch gleiten zu lassen, die tiefen, baritonen Wellen seiner rauen Grabesstimme. Sein Witz und Humor, seine sanfte, liebevolle und liebenswürdige Art, sein merkwürdiger Faible für Bienen - Steve war-
Er-
Er hasste nur dass er nichts für ihn tun konnte.
Wenn jemand Hilfe verdiente, dann wäre es Steve.
Wenn jemand Glück verdiente, dann war es Steve.
Er würde- wenn er nur-
Dean seufzte und fuhr sich wieder über seine Augen, strenger diesmal, konzentriert und er atmete tief durch.
Egal, wie unfair das war, oder eher wie unfair er das empfand, er konnte daran nichts ändern.
Er konnte nichts daran ändern, dass Steve jetzt bei Earl war, er konnte nichts daran ändern, dass Steve generell mit Earl zusammen war und nicht mit ih- Jemand anderem. Jemand, den er verdiente, der ihn verdient hatte. Jemand gutes, auf den er sich verlassen konnte, der für ihn da war, ihn verstand und schätze und-
Jemand - anderen, eben.
Er konnte nichts daran ändern, wie hilflos er sich fühlte - oder Steve. Er konnte nur - warten.
Morgen war schon Montag.
Morgen könnte er ihm wieder schreiben, sich davon überzeugen, dass es ihm gut ging, dass alles in Ordnung war und- und bis dahin würde er jetzt einfach auf Kevin warten, der noch in der Umkleide war, und dann nach Hause fahren.
Er hoffte nur, Kevin würde nicht mehr allzu lange brauchen, aber vermutlich warf er gerade wieder Herzchen-Augen auf sein Handydisplay, weil Jo ihm geschrieben hatte.
Bei dem Gedanken musste Dean leicht schmunzeln und er öffnete seine Fotogalerie auf dem Handy, während er sich gegen den Tresen lehnte und an seinem kalten Kaffee nippte.
Die Halloween-Party war letztes Wochenende gewesen.
Kevin und Jo hatten seither regen Kontakt, Kevin dazu immer ein Lächeln auf den Lippen und Jo offensichtlich ständig ihr Handy in der Hand; Dean wusste nicht, wie sie es sonst anstellte, Kevin immerzu Nachrichten zu schicken.
Dean stoppte das Wischen durch die Galerie bei einem Gruppenfoto, auf dem besonders gut zu erkennen war, wie sehr Kevin Jo anhimmelte, die gerade in die Kamera sah.
Er lächelte bei dem Anblick und schüttelte leicht den Kopf.
Er könnte nicht sagen, dass er das erwartet hatte, aber hey, wenn die beiden sich gut taten, war er der letzte, der sich beschweren würde.
Sein Daumen wischte weiter durch die Galerie und über verschiedene Schnappschüsse; Charlie, die Gilda Huckepack trug, Charlie, Gilda und Jo auf der Tanzfläche, Kevin eingeschüchtert von Benny, Garth mit mehreren Cheeseburgern auf einem Teller und - Steve.
Steve mit Charlie, Steve mit Gilda, Steve mit Benny, Steve alleine, Steve an der Bar, ein Selfie von Steve und ihm, noch ein Selfie- noch eins, Steve auf der Tanzfläche mit Jo (und Kevin unbegeistert im Hintergrund), Steve, Steve, Steve, nochmal eines von Steve, wieder eines und noch eines und noch-
Wie viele hatte er gemacht?!
Dean räusperte sich unwohl, verließ die Großansicht und überflog die Übersicht der Bilder.
Verdammt, er hatte… viele Bilder von Steve gemacht.
Er blickte sich einmal kurz um, als könnte ihn jemand dabei beobachten, wie er etwas verbotenes tat, ehe seine Augen über die Bilder flogen, über die zahlreichen Bilder.
Fuck, er hatte ein Probl-
Dean runzelte kurz die Stirn und klickte ein Bild an, das offensichtlich nicht er gemacht hatte;
Das Bild war von hinter dem Tresen aufgenommen und er meinte sich in diesem Moment dunkel daran zu erinnern, dass Benny einmal nach seinem Handy gefragt hatte.
Steve und er saßen eng beieinander, die Köpfe zusammengesteckt, vor sich ein gemeinsamer Teller vom Buffet, Steves Hand lag locker auf dem Tresen, Deans Hand direkt dahinter, aber sein Daumen hatte sich in die Kuhle zwischen seinen Fingerknöcheln gelegt.
Dean er erinnerte sich an das Gefühl der weichen Haut unter seinen Schwielen, an die Wärme und das feine Spiel der Sehnen.
BIld-Dean lachte, den Kopf nach hinten geworfen, den Mund weit offen, die Augen geschlossen - er erinnerte sich nicht mehr daran, was Steve genau gesagt hatte, das ihn so zum Lachen gebracht hatte, aber er erinnerte sich an das Gefühl, an das warme Knistern in seinem Inneren, das mit seinem Lachen nach oben geblubbert war und Steve - sah ihn an.
Er sah ihn direkt an, mit großen, leuchtenden Augen, einem so breiten Lächeln, dass man sein Zahnfleisch sah, breit und voller Freude und - und-
Er sah fast stolz aus, wie er Deans Lachen beobachtete, für das er der Grund war, stolz, warm und - beinahe zärtlich.
Sein Schlucken war hart, als er versuchte nicht in dem Anblick des Fotos unter zu gehen, nicht darin zu zerschmelzen, wie intim sie wirkten, wie vertraut und zufrieden.
Es war nur ein Augenblick, alle Fotos waren nur Augenblicke, ohne Kontext, ohne Bezug zur Realität, aber auf diesem Bild-
Man- Man könnte fast meinen, sie wären- Steve wäre-
Ein Lächeln zuckte in seinem Mundwinkel und es war lächerlich, aber trotzdem hob er den Daumen, um Foto-Steve über die Haare zu streichen, deren samtige, weiche Struktur er sich nur vorstellen konnte.
Eine Berührung, die nicht wahr war, sondern völliger Blödsinn, die es nicht in der Realität gab, aus dem Kontext gerissen genau wie das Foto, aber- was würde er nicht-
Wenn er nur könnt-
Sein Handy fiepte viel zu schrill mit einer Nachricht und riss ihn brutal aus seiner Blase.
Es entwischte beinah seinem Griff, aber er konnte es gerade noch halten und hektisch gegen seine Brust drücken.
Verdammt noch mal, Winchester!
Dean tat einen tiefen Atemzug, schielte unauffällig um sich herum und hinter die Glaswand des Pausenraums, ob ihn jemand bei seiner- was auch immer das gewesen war -, beobachtet hatte, aber scheinbar hatte er seine Peinlichkeiten immerhin nicht öffentlichkeitswirksam zur Schau gestellt.
Er atmete nochmals tief durch und sah dann nach der Nachricht, die seine Trance gebrochen hatte.
<b>Garth:
Deano
Blöde Frage
Aber dein Buddy, von der Feier
Steve
Vielleicht solltest du ihn anrufen?
Ich glaube er braucht gerade einen Kumpel</b>
Dean brauchte ein paar Herzschläge, bevor er die Worte der Nachrichten verarbeitet und verbunden hatte.
Seine Schultern wurden mit jedem Wort, jeder Silbe, die in sein Bewusstsein drang, härter und angespannter. Seine Zunge fühlte sich trocken an, schwer, als er hart schluckte, bevor er sich damit unbewusst über die Lippen fuhr.
Seine Daumen schwebten über den Tasten, die Fingerspitzen gefüllt mit hektischen, besorgten Fragen, die er nicht in Worte fassen konnte;
Wo hatte Garth Steve gesehen? Was war los? Wies-
Ein Bild lud sich in den Chatverlauf.
Der schale Kaffee in seinem Magen wurde zu Eiswasser, ihm wurde kalt, übel und er schluckte schwer gegen das Gefühl von trockener, heißer Galle in seinem Mund.
Das Bild zeigte Steve.
Er stand an der Tür einer Hochbahn und man musste ihn nicht einmal kennen, um zu sehen, wie sehr er sich bemühte, sich zusammen zu reißen; Die Haut in seinem Gesicht war rot und fleckig, vermutlich von der Kälte draußen und mühsam zurückgehaltenen Tränen, seine Augen weit aufgerissen, glasig, starr und gerötet. Er hielt den Kragen seines weißen Hemdes vor der Brust verkrampft zusammen und Dean war sich sicher, dass seine Hände zitterten.
In der anderen Hand hielt er - Gottverdammt - Er hatte seine Schuhe in der Hand. Deans Augen glitten auf dem Bild nach unten und - ja. Er war nur in Socken zur Hochbahn gelaufen.
Wo war seine Jacke?!
Dean zog scharf und tief die Luft ein, während er sich mit der Hand streng über Augen und Haare fuhr, um sich zu erden.
Gott! Gott, verdammt, Steve! Was musste passieren, damit man ohne Jacke und Schuhe aus dem Haus rannte?!
Wieso war er nicht-, wieso hatte er nicht-
Vollkommen egal.
Sein nächste Atemzug war ruckartig, fast gebieterisch.
Seine Zunge fuhr nochmals über seine Lippen und der darauffolgende war beherrschter, ruhiger, dann noch einer - noch einer - einmal noch, bis sein Atem ausgeglichen war, beruhigend eben und tief; Er öffnete Steves Kontakt (ja, vielleicht hatte er ihn unter Favoriten abgespeichert, na und?!) und wählte die Nummer.
Bitte, schickte Dean ein Stoßgebet zu jedem Gott, der zuhören wollte, Bitte, hab dein Handy dabei!
Sein eigenes piepste wieder und er zog es kurz vom Ohr, um die Vorschau der Nachricht zu sehen.
<b>Garth:
Es klingelt!</b>
Dean schloss erleichtert die Augen und wartete, das stetige Klingeln in seinem Ohr, wieder und wieder und wieder, bis die Erleichterung in kalter Panik ertrank.
Er nahm nicht ab. Er nahm nicht ab!
Sein Hals wurde eng und seine Finger krallten sich fest in die rauen Fasern seiner Jeans, sein Finger trommelte einen hektischen, ungeduldigen Rhythmus auf den Rücken seines Handys.
Steve würde das nicht tun. Er würde ihn nicht ignorieren, richtig? Er- Er würde sich nicht von ihm wegdrehen, wenn er HIlfe brauchen würde, richtig?
Dafür gab es keinen Grund, oder? Wieso sollte er Dean nicht helfen lassen?
Nein, er- Er würde rangehen.
Jeden Moment. Jeden Moment.
“Komm schon, Steve. Komm schon. Komm scho-!”
“Dean?”
Dean lief meistens, eigentlich immer, ein Schauer über den Rücken, wenn er Steves Stimme hörte, das grabestiefe, vibrierende Dröhnen seiner Worte, die in seinem ganzen Körper resonierten und ihn sich warm und flirrend fühlen ließen. Die Schauer waren heiß, kribbelnd und wohlig auf und unter seiner Haut.
Aber diesmal wurde die atemlose Erleichterung, die er spürte, als Steve endlich abnahm, nicht von dem heißen Schauer unterstrichen; Das Zittern seiner Schultern unter diesem einen Wort war frostkalt.
Steves Stimme war mühsam mit letzten Resten Selbstbeherrschung zusammen gehalten, wacklig und feucht, als könnte sie bei der kleinsten Berührung zerspringen, wie feines Glas.
Er hörte das Zittern, in seiner Stimme, in diesem einen Wort, hörte die eiskalte Angst in ihm vibrieren, wie ein Erdbeben unter einem Kartenhaus und Dean musste einen Moment die Augen schließen, um sich selbst zusammen zu halten.
Dean schluckte hart - gegen die eigene Angst, gegen die Erinnerung, als er ihn das letzte Mal so gehört hatte, blutend, aufgelöst und voller Schmerzen, gegen die heiße Qual, die er bei dem Gedanken verspürte, dass er jetzt nicht bei ihm war - und zwang ein Lächeln auf sein Gesicht, überschäumend mit Zuversichtlichkeit und Wärme, damit jeder noch so kleine Funke davon es in seine Stimme und durch die Leitung schaffen würde.
“Heya, Steve.”
Er hörte, wie Steve zittrig und schnaubend Luft holte, bevor er schniefte und die Luft wacklig durch den Mund ausstieß.
“Dean- Ich, was- Es-” Er musste wieder tief atmen, feucht und scharf. “Es- Es passt- passt gerade nicht- so gut, Dean. Was-?”
Steve brach ab, ob aus Mangel an Worten oder aus Angst, seine zitternde, rissige Stimme würde in der Mitte durchbrechen und wie Bleikristalle auf dem Boden zerschellen, konnte Dean nicht sagen. So oder so, es zog übel und kalt in seiner Magengrube.
Steve versuchte ihn abzuwimmeln. Er brauchte offensichtlich Hilfe - und er-
Er kam nicht zu Dean. Im Gegenteil, Steve versuchte sogar, sich von ihm abzuwenden.
Wieso-?!
Dean schloss für einen eigenen Atemzug kurz die Augen und kämpfte laute, harte Wellen voller Emotionen, die in diesem Moment nichts zu suchen hatten, hinter eine Mauer.
Das einzige, das im Moment wichtig war, war Steve und sein Wohlbefinden, egal, wie sehr er Earl jeden Zahn einzeln ausschlagen wollte, egal, wie tief es in ihm zog, weil Steve nicht zu ihm kommen wollte, sich sogar abwandte, obwohl er ihm helfen könnte, helfen wollte, egal wie weh es tat, ihn so zu hören.
Es ging nur um Steve.
Nur um Steve und sein Wohlbefinden, nicht um Deans angekratztes Ego. Steve hatte seine Gründe, die hatte er bestimmt.
Steve hatte ihm eine Frage gestellt - und Deans erster Impuls war, zu lügen.
Einfach sagen, dass es Zufall war, dass er ihn jetzt angerufen hatte, ein bisschen das Universum in seinem Ermessen verbiegen, Steve das Gefühl von Vorsehung und Sicherheit geben, weil Dean da wäre, wenn er ihn brauchte, ohne, dass er ihn darum bitten musste, weil er da wäre, auch wenn Steve seine Hilfe nicht wollte, immer erreichbar und sicher und für ihn da, wenn er sich anders entschied, wenn er doch zu Dean laufen wollte.
Er könnte ihm die Schmach ersparen, in dieser Situation ausgespäht und beobachtet worden zu sein.
Aber-
Er konnte Steve nicht anlügen.
Er wollte Steve nicht anlügen.
Dean rief sich einen Moment das Bild, das Garth ihm geschickt hatte, ins Gedächtnis und seine Zunge benetzte nervös seine Lippen. Garth musste ihm schräg gegenüber sitzen, etwas zu seiner Linken
Er würde ihn nicht anlügen.
“Schau nach links, Steve.”
Er hörte es an seinem stockendem Atem, als Steve Garth erspähte, an dem langen Moment Stille, der die Leitung füllte, bis die Durchsage der Hochbahn die nächste Haltestelle ausrief.
Dean hörte, wie Garth laut verkündete Das ist nicht meine Haltestelle! - Bye, Steve! und dann - vermutlich - die Bahn verließ.
Er schüttelte über Garth den Kopf und ein Lächeln schlich sich auf seine Lippen.
“Er hat fluchtartig die Bahn verlassen, als du ihn angeschaut hast, oder?”
Steves schnaubendes Lachen war feucht und brüchig, aber da.
“Ja, hat er. Ich hoffe, er- nicht, dass ich- Ich wollte nicht-”
“Garth ist ein großer Junge, keine Sorge. Der kommt klar.”
Dean konnte sich fast vorstellen, wie Steve zustimmend aber gedanklich bereits abwesend nicken würde.
Stille breitete sich wieder in der Leitung aus und Dean schluckte, um seine Stimmbänder von dem klammen, trockenen Gefühl zu befreien, das der Klang von Steves brüchiger, zitternder Stimme in ihm auslöste.
Wenn er nur-
Er würde alles dafür tun, wenn er ihn jetzt halten könnte, stützen, schützen. Einfach für ihn da sein, in seine Arme schließen und die Kälte und Angst aus ihm vertreiben.
Er würde seine Finger in Steves Haare gleiten lassen, sanft über seinen Kopf streichen, während er ihn an sich drückte, sicher und fest, bis das Zittern seine Muskeln verlassen hatte und seine Stimme wieder fest und grabestief wäre. Er wäre-
Er könnte-
Wut kochte in ihm hoch, heiß und schäumend und er schluckte nochmals, um sie seinen Hals wieder hinab zu zwängen. Er würde Earl- Wenn er ihn jemals zu Gesicht bekam-!
Nicht jetzt.
Das war jetzt nicht wichtig, Steve war wichtig.
Gott, Steve!
Was war nur passiert?!
War er verletzt?
Was hatte Earl getan, dass er-
Dean versuchte im Kopf durchzugehen, wo von Steves Wohnung aus die nächste Hochbahnhaltestelle wäre - wenn er sich nicht irrte, weiter weg, als ihm lieb war.
Dieser Bastard. Dieser verdammte Bastard.
Er räusperte sich.
“Steve?”
“Dean, ich-”
“Steve, was ist pa-”
“Dean.” Die Verzweiflung in Steves Stimme war einen Moment so dick und greifbar, dass Dean sie fast auf seiner Brust spüren konnte, bevor ein weiteres, unterdrücktes Schniefen sie abschüttelte. “Dean, ich- kann nicht- hier- ich- Bitte.”
Sein Atem zitterte, seine Stimme war brüchig, nur mühsam zusammengehalten, voller Risse gefüllt mit unterdrückten Tränen und der Drang, seine Arme um Steve zu schlingen, ihn zu halten, zu wiegen, durch seine Haare zu streichen, ihn sich sicher fühlen zu lassen, warm und behütet, während er in seine Schulter weinen könnte, so viel er wollte, konnte und brauchte, war geradezu unerträglich.
Es erstickte ihn, leer und atemlos und voller Sehnsucht, aber er kämpfte es hinunter und zwang sich , wenigstens seine Schultern zu entspannen und nickte ein paar Mal.
“Natürlich, Engel. Hey, es ist alles in Ordnung.”
Ein schniefendes Wimmern drang durch die Leitung, bevor er hörte, wie Steve geradezu nach Luft schnappte, als wolle er sie hinunterschlucken, dann weitere, deutliche, laute Atemzüge, die mit dem Zug in die Lunge die letzten Reste Selbstbeherrschung sammeln sollten.
Dean wartete geduldig, die Augen geschlossen, sein Herz krampfend vor Wut, Mitgefühl und deplatzierter Zuneigung, bis Steves Atem wieder ruhiger wurde und er ein deutliches Schlucken hörte.
“Wo fährst du hin?”
Diesmal klang es fast nach einem Lachen, aber vollständig freudlos.
“Ich weiß es nicht.”
Ein lautes, tobendes Fahr zu mir! dröhnte durch Deans Kopf, aber er presste die Lippen aufeinander, damit es nicht entkommen konnte.
Trotzdem wollte er ihn schütteln, bis er es verstanden hatte; Steve könnte zu ihm kommen, immer, jederzeit, er würde- Er wäre-
Nicht jetzt!
Dean nickte wieder, mehrfach, während er überlegte, was er tun könnte, wie er helfen könnte, was-
“Ich brauche deine Hilfe”, der Gedanke schoß spontan und unüberlegt durch seinen Kopf, wie eine Flipperkugel und er hoffte nur, betete fast schon, das Steve- das Steve ihm diese Ausrede durchgehen lassen würde. Dass Steve sich selbst die Ausrede durchgehen lassen würde.
“Was? - Ich meine-” Er hörte das sortierte, angestrengte Räuspern. “Wobei?”
“Charlie will, dass ich mir ein neues Outfit anschaffe, für Thanksgiving - sonst bekomme ich keinen Truthahn und - uh - ich dachte, vielleicht, hilfst du mir? Sonst muss ich mit Charlie shoppen gehen und ich sage nur Montage - das überleb ich nicht nochmal.”
Alles davon, war wahr. Er hatte eine lange Diskussion mit Charlie geführt, ob karierte Hemden eine angemessene Aufmachung für Thanksgiving waren oder nicht - und am Ende hatte er verloren. Und nein, er würde nicht nochmal mit Charlie Outfits kaufen gehen, einfach weil er nicht noch einen Tag überstehen würde, an dem in Dauerschleife Walking on Sunshine lief.
Er hatte Steve wirklich fragen wollen, ob er ihm beim Shoppen unterstützen wollte; Nur eben unter anderen Umständen.
Er hörte, wie Steve einen zittrigen, unsteten Atemzug nahm.
“Dean, ich-”
Deans Augen schlossen sich von selbst und er presste die Lippen aufeinander.
“Steve.” Gott, er klang fast atemlos, aber, er konnte nicht. Er konnte Steve nicht einfach weiter in der Hochbahn fahren lassen, frierend, aufgelöst und ängstlich. Er musste sich selbst davon überzeugen, dass es ihm gut ging. Er musste-
“Ich muss dich sehen, bitte.” Dean schluckte hart, benetzte seine zu trocknen Lippen und räusperte sich. Normalerweise wäre es ihm unangenehm, so - offen zu sein, so flehend zu klingen. Aber bei Steve konnte er das, er vertraute Steve - und es wäre nur fair. Er kannte auch Steve an seinen dunkelsten Orten. “Bitte.”
Die Stille war zäh und dickflüssig, verstopfte die Leitung mit ihrer Leere und Deans Herz krampfte in seiner Brust.
“Ste-”
“Okay.” Dean sackte erleichtert in sich zusammen und rieb über seine Haare. Steves Stimme klang immer noch zittrig, aber fester. “Ich-”
Das leise Lachen, das sich tief durch die Leitung zwängte, war immer noch feucht, fast zersplittert, aber trotzdem konnte er die Spuren des Amusements heraushören.
“Ich- natürlich, helfe ich dir, Dean. Sehr gerne.”
Dean ließ sich gegen den Tresen sinken, schickte ein stummes Dankgebet in den Himmel und fuhr sich über die Haare, die Augen geschlossen.
“Cool, Danke. Uh- die, die Bahn in der du bist, fährt die an der Mall-Haltestelle vorbei? Wir könnten uns dort treffen? Ich- ich kann gleich da sein. - Falls nicht kann ich- dich abholen?”
Steve musste ihm nur sagen, wo er wäre, wo er sein würde, Dean wäre dort.
Die Stille verhärtete seine Muskeln, spannte sie an, lang gedehnt, fast schmerzhaft, fest, pulsierend, wartend und dann-
“Danke, Dean.” Seine Stimme war leise, fast nur ein Flüstern, tiefe, leise Wellen, Bewegungen in einem Teich, dessen Grund man nicht kannte. Sie erfassten Dean, tropften in seine Ohren, auf seine Muskeln und Knochen und er entspannte sich mit einem erleichterten Atemzug, weil das so viel mehr wie Steve klang, wie sein Steve, als das zitternde, brüchige Klirren von fast zersplitterndem Bleiglas. “Die- Die Bahn fährt zur Haltestelle, denk ich. Ich- Es wird noch ein bisschen dauern.”
Deans Mundwinkel zuckte in einem Lächeln nach oben.
“Hey, ich danke dir. Und kein Problem, Steve, ich werde da sein. Bis gleich.”
“Bis gleich, Dean.”
“Oh, und - uh, Steve?”
“Ja?”
Dean räusperte sich kurz, bevor er weiter sprach, versuchte, seine Stimme so kausal und gelassen, wie irgend möglich klingen zu lassen. . “Setz dich bitte und - uh - zieh deine Schuhe an. Aber, setz dich auf jeden Fall, okay?”
Diesmal klang das schnaubende Lachen wieder feuchter, gefährlich brüchig, aber er hörte die Zustimmung daraus.
“Ja, das mach ich. Danke, Dean.”
“Bis gleich.”
Er legte auf, zog noch einmal selbst beruhigend die Luft ein und nickte dann, ehe er sich auf dem Absatz zur Tür drehte um, möglichst schnell in die Gänge und in die Mall zu kommen - und stand plötzlich genau vor Kevin.
Fuck!
Kevin lachte auf, offensichtlich musste Deans Gesicht seine Gedanken unverfälscht widerspiegeln.
“Du hast mich vergessen, oder?”
Gott, wie konnte er nur Kevin vergessen?! Verdammt, er nahm ihn fast jeden verdammten Tag mit!
“Kev, ich- uh-”
Kevin unterbrach ihn mit einem freundschaftlichen Schlag auf die Schulter und schob sie beide dann Richtung Ausgang.
“Hey! Kein Problem, Dean!”, sein Grinsen veränderte sich von breit und stichelnd zu kleiner und schüchtern. “Ich- wollte eh bei Jo in der Wache vorbei schauen und vielleicht mit ihr einen Kaffee trinken, wenn sie Zeit hat. Also nehm ich einfach die Bahn.”
Dean drehte sich zu ihm, nachdem Kevin ihn gerade in den Aufzug geschoben hatte, und zog ihn in eine feste Umarmung.
“Danke, Kev!”
Kevin lachte gegen seine Schulter und klopfte wieder auf seinen Rücken.
~*~
Deans Herzschlag hämmerte den ganzen Weg über; Seit er Kevin bei der Bahnstation raus gelassen hatte, klopften seine Finger unruhig auf dem Lenkrad, er fuhr zu aggressiv, zu gereizt, zu schnell und bremste zu scharf.
Aber er wollte - konnte - Steve keine Sekunde länger warten lassen, als unbedingt notwendig, falls er schon an der Mall wäre.
Er konnte es kaum ertragen, wenn er sich vorstellte, wie die zitternde Gestalt über den Parkplatz lief, bis er endlich in der Mall wäre oder - schlimmer noch - so dämlich wäre, auf dem Parkplatz auf ihn zu warten.
Seine Augen waren mehr auf seine Umgebung und die Passanten gerichtet, um Steve möglichst früh zu erspähen, als es für ihn und den Verkehr gut war.
Trotzdem schaffte er es ohne Unfall (es war knapp gewesen) auf den Mall-Parkplatz und parkte Baby möglichst nah an dem Ende mit der Hochbahnstation.
Er drehte sich fast hektisch noch im Fahrersitz um, um auszuschließen, dass Steve gerade jetzt an ihm vorbei lief, aber- nein.
Dean atmete einen Moment lang tief ein und aus, bevor er sich über die Haare fuhr, Babys Lenkrad einmal liebevoll und entschuldigend, für den rüden Fahrstil, streichelte und dann ausstieg.
Seine Augen glitten erneut über den Parkplatz, suchten den dunklen Haarschopf und das weiße, prominente Hemd, das unter all den dunklen Winterjacken auffallen musste, wie ein bunter Hund.
Verdammt, es war kalt!
Dean schauderte, zog seine eigene Jacke enger um sich und sein Handy aus der Hosentasche.
Vielleicht war Steve doch schon rein gegangen? Immerhin, verflucht nochmal, hatte er keine Jacke an und-
“Dean?”
Deans Kopf schoss so schnell nach oben, dass er ein Knacken in seinem Nacken hören konnte.
“Ste-” Dean verschluckte sich an seinem eigenen Wort, als er den anderen Mann erspähte; Steve hatte den Kragen seines Hemdes losgelassen, um seine Arme um den Oberkörper zu schlingen und es fiel offen und weit auseinander, er hatte bestimmt zwei oder drei Knöpfe nicht geschlossen und der kalte Wind zog an dem dünnen weißen Stoff und schlug ihm den Hemdkragen gegen das Kinn.
Er war bleicher, als auf dem Bild aus dem Zug, aber seine Wangen, Nase und Hände waren prominent rot, vermutlich wegen der Kälte, die Augen gerötet und die Hände trotz dem festen Griff um seine Arme zitternd.
Dean verkrampfte reflexartig die Hände, starr, hart, fast schmerzhaft, um sich davon abzuhalten, auf Steve zu zustürzen und ihn energisch in seine Arme zu zerren.
Er konnte die zitternden Muskeln von hier aus sehen, das Schlottern seines Kinns und Klappern der Zähne. Gottverdammt, Steve!
Stattdessen schluckte er einmal hart gegen den Kloß in seinem Hals und zwang ein charmantes, schiefes Lächeln auf seine Lippen, von dem er hoffte, es würde nicht so hohl aussehen, wie es sich anfühlte.
Steve blickte ihn einen Moment an, den Mund einen Spalt geöffnet, als wollte er etwas sagen, bevor er die kalten, blauen Lippen fest aufeinander presste, sich etwas weiter in sich zurück zog und stehen blieb.
Deans Lächeln wurde nur breiter, während er gegen die Welle unwohles Ziehen in seinem Magen schluckte. Er zog seine Jacke aus und kam Steve entgegen. Die Kälte begann augenblicklich an seinen Armen zu zerren und sich unter den dünnen Stoff seines Hemdes und Shirts zu schneiden; Er bekam eine Gänsehaut und ihm wurde geradezu übel, bei dem Gedanken, wie lange Steve schon so herum lief.
Er lächelte den Gedanken weg und konzentrierte sich wieder auf Steve:
“Heya, Tony Manero, bisschen frisch für den Look, oder?”
Steve runzelte verwirrt die Stirn, hob aber wenigstens wieder den Kopf, um Dean fragend anzusehen und Dean nickte erklärend auf das weit auseinander fallende Hemd.
Er folgte seinem Nicken mit den Augen.
Sein ganzes Wesen erstarrte unter seinen angespannten Muskeln, bevor er fast hektisch nach dem Hemdkragen griff und versuchte, ihn zusammen zu halten.
Dean konnte sehen, wie er versuchte ein hartes Schlucken durch seinen Hals zu kämpfen, wie sich seine Augen schlossen und er versuchte, betont ruhig durchzuatmen; Es klang deutlich brüchig.
“I-Ich, das- Ich…” Seine Lippen pressten sich so fest aufeinander, dass auch die restliche Farbe, die die Kälte übrig gelassen hatte, aus ihnen wich.
Als Dean einen Schritt später direkt vor ihm stand, erkannte er auch, wieso.
Steve hatte das Hemd nicht aufgelassen; die Knöpfe waren abgerissen. Jemand hatte ihn versucht, ihn am Hemd festzuhalten.
Dean schluckte die Erkenntnis und das Eiswasser, das sie durch seine Venen schickte, herunter, genauso wie das heiße Brennen von Wut auf diesen jemand und seine eigene Schuld, Steve mit dem dummen Kommentar in die Ecke gedrängt zu haben.
Seine Zunge benetzte von selbst seine Lippen und er spürte, wie die kalte Luft an der Feuchtigkeit zog. Seine Hand fuhr über seinen Hinterkopf und er räusperte sich.
Er war ein Idiot.
“Hey, das- Entschuldige bitte. Das hätte ich nicht sagen sollen.” Sein lächeln hatte an Charme und Lockerheit verloren, aber es war warm, ehrlich, sanft und entschuldigend.
Steve war jetzt hier und er wollte dafür sorgen, dass es ihm besser ging, dass er sich gut fühlte, sicher.
Er legte ihm in einer weichen, flüchtig gemeinten Bewegung seine Jacke um die Schultern. Er wollte, sollte, seine Hände gleich wieder zurück ziehen, aber sie ruhten noch einen Moment auf den Oberarmen. Er konnte fast die kalte Haut und ganz sicher das Zittern in den Muskeln spüren und rieb automatisch sanft mit dem Daumen darüber.
Steve zuckte unter seiner warmen Berührung einen Moment zusammen, aufgeschreckt aus Gedanken und Erinnerungen, die ihn gerade wieder eingeholt hatten, bevor er Dean fast vorsichtig ansah.
Was auch immer es war, dass sich einen Augenblick auf Steves Zunge getummelt hatte, die Sehnsucht nach Wärme gewann darüber und er lehnte sich leicht gegen die Berührung, während er sich tiefer in die Jacke schmiegte.
Es sah gut aus, Deans Jacke an Steve. Sie war ihm ein bisschen zu groß, genau richtig, um sich hinein zu schmiegen und Dean musste einen Moment die Vorstellung hinunter kämpfen, wie er Steve nach einem Essen in einem teuren Restaurant seine Jacke umlegen würde und-
Er räusperte sich, zog seine Hände zurück und zupfte die Jacke vorne noch etwas weiter zu.
“Hier, so ist’s besser.”
“Danke, Dean.” Es war zittrig, voller schlotternder Zähne und vibrierenden Muskeln. Aber Steve schluckte erneut, entkrampfte langsam die harten, kalten Muskeln um seinen Kiefer und benetzte unruhig seine Lippen mit der Zunge.
Seine Augen, blau, tief und glitzernd, sahen Dean nur einen Wimpernschlag lang an, bevor sie sich eisern auf den Asphalt richteten.
“Ich- das- das- Hemd-”
Seine Stimme zitterte, dünn gewalzt von Kälte und Angst, brüchig, tränenfeucht und Dean spürte, wie etwas in seiner Brust sich verkrampfte bei diesem unnatürlichen Klang aus Steves Mund.
Das Lächeln auf seinen Lippen zu halten wurde schwerer, aber er behielt es eisern oben und legte seine Hand, warm und sanft, an Steves Hals.
Ein Schauer, und Dean wünschte sich, dass er wohlig gewesen war, heiß und angenehm vielleicht sogar, wanderte sichtbar über Steves Rücken, bevor er zuließ, dass Dean seinen Kopf und damit seinen Blick langsam nach oben dirigierte.
Er konnte fast den hektischen Puls unter Steves Haut an seinen Fingern hämmern spüren neben den Zittern, das durch seine Muskeln lief und das unebene Auf und Ab seiner Gänsehaut.
“Steve, ist schon okay.” Er nickte, versuchte, sein Lächeln zuversichtlich wirken zu lassen, warm, sicher.
Steves ozeanblaue Augen waren rot umrandet, glasig von unterdrückten Tränen und starr, aber er sah ihn an und Dean erlaubte sich, seinen Daumen über die weiche, kalte Haut an seinem Hals streichen zu lassen; Steve schloss die Augen für einen Moment und nahm einen zitternden Atemzug.
Wieder kneten sich Steves Lippen aufeinander, ehe sie sich leicht öffneten, den Hauch eines gedachten Wortes atmeten - und sich wieder schlossen.
Seine Schultern wurden lockerer und er blickte Dean wieder an und nickte kurz und ruckartig: “Danke.”
“Schon okay. Lass uns reingehen und erstmal was warmes trinken, okay?”
Steve schluckte nochmal hart, bevor er wieder nickte und Dean zog sein Lächeln einen Moment breiter, offener, aufbauender und löste die Hand von Steves Hals.
Trotz der Kälte hatte sie sich wärmer angefühlt, als sie auf seiner Haut gelegen war.
Er räusperte sich, um seinen Fokus zu korrigieren, verdammt nochmal, Winchester, jetzt war wirklich nicht der Moment!, fuhr sich über die Haare und wandte sich zu Baby.
“Warte kurz.” Er öffnete Babys Kofferraum und holte unter Steves fragendem, wartenden Blick einen Rucksack hervor, warf ihn sich über die Schulter und schloss Baby ab. Er hatte immer Kleidung dabei, eine alte Angewohnheit, die er nicht los wurde, und er konnte Steve unmöglich weiter in dem dünnen, kaputten Hemd herumlaufen lassen. “Komm, ab ins Warme. Wir machen dann nur noch kurz einen Abstecher.”
Er streckte den Arm aus, einladend, offen, vollkommen automatisch, und erstarrte dann einen Moment.
Verdammt, was machte-
Aber Steve trat die wenigen Schritte vor, die sie trennten, und schmiegte sich in die Kuhle in Deans Seite. Sein Arm schlang sich von selbst eng um den zitternden Körper und er hielt ihn nah bei sich, eng an seine Wärme gedrückt, während seine Hand über seinen Arm strich.
Die Umstände, die könnten besser sein. Aber das- das- Es fühlte sich gut an, richtig.
Dean lächelte.
Steve seufzte hörbar, als sie die warme, ihnen entgegenblasende Lüftung am Eingang passierten und Deans Reiben über seinen Arm wurde stärker, als könnte er die warmen Partikel einfangen und in seine kalten Muskeln massieren.
Er lächelte eisern bei dem Anblick, bei dem Seufzen, das so nah Schmerz und Unbehagen war, wie an Wohltat, auch wenn ihm mehr danach war, besorgt die Stirn zu runzeln.
Sie mussten ihn endlich wieder aufwärmen, den kalten Blauglanz aus seiner Haut vertreiben und die grabestiefe Stimme von den Eiskristallen befreien, die an ihr nagten.
Deans Augen glitten suchend über die nächstgelegenen Läden und Stände, ob es etwas geeignetes gab, das Steve schnell aufwärmen würde, während Steve lediglich seinen Kopf auf Deans Schulter legte und seine kalte Nase gegen seinen Hals schob.
Ein wohliger Schauer ran bei der Intimität über seinen Rücken und er schluckte vorsichtig, den Arm weiter eng um den zitternden Körper gelegt, den Blick über die Möglichkeiten gleitend - bis sein Blick auf ein kleines Schild fiel und er fast schon resigniert durchatmete.
Darum sollten sie sich wohl zuerst kümmern.
Es war mühsamer, als er zugeben wollte, seinen Arm von Steve zu lösen, vor allem, als Steve dabei verwirrt, fast erschrocken, seinen Kopf von seiner Schulter hob.
Dean lächelte, warm, beruhigend und griff sanft nach Steves Hand; seine langen Finger waren kalt und steif, aber sie verschränkten sich fast augenblicklich mit Deans und sein Lächeln wurde tiefer, ehrlicher.
Er merkte kaum, wie sein Daumen begann über Steves Handrücken zu fahren.
“Komm, hier lang.” Steve folgte ihm widerstandslos, zumindest bis er bemerkte, dass Dean ihn nicht zu einem der zahlreichen Cafés zog, sondern zur Herrentoilette.
“Dean, uh-”
“Komm, alles gut.” Er zog ihn mit sanftem Nachdruck weiter und Steve zögerte nur einen Moment, bevor er ihm folgte, seine kalte Hand locker und entspannt in seiner, genau passend.
Es war unsinnig - und irrational - aber das Steve ihm einfach so folgte, ließ etwas Warmes in seinem Inneren wohlig brummen.
Die Tür fiel laut hinter ihnen zu und schnitt sie von dem Summen und Auf- und Abwellen der fremden Stimmen in der Lobby ab. Die Musik, ein Pop Radio-Sender mit dem generischen Gute-Laune-Lied folgte ihnen durch einen kleinen Lautsprecher in der Decke. Dean ließ den Rucksack auf den Waschtisch gleiten und kontrollierte, ob die Kabinen leer waren, ehe er sich zu Steve drehte.
Er hatte wieder die Arme um sich geschlungen und hielt Deans Jacke vorne zusammen, während seine Augen forschend und gleichzeitig fragend zusammen gekniffen waren.
Dean zuckte als Antwort auf die nicht gestellte Frage mit den Schultern und ging zu seinem Rucksack.
“So kannst du nicht rumlaufen, nicht bei dem Wetter.” Er zog den Reißverschluss auf, nahm den Erste Hilfe Kasten heraus, der immer oben auf lag, und legte ihn beiseite, ehe er tiefer hinein griff.
Steve beobachtete ihn, Kopf zur Seite gelegt und Stirn gerunzelt, als er ein altes, schwarzes Band-T-Shirt, ein graues Henley-Shirt und einen roten Hoodie heraus holte.
“Hier”, er stapelte die Kleidung auf seiner Hand, sie war noch kalt von ihrer Zeit im Kofferraum und seine Finger glitten wie von selbst über die kalten Fasern, bis er sich zu Steve drehte, den perplexen Gesichtsausdruck sah und abrupt in allen Bewegungen innehielt. “Was?”
Steve zog seine Unterlippe zwischen seine Zähne und Dean folgte der Bewegung, beobachtete einen langen Moment, wie Steve darauf nagte, den Blick auf die Kleidung in Deans Hand gesenkt, die Arme weiterhin fest um sich geschlungen.
Er schüttelte langsam den Kopf.
“Danke, Dean, aber- Ich kann doch nicht- Das- Es geht schon.” Sein Griff um den losen Hemdkragen wurde fester und Deans Stirn runzelte sich einen Moment verwirrt; Wieso wollte er nich-
Er schluckte, als es ihm endlich wie Schuppen von den Augen fiel, und räusperte sich kurz.
Es lag nicht daran, dass Steve sich in dem Hemd wohl fühlte; Es lag daran, dass er sich unwohl fühlte, sich vor Dean auszuziehen, im schlimmsten Fall weil-
“Bist du verletzt, Steve?”
Seine Lider fielen besiegt über die kristallblauen Augen und Dean zog tief die Luft ein.
Der Griff um den Hemdkragen wurde härter.
“Ich- das- Nicht- Nicht wirklich, es ist nur- nichts.” Er räusperte sich. “Es ist nichts.”
Dean schloss einen Moment gegen die in ihm schreiende Sorge die Augen, gegen den Drang, Steve einfach zu packen und sein Hemd aufzureißen, die verbliebenen Knöpfe durch den Raum sausen zu lassen, um nachzusehen, was dieser Bastard getan hatte.
Aber er nickte nur ein paar Mal und fuhr sich über die kurzen Haare, bevor er die Kleidung auf den Rucksack bettete.
Seine Zunge fuhr über seine Lippen, bevor er sie gegeneinander knetete, wieder nickte und dann die Hände hob, vorsichtig, langsam.
“Darf ich?” Er deutete auf das Hemd und Steves Muskeln spannten sich für einen Moment hart an, aber dann sanken seine Schultern kraftlos und er lehnte sich mit der Hüfte an den Waschtisch.
Sobald seine Hand den Kragen losgelassen hatte, fiel sie fast leblos nach unten; Erschöpfung, Kälte und Angst hatten genug gefordert.
“Es ist wirklich nichts, ich-”
Er atmete müde aus und nickte.
Als Dean nach den verbliebenen Knöpfen griff, waren sie immer noch kalt unter seinen Fingern und er knöpfte sie langsam und vorsichtig auf. Es war keine Absicht, dass seine Finger über die kalte Haut strichen, als er den geöffneten Stoff zur Seite schob;
Es war kein Stromschlag, kein Feuerwerk, das seinen Körper durchzuckte oder das hohe Sirren einer gespannten Saite, die nur darauf wartete in seinem Inneren zu klingen. Aber trotzdem konnte er seine Hand nicht wegnehmen.
Die Haut war kalt und klamm, aber als seine Fingerknöchel über die festen, zitternden Muskeln unter ihr strichen, zog Steve scharf die Luft ein. Dean konnte beobachten, wie sich eine Gänsehaut ausbreitete und wie eine Flutwelle über Steves Brustkorb rannte.
Er konnte den Blick nicht abwenden; helle, straffe Haut über zitternden Muskeln, überzogen mit der feinen Gänsehaut, die sich ihm entgegen streckte. Das nächste Mal war es kein Versehen, als seine Finger die freigelegte Haut berührten, darüber strichen und den schmalen Streifen zwischen den beiden Knopfleisten liebkosend berührten, verfolgt von der Gänsehaut und dem scharfen, zittrigen Atemzügen von Steve.
Der letzte Knopf war offen, das Hemd lose an Steves Körper; Dean konnte die Muskeln sehen, wie sie sich unter seiner Haut bewegten, wie sich seine Rippen durch seinen Atem dehnten und die feine Spur Haare, die von seinem Bauchnabeln nach unten wanderte, den Hosenbund passierte und sich damit aus seinem Blick schlich.
Er wollte mehr erkunden, mehr Haut unter seinen Fingerspitzen fühlen. Er wollte Steve das Hemd von den Schultern streifen, ihn packen und an sich ziehen, so lange über die Gänsehaut küssen und lecken, bis sie sich in heiße, erregte Schauer verwandeln würde. Er wollte Steve auf den Waschtisch heben, seine Hose öffnen und selbst dafür sorgen, dass die Kälte aus seinem Körper verschwand, wollte mit festen, harten Stößen selbst die Hitze in seinen Körper treiben, bis er vor brennender Extase zittern würde. Er-
Seine Hände hatten begonnen über seine Bauchmuskeln zu streichen, die Schwielen an seinen Händen kratzten über die weiche Haut.
Wieder schüttelte ein zittriger, scharfer Atemzug Steves Körper, bevor er Dean plötzlich am Handgelenk packte.
Dean schreckte fast aus seiner Trance und frostkalte Erkenntnis drückte ihn und seine Gedanken einen Moment unter Wasser.
Was tat er hier?!
Er konnte nicht-! Fuck!
Fuck, Fuck, Fuck, Fuck, FUCK!
Was zum Teufel-
Wie konnte er Steve so etwas antun?! - Er zog scharf die Luft ein, schluckte hart und hob dann den Blick, um Steve anzusehen, der Mund offen aber wortleer und nach Entschuldigungen schnappend.
Er konnte sehen, wie Steves Adamsapfel unter dem festen Schlucken hüpfte, bevor sich ein Lächeln auf seine Lippen legte. Deans Mund klappte sich bei diesem Anblick ruckartig zu und er musste selbst schwer gegen seinen wässrigen Mund schlucken.
Steve wirkte kaum unsicher, nicht belästigt und angegriffen von Deans perversem, unpassendem Verhalten.
Er wirkte fast - schelmisch, herausfordernd.
Oh Gott.
“Hier oben.” Seine Stimme klang rauer, heiser, seine Augen wirkten dunkel, wie Meerwasser über einem tiefen Abgrund. Deans Zunge fuhr sich gierig über seine Lippen, ehe er abrupt nickte, seinen Blick sich mühsam von den tiefen Augen löste und wieder auf Steves Brust richtete.
Er hatte sein Handgelenk losgelassen und zog sich erst die linke Hemdhälfte über die Schulter; Der kalte Stoff gab den Blick frei auf das fein geschwungene Schlüsselbein, das sich gegen seine Haut abhob und eine wohlgeformte, trainierte Brust. Dean wollte die Konturen nachfahren, seine Finger darüber gleiten lassen, sanft, kratzend, neckend, bis zu der harten, aufgestellten Knospe seiner Brustwarze.
Sein Mund wurde trocken, ihm wurde heiß und er konnte die unpassende, peinliche und perverse Faszination, die durch sein Blut brannte, rotglühend in seinen Wangen pochen spüren. Er fluchte innerlich, als seine Zunge über seine Lippen glitt, kaum im Zaum gehalten bei der Vorstellung, sie könnte über das aufgestellte, harte Fleisch gleiten und sein Glied pochte aufmerksam und halbhart. Fuck, was trieb er hier?!
Steves Hand hob sich zur anderen Hemdhälfte, diesmal zögernder, verhaltener und das reichte aus, um Deans Aufmerksamkeit einzufangen. Er blickte ihn an.
Seine Wangen waren rot, seine Lippen glänzten feucht - und die schelmische Herausforderung in seinem Blick war deutlich ins Wanken geraten. Er versuchte das schiefe Lächeln aufrecht zu halten, aber es wurde dünner, unsicher und schließlich wich er Deans Blick zur Seite aus.
Er zog an dem Hemdkragen, um auch diese Seite über seine Schulter zu schieben - und runzelte die Stirn.
Bevor Dean eins und eins zusammenzählen konnte, riss Steve an dem widerspenstigen Stoff, der an seiner Haut klebte, und zischte schmerzerfüllt.
Der Laut holte Dean in die Realität zurück, wie ein Eimer kaltes Wasser über seinen Kopf, und er schluckte eilig, bevor er sich streng räusperte.
Er war nicht hier, um Steve zu sexualisieren oder- oder- Mit ihm auf der Herrentoilette einer Mall herum zu machen, nicht, dass es auch nur annähernd soweit gekommen wäre!
Er war hier, um Steve zu helfen! Er war verletzt!
Verdammt nochmal! Er war ein verfluchter Perversling!
Masturbation unter Dusche war eines, aber das hier- das ging zu weit! Viel. Zu. Weit!
Dean atmete tief durch, korrigierte und konzentrierte seinen Fokus und griff sanft aber nachdrücklich nach Steves Handgelenk.
“Lass mich sehen”, seiner Stimme war rauer, als es für die Situation angemessen war, und er räusperte sich erneut, bevor er Steves Hand wegzog und damit das Hemd.
Darunter zum Vorschein kam, wie gerade befürchtet, eine Schürfwunde auf der rechten Brust; Ihre Wundränder waren rot und wütend, die Wunde feucht und schmutzig von dem fest getrocknetem Hemd und darum herum befanden sich kleine, punktuelle Flecken.
Earl musste versucht haben, Steve am Hemdkragen zu packen und hatte Steve am Ende fest und brutal über die Brust gekratzt.
Es hätte schlimmer sein können, aber es brannte vermutlich furchtbar.
“Das müssen wir saubermachen, okay?”
Sein Mund war trocken und seine Stimme unangenehm heiser.
Gott, was trieb er hier? Er- Steve durchlitt so etwas und er-
Er war ein Arschloch.
Dean fuhr sich einmal kurz aber streng durch die Haare, ehe er sich zu seinem Erste-Hilfe-Kästchen umdrehte und es öffnete.
Als er die Sprühflasche mit Desinfektionsmittel und eine sterile Kompresse in der Hand hatte, suchte er Steves Blick.
Er hatte ihn nicht mehr angesehen sondern stur auf den Boden, seit die Wunde aufgedeckt war.
“Steve, das- das wird jetzt brennen, okay?”
Ein ruckartiges Nicken war die Antwort und Dean seufzte innerlich. Er wollte ihm nicht wehtun, aber die Wunde blutete nicht; Es wäre besser so.
Trotzdem biss er sich selbst auf die Lippen, als er ein paar kurze Sprühstöße auf das nässende Fleisch gab. Steve zog scharf die Luft ein und hielt sie an, während seine Hände sich um die Kante des Waschtisches krallten,bis das scharfe Brennen des Desinfektionsmittels durch seinen Körper und seine Nerven gedrungen war.
Anstatt ihn zu beruhigen, entschied sich Dean, sich lieber zu beeilen und tupfte vorsichtig mit der Kompresse das hinab laufende Desinfektionsmittel von der Haut.
Die Gänsehaut war zurückgekehrt aber dieses Mal fühlte es sich kalt und nüchtern an, sie auf der hellen Haut zu sehen.
Sobald die Wundränder trocken genug waren, warf Dean die Kompresse und Flasche achtlos in das Waschbecken neben ihnen und holte eine Packung Pflaster und eine kleine Verbandsschere hervor. Er nahm kurz und grob Maß, schnitt das Pflaster zurecht und klebte es sanft auf die Wunde.
Sein Daumen strich die Klebestreifen fest, langsam, kräftig aber sanft, während er genügend Courage sammelte, um Steve anzusehen. Er wusste, dass Steve ihn beobachtete, vermutlich die ganze Zeit beobachtet hatte, während er der Realität vollkommen ausgebüchst war, um einen seiner besten Freunde in einer Notlage sexuell zu belästigen.
Way to go, Winchester.
“So, das sollte halten.” Er räusperte sich und schaffte es letztendlich doch, den Blick zu heben.
Steves Augen waren weniger dunkel, als noch vor wenigen Momenten, dafür aber nachdenklich und leicht verengt, wie immer, wenn er über etwas grübelte.
Es würde nur noch ein paar Gedankenzüge dauern, bis sein Kopf nachdenklich zur Seite kippte.
Ein Lächeln zuckte bei dem Gedanken über Deans Lippen.
Steve räusperte sich hörbar und offensichtlich unwohl, bevor er nickte.
“Danke, Dean.”
Seine Finger fuhren einen Moment ebenfalls über das Pflaster, bevor er das Gesicht verzog und die Hand wieder wegnahm.
“Wenn es nochmal antrocknet, weich es vorher mit warmen Wasser auf, okay? Sonst reißt du die Wunde wieder auf.” Steve nickte gedankenverloren, sein Hemd war über beide Schultern geschoben und hing lose in der Höhe seiner Ellbogen hinter seinem Rücken. Dean kämpfte dagegen, aber schließlich glitten seine Augen doch einmal über den starken Oberkörper vor sich, die Muskeln und scharfen Konturen und er schluckte trocken, bevor er sich räusperte.
“Hast du sonst noch-” Er musste sich nochmal räuspern, um seine Stimme in den Griff zu kriegen. “Hat- Bist-” Er stürzte die Lippen und atmete einmal tief durch, weil er nicht wusste, wie er es formulieren sollte.
Für seine Boden-Metapher hatte er gerade keinen Platz, aber er wollte Steve auch nicht unter Druck setzen, indem er ihn fragte, wo Earl ihn noch erwischt hatte.
“Am Nacken, denke ich.” Deans Augen schnellten zu Steve, der erneut betont wegsah und einmal mit den Schultern rollte. “Ich glaube, er hat mich am Nacken gepackt.” Das Spiel aus Muskeln und Sehen ließ seinen Kehlkopf in einem hörbaren Schlucken hüpfen, bevor er Dean direkt anblickte. “Und er hat mich ins Gesicht geschlagen, aber nicht so fest, diesmal.”
Steves Stimme hatte sich von den Eiskristallen und brüchigen Tränen erholt, die sie vorher noch gefesselt hatten und klang wieder nach den tiefen, baritonen Wellen, die Dean einen Schauer über den Rücken jagten.
Seine Stimme war fest, stark, beinahe herausfordernd, als wollte er Dean zu einer Reaktion provozieren.
Seine Stirn runzelte sich, für einen Moment verwirrt und verwundert, was Steve erwartete.
Aber auf der anderen Seite - Steve zeigte Stärke, unglaubliche Stärke, sich selbst gegenüber und Dean gegenüber, weil er es sich eingestand, weil er es aussprach und wenn es nur ihm gegenüber war.
Es war ehrlich, wahr, ein Fortschritt, ein Schritt in die richtige Richtung. Aber Dean wusste, vermutlich genauso gut wie Steve, dass die meisten Leute das so nicht erkennen würde, dass die meisten nur sehen würden, dass sich jemand von Steves Statur “so etwas” einfach gefallen ließ und damit selbst daran Schuld war.
Dean war selbst an diesem Ort gewesen, selbst in dieser Position und er wusste, wie viel Kraft und Überwindung es kostete, manche Dinge laut auszusprechen, wie trotzig und kämpferisch er dabei reagiert hatte, wie angespannt seine Muskeln und Nerven gewesen waren, bereit es wenn nötig mit seinen Fäusten zu klären;
Er wusste nicht, welche Reaktion Steve von ihm befürchtete, was sich hinter dem starken und herausfordernden Ton versteckte, aber er hoffte, er würde sie ihm nicht geben.
Er wollte für ihn da sein, Steves Freund sein. Er wollte seine Zuflucht sein, nicht sein Richter und Henker.
Also nickte er lediglich und hob langsam die Hand, damit Steve seiner Bewegung folgen konnte.
Er legte sie auf seine Schulter und drehte ihn leicht, sodass er einen besseren Blick auf seinen Rücken und Nacken hätte.
Sein Rücken war muskulös und Dean ließ sich einen Moment von den Wellen der Bewegung ablenken, die ihn durchlief, als er sich umdrehte.
Er konnte nicht verhindern, dass seine Augen einmal hinab glitten, über den feinen, schmalen Nacken, zu den breiten, kräftigen Schultern, über die schmale Stelle, wo seine Wirbelsäule sich prominent erhob, hinab zu seinem Becken und seinem Hintern, eng und ansehnlich verpackt in der dunklen Anzugshose.
Dean schluckte einmal, bevor er den Kopf schüttelte und den Blick wieder nach oben lenkte.
Fuck..
Steve beobachtete ihn durch den Spiegel und Dean hätte sich am liebsten die Hand gegen die Stirn geknallt, entschied sich aber dafür, endlich nach Steves Verletzung zu sehen; Er wollte und sollte Steve endlich helfen! Und nicht- was auch immer er hier trieb.
Seine Augen legten sich wieder auf den schmalen Nacken und die starke Schulter.
Dort waren tatsächlich ein paar Kratzer.
Dean ließ seinen rauen Daumen darüber fahren, die Berührung löste ein erneutes Muskelspiel in Steves Rücken aus, dem er sich nur mühsam entziehen konnte, aber sie hatten bereits Schorf gebildet und nässten nicht.
“Ja, da sind ein paar Kratzer”, informierte er auch Steve und ließ seine Schulter los, “aber die sehen gut aus. Sie haben sich schon geschlossen.”
Steve drehte sich wieder um, seine Augen waren wieder zu den schmalen, nachdenklichen Schlitzen verengt, sein Kopf leicht zur Seite gelegt, während er Dean musterte, vielleicht sogar wartete.
Da Dean nicht wusste, auf was, drehte er sich um und griff wieder nach der Kleidung.
Es wäre besser für beide, wenn Steve etwas anderes an hätte - oder überhaupt etwas.
“Hier, du solltest dir was Wärmeres anziehen.”
Steves Augen entließen ihn aus ihrem azurblauen Bann und blickten auf die Kleidungsstücke. Dean konnte sehen, wie er einen Moment zögerte, bevor er danach griff und die Finger darüber gleiten ließ.
Seine Lippen verschwand zwischen nagenden Zähnen, ehe er wieder ruckartig nickte.
“Danke, Dean.”
Ein schiefes Lächeln huschte als Antwort über seinen Mund, während er mit den Schultern zuckte.
“Immer, Engel.”
Während Steve sich anzog packte Dean sein Desinfektionsmittel und die Pflaster wieder ein, warf die benutzte Kompresse in den Mülleimer und steckte auch Steves Hemd in seinen Rucksack.
Sie sollten- Sie sollten Steve langsam wirklich etwas warmes zu essen besorgen.
“Dean, ich bestehe darauf.”
Steve hatte die Arme streng vor der Brust verschränkt, eine Augenbraue gebieterisch nach oben gezogen und Dean hob ergeben seine Hände.
“Okay, okay! Fein, meinetwegen. Dann hol du uns was zu essen.”
Sie hatten Stunden in der Mall zugebracht. Nachdem Steve sich umgezogen hatte und sie wieder in den lebhaften Trubel der Mall zurückgekehrt waren, hatte Dean erst befürchtet, dass die fehlplatzierte Intimität der Herrentoilette es zwischen ihnen merkwürdig machen würde. Aber nachdem er Steve dazu genötigt hatte eine heiße Suppe zu essen, eine heiße Schokolade zu trinken und ihm noch einen Tee-To-Go in die Hand gedrückt hatte, war er wortwörtlich und im übertragenen Sinne wieder aufgetaut.
Steve hatte begonnen sich in dem Gewühl aus Menschen und fremden Stimmen zu entspannen, geschützt von der Anonymität unüberblickbarer Menschenmassen und von ihrem unverständlichen Brummen, Lachen und Rufen eingewickelt.
Sie hatten tatsächlich Sachen für Dean für Thanksgiving gefunden.
Ja, einiges davon hatte er vielleicht nur gekauft, weil es ihm gefallen hatte, wie Steves Blick an ihm hängen geblieben war oder wie er ihn verstohlen durch eine Spiegelung beobachtet hatte - aber nichtsdestotrotz waren einige Teile dabei, die Charlie zufrieden stellen dürften.
Jetzt waren mehrere Stunden vergangen, draußen war die Sonne bereits untergegangen und Deans Magen hatte einen lautstarken Protest verkündet.
Steve insistierte, sich um das Essen zu kümmern, das Mindeste, wie er sagte, was er tun könnte, auch wenn es Dean in jeder Faser widerstrebte.
Seine Zuneig- Freundschaft. Seine Freundschaft zu Steve war kein Tauschgeschäft, er half ihm nicht für einen Vorteil oder kostenloses Essen. Aber er verstand, wieso Steve das alles nicht ohne Protest auf sich sitzen lassen konnte. Also ergab er sich und wurde dafür mit einem der seltenen, privaten Lächeln belohnt, die manchmal auf Steves Gesicht auftauchten.
“Ich besorg uns da hinten bei der Aussichtsplattform eine Bank, okay?”
Steve, offensichtlich zufrieden damit, dass er die Diskussion gewonnen hatte, lockerte seine Arme und nickte, während er Deans Fingerzeig mit den Augen folgte.
“In Ordnung, bis gleich, Dean.”
Damit drehte er sich um und verschwand in Richtung des Burgerladens etwas weiter hinten.
Dean blickte ihm einen Augenblick lang mit einem fast verträumten Lächeln hinterher, bevor er sich fing und räusperte. Er musste endlich damit aufhören, verdammt!
Um etwas anderes, produktives zu tun, machte er sich auf den Weg zur Plattform, hielt noch kurz in einem Hobbyladen an und sicherte sich dann eine Bank.
Sie war etwas versteckt hinter weit ausladenden Palmen und einer breiten, dicken Säule, mit Blick auf den Parkplatz und Dean ließ sich mit einem langen Seufzen darauf gleiten.
Seine Füße taten weh. Aber, die Umstände hätten wie üblich besser sein können, er musste zugeben, er hatte den Tag mit Steve wirklich genossen; Sein Lachen, seine Art, wie er ihn manchmal berührt hatte, um die Kleidung, die Dean anprobiert hatte zurecht zu rücken, oder wie ihre Schultern sich streiften, wenn sie nebeneinander gingen. Wie er sich durch die dunklen Haare strich, den Kopf zur Seite legte, wenn er nachdachte, wie er den Blick abwandte, wenn Dean etwas so unsinniges sagte, dass es ihm schwer fiel, nicht laut zu lachen…
Er musste sich mehr zusammen reißen, das war ihm klar; Sein Verhalten auf der Toilette war unmöglich gewesen, auch wenn Steve sich nicht hatte anmerken lassen, dass es ihn gestört hatte.
Er schätze die Freundschaft mit Steve und er wollte sie erhalten, so lange er konnte. Möglichst ohne, dass er sich dabei selbst sabotierte, indem er Steve zu irgendetwas nötigte, wie beispielsweise lüsterne Blicke in der Herrentoilette einer Mall zu ertragen.
Während er noch über sich die Augen verdrehte, zog er aus dem Rucksatz zu seinen Füßen Steves Hemd und musterte die Stellen, an denen die Knöpfe abgerissen waren. Es waren nur drei Stück, eine Arbeit von fünf Minuten.
Das kleine Tütchen aus dem Hobbyladen klimperte mit der Nadel, dem weißen Garn und den Ersatzknöpfen, als er es neben sich auf der Bank ausleerte, das Garn in die Nadel fädelte und den ersten Knopf annähte.
Er hatte früher ständig die Kleidung von Dad, Sam oder sich selbst genäht; Da John nie wirklich gut darin war, lange eine Arbeit zu haben, hatten sie nicht oft genügend Geld gehabt um neue Kleidung zu kaufen, schon gar nicht, weil ein Knopf fehlte oder eine Naht aufgegangen war.
Also hatte er einiges an Übung und wofür sollte er sie sonst einsätzen, wenn nicht um Charlie bei LARP-Kostümen zu helfen oder für Steve Knöpfe anzunähen?
“Was machst du da?”
Dean stach sich beinah in der Finger, als er überrascht aufschreckte und hochsah.
Steve stand vor ihm, in einer Hand zwei Tüten mit ihrem Abendessen, in der anderen auf einem Papphalter zwei Becher mit buntem Aufdruck und Strohhalm, und starrte ihn geradezu fassungslos an.
Hitze und Röte kribbelte unangenehm in seinen Wangen, als wäre er bei etwas verbotenem erwischt worden, und Dean räusperte sich trocken, während er auf das Hemd sah. Die Knöpfe waren dran - und würden halten.
Trotzdem flatterte sein Magen unwohl.
“Ich uh, ich hab nur…” Er riss den Fadenrest ab und faltete das Hemd notdürftig zusammen, weil er nicht wusste, wie er den Satz beenden sollte.
“Du hast die Knöpfe angenäht?” Steve war näher gekommen, hatte die Tüten samt Papphalter neben Dean auf die Bank gestellt und zog ihm das Hemd aus den Händen.
“Uh-” Etwas an Steves Tonfall war - falsch. Es war ein merkwürdiges, unbestimmtes Gefühl, aber Deans Magen zog sich warnend zusammen.
Die dunklen, rauen Wellen aus Grabestiefe und Meeresrauschen waren nicht ihr übliches Selbst, vibrierend, einfangend und senor; Etwas anders schwang mit, aber Dean konnte seinen Finger nicht darauf legen. Er schluckte und zuckte nur hilflos mit den Schultern. “Ja, uh-”
Sein Mund klappte geräuschvoll zu, als er sah, wie sich Steves Hände zitternd in dem Stoff verkrallten.
“Steve, ist alles- uh, alles okay?” Steves pinke, feuchte Lippen kneteten sich so fest gegeneinander, dass sie weiß wurden und Dean stand langsam von der Bank auf. “Steve?”
“Wieso?!”
Das Wort platze geradezu aus ihm heraus, wie eine Flutwelle, die mit voller Wucht an einer Hafenmauer bricht und Dean taumelte fast zurück.
“Was? Was wieso? Steve, hey, Buddy, ich- ich wollte nur - helfen, okay? Wenn du-”
“Wieso tust du das?!”
Deans Mund klappte erneut zu, als die reißenden Strudel von Steves Stimme ihm die Wörter von den Lippen spülten.
Wieso tat er was?
Sein Mund öffnete sich, schloss sich, schnappte nach den Fragmenten verlorener Wörter in der Luft vor ihm, bevor er unsicher mit den Schultern zuckte.
Er verstand es nicht. Was war passiert? Was war so falsch daran, dass er die Knöpfe wieder angenäht hatte? Es ging nicht darum, dass er dachte, Steve könnte das nicht selbst, das dachte er nicht. Darum ging es nicht - oder? Er wollte nur- helfen.
“Ich- dachte nur-”
Steve hatte wieder begonnen zu zittern, der Griff seiner Hände so fest in dem unschuldigen, weißen Stoff, dass Dean sogar das Vibrieren seiner Oberarmmuskeln erkennen konnte.
Dean schluckte hart und kam einen vorsichtigen Schritt näher.
“Steve, hey, es tut mir Leid, ich wollte nicht-”
“Nein!” Steves Stimme war so voller Kraft und Bestimmtheit, dass es Dean einen Moment luftleer ließ. “Nein, Dean. Sag mir, wieso!”
Wieder öffnete sich sein Mund wortlos, wieder konnte er nur mit den Schultern zucken.
“Wieso was, Steve?”
“Wieso tust du das?!” Deans fragender, hilfloser Ausdruck schien einen letzten Faden Beherrschung in Steve zum Zerreißen gebracht zu haben; Er drückte die Handballen fester, als es Dean lieb war, gegen die Augen und tat einen tiefen Atemzug, der die letzten verstreuten Fragmente Selbstbeherrschung sammeln sollte und seinen Oberkörper zum Zittern brachte.
Dann noch ein Atemzug, noch einer, noch einer und Steve nahm die Hände wieder runter, um Dean direkt anzusehen. Seine Augen schimmerten, leuchteten fast in einem gleißenden blitzgewitterblau, voller Entschlossenheit, Verzweiflung und- Trauer.
“Stev-”
“Wieso”, er schluckte, um seine Stimme zu festigen, “Wieso hilfst du mir? Wieso tust du all die Dinge, die du tust? Hörst du mir zu, schreibst mir, kommst- kommst in meinen Laden, um-” Er brach ab und Dean konnte in dem scharfen Luftholen die Spur nahender, erstickter Tränen hören. “Wieso sagst du nie Ich hab’s dir doch gesagt?” Er schüttelte den Kopf, als gäbe es keinerlei Erklärung auf der Welt, für dieses absurde Verhalten und etwas in Deans Magen zog sich kalt zusammen. “Du hast es mir gesagt. Du hast es mir von Anfang an gesagt, Dean. Du hast gesagt, es wird schlimmer werden, du hast- Wieso-”
Steve brach ab um einen weiteren, zitternden Atemzug seinen Hals hinab zu zwängen, erstickt von Emotionen und Gedanken und schloss die Augen.
Dean konnte die zurück gekämpften Tränen in den Augenwinkeln glitzern sehen.
Die Tragweite, die Tiefe, Trauer und Bedeutung von Steves Worten sanken langsam in seinem Kopf auf den Grund.
Er machte noch einen Schritt auf Steve zu, der Impuls, seine Hand auszustrecken und sie in Steves Nacken zu legen verbrannte fast seine Muskeln, aber er hielt sich zurück.
“Wieso sollte ich?” Seine Stimme war ruhiger, leiser als der rauschende, tosende Ausbruch von Steves Flut, aber auch er konnte die Spur Verzweiflung, die er beim Anblick von Steves Schmerz, seinem Unglauben und Einsamkeit empfand, nicht heraus halten.
Er sagte ihm nicht Ich hab’s dir doch gesagt weil er so ein guter Mensch war.
Er sagte es nicht, weil es nichts brachte, weil es nicht Steves Schuld war, was er offensichtlich selbst nicht glaubte.
Als Steve den Blick hob, um ihn anzusehen, zwängte sich ein Ungläubiges, kehlig-gluckerndes Lachen seinen Hals hinauf.
“Weil du es mir gesagt hast.” Er schüttelte den Kopf, ohne die Augen von Dean zu nehmen, vollkommen fixiert und Dean erwiderte den Blick ebenso starr, ebenso stur; Er würde freiwillig in diesen Augen ertrinken, jederzeit.
“Es ist nicht deine Schuld, Steve, es-”
“Doch, das ist es.”
Seine Hand zuckte, um nach Steves zu greifen, ihre Finger miteinander zu verschränken, wie vorhin auf dem Parkplatz, Halt, Wärme, Nähe.
“Ist es nicht.”
Steve schniefte, das Hemd immer noch in seinen Fingern verkrallt und fuhr sich erst über die Augenwinkel, dann über die Haare, bevor er tief durchatmete und Dean erneut ansah, direkt, forschend, offen; Es wäre ein unangenehmer, starrender Blick, der einem das Mark in den Knochen kalt werden lassen könnte, wenn- wenn es nicht Steve wäre. Sein Steve.
“Wieso hast du mir nie gesagt, ich soll ihn verlassen?”
Eiskristalle und heiße Glut trafen sich in seinen Adern und rauschten durch seinen Körper, durch seinen Kopf, brachten sein Herz zum Rasen, seine Hände zum Schwitzen; Er spürte das Zittern von Steves Worten in den eigenen Lungen, in dem Zuschnürren seines Halses, in der plötzlichen Schwere seiner Zunge.
Er wollte es.
Er wollte es sagen, er wollte, das Steve ihn verlassen sollte, hier, jetzt, sofort. Er sollte ihn verlassen und in seine Arme kommen, sich von Dean halten lassen, wiegen, liebkosen und küssen.
Er wollte es, um Steves Willen, um seinetwillen!
Aber das konnte er nicht, das- Das wäre nicht-
Er wollte es. Er wollte es! Er wollte es!
Er durfte sich nicht einmischen, er konnte Steve die Entscheidung nicht abnehmen.
Er sollte, durfte ihn nicht drängen, ihn nicht unter Druck setzen.
Er wollte nichts anderes, nur, dass Steve ihn verließ.
Er-
“Verlass ihn.”
Seine Stimme war so erstickt und erdrückt von den Emotionen, die mit Eis und Glut durch seine Venen stoben, dass er sie kaum selbst wieder erkannte, dass er sich einen Moment lang nicht einmal sicher war, dass Steve ihn gehört hatte.
Aber dann sah er das schwere Schlucken, das sich durch Steves Hals kämpfte, sah, wie Steves Augen nach unten rutschten, auf seine Lippen, wie er erneut schluckte und ihn wieder ansah.
“Verlass ihn.”
“Dean-”
Er bemerkte nicht einmal, wie er einen weiteren Schritt nach vorne machte, wie er Steve dadurch zurück drängte, bis er mit dem Rücken an die breite Säule stieß.
“Verlass ihn.” Seine Stimme war rau, heiser und auch seine Augen konnten sich nicht mehr gegen den verlockenden Anblick von Steves pinken, feuchten Lippen wehren. “Verlass ihn, Steve.”
Steves Zunge glitt aus seinem Mund und über seine Unterlippe. Dean wollte ihr folgen, sie jagen, über jeden Millimeter seiner Lippen bis in ihre Höhle zurück.
“Wieso hast du mir das nicht früher gesagt?”
Wörter überschlugen sich in seinen Kopf, kämpften gegeneinander, um den ersten Platz auf der Zungenspitze, um das Privileg der besten Erklärung.
Weil es nicht in Ordnung gewesen wäre, weil er keine Entscheidung für Steve treffen konnte, weil es Steves Leben war, weil er kein Recht hatte ihn zu übervorteilen, weil er immer, egal wie lange es gedauert hätte, bis Steve diesen Entschluss fassen würde, an seiner Seite wäre, weil- weil- weil!
Aber ohne, dass ein Wort den Weg auf seine Zungenspitze fand, hob sich seine Hand. Er sollte sie auf Steves Schulter legen, ein warmer, schwerer Anker, der ihn erden würde, beruhigend und Halt gebend.
Sie fand ihren Platz in der weichen Stelle, wo Hals und Nacken ineinander übergingen; Steves Haut war wieder warm und lebendig unter seinen Fingerspitzen, er konnte die Sehnen spüren und die Muskeln, die sich darin bewegten und den rasenden Herzschlag - oder war das sein eigener?
Er streckte den Daumen aus, ließ ihn über die weiche Haut gleiten, aber - er wollte mehr, höher, weiter! - und sie wanderte nach oben, bis seine Fingerspitzen die weichen, dunklen Haare berühren konnten, bis sie sich über den Hinterkopf in das unordentliche Dickicht graben konnten und Steves Ohr passend und perfekt in der Gabelung zwischen Daumen und Zeigefinger Platz hatte.
Er strich über seine Wange, spürte, wie die harten Schwielen an der weichen Haut kratzen und Steve schloss die Augen.
Deans Atem stockte in seiner Kehle, als er dabei zusah, wie sich Steve voller Genuss gegen seine Hand schmiegte, bevor er ihn wieder ansah.
“Wieso, Dean?”
Er war ihm so nah, dass er Steves Herzschlag an seiner Brust spüren konnte, wie er mit seinem eigenen Puls um die Wette lief, schnell, rasend und atemlos. Er konnte die Wärme spüren, die von Steve ausging und seinen Atem an seinem Gesicht, seine Stimme nur ein Flüstern.
Es waren nur noch Zentimeter, die sie trennten, Ewigkeiten, Lichtjahre und dann fiel Steves Blick auf seine Lippen.
Seine Finger gruben sich in die weichen Haare. Es zog ihn nach unten, wie in einem Strudel und er ertrank in der Anziehung, bis seine Lippen auf Steves trafen.
Er hörte, spürte, wie Steves Atem einen Moment in seinem Hals gefror, spürte, wie Steves heiße, feuchte Lippen gegen seine brannten, kribbelten, wie getrocknetes Meersalz auf seiner Haut, umgeben von dem Geruch von Sommerregen und Sturmwolken, bevor Steve den Kuss erwiderte; Er seufzte wohlig gegen Steves Lippen, bewegte seine gegen sie, bevor seine Zunge vorsichtig aus ihrer Höhle lugte und über die feuchte Linie leckte, die seine Ober- und Unterlippe verband.
Er konnte spüren, wie Steve die Lippen öffnete, wie seine Zunge Deans entgegen kam, Augenblicke bevor sich seine Arme um Deans Hals schlangen, in seinen kurzen blonden Haaren vergruben und er ihn noch näher an sich zog.
Dean folgte willig, dem Kuss, der Art, wie Steve zuließ, dass er seinen Mund auskundschaftete, wie sich ihre Lippen gegeneinander bewegten, wie ihre Nase aneinander lagen, als auch dem Zerren nach mehr Nähe, dem Drang, sich noch enger an ihn zu pressen.
Sein Herz raste unter seine Brust, seine Lippen brannten, jede Stelle Haut war heiß und pulsierend, wo Steves Hände ihn berührt hatten.
Es war immer noch kein Feuerwerk, keine Elektrizität, die ihn summen ließ wie ein zu weit aufgedrehter Verstärker; Es war ein Strudel, der ihn tief ins Meer zog, hinab auf den Grund zu heißen Vulkan-Quellen und atemloser Ohnmacht, wo der einzige Sinn und Lichtblick Steves heiße, feuchte Lippen waren, die sich gegen seine pressten.
Er wollte nie wieder an die Oberfläche, nie wieder auftauchen, nie wieder aufhö-
Steves Hand schlang sich um sein Handgelenk und zog.
Seine Blase platzte und Dean meinte, es sogar klirren zu hören, als er sich widerwillig aber augenblicklich von Steve löste und tief die Luft einzog.
Er brauchte zwei tiefe Atemzüge, um das Gefühl von Steves Lippen auf seinen zu konservieren, seinen Atem so dicht und heiß auf seiner Haut, wie seine Hände an seinen kurzen Haaren gezogen hatten, bevor er die Augen öffnete und Steve direkt ansah.
Sie waren sich immer noch so nah, Körper an Körper gepresst, atemlos, wie nach einem Sprint, mit zitternden Muskeln, die die Fassungslosigkeit der Situation nicht festhalten konnten.
Dean sollte etwas sagen, musste etwas sagen, aber in dem Vakuum zwischen ihnen existierten keine Wörter, keine Stimme, nur das Rauschen ihrer Atemzüge.
Steves Augen waren blau und dunkel, wie das Meer in der Abenddämmerung, seine Lippen leicht geöffnet, sein Atem schwer.
Dean musste etwas sagen, er musste, sollt-
Steves warme Hand lag in seinem Nacken, strich über die kurzen Haare, durch kämmte sie mit den Fingerspitzen und er brummte wohlig. Dean konnte beobachten, wie ein Gedanke in Steves Kopf einen anderen jagte, einer ums andere, immer schneller und schneller, bis die oberste Welle sich auf seinem Gesicht widerspiegelte, atemlos und hungrig;
Er zog Dean fast energisch nach unten und Dean folgte bereitwillig.
Steves Kuss war gierig, sein Mund offen, sein Atem stoßweise und hohl, bis Dean seine Lippen auf Steves drückte, genauso ausgehungert und ungezügelt.
Er schob die freie Hand, die sich nicht in Steves dunkeln, seidigen Haaren vergraben hatte, um seine Taille, drückte ihn näher an sich, fester, bis er sein Bein zwischen Steves schieben konnte.
Das stoßweise Atmen wurde zu genussvollen Seufzern, verhaltenem Stöhnen, als Dean auf Steves Unterlippe biss oder Steve Deans Nacken fest packte.
Er wollte mehr, brauchte mehr, mehr von dem süßen Geschmack von Steves Zunge in seinem Mund, mehr von der Hitze seiner Lippen gegen seine, mehr ersticktes Stöhnen, das er einatmen konnte.
Sein Herzschlag hatte sich verdoppelt, verdreifacht, während seine Hand über Steves Rücken glitt, seine Seite, seine Hüfte, gierig, tastend, erkundend und Steve sich an ihm festhielt, sicher, brennend und gierig.
Die Wellen waren längst über ihnen gebrochen, die Umgebung uninteressant, unwichtig, keiner hörte mehr die leichte Musik aus den Lautsprechern, die Durchsagen über Sonderangebote oder das Auf und Ab der zahlreichen Stimmen.
Alles, was er hörte, war Steves Herzschlag unter seinen Fingern, Steves Seufzen und das Geräusch aufeinander treffender Lippen.
Er drängte sich soweit irgend möglich noch näher an Steve, Brust an Brust, Becken an Becken, sein Bein zwischen Steves und mit einem Ruck, setzte er ihn höher auf seinen Oberschenkel, stemmte sich selbst gegen die Säule, gegen die er Steve gefangen hielt.
Er war bereits halbhart von den sündigen Geräuschen, dem zitternden Atem, der plündernden Zunge und den verhaltenen Seufzern von Steve, und er ließ sein Becken ruckartig nach vorne preschen. Er konnte Steves halbharte Erektion spüren, wie sie auf seine traf und diesmal mag es wirklich ein Blitz gewesen sein, der Dean traf und ein lustvolles Stöhnen von seinen Lippen in Steves Mund gleiten ließ.
Er wollte Steve an der Hüfte packen, mehr Reibung, mehr Nähe, mehr Blitze erzeugen, ungeachtet der Umgebung, scheiß auf die Umgebung!
Mehr, einfach mehr!
Mehr Steve!
Steves Atem erstarrte hoch in seiner Kehle, fast erschrocken, aber bevor Dean ausmachen konnte, was passiert war, schob Steve ihn energisch weg.
Dean stolperte ohne Gegenwehr ein paar Schritte zurück, immer noch atemlos, brennend und hungrig, aber jetzt lagen wieder Ewigkeiten und Lichtjahre zwischen ihnen.
Sie ließen die Realität in das Vakuum fließen, bis es zerplatzte.
Er starrte Steve an, immer noch, für immer, unfähig seine Augen abzuwenden, und konnte beobachten, wie die kalte Realität aus ihrem Vakuum in sein Blut tropfte, Pipette für Pipette, bis sein Atem hektisch wurde und flach, seine Augen groß und sein Mund sich in Entsetzen öffnete.
Nein, nein, nein, nein!
“Steve-!”
Nein, er durfte das nicht ruinieren, nicht ruiniert haben! Er- Er musste-!
Steves Hand hob sich in Zeitlupe, um seinen nach wie vor in Entsetzen geöffneten Mund zu bedecken, während er Dean anstarrte, fassungslos, starr und nur noch Millimeter von Panik entfernt.
“Steve, bitte- ich.”
Dean machte einen Schritt auf ihn zu, Nähe war gut für sie, Nähe brachte ihr Vakuum zurück, ihre Intimität, aber für Steve war es ein Zeichen in Aktion zu springen.
Er schüttelte vehement den Kopf, erst hektisch, als müsste er etwas abschütteln, dann ungläubig. Sein Mund schnappte mehrfach nach Wörtern, nach Luft, nach Begründungen, bis er es aufgab;
Er riss seinen Augen von Deans Anblick los, drehte sich um und verschwand in wenigen Metern in der Menge.
“Steve!” - FUCK!
Dean machte einen Satz nach vorne in dem Impuls, ihm hinterher zu rennen, ihn aufzuhalten, festzuhalten, das brennende, heiße Gefühl seiner Meersalzküsse immer noch auf den Lippen, aber das hätte keinen Sinn.
Er konnte ihm nicht hinterherrennen; er durfte ihm nicht hinterher rennen, ihn nicht bedrängen er- er-
Er hatte es ruiniert.
Fuck.
Geschrieben von: June - 12.07.2021, 12:18 - Forum: The Others
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Kapitel 11
Not to worry
Die Musik pulsierte in seinen Ohren, die Lichter flackerten um ihn herum, die Flasche mit kalter Cola schwitzte gegen seine Handfläche und Steve lächelte, einen Mundwinkel höher gezogen als den anderen, weiße Zähne blitzten zwischen seinen Lippen hervor und ehrliches Interesse aus seinen Augen.
Er und Gilda unterhielten sich gerade über - uh - Bienen, wenn es immer noch dasselbe Thema war, wie vorhin.
Dean stand nicht weit entfernt am Buffet und lud Mini-Burger und Chili-Cheese-Bällchen auf sein Teller, dazu noch ein paar Zwiebelringe, und ließ seine Augen immer wieder zu den beiden an der Bar hinüber gleiten.
Steve wirkte entspannt, nachdem er anfänglich etwas unsicher gewirkt hatte, was wohl mitunter daran lag, dass die meisten ihn mit “Ah, du bist Steve!” begrüßten. Allerdings wussten die meisten, außer Charlie und Gilda (und Sam und Eileen, aber die konnten heute Abend nicht) nichts weiter, außer das Steve und Dean Freunde waren, die sich oft texteten; Das hatte ihn einerseits etwas beruhigt (und Dean hatte ein warmes, dankbares Lächeln erhalten, das er zu gerne erwidert hätte, aber dann hatte Garth, als Werwolf verkleidet, Steve mit einer Umarmung getackelt und ihn dabei fast umgerissen. Für das “Du wurdest gegartht!” hätte Dean ihm beinah eine verpasst). Andererseits hatte es Steve scheinbar auch maßgeblich verwundert, dass Dean seinen Freunden von ihm erzählt hatte. Sein Lächeln war danach schüchtern geworden aber Dean hatte das Gefühl es war auch irgendwie - glücklich.
Sobald sein Teller ausreichend gefüllt war, ging er damit zurück zur Bar, auf deren Hockern es sich Gilda, Charlie und Steve gemütlich gemacht hatten.
Er trank den letzten Rest seiner Cola und schob die Flasche zu der jungen, dunkelhaarigen Bedienung, die ihm flirtend zuzwinkerte, als sie sie entgegen nahm.
Dean lächelte halbseitig und halb freundlich zurück und wandte sich dann dem Gespräch zu, das Steve, zu seiner rechten, mit Gilda führte, die wiederum rechts von Steve saß.
Ja, es ging immer noch um Bienen und Dean schüttelte amüsiert den Kopf, ehe er mit zwei großen Bissen den ersten Mini-Burger auf seinem Teller verspeiste.
Gott, er liebte Bennys Mini-Burger!
Sie waren saftig und fest, die selbst gemachte Soße kombinierte sich hervorragend mit den klein geschnittenen Zwiebelstückchen, den Essiggürkchen, den Klecksen aus Ketchup und Senf. Der Käse floss geradezu über die krosse, braune Oberfläche des Patties und bedeckte alles in genau dem richtigen Maß - diese kleinen Goldstücke waren ein Gedicht!
Dean widmete sich einem zweiten Burger und seinem vollem Mund entkam ein genussvolles Seufzen, als er gerade den letzten Bissen kaute. Offensichtlich lauter als Gedacht, denn trotz der schallenden, pulsierenden Musik, die sie umgab, ließ Steve sich davon von seinem Gespräch ablenken und drehte sich zu ihm um.
Er blinzelte einen Moment fast verblüfft mit seinen großen, blauen Augen, bis er das Bild vor sich erfasst hatte und begann leicht und verschmitzt zu lächeln. Es war ein warmes Lächeln, leuchtend und fröhlich und Dean starrte ihn einen Moment an, wie ein Reh im Scheinwerferlicht, bevor er zumindest einen Teil des (zu großen) Bissens runter schluckte und seine Sprache wiederfand: “Was?”
Nicht gerade eloquent, zugegeben, aber verdammt, Steve durfte ihn nicht so ansehen!
Steves Schmunzeln wurde etwas verschmitzter und er deutete leicht auf seinen eigenen Mundwinkel.
“Du hast da-”
Jetzt spürte Dean es selbst, das leicht klebrige, feuchte Gefühl von Soße in seinem Mundwinkel und seine Zunge schoss aus seinen Lippen, um dem Klecks Herr zu werden.
Er bildete sich fast ein, das Steves Augen der Bewegung folgten, er vielleicht deshalb markant schluckte, aber - wie gesagt - Einbildung.
“Besser?” Dean grinste nonchalant und Steve senkte etwas den Kopf, mit einem halb verborgenen, schüchternen Lächeln, bevor er nickte.
“Ja, besser.”
Gilda und Charlie auf Steves anderer Seiten hatten den Austausch beobachtet und bei Charlies unverschämt wissendem Grinsen spürte Dean, wie ihm die Hitze in die Wangen stieg.
Er wollte etwas sagen, sollte etwas sagen, alleine, damit Charlie aufhörte, so zu grinsen, aber sie kam ihm zuvor und klatschte fröhlich in die Hände: “Okay, ihr Hobby-Imker, das reicht jetzt erstmal!” Sie zog Gilda sanft aber bestimmt von dem Barhocker. “Ihr könnt später weiter diskutieren, aber ich entführe dich jetzt zum Tanzen!” Sie hob die Hand im Star-Trek-Gruß, was Steve scheinbar zu verwirren schien und verschwand mit einer kichernden Gilda auf die Tanzfläche.
Dean sah ihnen einen Moment hinterher, bevor seine Augen auf Steve fielen, der ihnen ebenfalls mit dem Blick gefolgt war. Er lächelte milde, beinahe etwas wehmütig.
Bevor Dean etwas dazu sagen könnte, räusperte sich Steve jedoch und blickte erst Dean an, als wollte er etwas sagen, dann aber schnell auf seine Bierflasche.
Er konnte Steves angespannte Schultern unter dem Arztkittel (Gott, dieser verdammte Arztkittel) sehen, wie sein Daumen das aufgeweichte Etikett seiner Bierflasche zur Seite schob und wenn er sich etwas nach vorne beugte, sogar, wie Steves Zunge aus seinem Mund flitzte, um seine Lippen zu benetzen.
Der Abend bis jetzt war gut gelaufen, wirklich gut. Steve war - wie Dean erwartet hatte - bei jedem gut angekommen; Er war jemand, den man vom ersten Moment an mochte, so einfach war das.
Dean selbst hatte sich etwas zurück gehalten. Er wollte nicht wie ein bedrohlicher oder aufdringlicher Schatten über Steve schweben und jede Bewegung überwachen. Er wollte, dass Steve Spaß hatte, ehrlichen, wirklichen Spaß, also schraubte er sein Beschützerisches Getue, wie Sam es schon das eine oder andere Mal genannt hatte, etwas zurück.
Und Steve hatte sich entfaltet, er war witzig und charmant, aufmerksam und freundlich. Er lächelte, breit und offen und interessiert und wenn er das tat leuchteten seine meerblauen Augen geradezu auf. Auch wenn Dean hin und wieder ein schüchternes oder unsicheres Flackern in seinem Blick erkennen konnte (oder glaubtes es zu erkennen) hielt er sich alles in allem gut.
Aber jetzt war er mit Dean alleine und er konnte die Unsicherheit fast sehen, wie sie Steves Rücken hinauf kroch und sich um seine Schultern legte.
Dean verstand es, wirklich:
Sie hatten eine Vorgeschichte; Dean war derjenige, der verstand, wieso Steve zusammen zuckte, wenn man ihn unerwartet von hinten an die Schulter fasste und der wusste, was Steve nicht sagte, wenn er Fragen nach seiner fast verheilten Platzwunde mit einem Lächeln und vagen Aussagen abwehrte.
Jetzt waren sie allein, zum ersten Mal seit der Autofahrt, er, Steve und die unangenehme Wahrheit, an die Dean Steve heute Abend nach Möglichkeit nicht denken lassen wollte.
Er sollte Spaß haben, er verdiente es heute einfach nur Spaß zu haben.
Also lächelte er, ruckte mit seinem Barhocker ein Stück näher an ihn und schob ihm seinen Teller entgegen.
“Du solltest die Mini-Burger probieren.”
Steve hob überrascht den Kopf, öffnete die pinken, glänzenden Lippen, um etwas zu sagen, aber Dean gestikulierte nur wortlos zwischen ihm und dem Teller umher, bis Steve mit einem schiefen Lächeln nach einem der Min-Burger griff und sich seine Schultern etwas entspannten.
“Ja, vielleicht besser. Bevor ich noch betrunken vom Stuhl falle. - Danke.” Betrunken vom Stuhl fallen, ja, wer’s glaubt.
Steve wirkte nicht mal annähernd betrunken, obwohl das bestimmt schon sein drittes Bier war - und das war leer, wie Dean gerade bemerkte.
“Buddy, du hast mit mir am Telefon eine ganze Flasche Wein getrunken und warst noch nicht blau, wie auch immer du das angestellt hast, ich denke, du kannst ruhigen Gewissens noch eines vertragen.” Er hob automatisch die Hand, um Bennys Aufmerksamkeit zu erregen, während Steve in den Burger biss. “Hey, Benny, ein Bier, bitte!”
Benny bemerkte ihn und zog bedeutungsschwer beide Augenbrauen nach oben, aber Dean deutete auf Steve, der wegen dem weiteren Bier nicht protestiert hatte und Dean warf ihm einen kurzen, musternden Blick zu (primär um sicher zu gehen, dass er Steve mit dieser unbedachten Aktion nicht gerade in eine Ecke drängte), aber Steve betrachtete nur mit einem fast verzückten Lächeln den angebissenen Burger in seiner Hand.
Der Dracula-Umhang, außen schwarz, innen rot, den Benny im Rahmen seines Vampir-Kostüms trug, bauschte sich wehend auf, als er zu Dean und Steve kam. Er stellte eine Cola für Dean und ein Bier für Steve ab und grinste beide an.
“Genießt ihr die Party, Bruder?” Sein schwerer Südstaatenakzent klang rauchig und angenehm zwischen den lauten Bässen und dem nicht versiegenden Schall der Musik, obwohl er die Stimme heben musste, damit sie ihn verstehen konnte.
Steve hob seinen Blick von dem Burger und Dean wäre fast neidisch geworden, auf das Lächeln, das er Benny zuwarf.
“Der ist wirklich sehr lecker!”
Benny lachte rau auf, bevor er zu Dean sah. “Den darfst du öfter mitbringen!”
Dean zog beide Augenbrauen hoch, in einem stummen, fröhlichen, nicht eifersüchtigen Ich hab’s dir doch gesagt, während Benny unter den Tresen griff und zwei Schnapsgläser hervor holte.
Er schenkte sie mit goldenem, leuchtenden Whiskey voll und schob eines in Richtung Steve, das zweite hielt er selbst.
“Man macht einem Mann kein Kompliment zu seinen Burgern, ohne mit ihm zu trinken, Bruder.”
Steve blickte einen Moment fast vorsichtig von Benny zu dem Glas in seiner Hand zu dem, das er ihm hingeschoben hatte, während sein Oberkörper sich unterbewusst etwas von der Theke weg beugte. Dean war noch einen Wimpernschlag davon entfernt gewesen, Steve aus der Situation zu befreien, als die blauen, ozeantiefen Augen kurz zu ihm huschten, dann wieder zu Benny und er das Glas nahm.
“Dann, uh, danke, Benny.”
Sie stießen an und bevor Benny den Shot trank, mobilisierte er Dean und seine Colaflasche, um damit auch anzustoßen und Steve tat es ihm gleich.
Dean war heute designierter Fahrer, was hieß, dass seine Getränke aufs Haus gingen, solange sie alkoholfrei waren.
Nicht, dass er etwas anderes bekommen würde, ohne das blaugrün schimmernde Armband abzugeben (Steve hatte die Farbe ausgesucht und Dean hatte sogar seinen Hemdsärmel geöffnet und etwas zurück geschoben, damit man es gut sehen konnte. Wegen den Barkeepern natürlich, nicht wegen Steve), das ihn als frei-trinkenden Fahrer kennzeichnete.
Ein gleichfarbiges hing an Babys Schlüsseln, die Benny sicher in einer Kiste unter dem Tresen aufbewahrte - und die er nicht mehr zurück bekommen würde, wenn er trank.
Benny und seine Crew waren was das anging sehr strikt, vor allem, nachdem seine Frau Andrea vor ein paar Jahren einen Autounfall wegen einem betrunkenen Fahrer, einem alten Mann mit Gottkomplex, gehabt hatte. Es ging ihr gut, Blechschaden und ein paar gebrochene Knochen; nichts, was nicht verheilt wäre. Aber der Schreck hatte Spuren hinterlassen.
Dean könnte nicht behaupten, dass es ihn störte.
Steve und Benny tranken den Shot Whiskey und Dean wusste, dass es keine Einbildung war, als er mit den Augen Steves Zunge folgte, die einen verirrten Tropfen von seiner Lippe aufnahm.
“Sagt, wenn ihr noch was braucht.” Benny zeigte ihnen ein fangzahnreiches (Plastikgebiss) Grinsen. Er war ein furchtbarer Vampir, ganz ehrlich. Aber es brachte Steve dazu, zu schmunzeln und Dean grinste deshalb ebenfalls.
“Klar, machen wir, Benny, danke.”
Steves Mini-Burger war längst verspeist und Dean schob ihm den Teller, auf dem neben den Chili-Cheese-Bällchen und den Zwiebelringen noch einer lag, nachdrücklich entgegen.
Er schnaubte amüsiert und nahm den Burger.
“Danke, Dean”, Steves Stimme klang sogar tiefer als der Bass, der durch die großen Boxen in jeder Ecke durch den Laden flutete und Dean rollte einmal mit den Schultern, ehe er ihm ein Grinsen zuwarf.
“Nicht dafür. Außerdem muss ich noch Platz für den Pie lassen”, sein Daumen deutete hinter ihn in Richtung des Buffets. Steves Augen folgten dem Zeig kurz, während er in den Burger biss - und grinste. Seine Augen leuchteten geradezu voller Humor und Freude und es knisterte warm und blubbernd in Deans Bauch bei dem Anblick.
Steve musterte währenddessen nochmal den kleinen Burger in seiner Hand: “Wow, diese Dinger machen mich wirklich glücklich.”
Dean lachte auf und schüttelte amüsiert den Kopf.
“Ich bring dich mal her, wenn keine Party ist. Dann kannst du sie in richtiger Größe probieren!”
Die Worte hatten seinen Mund so automatisch und schnell verlassen, dass seine Zunge jetzt sich schwer anfühlte.
Verdammt, wollte er Steve nicht eigentlich nicht mit so etwas unter Druck setzen?
Dean fuhr sich eilig mit seiner ungelenken Zunge über die Lippen, ehe er sich räusperte und eine abwiegelnde, beiläufige Handbewegung machte.
“Das heißt - nur wenn du willst, natürlich.”
Er erlaubte sich nur vorsichtig den Blick zu heben und zu Steve zu sehen. Er wollte ihn nicht verschrecken, er wollte ihn nicht wieder verscheuchen. Verdammt, das letzte Mal war er von der Bildfläche verschwunden, nachdem er ihn lediglich zu einer Spritztour eingeladen hatte - jetzt bat er ihn fast schon um ein Date! Das war-
“Das würde ich gern.”
Deans Kopf schnellte bei der Aussage nach oben und er sah gerade noch die letzten warmen Strahlen von Steves Lächeln, bevor Steve schnell den Kopf senkte und sich räusperte. Das Lächeln verschwand aber nicht ganz von seinem Gesicht, es wurde nur wieder kleiner, fast privat und Dean spürte wieder diese Wärme in sich. “Das heißt, irgendwann mal.”
Dean lachte leicht, nickte und Steve sah auf.
Sah ihn an.
“Ja, irgendwann mal.”
Gottverdammt, seine Augen waren so blau.
Sie waren blau, voller Facetten, schimmernd und so, so tief. Genau wie seine Stimme, beides tief, durchdringend, faszinierend; wie Ozeane.
Gott, verdammt, diese Augen.
Er-
Er starrte. Verdammt, er starrte ihn an.
Dean räusperte sich hart und trank eilig einen Schluck Cola, nachdem er fast mühsam die Augen von Steve abgewandt hatte und auch Steve sprang wieder in Aktion.
“Ich sollte- uhm-” Er stand auf, den letzten Bissen Burger immer noch in der Hand und gestikulierte vage - mit dem Burger - in Richtung Toiletten, bis es ihm auffiel.
Sein Gesicht wurde einen Moment fast leidend, ehe es fest wurde und er den letzten, kleinen Bissen Burger in seinen Mund schob.
Dann verschwand er zu den Toiletten.
Dean hätte fast gegrinst, als er ihm nachsah, wenn er nicht mit seinem eigenen Verhalten konfrontiert gewesen wäre.
Was sollte das?!
Verdammt nochmal, Winchester, reiß dich zusammen!
Dean nutzte die Zeit, bis Steve zurückkam, um seine eigenen Hände an einer Serviette zu säubern (nein, er würde Steve nicht auf die Toilette nachlaufen!) und sich zu sammeln.
Es ging hier nicht um ihn und seine unsinnige Schwärmerei, es ging darum, dass Steve einen schönen Abend hatte und etwas Freude. Er musste sich wirklich zusammenreißen.
Also fuhr er sich durch die Haare, nachdem er seinen Cowboy-Hut neben sich auf den Tresen gelegt hatte, öffnete ein paar Knöpfe seines Hemdes und atmete tief durch.
Den Blick, den Benny ihm zuwarf, ignorierte er gekonnt.
Als Steve zurück kam, wirkte er stoisch sortiert - und angespannt.
Er setzte sich wieder neben Dean und zog seine Bierflasche zu sich, nahm einen Schluck und begann dann erneut mit dem Daumen an dem Etikett zu reiben, das noch nicht durchgeweicht genug war, um sich davon beeindrucken zu lassen.
Einen Moment herrschte Stille zwischen ihnen, laute, pulsierende Stille, die nicht mal die schallende Musik um sie herum verdrängen konnte und Deans Gedanken rasten, um etwas zu finden, das er sagen konnte, um Steve abzulenken, wieder zu entspannen und-
Steve räusperte sich zuerst und fuhr sich gedankenverloren über den Hals.
“Ich, uh- Darf ich dich etwas fragen, Dean?”
Die tiefen Wogen seiner Stimme fluteten den Raum zwischen ihnen und Dean ließ sich einen Moment davon mitreißen.
Er liebte es, wenn Steve direkt neben ihm sprach. Wenn er ihn nur über das Telefon hörte waren es schon reißende, raue Wellen, die ihm den Boden unter den Füßen wegspülen konnten. Aber seine Stimme direkt neben sich zu hören war, als wäre man in der Mitte eines Strudels, der einen umher riss, hielt, schleuderte und auffing. Sie war rau und sanft, angenehm und hart, tief und wohltönend und Dean schluckte einmal, ehe er antwortete: “Natürlich, was du willst.”
Ohne es zu wirklich zu realisieren, rutschte Dean mit seinem Barhocker wieder näher an Steve, ihre Arme konnten sich fast berühren, fast, und er senkte den Kopf in Steves Richtung, um ihn besser zu verstehen, jedes kleine, tiefe, raue, reißende Wort aus dem sie umgebenden Pool der schallenden Musik wahrnehmen zu können, wie exotische Fische in sonst langweiligen Teich.
Ein halbseitiges Lächeln huschte über Steves Gesicht und wieder versuchte er es zu verstecken, indem er den Kopf dabei senkte und weg drehte, bevor er sein Gesicht wieder geordnet hatte und den Kopf wieder hob.
Seine Stirn war gerunzelt, als er auf das Etikett seiner Bierflasche blickte und Dean konnte fast sehen, wie sich Steve Wörter zurecht legte, sie auf seiner Zunge platzierte, korrigierte, neu formierte und änderte, bis der Satz für ihn zufriedenstellend war: “Zählt das hier, als zusammen trinken?”
“Huh?”
Steve schnaubte amüsiert und trank dann noch einen Schluck Bier, fast nachdrücklich, als bräuchte er den Schluck, um weiter sprechen zu können, bevor er mit den Schultern zuckte, sich räusperte, wieder mit dem Daumen über das Etikette rieb.
“Als du im Laden warst, nachdem-” Er brach ab, leckte sich die Lippen und zog seine Schultern zurück. “Als du mir die Salben gegeben hast, hast du gesagt, du würdest mir sagen, woher du das alles weißt, wenn wir, mal was zusammen trinken. Und ich habe mich gefragt, ob…”
Er rollte mit den Schultern und Dean entging nicht, wie er sich einmal nervös umblickte, als müsste er befürchten, dass jemand - vermutlich Earl - jeden Moment hinter ihm auftauchen würde, aber ob er da war oder nicht: Dean konnte sehen, wie die Entspannung und Ruhe, sogar Spaß, den Steve den Großteil des heutigen Abends gehabt hatte, langsam von seiner Nervosität aufgezehrt wurde. “Du- musst natürlich nicht- Ich meine, wenn du nicht möchtest. Das- Entschuldige bitte.”
Steve fuhr sich einmal streng durch die Haare und seine ohnehin unordentliche Frisur geriet noch mehr durcheinander.
Dean folgte der Bewegung mit den Augen; Er wollte seine Hand auch durch diese Haare führen, sie waren vermutlich weich wie Seide und rochen nach Sturmwolken und Sommerregen. Er könnte seine Hand an Steves Hinterkopf stoppen, sehen, wie Steve dabei genießend die Augen schloss, ihn so drehen, dass Steve ihn ansah, mit diesen unfassbar tiefen, blauen Augen und ihm versichern, dass alles in Ordnung wäre.
Dann könnte er seine Hand zu Steves Wange gleiten lassen, seine Fingerspitzen immer noch in den dunklen Haaren, und mit dem Daumen über seine Haut streichen, unter seinen blauen, tiefen Augen entlang, über die weichen Lippen, die sich leicht und sehnsüchtig dabei öffnen würden. Seine Berührung wäre sanft und liebevoll, wie Steve es verdiente und dann würde er ihn zu sich ziehen, langsam und verheißungsvoll - aber jetzt war nicht der Moment für solche Gedanken.
Dean zog seinen Kopf aus seiner unpassenden Fantasie und konzentrierte sich auf die Realität, auf Steve, den echten, wirklichen Steve, der neben ihm an der Bar saß und dessen Hände zu fest um die schwitzende Bierflasche lagen.
Aber nicht nur das; Er konnte es fast in der Luft zwischen ihnen spüren, das unruhige Vibrieren der Nerven und Sehen unter Steves Haut, die Unsicherheit der Erinnerungen, die ihn hinunter drückten und mitrissen, weg von dem schönen Abend und dem Spaß, zurück in seine Wohnung, wo Earls Schatten auf ihn wartete.
Steves Schultern waren wieder hart, sein ganzer Körper angespannt und Dean streckte automatisch die Hand aus und legte sie sanft auf Steves Handgelenk.
Seine Haut war weich und warm unter seiner Hand und er spürte den Widerstand seiner eigenen Schwielen, als er darüber strich.
Steve schloss einen Moment die Augen, schluckte hart und Dean sollte die Hand wegziehen.
Das war nicht okay, das war - zu viel und er wollte ihn nicht verunsichern, sondern beruhigen. Er wollte, dass die harten Schultern sich entspannten und sein Atem ruhiger und fließender wurde und nicht noch mehr Unruhe in Steve auslösen.
Er- musste die Hand wegnehmen, jetzt, gleich, auch wenn sie sich noch so gut auf Steves warmer Haut anfühlte und-
Bevor er sich dazu durchdringen konnte, schob sich Steves andere Hand näher. Sein Daumen streckte sich, vorsichtig, fast schüchtern und fuhr über Deans, als wäre es etwas Neues und Unbekanntes, das man wider besseren Wissens erkunden musste.
Es war ein bisschen wie ein Stromschlag, aber nicht unangenehm, kein Schlagen und Zucken in den Sehnen, sondern ein Kribbeln, sanft, schäumend und warm.
Dean schluckte ebenfalls, kämpfte einen Schauer hinunter und benetzte sich einmal seine Lippen; Steve hatte ihn etwas gefragt.
Verdammt, er hatte ihn etwas gefragt und Dean räusperte sich, was er mit einem Schluck Cola zu retuschieren versuchte: “Klar zählt das, Steve.”
Etwas von der granitharten Spannung in Steves Muskeln schmolz und seine Schultern senkten sich leicht. Sein Blick löste sich von der Bierflasche und er blickte Dean teils verwundert, teils offen an.
“Bist du- sicher? Ich möchte nicht-” Er klappte den Mund zu, als hätte er etwas falsches gesagt oder wollte etwas falschen sagen, sortierte seine Worte neu und knete einmal kurz die Lippen, die pinken, vollen Lippen, die sich nach dem aufeinanderpressen wieder mit Blut und Farbe füllten. “Ich möchte nicht neugierig sein.”
Dean konnte spüren, wie er selbst auch lockerer wurde und grinste leicht, während seine Hand immer noch auf Steves Handgelenk lag.
“Bist du aber - und das ist völlig okay. Wär ich auch.” Er nahm noch einen Schluck Cola und zuckte mit den Schultern. “Seien wir fair, das bin ich auch.” Und Steve lächelte wieder. “Aber ehrlich gesagt, ist das eine wirklich sehr, sehr lange Geschichte und sie geht ziemlich - uh”
Dean zögerte einen Moment und wiegte den Kopf hin und her, damit die richtigen Wörter in seinen Mund fallen würden, die er in Zusammenhang mit seiner verdrehten Vergangenheit selten fand.
“Sie ist sehr persönlich”, Steve setzte wieder an, etwas zu sagen, vermutlich, dass er es ihm nicht erzählen musste. Und ja, Dean musste nicht.
Ehrlich gesagt tat Dean es auch selten genug. Es war verkorkst und grotesk und ging die meisten Leute nichts an.
Es gab Eingeweihte in seinem engeren Kreis, Charlie gehörte natürlich dazu und Benny. Die Meisten kannten jedoch nur vage Details.
Aber der Gedanke, es Steve zu erzählen? Das fühlte sich richtig an. Es wäre nur fair, es fühlte sich fair an. Er wusste schon so viel von Steve, so viele Dinge, die man sich erst verdienen musste, die persönlich waren, verkorkst und grotesk und verdammt noch mal, er wollte mehr wissen.
Er wollte alles wissen.
Was, im Gegensatz dazu, wusste Steve schon von ihm?
Seine Augen glitten einen Moment musternd über Steve, während seine Finger zart über Steves Handgelenk strichen und sich sein Daumen gegen seinen schob.
Er wollte es Steve erzählen, er wollte - er würde ihm alles erzählen. Aber er wollte auch mehr wissen.
“Was hältst du davon - ich meine, ja, ich weiß schon ein paar Sachen über dich, aber auch einiges nicht - und ich erzähl dir meine persönliche Origin-Story wenn du mir auch etwas persönliches erzählst? Und damit meine ich jetzt nicht, du hattest einen Hund namens Poochie.” Er machte eine abwiegende Handbewegung. “Etwas echtes.”
Er hielt Steve seine Cola-Flasche entgegen, um anzustoßen, den Deal zu besiegeln, vorsichtig, fast abwartend.
Dean wollte Steve nicht dazu zwingen, ihm etwas zu erzählen, bei dem er sich nicht wohlfühlen würde. Er wollte ihn nicht in die Ecke drängen oder unter Druck setzen.
Er wollte nur mehr über ihn wissen und er würde den Deal natürlich zurückziehen, wenn es Steve unangenehm wäre - und seine Geschichte trotzdem erzählen.
Das war, wie gesagt, nur fair.
Steves Augen lagen auf Deans Flasche und er zögerte einen Moment, die Unterlippe zwischen die Zähne gezogen, unsicher, fast verschreckt - und Dean war im Begriff, zurück zu rudern, als sein Wangenmuskel zuckte, ein Lächeln in Millisekunden, und er nickte: “Okay, einverstanden.”
Das breite Grinsen war auf seinem Gesicht, bevor er etwas dagegen tun konnte und Dean entschied sich, sich ihm einfach zu ergeben. Was sollte es? Es freute ihn wirklich, dass Steve zugestimmt hatte.
“Ehrlich? Okay, cool.”
Er hob seine Flasche höher, hielt sie Steve entgegen und blickte zu seiner Bierflasche. Er hielt sie mit der Hand, dessen Handgelenk gerade unter Deans rauen Fingern lag.
Er müsste ihn loslassen.
Er wollte nicht loslassen.
Verdammt, das hatte er nicht bedacht.
Deans Lächeln hatte etwas an Strahlkraft eingebüßt, aber er versuchte es sich nicht anmerken zu lassen; Es war ja nichts dabei. Seine Hand gehörte da ohnehin nicht hin.
Bevor Dean seine Finger bewegen konnte, er wollte sie nur noch einmal über die weiche Haut streichen lassen, schubste Steve seine Bierflasche mit sanftem Druck über den Tresen in seine freie Hand und stieß mit ihm an.
Dean grinste daraufhin nicht breiter, aber- es schäumte warm in seinem Magen und er räusperte sich vor einem weiteren Schluck Cola.
Wenn er so weiter machte, trank er Benny um Haus und Hof.
Er deutete vage mit der Flasche ins Steves Richtung: “Okay, fang du an.”
Das schien Steve wieder etwas aus dem Konzept zu bringen und er spürte, wie die Sehnen in seinem Arm sich einen Moment anspannten und der Griff um seine Flasche härter wurde.
Es dauerte nur Augenblicke, ehe sich sein Körper wieder entspannte und er die Lippen, scheinbar unbewusst, mit der Zunge benetzte.
Seine Augen kniffen sich leicht zusammen, wie er es so oft tat, wenn er etwas nicht verstand, oder überlegte, und sein Kopf kippte leicht zur Seite.
Dean musste bei dem schon so vertrauten Anblick leicht schmunzeln, aber er wartete geduldig. Er konnte fast sehen, wie die Gedanken sich durch Steves Kopf jagten, suchten, fanden, verwarfen, bis etwas einen Nerv traf.
Seine Körperhaltung wurde nicht entspannt, sondern - lasch.
Er wirkte einen Moment lang fast besiegt, als hätte er einen Kampf verloren oder sich einer Wahrheit gestellt, die er zu gerne ignorieren würde, um seine Grundfeste nicht zu erschüttern, derer er sich aber tief im Inneren bewusst war.
Dean runzelte die Stirn, aber er wartete, bis Steve erneut seine Lippen benetzt hatte und noch einen großen Schluck aus seiner Flasche trank.
“Kann ich auch eine Sache erzählen, die eigentlich zwei Dinge enthält?”
Dean nickte lediglich und Steve seufzte fast, nahm noch einen Schluck Bier und runzelte dann die Stirn, sortierte wieder Wörter, Sätze und Formulierungen in seinem Kopf und auf seiner Zunge, sein Daumen strich nicht mehr über Deans sondern wieder über das nun aufgeweichte Etikett der Flasche, ehe er anfing zu sprechen:
“Ich glaube, man kann sagen, ich habe- gelogen.”
Und das war eine wirklich merkwürdige Formulierung.
Dean zog eine Augenbraue hoch, wartete aber auf den Rest und Steve lächelte halbseitig aber gedrückt.
“Ich hab dir doch erzählt, ich hätte Geschwister, Anna und Gabriel.”
Dean nickte und Steve presste einen Moment die Lippen aufeinander, ehe er fortfuhr.
“Sie- sind eigentlich nicht meine Geschwister.” Er schüttelte den Kopf, die Augen auf die Flasche fixiert, die sein Daumen bearbeitete. “Sie sind nicht meine Geschwister. Ich habe keine Geschwister. Ich habe keine- uhm-” Sein Mund, Zunge und Lippen, kämpften damit, weiter zu sprechen und Dean wartete respektvoll, aufmerksam und rieb mit dem Daumen sanfte, beruhigende Linien über Steves Handgelenk und Handrücken.
“Ich habe keine Familie, nicht nur keine Geschwister. Ich- uh- bin ein Waise, ich bin in einem Waisenhaus aufgewachsen, das Paradise in Heaven-Waisenhaus.” Er hob schnell die Hand samt Bierflasche, um etwas abzuhalten und abzuwehren, das Dean nicht mal kommen sah. “Was vollkommen in Ordnung ist! Wirklich, ich- Ich meine, ich habe damit- keine Probleme, alles in Ordnung!”
Deans Stirn runzelte sich und kam nicht umhin, sich zu denken, dass es auch vollkommen okay wäre, wenn es für Steve nicht in Ordnung wäre. Bevor er allerdings etwas dazu sagen konnte, fuhr Steve bereits fort:
“Anna und Gabriel waren auch dort, da- haben wir uns kennengelernt und angefreundet, aber…” Er zuckte mit den Schultern, wie jemand, der diese Unterhaltung öfter hatte führen müssen, spätestens an dieser Stelle besiegt worden war und es jetzt nur schnell hinter sich bringen wollte. “Sie sind nicht meine Familie, nicht meine Geschwister. Wir haben- nur irgendwann angefangen uns so zu nennen, aber, das stimmt eigentlich nicht. Also, ich bin Waise und habe gelogen, was meine Familie angeht.”
Das Lächeln, das jetzt über seine Mundwinkel zuckte, wirkte mehr denn je, wie eine Maske und er räusperte sich unwohl, wie jemand, der wusste, er hatte zu viel oder das falsche gesagt, aber konnte es jetzt nicht mehr zurück nehmen.
Seine nach vorne gekippten Schultern, kraftlos aber angespannt, zeigten, dass er diese Geschichte nicht gerne erzählte - und das er bislang nie Verständnis erhalten hatte, wenn er Anna und Gabriel seine Geschwister nannte, obwohl sie nicht blutsverwandt waren.
Dean konnte nur fassungslos den Kopf schütteln.
Er öffnete den Mund, schloss ihn wieder und schüttelte erneut den Kopf.
Steve hatte nur kurz zur Seite geschielt, bevor sich sein Blick wieder auf die Flasche fixiert hatte und Dean brauchte noch einen Moment, um all das gesagt zu verarbeiten.
Wie konnte man-
Und-
Das-
“Was für ein Schwachsinn!”, er murmelte es mehr zu sich selbst, als zu Steve, aber sie waren sich so immer noch so nah - Dean leicht zu ihm gebeugt, die Barhocker so eng aneinander gerutscht, dass eine leichte Drehung reichen würde, damit er seinen Oberschenkel an Steves pressen könnte - dass er es dennoch hörte und Dean spürte, wie sich sein Unterarm erneut anspannte.
Ein unwohles, entschuldigendes Lächeln huschte über Steves Züge und er rieb weiter nervös an dem Etikette seiner Bierflasche.
“Ja, ich weiß, dass- Entschuldige, bitte.”
Dean begann energisch den Kopf zu schütteln, sein Griff um Steves Handgelenk wurde fester, nachdrücklicher, als wollte er Steve festhalten, bevor er in die Gedanken, die ihm gerade durch den Kopf gingen, abrutsche, aber immer noch darauf bedacht, ihm nicht wehzutun.
“Nein, Steve. Nicht das, sondern- Ich meine-” Dean schüttelte wieder den Kopf und schnaubte aus Mangel an erklärenden Worten. “Warte.”
Er griff mit der freien Hand nach seiner Colaflasche und drehte sich leicht, sodass er die Tanzfläche sehen konnte - sein Oberschenkel rieb sich dabei an Steves und er konnte durch die dünne Stoffhose, die er trug, fast schon die feinen Sehnen darin spüren, seine Haut, die Wärme angab, die festen Muskeln.
Seine Augen huschten suchend über die Menge an Tanzenden, bis er den nicht zu verwechselnden, feuerroten Haarschopf von Charlie erspäht hatte.
Mit ruhiger Selbstverständlichkeit hob Dean die Flasche, Steve war der Bewegung verwirrt gefolgt und beobachtete ihn.
“Hey, Schwesterherz!”, rief er laut durch den Laden und Charlie sprang in die Luft warf ihm einen Handkuss zu und brüllte ein Hey, Bruderherz! zurück.
Gildas glockenhelles Lachen wurde von der Musik geschluckt und Charlie griff ihre Hände und drehte sie einmal um die eigene Achse.
Das warme Lächeln, das auf Deans Lippen erschien, kam von selbst, glücklich und froh und er beobachtete die beiden noch einen Moment, bevor er sich wieder zu Steve drehte.
Sein Bein presste sich nicht mehr an Steves, als er sich wieder richtig ausgerichtet hatte und jetzt fühlte sich seines kalt an.
Unbeachtet dessen sah er Steve eindringlich an.
“Das ist Schwachsinn, Steve. Dass Anna und Gabriel nicht deine Geschwister sein sollen, ist Schwachsinn. Charlie ist auch nicht mit mir verwandt und trotzdem ist sie wie die kleine Schwester, die ich nie wollte.”
Sein Lächeln wurde schief, beruhigend und er zuckte mit den Schultern. “Ich liebe sie, wie meine Schwester, also ist sie meine Familie. Und ich gehöre zu ihrer Familie. Genauso wie-” Er hob kurz den Finger, um Steve zu bedeuten, er sollte einen Moment warten, bis er das Ziel ausgemacht hatte.
Am liebsten würde er sein Bein dabei nochmal gegen Steves pressen, aber dafür gab es (leider) keinen Grund.
Er hatte Jo schnell gefunden, verkleidet als Geist durch blutige, zerfetzte Kleidung, weißes Make Up und dunkel geschminkte Augen. Sie sprach gerade mit Kevin, seines Zeichens auch Geist, aber aus der Bettlaken-Abteilung, immerhin hatte sein Kostüm eine Kapuze die er abnehmen konnte: “Siehst du die Blondine, Jo? Nicht verwandt, trotzdem so etwas wie meine Schwester. Lange Geschichte, für ein anderes Mal. Und der kleine Asiate, der gerade versucht mit ihr zu flirten? Kevin, wir arbeiten nicht nur zusammen, er ist sowas wie mein Bruder. Und ich habe sogar einen leiblichen Bruder, Steve.”
Er wandte sich wieder Steve zu. Die blauen, tiefen Augen blickten ihn vollkommen verwirrt und verblüfft an und Dean schüttelte lächelnd den Kopf: “Jemand, der auch nicht mit mir blutsverwandt ist, aber so etwas wie ein Vater für mich, hat mir mal gesagt, dass die Familie nicht mit Blut endet, Steve. Und damit hat er Recht. Vielleicht seid ihr nicht blutsverwandt, na und? Familie definiert sich nicht dadurch, dass ihr euch gegenseitig Lebern spenden könnt! Und wer immer etwas anderes behauptet, hat einfach keine Ahnung, ist ein Idiot und soll seine Fresse halten. Anna und Gabriel sind deine Geschwister.”
Seine Hand lag immer noch auf Steves Handgelenk und er konnte die festen Sehen spüren, die Anspannung und sein Daumen begann wieder beruhigende Kreise über die warme Haut zu zeichnen, ohne, dass es ihm überhaupt richtig bewusst war.
Steves Augen waren auf ihn fixiert, starr, tief und blau, hatten ihn nicht einen Moment losgelassen, während all der Wörter, die aus ihm heraus gesprudelt waren und sie glänzten feucht und gerührt und traurig.
Er schluckte hart, lächelte wieder halbseitig und gedrückt, ehe er den Kopf senkte.
“Danke, Dean. Ich weiß das zu schätzen.” Sein Daumen hatte das aufgeweichte Etikette fast gänzlich abgelöst und versuchte es jetzt wieder auf der Flasche zu glätten. “Aber, es ist nicht nur, dass wir nicht blutsverwandt sind.” Er räusperte sich und es klang schwerer, als wäre es eine noch größere Hürde, die nächsten Worte auszusprechen. “Wir- wir haben seit über einem Jahr nicht miteinander gesprochen.”
Seine Stimme war immer noch so unglaublich tief und rau, aber sie hatte ihr Reißen und Wirbeln verloren.
Er klang fast müde, nicht körperlich erschöpft, aber als hätten die unzähligen Male dieser Diskussion seinen Widerstand gebrochen, als würden seine Worte rechtmäßig entkräften, was Dean gerade gesagt hatte. Als wären sie der Beweis, dass Dean Unrecht und wer auch immer - vermutlich Earl - ihm diesen Floh ins Ohr gesetzt hatte, Recht hatte.
Ein schiefes, warmes Lächeln zuckte über Deans Lippen, beruhigend und voller Kraft und selbstverständlichem Verständnis und er zuckte mit den Schultern.
“Familien streiten sich, Steve.” - und Steve lachte schnaubend auf, aber es klang immer noch etwas wehmütig.
“So einfach?”
Dean lachte selbst und schüttelte den Kopf, während er seine Cola austrank: “Scheiße, nein, Familie ist nie einfach!”
Er konnte sehen, dass Steve versuchte, das breite Lächeln von seinen Lippen fern zu halten, das sich trotzdem den Weg auf sie bahnte. Sein nächste Lachen klang nicht mehr wehmütig, sondern echter, ehrlicher, nach wirklicher Freude und Steves Augen lagen wieder auf ihm.
“Danke, Dean.”
Dean drückte sein warmes Handgelenk sanft und Steve senkte fast schüchtern den Kopf.
“Immer, Steve - Aber ehrlich gesagt, das zählt das nur halb; Ich meine wie gesagt, du hast nicht gelogen, also schuldest du noch eine Wahrheit über dich, aber ich denke, ich bin gnädig und warte damit, bis wir das nächste Mal was trinken gehen.” Er zwinkerte und Steves Lächeln schob seine Augen zusammen, so breit und warm war es, während er amüsiert den Kopf schüttelte.
“Na, vielen Dank!”
Dean ließ sich einen Moment von dem fröhlichen Glanz und Funkeln in seinem Lächeln und seinen Augen ablenken, räusperte sich dann und orderte noch eine Cola, bei derselben Bardame die vorhin die Flasche mitgenommen hatte. Ihr Blick blieb einen Moment an seiner Hand auf Steves Handgelenk hängen und diesmal zwinkerte sie nicht.
Dean wollte ihre Vermutung gar nicht korrigieren, dazu fühlte sich seine Hand auf Steves Haut zu gut an.
“Oh, nein, das ist eigentlich für mich.” Er ließ ein zahnreiches Grinsen zu Steve blitzen. “Ich hoffe, je länger du darüber nachdenken kannst, desto besser wird die Geschichte.”
Steve lachte wieder auf und schüttelte den Kopf.
“Da werde ich mir tatsächlich Mühe geben müssen. Ich bin kein besonders interessanter Mensch mit besonders interessanten Geschichten.”
Steves Gesichtsausdruck nach zu urteilen, schien er das tatsächlich zu glauben und Dean schnaubte, als er ungläubig die Augen verdrehte.
“Ja, klar.”
Auf den fragenden Blick erwiderte er besser nichts.
Glücklicherweise kam genau im richtigen Moment seine neue Cola und er nahm die Flasche dankend entgegen.
Er genoß einen Moment das vibrierende Schweigen, wie sich die Musik zwischen sie drängte und umfing, bevor er leicht zu Nicken begann.
“Also, dann bin ich dran.”
Steve hatte seinen Teil der Abmachung erfüllt und jetzt war er am Zug.
Steves Augen wandten sich ihm zu, tief, warm und leuchtend, ein schmales, schiefes Lächeln auf den Lippen, das offensichtlich hinter sich wieder Wörter sortierte: “Dean, du musst nicht-”
Seine Worte erstarben mitten im Satz, als Dean ihn warm ansah und er schluckte sie hinunter.
“Ich weiß, dass ich nicht muss. Aber das war der Deal. Du warst ja auch ehrlich zu mir.” Er lehnte sich leicht überlegend zurück, in einer Hand die Cola, die andere immer noch auf Steves Handgelenk, während er unfokussiert das Schnapsregal hinter dem Tresen anstarrte.
“Uh, okay, wo fang ich an?” Er verdrehte leicht die Augen über sich selbst, ehe er mehrfach von rechts nach links nickte. “Ja, am Anfang, ich weiß, also, okay-”
Er räusperte sich, benetzte seine Lippen, rollte mit den Schultern und blickte dann Steve an, Steve mit den unbeschreiblich blauen, tiefen Augen, die einen zu sich in den Abgrund eines Ozeans zogen. Er begann fast automatisch zu sprechen, immer noch im Scheinwerferlicht dieser Augen.
Bei Steve könnte er ehrlich sein, würde er ehrlich sein.
Bei Steve wollte er ehrlich sein.
“Also: Ich sollte damit anfangen, als es in unserem Haus gebrannt hat, damals noch in Lawrence, Kansas.”
Steves Augen zuckten leicht, als er die Information aufnahm und Dean benetzte erneut seine Lippen, bevor er fast schon nachdrücklich den Blick abwandte. Er konnte sich nicht konzentrieren, wenn er dort hinein sah.
Also wurde sein Blick vage und unfokussiert bei der Erinnerung, aber er spürte trotzdem Steves Augen auf sich.
“Ich glaube, sie hatten sich an dem Abend gestritten, meine Mum und mein Dad. Ich weiß noch, dass ich unten saß und Cartoons geschaut habe und dann war da auf einmal dieser merkwürdige Geruch, wie wenn Dad den Grill angeheizt hatte, und ich rannte nach oben.”
Es drückte plötzlich in seiner Brust, kalt und klamm, bei der Erinnerung an Rauch, knisternde Hitze und die Schreie, die seine Eltern ausgestoßen hatten, und er presste kurz die Lippen aufeinander und nahm noch einen Schluck aus seiner Flasche, bevor er weitersprechen konnte.
“Ich konnte Flammen sehen, die in Sammys Kinderzimmer brannten und hörte meine Mutter schreien und wollte zu ihr. Aber mein Dad drückte mir Sammy in den Arme, er war damals erst ein halbes Jahr alt, und sagte ich solle los laufen und meinen Bruder raus bringen, so schnell ich konnte.” Dean zuckte mit den Schultern und spielte jetzt selbst mit dem Etikett seiner Cola-Flasche. Der Druck in seiner Brust war zu einem dumpfen Pochen geworden, Erinnerungen an die kindliche, furchtbare Angst, die er damals gehabt hatte und die immer noch präsent genug war, damit sein Mund trocken wurde.
“Also hab ich Sammy festgehalten und bin ich so schnell gerannt, wie ich konnte. Dann habe ich draußen gewartet, vor dem Haus, bis meine Eltern raus kamen. Dad kam raus, packte mich und Sammy und rannte mit uns zum Impala. - Dad setzte uns hinten ins Auto und fuhr einfach los. Ich konnte aus dem Fenster sehen, dass der erste Stock unseres Hauses brannte und fragte ‘Wo ist Mommy’ und Dad sagte nur ‘Mommy ist weg’.”
Seine eigenen Schultern waren angespannt und hart. Er machte sich nicht die Illusion, dass es jemals leicht sein würde, diese Geschichte zu erzählen, weil es einfach keine leichte Geschichte war. Aber er rollte mit den Schultern, um sie zu entspannen und wenigstens den Anschein zu erwecken, es wäre alles in Ordnung. Er konnte Steves Blick auf sich spüren und er wollte-
Es gab keinen falschen Eindruck, den er erwecken wollte. Aber er wollte nicht, dass Steve sich Gedanken machte.
Bevor er weiter sprach, schenkte er Steves aufmerksamen, ruhigen, tiefen, blauen Augen ein zuversichtliches Lächeln und zwang sich dann wieder, wegzusehen.
Gott, er konnte nicht denken, wenn er da hinein sah!
“Wir sind nie nach Hause zurückgekehrt. Stattdessen lebten wir von da an entweder im Impala oder in Motels. Dad war nicht gut darin, einen Job zu behalten, dafür trank er zu viel.”
Die Vergangenheit schlang sich um seine Stimmbänder und ließ seine Wörter rauer und brüchiger wirken, als er es geplant hatte.
Dean musste seine Lippen benetzen, als die Erinnerung an eine Fahne aus billigem Scotch und ein Schraubstockgriff um sein Kinder-Handgelenk aus den Untiefen seines Kopfes lebhaft auftauchten.
Aber egal, wie oft er schluckte, sein Mund fühlte sich weiter trocken an, seine Zunge sperrig in seinem viel zu kleinen Mund.
Mehrere Erinnerungen zogen brandschatzend durch seinen Kopf, wie jedes Mal, wenn er diese Tür öffnete. Natürlich versuchte er, darin nicht unterzugehen, sich nicht mitreißen zu lassen, wie es früher oft passiert war.
Es waren nur Erinnerungen, sie konnten ihm nicht mehr wehtun.
Und Steve hatte die Wahrheit verdient, also wollte er sie ihm erzählen. - Er schluckte erneut dagegen an.
Ein warmes, angenehme Gewicht legte sich auf Deans Handrücken und er blickte hinunter; Steve hatte seine zweite Hand auf Deans gelegt; Unter ihr Steves Handgelenk, über ihr sein warmer, fester Griff und es kribbelte angenehm in seinen Fingerspitzen. Er konnte fast spüren, wie ihn diese leichte Berührung in der Gegenwart erdete und die Erinnerungen nicht mehr scharf und aufragend waren, sondern transparente Schatten, wie sie sein sollten.
Sein Mundwinkel zuckte in einem leichten Lächeln.
Seine Zunge war nicht mehr klobig, sein Mund weniger trocken und er sprach weiter.
“Wir waren eigentlich ständig unterwegs, ständig in neuen Schulen, ständig in neuen Städten, ständig- mit Dad alleine. Und er war nicht gerade gut mit Kindern. Er hat zu viel getrunken und er hatte einen kurzen Geduldsfaden. Er ist oft- wütend geworden. Je älter wir wurden, desto schlimmer wurde es. Teenager sind einfach nicht sonderlich kompromissbereit.”
Der Witz scheiterte, weil Steve es nicht zum Lachen fand und Dean musste ihm eigentlich Recht geben; Es war nicht zum Lachen, aber es wäre leichter, wenn man darüber lachen würde. Zumindest für einen Moment, bis man sich danach dafür schlecht fühlen würde.
Steves Finger hatten begonnen, über seinen Handrücken zu streichen, über seine Knöchel, über seine Finger. Es war eine leichte Berührung, weich und sanft; Dean bekam eine Gänsehaut unter seinem Hemdsärmel und schloss einen Moment die Augen - und noch während Dean sprach, stoppten die Bewegungen und Steves Griff wurde starr.
“Er hat euch geschlagen.” Steves Worte, seine sonst nüchterne Feststellung, war so voll mühsam unterdrückter Wut, das Dean überrascht aufsah.
Steves Augen waren kalt, wie der Nordatlantik im April, seine Gesichtszüge fest und hart, wie jemand der einem unaussprechlichen Unrecht gegenüber stand. Als würde Steve nicht aus erster Hand wissen, wie schnell Menschen die Kontrolle über sich verloren, was für Bestien sie sein konnten.
Sein Griff um Deans Hand war kräftig, aber nicht schmerzhaft, voller Kontrolle über seine eigene Stärke, pulsierend in seinen langen, schlanken Fingern und plötzlich wurde Dean klar, dass Steve sich ihm ohne weiteres entgegen stellen könnte, dass er sich Earl vermutlich ohne weiteres entgegen stellen könnte, wenn Earl nicht immer unfair und unprovoziert zuschlagen würde, wenn er Earl nicht immer noch lieben und nicht verletzen wollen würde.
Wenn Steve nicht so ein guter Mensch wäre und schamlos gleiches mit gleichem vergelten würde.
Dean benetzte unbewusst seine Lippen, die Augen immer noch auf diesen anderen, diesen wütenden, Gerechtigkeit einfordernden Kämpfer gerichtet, der neben ihm saß, vor dem er zurückweichen würde, wenn sein Zorn auf ihn gerichtet wäre.
Ein Schauer lief über Deans Rücken, aber er könnte nicht sagen, dass es ein schlechter war.
Nein, ganz im Gegenteil; Er war vollkommen und rettungslos überwältigt von dem kurzen Aufblitzen der unzähligen Riffe, Untiefen und Abgründe in Steve, seiner Art, seinem Wesen.
Gott, er war beeindruckend.
Er musste seine Augen von dem Anblick losbrechen, um sich wieder konzentrieren zu können und er räusperte sich.
Wenn Menschen schlimmes erlebt hatten, tendierten sie oft dazu, es zu umschreiben.
Sie benutzen keine Sätze wie Er hat uns grün und blau geschlagen und manchmal hatte ich Angst, er schlägt uns tot. Sie sagten Er wurde oft wütend.
Um sich selbst zu schützen, damit sie die Tür zu den vergrabenen Erinnerungen nicht komplett aufstießen und in die verschlingenden Emotionen zurück gerissen wurden, oder um den zu schützen, dem sie es erzählten - Dean wusste es nicht.
Aber er wusste, dass es keinen Sinn hatte, etwas schön zu reden - und trotzdem tat er es.
Also nahm er noch einen Schluck Cola, ließ seinen Daumen über den feinen Knochen an Steves Handgelenk fahren und sprach weiter.
“Ja, hat er. Ich habe versucht, das Gröbste von Sam fern zu halten, aber- Ich hab es nicht immer geschafft.”
Schuld brannte in seiner Brust, heiß und verzehrend, sein ganzer Körper spannte sich unter dieser untragbaren Wahrheit an und einen Moment war es fast, als würde er keine Luft mehr bekommen; Das Bild von Sammys blutender Unterlippe und dem gebrochenen, an den Körper gedrückten Arm klar und furchtbar lebendig vor seinen Augen.
Ihm wurde übel, wenn er nur daran dachte, was Sammy hatte erleiden müssen, weil er es nicht hatte verhindern können, weil er nicht gut genug aufgepasst hatte, weil er- Weil er-!
“Dean.”
Steves Stimme war so nah an seinem Ohr, dass er den Atemhauch an seiner Haut spüren konnte und er drehte den Kopf. Er hatte sich zu ihm gebeugt, war näher gerutscht - Dean konnte jetzt die Wärme spüren, die von seinen Körper ausging, seine Muskeln und Sehnen in dem Oberschenkel, der sich gegen Deans drückte. Seine Hand um Deans hielt ihn eisern fest aber trotzdem fast sanft.
Er wollte sich am liebsten gegen ihn lehnen, weiter von den warmen Wellen seiner ganzen Existenz umspült werden und die tosenden Wogen seiner Stimme an ihm reißen lassen.
“Es war nicht deine Schuld.”
Das Lächeln, das über seine Lippen zuckte, war ungläubig und abwehrend und Dean zuckte mit den Schultern.
“Jah- Fühlt sich nicht so an.”
Dean räusperte sich wieder und trank noch einen Schluck.
Gottverdammt, er hätte jetzt lieber ein Bier. Das war eigentlich der Grund, warum er die Geschichte nur in Bars erzählte, weil er dabei trinken konnte. Aber gut, jetzt hatte er schon damit angefangen, jetzt würde er sie auch zu ende bringen.
“Wir waren nicht immer nur bei Dad, es gab auch wirkliche gute Zeiten” - Dean konnte aus den Augenwinkeln sehen, wie sich Steves kämpferische Flut wieder in die sanfte Bucht seiner blauen Augen zurück zog und er ihn aufmerksam ansah, nicht fordernd, nicht drängend oder voll morbidem Interesse; Nur aufmerksam lauschend. - “Wir waren oft bei Onkel Bobby oder anderen Bekannten von Dad, wenn er irgendwo Arbeit hatte, wo Kinder - unpraktisch waren, oder er ohne uns nervige Blagen eine Sauftour machen wollte. - Ich beschwer mich nicht darüber!”
Und Dean unterstrich diese Aussage mit einer energischen Handbewegung, während ein warmes Lächeln den Weg in seine vorher so angespannten Wangenmuskeln fand.
Bobby war - wie ein Vater für ihn, wie ein richtiger Vater und wenn er für sonst nichts dankbar war, was seinen alten Herrn anging, war er dankbar, dass er wegen ihm Bobby Singer kannte.
“Bei Bobby war es immer toll. Wir durfte Ball spielen, haben so viel zu Essen gekriegt, wie wir wollten und sind sogar manchmal Eis essen gegangen. Das war super!” Sein Lächeln wurde etwas wacklig und er benetzte wieder die Lippen. “Aber irgendwann sind wir nicht mehr hingefahren. Ich glaube, ehrlich gesagt, ich war daran Schuld: Bobby hatte mir bei unserem letzten Besuch so viele Fragen gestellt. Ich weiß nicht mehr genau welche, irgendwas über Mum, wo wir früher mal gewohnt hätten und solche Sachen.” Dean zuckte fast resigniert mit den Schultern. “Ich hab es meinem Dad erzählt. Er würde wütend deshalb, wollte wissen, was ich ihm alles erzählt habe und dann fuhren wir nie wieder hin.”
Steves Stirn runzelte sich, Dean konnte es aus den Augenwinkeln sehen.
“Hat er es gewusst? Was euer Vater getan hat? Wollte er euch helfen?”
Dean wiegte mit dem Kopf.
“In etwa, könnte man sagen. Aber Dad hat daraufhin Bobby gemieden wie die Pest und wir haben ihn eine wirklich lange Zeit nicht mehr gesehen.”
Er musste kurz innehalten, überlegen, wie er weiter sprechen sollte, Steve dabei immer noch so nah an ihm.
Es war merkwürdig, wenn er nur daran dachte, war es als könnte er sich auf nichts anderes mehr konzentrieren, als an seinen Oberschenkel an seinem, Steves Hände, die seine umgaben, wie ihre Arme leicht verschlungen waren, um das überhaupt möglich zu machen und es machte ihn fast wahnsinnig.
Aber auf der anderen Seite war es beruhigend und erdend, es hielt ihn fest und aufrecht und Dean wollte sich noch mehr dagegen lehnen; Was er allerdings tunlichst zu vermeiden versuchte.
Stattdessen räusperte er sich.
“Es gab mehrere Menschen, die versucht haben uns zu helfen, aber manchmal hat man einfach kein Glück. Einmal, als ich so um die zwölf war - und Sammy acht - wurde er krank. Ich meine krank. Er hatte Fieber, hohes! Dad war seit einer guten Woche nicht da gewesen und ich hatte Angst. Ich meine, Panik Dad hat nie viel von der Polizei oder dem Notruf gehalten, aber ich wusste nicht, was ich tun sollte, also hab ich angerufen.”
Er musste kurz pausieren, lächeln bei der Erinnerung an den Anruf: “Die Frau am anderen Ende der Leitung klang so - freundlich, Steve.” Und er schnaubte fast belustigt, weil es so eine absurde Situation gewesen war. “Ich dachte, so muss eine Mutter klingen, so warm und zuversichtlich und ruhig. Ich hatte solche Angst, aber sie war so beruhigend und ich erzählte ihr alles: Das mein Bruder krank sei, dass mein Dad nicht da war, dass ich Angst hatte. Sie stellte auch Fragen, nach unserem Namen, wo wir waren, wo Dad war, wo wir herkamen, wo meine Mum sei.”
Die Erinnerung lief in seinen Kopf ab, wie ein Film; Er hatte es immer merkwürdig gefunden, dass er sich so detailgetreu an das Gespräch mit der Dispatcherin erinnern konnte, aber das hatte einige Weichen in seinem späteren Leben neu gestellt, Vielleicht deshalb.
Aber der Film seiner Erinnerung kam an einen kritischen Punkt und die Gedanken an die liebenswerte Frau verloren an Farbe; Der Geruch von Scotch wurde stärker: “Dad kam gerade rein, als ich ihr sagte, unsere Namen wären Dean und Sam Winchester und mein Dad heißt John. Er hat mich umgeworfen, so schnell hat er mir das Telefon aus der Hand gerissen. Keine zwei Minuten später saßen wir im Auto und waren auf dem Weg zur Schnellstraße.”
Steves Hand war wie ein warmer, stoischer Anker, der ihn erdete, festhielt, in der Realität und im Hier und Jetzt, während Blitze aus vergangenen Unwettern vor seinem geistigen Auge zuckten und er war dankbar dafür. Vor allem jetzt, als sein Dad vor seinem geistigen Auge seinen kleinen Bruder so grob packte, dass er davon blaue Flecke bekommen würde und ihn sich über die Schulter warf, dann ihn packte - auch mit Andenken auf seiner Haut - und ihn so sehr zum Auto zerrte, dass seine Schulter zwei Tage danach noch wehgetan hatte.
Er konnte die Schmerzen nicht mehr spüren, aber er erinnerte sich an diese kalte, ohnmächtige Angst, die ihn fast erstickt hatte.
Steves Finger schoben sich zwischen seine, sie fühlten sich fast heiß an im vergleich zu den frostkalten Erinnerungen und Dean schloss einen Moment die Augen, folgte dem roten Faden von Steves Berührung zurück ins Jetzt und Hier, wo Musik laut um sie schallte und dafür gesorgt hatte, dass sie so nah aneinander gerutscht waren, wo Leute um sie herum liefen und lachten, tanzten, tranken und aßen, die sie alle beinah vergessen hatten und wo Lichter um sie blitzen und flackerten, weil es Spaß machte und zu einer Party dazu gehörte.
Aus seinen Augenwinkeln sah er, dass Steves Stirn weitere, tiefere Falten bekommen hatte und er sah ihn an, um ihm zu zeigen, dass er gerne eine Frage stellen konnte.
“Ihr seid nicht in ein Krankenhaus gefahren, wenn es Sam so schlecht ging?”
Dean wiegte den Kopf von rechts nach links.
“Erst im nächsten Bundesstaat. Aber, zugegeben, Dad ist wirklich schnell gefahren.”
Das schien Steve keinesfalls zu beruhigen.
Dean grinste leicht bei dem erneuten Aufblitzen der Wut über diese Ungerechtigkeit in Steves Augen und gab ihm mit einem Blick zu verstehen, dass er es verstand, indem er kurz sein Handgelenk drückte.
Es war Vergangenheit, keiner konnte mehr etwas daran ändern;
Es war vorbei und sie hatten überlebt.
“Das alles ging im Großen und Ganzen so weiter, bis ich anfang zwanzig war.” - Er spürte, wie Steve sich bei dem Gedanken kurz und hart verspannte und streichelte beruhigend die weiche Haut an der Unterseite seines Arms.
“Sam ist ein kleines Genie, falls ichs noch nicht erzählt habe” - beide wussten, er hatte es erzählt; Mehrfach - “und als er 18 war, wurde er für Stanford zugelassen, ein volles Stipendium. Ich meine-”, er schnaubte lachend und beeindruckt, nach wie vor, nach all den Jahren beeindruckte es Dean immer noch, und trank noch einen Schluck. “ein volles Stipendium, für Stanford! Ich war so verdammt stolz.”
Sein Lächeln wurde bei der nächsten Erinnerung wackelig.
“Dad, auf der anderen Seite, war wütend. Wirklich, wirklich wütend. Er wollte nicht, dass Sam ging und-“ Er benetzte sich wieder die Lippen. “Das war der schlimmste Tag, den wir je hatten. Er hat eine Flasche nach Sam geworfen und er musste am Oberarm genäht werde, mich hätte er beinah k.o. geschlagen, als ich dazwischen gegangen bin.”
Seine Stimme hatte ein untergründiges Zittern entwickelt, sein Mund war trocken und er meinte auch jetzt noch das Pochen in seinem Kiefer zu spüren, den Druck des Würgegriffs oder den Schlag in die Magengrube.
John war betrunken gewesen wie ein arbeitsloser Seemann, er hatte keine Kontrolle mehr gehabt, keinen Funken Verstand mehr in dem Scotch-gefluteten Gehirn und hatte um sich geschlagen, wie ein tollwütiges Tier.
“Wir haben es geschafft, weg zu kommen: Sam hat ihm eine von diesen billigen, häßlichen Motel-Vasen über den Kopf gezogen, als er mich im Würgegriff hatte, ich hab ihn in den Magen getreten und hab mir die Schlüssel geschnappt. Wir sind in den Impala gesprungen und davon gerauscht.”
Er erinnerte sich an das Blutrauschen in seinem Kopf, das Pumpen von Adrenalin und Angst in seinen Adern, die panische Sorge um Sammy - Steves Hand hielt ihn weiterhin.
“Wir haben ihn einfach zurück gelassen. Wir sind meilenweit, städteweit gefahren, bis wir uns getraut haben, ein Krankenhaus anzufahren. Sam musste, wie gesagt, genäht werden und er hatte einige böse Prellungen. Ich hatte eine ausgerenkte Schulter, ein paar gebrochene Rippen und tierische Kopfschmerzen.”
Der Abend rauschte vor seinem inneren Auge vorbei, die Schreie, das Brüllen; Es war reines Glück gewesen. Das hatte nichts mit Können zu tun gehabt, sie hatten einfach nur Glück gehabt, das Dad sie an diesem Abend nicht totgeschlagen hatte. Gott, was wäre nur passiert, wenn er Sammy mit der Flasche nicht am Arm sondern am Kopf getroffen hätte, was hätte er getan, wenn-
“Dean.”
Das raue, sanfte Rauschen von Steves Stimme, voller Mitgefühl, Wärme und Bedauern mit Spuren von, von Ungerechtigkeit erhitzter, Wut spülte um ihn, über ihn und die Erinnerungen an alte Schmerzen davon, während seine Hand ihn festhielt, damit er nicht mit weggerissen wurde und er lächelte, wacklig und vage, aber er lächelte in der Sicherheit der Gegenwart und Steves Berührung.
“Es ist in Ordnung, das war es nicht. Aber das ist es jetzt.”
Das war die Wahrheit; Sie kamen klar, so einfach war das. Sie hatten Dad überlebt, sie hatten gewonnen.
“Sobald wir wieder fit waren hab ich Sam natürlich nach Stanford gefahren.” Er beugte sich mit kindischer Freude noch etwas näher zu Steve, als würde er ihm ein Geheimnis erzählen. “Ich war so stolz.” Steve lachte kurz auf und Dean beugte sich wieder zurück.
“Ich sagte ihm, ich würde irgendwo Fuß zu fassen und mich bei ihm melden, sobald ich konnte. Er solle einfach studieren.”
Dean wiegte etwas schuldbewusst den Kopf von rechts nach links: “Ehrlich gesagt hab ich ihn noch gut einen Monat lang gestalkt.”
Er schnaubte halb amüsiert, halb peinlich berührt. “Ich weiß, ich weiß, aber ich hab mir einfach Sorgen gemacht. Ich wollte nur, dass er sicher ist und es ihm gut geht. Aber nachdem er sich eingelebt hatte und alles in Ordnung schien, bin ich-”
Sein eigenes Lächeln, das die Erinnerung hinauf beschwör, unterbrach ihn. “Ich bin zu Bobby gefahren. Ich weiß nicht mal genau, wieso. Vielleicht, weil ich mich daran erinnert habe, wie toll es da als Kind gewesen ist.”
Das Lächeln auf seinem Gesicht wurde wieder warm und fester, seine Schultern verloren an Spannung und Steves Finger glitten sanft über seinen Handrücken.
“Bobby hatte einen alten Schrottplatz in Sioux Falls. Es hat gedauert, bis er mich erkannt hat aber dann- Ich schwöre, ich bin noch nie so umarmt worden!”, und er lachte bei der Erinnerung. “Ich dachte, er bricht mir die Rippe gleich wieder!”
Steves Stirnfalten hatten sich geglättet, die hitzige Wut hatte sich wieder zurückgezogen und er lächelte ebenfalls, leicht und warm, wie Sommersonne früh am Morgen.
“Ich blieb bei Bobby, telefonierte regelmäßig mit Sammy und kam langsam runter.” Dean räuspere sich hart. “Ich meine, bis ich die - uh - die Alpträume im Griff hatte und all das…” Er zuckte unwohl mit den Schultern, es war nicht peinlich, dass er Alpträume gehabt hatte, dass er schreckhaft und gereizt gewesen war; Sein Geist hatte sich neu justieren müssen, an den Frieden und die wirkliche Sicherheit, die ihn umgeben hatte, gewöhnen müssen.
Jeder musste das, sich neu ausrichten, wenn so etwas hinter ihm lag und es war nicht peinlich, das wusste er.
Andererseits hatte Dad ihm beigebracht, wie sich ein Mann zu verhalten hatte - und wie nicht. Und auch wenn das meiste Schwachsinn war, ließ sich nicht alles davon leicht abschütteln.
Bobby hatte ihn mehr als einmal geweckt, wenn er im Schlaf geschrien hatte - und hatte ihm nicht ein einziges Mal einen Vorwurf deshalb gemacht.
Dean schüttelte den Gedanken weitestgehend ab und ein heimliches, kleines Lächeln schlängelte sich auf seine Lippen: “Nach circa einen Monat oder so, in dem ich mich bei Bobby eingewöhnt hatte, sagte er dann, ich müsse jemanden treffen.”
“Die Polizei?”
Dean lachte leise und schüttelte den Kopf: “Meine Mum.”
Wieder verengten sich Steves Augen zu den fragenden kleinen Schlitzen und wieder kippte sein Kopf zur Seite.
“Deine… Mutter?”
Seine Stimme klang nicht ungläubig nur- verblüfft.
Dean nickte und drehte seine leere Flasche zwischen Daumen und Zeigefinger.
“Ja, meine Mutter. Sie hatten sich wirklich gestritten, damals, vor all den Jahren. Sie wollte ihn verlassen, weil er sie geschlagen hat und sie nicht wollte, dass uns dasselbe passiert.”
Sein Lächeln wackelte bei der Ironie und er konnte aus den Augenwinkeln wieder das wütende Blitzen in Steves Augen aufleuchten sehen, wie grelles, blitzdurchzucktes Sturmblau.
“Und als er das hörte, hat er sie in das brennende Zimmer geschubst. Ich glaube nicht, dass er das Feuer mit Absicht gelegt hat. Nicht mal meine Mutter konnte sich erinnern, wie es ausgebrochen war; Vermutlich defekte Kabel oder eine Kerze oder beides. Es passierte so viel auf einmal, damals. Auf jeden Fall wollte er sie einsperren, uns schnappen und abhauen. Sie konnte sich befreien und hat überlebt, aber bis die Polizei die Suche aufgenommen hat, waren wir schon über alle Berge. Deshalb war er so wütend, als ich den Notruf anrief oder als Bobby diese ganzen Fragen gestellt hatte. Es stellte sich heraus, er war ihm wirklich auf der Spur gewesen: Wären wir nochmal aufgetaucht, hätte er die Polizei gerufen. Aber Dad hatte einen Riecher für sowas, paranoider Bastard.”
Dean schluckte hart und angestrengt.
Es war immer anstrengend, viel zu sprechen, noch anstrengender, bei der lauten Musik um sie herum und diese Geschichte ließ seinen Mund immer trocken und seinen Hals rau werden.
All die Jahre hatte er gedacht, seine Mum wäre in den Flammen umgekommen; Er hatte ein Jahr lang nicht gesprochen, deshalb, als er ein Kind gewesen war, vor Trauer und Trauma.
Und dann hatte Bobby ihn ins Auto gesetzt, war mit ihm zu einem Diner gefahren und dort hatte sie gestanden, älter, natürlich, aber genau dieselbe, wunderschöne Frau wie auf dem Foto, das er in seiner Brieftasche hatte.
Seine Brust wurde voll und schwer, als er sich daran erinnerte, wie er sich gefühlt hatte, wie es gewesen war, als sie ihn das erste Mal in den Arm genommen hatte; So fest, als hätte sie Angst, jemand würde ihn wieder wegreißen und Dean hatte sie ebenso umklammert.
Er hatte gezittert und geweint und sie hatte ihn festgehalten und geweint. Es war ihm ein bisschen peinlich, zugegebenen, aber andererseits: Es war seine Mutter!
Sogar Bobby hatte feuchte Augen gehabt.
“Wir holten Sam dazu, sobald er Ferien hatte, weil ich nicht wollte, dass er sein Studium gefährdet weil er Hals über Kopf den Campus verlässt. Mum war auf meiner Seite, aber Sam hätte mich beinah geköpft deshalb. Ich meine, wirklich, hätte er eine Machete gehabt, Pfui!” Er lachte auf und grinste schief.
Sam war zurecht wütend gewesen, was weder Dean noch Mary noch Bobby ihm hatten absprechen können. Er hatte es verstanden, später, nach Umarmungen, Tränen und vielen Geschichten. Aber er brachte es immer noch manchmal aufs Parkett, wenn ihn etwas nervte.
“Und dann- machten wir einfach weiter. Wir haben von Dad nie wieder was gehört und sollten wir jemals wieder was von ihm hören, werde ich ihn vermutlich totprügeln, wenn Mum es nicht zuerst tut.”
Er zuckte mit den Schultern und drehte den Kopf zu Steve, erlaubte sich in die tiefen, blauen, aufmerksamen Augen zu sehen.
Jetzt, wo er den schweren Teil hinter sich hatte, tat ihm die Ablenkung durch diese Ozeane gut.
“Das ist der Grund, warum ich solche Dinge weiß, Steve. Weil ich selbst an diesen Punkten war, weil ich sie durch hab. Ich weiß, wie schnell oder langsam sich solche Dinge entwickeln oder eskalieren können.”
Er drückte wieder sanft Steves Handgelenk und strich beruhigend und sanft darüber, weil er Steve klarmachen wollte, dass alles in Ordnung war - und weil er das Gefühl liebte, das Steves Haut unter seinen Fingerspitzen auslöste.
“Ich hab lange nicht gewusst, was ich mit meinem Leben anfangen sollte; Ich meine, ich hatte auf einmal alles, was ich mir je gewünscht habe und wusste doch nicht, was ich tun sollte. Ich hab einige Zeit bei Bobby als Mechaniker gearbeitet und wir haben manche der Schrottkarren auf seinem Hof restauriert und weiterverkauft. Das war super, ich habe es geliebt und liebe es auch jetzt noch, aber, das war irgendwie nicht genug. - Ich wollte anderen helfen. Ich hab mich damals so alleine gefühlt und ich wollte nicht, dass sich noch jemand so fühlen muss. Es gibt so viele, die genauso wie wir litten oder leiden, also schloss ich mich ein paar Selbsthilfegruppen an.”
Er zuckte mit den Schultern, mehr als nervöse Geste, als um etwas auszusagen. “Ich wurde erst Berater, Ersthelfer, Kontaktperson und -”, er brach mit einem Lächeln ab, weil er immer lächeln musste, wenn er an sie dachte, “- Und dann fiel mir wieder die Frau ein, die damals meinen Notruf angenommen hatte. Wie beruhigend und warm ihre Stimme gewesen war, wie wohl ich mich gefühlt hatte, als ich mit ihr gesprochen hatte - und ich dachte, wenn ich jemandem, der Angst hat, dieselbe Ruhe geben könnte, dann hab ich wirklich was erreicht. Also hab ich meine Sachen gepackt und bin hierher gezogen um beim Notruf zu arbeiten.”
Eine pulsierende Stille legte sich zwischen sie beide, die Musik, die Tanzenden, die Lichter, trüb und dumpf und ruhig um sie herum, während Steve alles gesagte verarbeitete, scheinbar jedes Wort nochmal durchging, über jede Wendung nachdachte und schließlich:
“Das ist - eine außerordentliche Geschichte.”
Dean lachte auf und nickte dann mit einem deutlichen Was du nicht sagst in den Augen.
“Es tut mir Leid, dass du das erleben musstest, Dean.” Er drückte Deans Hand, fast zärtlich, kräftig aber sanft und Dean ließ zu, dass das warme Gefühl seinen Arm hinauf wanderte und auf dem Weg eine kleine Gänsehaut hinterließ.
“Es ist wundervoll, dass ihr eure Mutter wiedergefunden habt.”
Steves Lächeln war nicht wehmütig, nicht neidisch oder traurig, aber Dean meinte, einen Schatten aus Sehnsucht darin zu erkennen; Welches Waisenkind würde sich nicht wünschen, nach zwanzig Jahren seine Mutter kennen zu lernen.
Dean erwiderte das Lächeln, erwiderte die sanfte, zärtliche Berührung und verlor sich einen Moment in seinen Augen, in ihrer unendlichen Tiefe und dem Meeresblau, bevor seine Augen wie von selbst auf die glänzenden, pinken Lippen fielen, mit dem feinen Amorbogen und umgebenen von den Stoppeln einer ein paar Tage zurückliegenden Rasur und sein Blick wechselte von den unfassbaren Augen zu diesen verführerischen Lippen und-
Gott, wenn das hier eine perfekte Welt wäre…
Der erste, der den Blick abwandte, war Steve und er räusperte sich, während er gegen das schüchterne Lächeln kämpfte.
“Danke, dass du mir das erzählt hast, Dean.”
Sie saßen immer noch so nah beieinander, so nah. Gott, wie hatte er sich nur konzentrieren können, wenn doch Steve so nah war.
Er lächelte schief.
“Ich hab’s doch versprochen. - Und du warst ja auch ehrlich zu mir.” Steve sah ihn mit einer Mischung aus Verblüffung und Wärme an und Dean versuchte es, mit einem legeren Schulterzucken vom Tisch zu wischen und erwiderte den Blick. “Ich hab es dir gern erzählt.”
Er hatte es ihm gerne erzählt.
Bei jedem Wort der Geschichte hatte er sich bei Steve sicher gefühlt, verstanden, geerdet.
Es hatte gut getan, es mit Steve zu teilen und ehrlich zu sein, etwas gemeinsames zu haben, gemeinsam mehr übereinander zu wissen.
Es fühlte sich - gut an, so richtig.
Steve senkte die Augen und lächelte wieder auf diese private, kleine Art, die es heiß und wohlig in seinem Bauch knistern ließ und er wollte dieses Lächeln probieren, er wollte es mit seinen eigenen Lippen berühren und ertasten und schmecken.
Dean müsste nur seine Hand heben; Er könnte sie in Steves weichen Nacken legen, vielleicht könnte er dann sogar eine wohlige Gänsehaut spüren, die über Steves Haut rann, er könnte sein Kinn anheben mit all der Zärtlichkeit, die Steve verdiente - und seine Lippen auf Steves legen, fest und leidenschaftlich, seine Zunge würde in seinen Mund gleiten, er könnte das Bier schmecken, das Steve den Abend über getrunken hatte und-
War er gerade auch schon so nah gewesen?
Kamen sie sich näher? Gott, Gott im Himmel, er war so nah. Er meinte seinen Geruch wahrnehmen zu können; neben dem Duft von frittiertem Essen und Alkohol meinte er die Sturmwolken riechen zu können und den Sommerregen, den Steve mit sich trug und es trennte sie doch nur noch ein kleines- ein so winziges Stück Distanz und-
“DEAN!”
Dean zuckte heftig zusammen, als er von hinten angesprungen wurde, genauso wie Steve, und plötzlich war die warme, erdende Berührung seiner weichen Hände verschwunden.
Irgendjemand der Tanzenden schrie laut und entsetzt.
Es dauerte lange, zähe Momente, bis Dean alles erfasst hatte; Steves Hände, die sich fest um seine Bierflasche schlangen, seine eigene Hand, hilflos und verloren in der Luft schwebend, halb im Begriff nach Steve zu greifen und - lange, dünne Arme um seinen Hals, ein Kopf, der sich zwischen seine Schulterblätter drückte und der Duft von Alkohol und frisch gemähtem Gras - Jo.
“Deeeaaan~! Wir haben uns heute noch gar nicht gesehen! Ich bin so froh, dass du auch hier bist!”
Dean brauchte einen Atemzug, einen tiefen, [/i]langen[/i] Atemzug, bis er sich sortiert hatte und er ein Lächeln auf sein Gesicht geboxt hatte.
Seine schwebende, hilflose Hand dirigierte er auf Jo’s Unterarm um seine Schultern und drückte ihn kurz.
“Hey, Jo.”
Sie stellte sich auf die Zehenspitzen und drückte Dean einen lauten, feuchten Kuss auf die Wange, ihr schwarzer Geister-Lippenstift hinterließ dabei verschwommene, dunkle Spuren.
Steves Lächeln war nicht mehr klein und privat und knisternd, sondern deutlich mühsam am Platz gehalten. Seine Kiefermuskel waren angespannt, sein Griff um die Bierflasche zu fest, der Zauber seiner Augen war stur auf den Tresen gerichtet. Er wirkte- unbehaglich.
Verdammt, was hatte er sich dabei gedacht?
Er hätte sowas nicht- Wie kam er auf die bekloppte Idee, so etwas zu versuchen! Er wollte, dass Steve heute Abend Spaß hatte und ihn nicht verschrecken oder bedrängen oder-
Scheiße!
Scheiße, scheiße, scheiße!
“Hi, Dean.” Dean musste schlucken, um sich zu sammeln, zurrte das Lächeln auf seinen Lippen fester und drehte sich zu Kevin, der Jo gefolgt war. “Coole Party, oder?”
Gott, er wollte ihm wehtun. Er wollte beiden wehtun- Nein.
Nein, das war gut.
Scheiße, wenn sie nicht gekommen wären- Fuck, er war ein Idiot.
“Jah, sehr.”
Kevin zog fragend eine Augenbraue hoch, offensichtlich war Deans Scharade, das alles bestens war, nicht gut genug.
Jo ließ sich davon nicht stören und rieb glücklich ihre Wange an seiner, wie eine Katze und es brachte ihn tatsächlich zum Lächeln.
Er schoss einen warnenden Blick in Richtung Kevin und deutete mit dem Daumen der freien Hand auf Jo, bevor er sie zur Faust ballte und in Richtung Kevin schob: Bau Scheiße mit ihr und du kriegst Schwierigkeiten.
Er liebte beide, innig, aber er kam nicht drum herum Jo als seine kleine Schwester zu betrachten und nicht, dass er es Kevin zutrauen würde, aber er fühlte sich selbst besser, wenn es noch mal klarstellte.
Kevins erschrockener Ausdruck bestätigte ihn und Dean grinste zufrieden.
Einer von Jos Armen rutschte währenddessen betrunken von seiner Schulter und sie packte Steves, bevor Dean etwas dagegen tun konnte.
Steve zuckte zusammen und hob schnell den Blick, die Muskeln in seinem Rücken hart und unangenehm gerade.
Sein Lächeln war nicht das warme, freundliche Strecken seiner - Lippen, einfach nur Lippen - wie sonst.
Dean bemerkte, dass es ihn deutlich mehr Anstrengung kostete, als wenn er ehrlich lächelte, aber er schaffte es trotzdem, es auf seinem Gesicht zu halten.
“Wer ist dein neuer Freund?” Jo lallte leicht und tätschelte unbehelligt Steves Schulter.
Deans Lächeln wurde schief und entschuldigend, als er Steve ansah - er hoffte nur, das würde Steve nicht noch mehr verschrecken. Scheiße, er hatte es schon weit genug getrieben! - bevor er den Kopf leicht zu Jo drehte.
“Das ist Steve, er ist ein- guter Freund. - Steve, das sind Jo und Kevin.”
Dean konnte fast sehen, wie die vorherigen Informationen, Deans diese beiden sind Teil meiner Familie, durch Steves Augen huschten und er nickte, während er die Hand ausstreckte.
“Freut mich sehr.” Das freundliche Rauschen seiner Grabesstimme streifte Deans Ohren und ein Lächeln seine Lippen.
Kevin wäre vielleicht noch nüchtern oder wenigstens schüchtern, genug, um Steves Hand zu ergreifen, aber Jo quietsche fröhlich, ließ Dean vollständig los und warf ihre langen Arme um Steve und sich gegen ihn.
Er rutschte durch den Aufprall mit dem Rücken gegen den Tresen und erstarrte einen Moment erschrocken, ein hilfesuchender Blick zu Dean, der nur mit den Schultern zucken konnte, bevor er ihr unsicher auf den Rücken klopfte.
Jo, damit zufrieden, löste ihren Kopf von Steves Brust, die Arme immer noch um ihn, musterte ihn einmal sehr genau und nickte.
“Das sind hammermäßige Augen!”
“Uh- Danke…?”
Kevin wechselte unsicher den Standfuß, nicht schlüssig, was er tun sollte, wo die Frau, die er gerade umschwärmte, in den Armen eines anderen lag, und winkte Steve dann nur kurz zu, um wenigstens die Begrüßung abzuschließen - oder um Steve daran zu erinnern, dass er mit Jo hier war.
Das Kompliment schien ihn jedoch noch weiter zu entmutigen und Dean versteckte ein Grinsen.
Kevin versuchte währenddessen, Jos Aufmerksamkeit wieder zu bekommen und tippte ihr auf die Schulter.
Sie schlug Steve fast ihre blonden, langen Haare ins Gesicht, als sie sich schwungvoll umdrehte.
“Möchtest du - uh - tanzen?”
Jos jubelte zustimmend, entließ Steve aus ihrer Umarmung und hakte sich bei Kevin ein.
“Aber erst!: Pommes!”
Kevin, wieder vollkommen gefangen in Jos breitem Lächeln, ihren leuchtenden Augen und ihrer Aufmerksamkeit, die jetzt wieder ihm gehörte (und Pommes), hatte die Episode von gerade eben bereits vergessen und nickte begeistert.
“Bis später!” - “Ja, eh, bis dann; Dean, Steve.”
Dean winkte beiden nur kommentarlos hinterher und schüttelte den Kopf.
“Junge Liebe, huh?” Er drehte sich zu Steve, der gerade seinen Arztkittel wieder zurecht zupfte und bei Deans Aussage schnaubend lachte.
Gott, zum Glück, er lachte noch mit ihm!
Vielleicht hatte er gerade doch nicht alles versaut; Jo und Kevin waren keine Sekunde zu spät gekommen.
“Wem sagst du das?” Und Steve rollte leicht mit dem Augen. Dean prustete etwas, stimmte ja, sein Teenage-Liebesdrama im Laden.
Es breitete sich wieder durch Musik pulsierende Stille zwischen ihnen aus und Dean musterte Steve einen Moment verstohlen aus den Augenwinkeln;
Der Schreck, der ihm vorhin in die Glieder gefahren war, schien verdaut, er wirkte wieder ruhiger, sortierter und er lächelte sogar leicht, während er die Tanzenden beobachtete.
Ein neues Lied, The Git Up von Blanco Brown begann zu spielen und Dean grinste.
Er stand auf diesen Song!
Er wandte sich vollständig zu Steve, der die Auge von der Tanzfläche zu ihm richtete und ihn fragend ansah, und hielt ihm die Hand hin.
“Möchtest du tanzen?”
Steves Ausdruck wurde fast schockiert und Dean biss sich auf die Wange, aus Angst, wieder zu forsch gewesen zu sein, ihn gedrängt zu haben.
Verdammt, er musste damit aufhören! Er wollte nur, dass Steve einen guten Abend hatte, er war als sein Freund hier, nicht als sein- sein- nicht als verknallter Teenager!
Und - aber dann kam es wieder; das kleine, private Lächeln, als Steve den Kopf senkte und Deans Herzschlag wurde eine winzige Spur schneller, während seine Schultern sich erleichtert entspannten.
“Ich fürchte, ich kann nicht tanzen.”
Dean tzzzte den Einwand beiseite und sprang geradezu vom Stuhl. “Ich zeig’s dir.”
Ein Herzschlag verging und Steve sah ihn nur an, tief und unergründlich.
Dean schluckte die neuen, erschrockenen Gedanken runter und wartete, noch einen Herzschlag, noch einen Atemzug und dann - spürte er Steves weiche Hand in seiner.
“Ich kann aber wirklich nicht tanzen.”
“Ach, pfff! Auf das Lied kann jeder tanzen!”
Er setzte seinen Cowboy-Hut wieder auf.
Charlie jubelte, als sie beide die Tanzfläche betraten und Dean erwiderte es mit einem offenen, frohen Lachen und einem Tippen an seinen Hut.
Die Musik hier war lauter als an der Bar und Dean versuchte es gar nicht erst, mit verbalen Erklärungen.
(Aber er war sich fast sicher, dass man Steves Stimme dennoch hören könnte, wie sie sich tief am Boden unter all den Bässen hindurch schlängeln würde, um unberührt aufzutauchen und es knisterte wieder in seinem Magen.)
Er räusperte sich sammelnd, zog Steve neben sich und deutete auf sein Ohr und dann vage nach oben, Richtung Boxen, immerhin bestand der Text aus den Tanzschritten, was wollte man also mehr.
Seine Hand passte genau in die kleine Kuhle von Steves Taille und er zeigte ihm, die Körper eng aneinander gepresst, Oberschenkel an Oberschenkel, Steves Schulter in perfektem Kontakt zu seinem Torso, Steves Arm locker um seine Taille, damit Steve ihm folgen konnte, die Bewegungen; Two-Steps, Cowboy-Boogie, Hoe-Down.
Als man sein Sweetheart drehen sollte, erlaubte Dean sich, Steves Hand zu nehmen und ihn um die eigene Achse zu drehen und er lachte dabei, tief, vibrierend und voller Freude und ließ sich widerstandslos drehen und wieder heranziehen.
Dean konnte sein Grinsen nicht mehr unter Kontrolle bekommen.
Steve war direkt neben ihm, während dem ganzen Lied, nah und eng, Seite an Seite, ließ sich drehen, stolperte zurück in seine Arme, lachte und sah ihn an; Warm, glücklich, entspannt und froh.
Seine Lippen glänzten unter dem flackernden Licht, seine Augen leuchteten, sein Lachen war laut, rau und markant. Es war so tief und voll, das es durchs Dean ganzen Körper resonierte, durch jeden Muskel in jeden einzelnen Knochen und die tiefen Töne mussten einen mit sich reißen.
Wie hätte man sich dagegen wehren sollen?
Wehren können? Wehren wollen?!
Dean zog ihn näher, führte ihn, zwei Schritte vor, zwei Schritte zurück, drehte ihn, hielt ihn, eng, enger.
Das Leuchten in Steves Augen blieb.
That was not so bad, that was, that, that was not so bad, was it?
Steve ließ sich nochmal drehen und Dean sollte wieder neben ihn treten, sie sollten wieder den Two-Step machen, ihre Hüfte mit einbringen und zwei Seitschritte machen, aber Dean zog ihn trotzdem weiter an sich sich, näher, direkt an ihm und hielt ihn.
Ihre Finger waren verschränkt und Steves freie Hand lag auf seiner Schulter, angenehm schwer und ruhig.
Seine Nähe war hypnotisch, seine blauen, tiefen Augen, seine geschwungenen Lippen, der Dreitagebart, der sich so gut anfühlen würde, unter Deans Lippen.
Für einen Moment sah es so als, würden Steves Augen sich auch zu seinen Lippen verirren, ein flüchtiger, süßer, eingebildeter Moment, bevor er ihm wieder direkt ansah.
“Ich sag doch, darauf kann jeder tanzen.”
Tanzten sie überhaupt?
Verdammt. Verdammt.
Seine Stimme fühlte sich so rau an, heiser, und er schluckte.
Er war Steve so nah, Deans Arm um seine Taille und seinen Rücken geschlungen, ihre Hüfte nur noch Zentimeter entfernt, Brust an Brust, die Finger immer noch verschränkt, verdammt, war das Steves rasender Herzschlag oder sein eigener?
Er konnte Steves Atem an seinem Hals spüren, an seinem Kinn, der aus den halb geöffneten Lippen strömte.
Dean leckte sich über die Lippen, vollkommen unbewusst, unfähig den Blick abzuwenden, vollkommen gefangen in dem strudelnden Sog von Steves ganzer Präsenz. Er würde ihn mit in die Tiefe reißen und Fuck it; Er wollte mit nach unten und-
“Dean…”
Die tosende Basswelle riss Steves Stimme mit sich und warf sie gegen seine Ohren, wie gegen einen Wellenbrecher und Dean zuckte fast aus einem Bann.
Er trat einen halben Schritt zurück, den Arm immer noch um Steves schlanken, muskulösen Körper und lächelte so nonchalant, wie möglich.
Verfluchte Scheiße, was trieb er hier eigentlich?!
Steve musterte ihn, interessiert, als würde er ihn analysieren, versuchen, ein riesengroßes Rätsel zu lösen, etwas zu ergründen, das auf den ersten Blick keinen Sinn ergab, und das, obwohl Dean der einfachste Mensch der Welt war.
Meistens, außer heute Abend, wenn er in Steves Augen sah und seine Stimme hörte, die ihn umfingen und verzauberten und in ihren Bann zogen; Dann wurde es kompliziert.
“Entschuldige, Steve, das, uh-”
Dean räusperte sich, wieso war sein Mund so trocken, verdammt?!, aber auf Steves Lippen erschien ein Lächeln, klein, privat und fast verlegen und er schüttelte den Kopf.
“Nein, alles in Ordnung.”
Er reckte den schlanken, schmalen Hals nach oben, zum nächsten Lied, das gerade angefangen hatte und sein Lächeln wurde etwas offener.
“Zeigst du mir auch, wie man auf andere Lieder tanzt?”
Ihre Finger waren immer noch verschränkt. Deans Herzschlag war zu schnell und er wünschte er könnte sagen, es wäre wegen dem Tanz, und er konnte gar nicht schnell genug nicken.
“Klar, so viele du willst, Engel.”
Steves Augen waren einen Moment groß und verwundert geworden, aber vielleicht hatte sich Dean das auch nur eingebildet; Er war ohnehin schlecht zu verstehen unter all der Musik.
~*~
Der röhrende Motor von Baby erstarb in einem rauen Flüstern, sobald Dean die Zündung ausgedreht hatte und er drehte sich zu Steve, der neben ihm auf dem Beifahrersitz saß und zu seinem Wohnhaus blickte.
Es war alle in allem eine fast perfekte Nacht gewesen.
Steve hatte Spaß gehabt, hatte laut gelacht, getanzt, getrunken und Dean hatte seine Augen kaum von ihm abwenden können.
Sein Lachen, tief, vibrierend und voller Leben war wie ein Seebeben und dean ertrank fast in jeder Welle, die es ihm entgegen schickte.
Es war von der ersten Sekunde, in der er es gehört hatte, zu einem seiner neuen Lieblingsgeräusche geworden und er konnte es nicht erwarten, es wieder zu hören.
Sie hatten noch einige Stunden auf der Party verbracht, hatten getanzt - das einzige, das Steve sicher beherrschte war eine, zugegebenen: fast perfekte, Pirouette, die er damals von seiner Schwester gelernt hatte, als sie Ballettstunden hatte nehmen dürfen -, hatten mehr Mini-Burger gegessen, gelacht, geredet.
Es war eine fast perfekte Nacht gewesen, so perfekt, dass Dean es beinah hätte vergessen können; All die Sorgen um Steve, die Angst, die hinter den blauen Augen lag, all den Schmerz, von dem er ihn hatte ablenken wollen.
Sogar hat Steve hatte so entspannt und glücklich gewirkt, so voller Leben und Freude, das Dean dran glauben wollte, er hätte es auch ein wenig vergessen können.
Es hätte beinah geklappt.
Es war beinah perfekt gewesen.
Aber dann war Dean zu Hause gestolpert, weil er nicht aufgepasst hatte, wo er hinging, weil er sich von Steves Lächeln, von dem amüsierten Funkeln in seinen Augen und seiner Stimme hatte ablenken lassen, und Steve hatte hilfsbereit versucht ihn aufzufangen.
Eine Hand hatte sich auf Deans Brust gelegt, stabilisierend, stützend und sein anderer ARm war unter seinem Arm durch geglitten, um ihn an sich zu halten - Dabei hatte sich der Ärmel seines Arztkittels nach hinten geschoben, dieses verdammten Arztkittels, den Steve den ganzen Abend lang nicht hatte ausziehen wollen, egal wie sehr sie getanzt hatten, egal wie warm es in der Bar wurde.
Es war wie ein Kübel Eis, den man auf ein glühende Kohlen kippt;
Man hatte nicht einmal Fantasie gebraucht, um zu erkennen, dass die blaugrünen Spuren von einem wütenden Griff stammten und der bis vor einem Moment noch lachende und fröhliche Steve war schnell verschwunden wie Wasserdampf und Qualm in einem Windzug.
Er hatte sich umgezogen und Dean hatte ihn nach Hause gefahren, aber das kleine, private Lächeln hatte er seither nicht mehr gesehen. Nur noch den stoisch sortierten Ausdruck geübter Ausdruckslosigkeit.
Die Stille, die zwischen ihnen lag, fühlte sich nicht mehr angenehm und vertraut an, wie in der Bar, wo nicht mal die laute Musik sich in die pulsierende, angenehme Ruhe zwischen ihnen hatte drängen können.
Der Abend, die Nacht war fast perfekt gewesen, aber jetzt hatte es zwölf geschlagen und alle Illusionen, jede Freude, all die Nähe und Gespräch und Träumereien waren wieder zu Kürbissen geworden.
Er konnte die jetzige Stille nicht ausstehen.
“Da wären wir.”
Steve drehte seinen Kopf zu ihm und Dean hätte sich für diese unsinnige Anmerkung am liebsten selbst geohrfeigt; Als würde er wollen, dass Steve jetzt ausstieg!
Aber er lächelte nur, ein leichtes, unpersönliches, makelloses Einzelhandelslächeln und Dean schloss für einen Moment die Augen, weil die Sehnsucht nach dem tiefen, vibrierenden Lachen aus Steves Mund fast weh tat.
“Ja, da sind wir.”
Steve raffte seinen Trenchcoat; es war kalt Ende Oktober, aber er hatte den Mantel bisher nicht wieder angezogen, und nickte.
“Ich danke dir, Dean, für den schönen Abend.” Das flüchtige Lächeln, das über seine Lippen tanzte hatte mehr Ehrlichkeit, mehr Tiefe und zu viel Traurigkeit. “Ich hatte wirklich großen Spaß.”
Er zögerte noch einen Moment, griff dann aber nach dem Türöffner und Deans Hand schnellte nach vorne. Er konnte nicht- Er wollte nicht-
Es war so surreal.
Der Abend war vorbei, die Party vorbei; Aber wenn Steve jetzt ausstieg-
Er wollte ihn nicht gehen lassen, nicht wieder dahin zurück, nicht wieder in diese Wohnung.
Nicht wieder zu Earl.
Auch wenn er wusste, dass es nicht sein konnte, meinte er fast die pulsierenden Hämatome an Steves Arm unter seine Hand spüren zu können und ihm wurde übel, wenn er nur daran dachte, wie fest er gepackt worden sein musste, wie er vollkommen grundlos verletzt und verängstigt worden war.
Dean schluckte gegen die Übelkeit an. Sein Kiefer mahlte Gedanken zu Worte, die er nicht aussprechen konnte, nicht aussprechen sollte - aber irgendwas, irgendwas musste er sagen! Er- Er musste-
Er konnte nicht-
Steve war unter seinem Griff einen Moment erstarrt, machte aber keinen Versuch, seinen Arm zu befreien, sondern drehte sich nur langsam um.
Seine Augen legten sich auf Deans Hand und seine Lippen pressten sich blutleer gegeneinander.
“Steve-”
“Dean, es ist alles in Ordnung.”
Dean musste wieder die Augen schließen, tief atmen, sich sammeln, um- um-
Gott, er wollte Steve packen, er wollte ihn packen und schütteln und aufwecken; Er wollte ihm sagen, dass nicht alles in Ordnung war! Er wollte ihn anschreien, dass es nicht besser werden würde, dass es nicht aufhören würde; Genauso wenig wie sein Vater aufgehört hatte.
Keiner dieser Bastarde würde je aufhören!
Aber- Steve wusste das, nicht wahr?
Steve hörte ihm zu.
Wieso- Wieso-?! Wieso wollte er aussteigen?
Er könnte einfach hier bleiben, bei ihm, sie könnten nach Hause fahren und-
Dean schluckte diese irrationale Sehnsucht runter und räusperte sich streng.
Er konnte ihm all das nicht sagen, das wusste er auch.
“Es wird schlimmer, oder?”, kam stattdessen aus seinem Mund und er konnte spüren, wie die Muskeln und Sehnen unter seiner Hand hart wurden. Weil er Recht hatte, Gott, manchmal hasste er es, Recht zu haben.
Seine Zunge benetzte seine Lippe, seine Augen auf seiner Hand, wie sie Steves Unterarm festhielt.
“Früher gab es längere Pausen, oder? Er war nur manchmal wütend und er war weniger brutal. Aber jetzt passiert es immer öfter und und es wird immer heftiger, richtig?”
Steves Kopf war gesenkt, aber er konnte das Beben seines Kehlkopfs sehen, als er hart und schwer schluckte und Dean fuhr sich mit der freien Hand streng über das Gesicht.
Er wollte-
Ihm alles versprechen, ihm sagen, dass er ihn anrufen konnte, jederzeit. Dass Dean für ihn da wäre, jederzeit. Dass er nicht alleine wäre, niemals, niemals alleine wäre, wenn Dean es verhindern konnte.
Dass er nicht bei Earl bleiben musste, dass Dean ihn beschützen würde, dass-
Dass er es nicht verdiente, was ihm passierte.
Dass es nicht seine Schuld war.
Aber Steves Zunge fuhr über seine Unterlippe, seine Schultern waren hart und angespannt und Dean wusste, dass es keinen Sinn hatte, nicht jetzt, nicht hier, nicht heute Abend.
Er würde Steve nicht davon überzeugen, nicht auszusteigen.
“Dean…”
Aber Steves Beruhigungen konnte er gerade auch nicht hören, also schüttelte er den Kopf und beugte sich zu ihm, um ihm das Wort abzuschneiden.
“Versprich mir nur, dass-” Er knete einmal die Lippen, einen Moment gefangen von Steves Gesichtszügen im Halbdunkel der Straßenlaternen, bevor er schluckte und weiter sprach: “Hab immer dein Handy und deinen Geldbeutel an dir, okay? Wenigstens das, Steve.”
Steves Augen lagen auf ihm, musternd, forschend, voller unendlicher, unergründlicher Tiefe - und Steve nickte.
“Das mach ich, Dean. Danke, nochmal. Für alles.”
Sein Mundwinkel zuckte in einem Lächeln. “Es war ein wirklich schöner Abend.”
Dean schluckte und ließ langsam Steves Unterarm los.
“Ja, das fand ich auch.”
Seine Augen fanden von alleine den Weg zu Steves Lippen, zu dem Schatten-und-Licht-Spiel, das über sie tanzte, wenn Steves Wangenmuskel in einem schüchternen Lächeln zuckte.
“Gute Nacht, Dean.”
Steve sah ihn an, direkt und klar, tief, blau, und wieder bildete Dean sich ein, dass auch Steves Blick auf seine Lippen fiel, nur für einen Moment, einen Wimpernschlag.
Er hatte es sich mit Sicherheit eingebildet.
“Gute Nacht, Steve.”
Wäre es eine perfekte Nacht, würde er ihn jetzt küssen.
Geschrieben von: June - 05.07.2021, 08:34 - Forum: The Others
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Kapitel 10
I told you
Deans PoV
Deans Hand schlang sich vor seinem geistigen Auge von hinten um Steves Hals, nicht brutal und schmerzhaft, sondern sanft, aber fest, geladen mit der Lust und Extase, die gerade durch seinen Venen schoss. Er könnte Steves rasenden Puls unter seinem Daumen spüren, seine weiche Haut an seinem Nacken, das Kitzeln der dunklen, unordentlichen Locken, das erregte Zittern, das durch seinen Körper stob.
Er könnte Steves Grinsen vor sich sehen, heiß, voller Erregung und Genuss, das mit jedem festen Stoß, den er in ihn trieb, durch ein keuchendes, raues O ersetzt wurde.
Steve würde versuchen, ihn anzusehen, mit diesen unfassbar tiefen, blauen Augen, dunkel und undurchdringlich wie Ozeane, versuchen, den Blick zu halten und es doch nicht schaffen, wenn die pure Lust mit jedem kräftigen Stoß von Dean durch seinen Körper stoben würde.
Dean würde ihn halten, gegen die Wand der Dusche pressen, Steve auf seinen Hüften, sodass er immer tiefer und tiefer in ihn eindringen könnte, seine Hand in Steves weichem Nacken, haltend, wohltuend, oh Fuck, er wusste, Steve würde es gefallen, seine Hand an seinem Hals zu spüren.
Mit jedem Ruck seiner Hüften in Steves heiße, zuckende Enge würde seine Stimme dunkler werden, tiefer, lauter, bis das raue, reißende Gurgeln Dean vollständig umschlang und mitriss, wie ein Riesenkalmar, der ihn in die Tiefe zog.
Er könnte sonst nichts mehr hören, nur das Stöhnen, Keuchen und Japsen von Steves Erregung, das durch die Dusche schallen würde, gegen ihn prallen würde: Er könnte es spüren, wenn es sich dunkel und tief wie ein Grab durch Steves Hals zwängen würde.
Deans Keuchen wurde lauter, unkontrollierter, genau wie die Stöße in seine Faust, in Steve, und er kämpfte gegen das erregte Zittern seiner Muskeln, gegen die unerträgliche HItze in seinen Venen und gegen das pochende Ziehen in seinen Lenden.
Nach jedem kräftigen Stoß in seine Hand, versuchte er einen weiteren zu machen, härter, fester, tiefer, nur noch einen Moment mit seinem Steve unter der Kaskade des Duschkopfes, nur noch einen Moment länger spüren, wie seine Adern in der Hitze seiner Erregung glühten.
Steve würde sich an ihm festhalten, die schlanken, langen Finger in seine Schultern rammen, sich gegen ihn drücken, tiefer, fester, schneller, sich mit ihm bewegen, während das kratzende Stöhnen seiner Grabesstimme an seiner Haut reißen, über seine Schultern hinab rollen würde, bis sie wund war.
Dean könnte sein eigenes Stöhnen in Steves Nacken vergraben, eng an ihn gepresst, den Geruch von Sturmwolken und Sommerregen einatmen, der in Steves Haaren und seiner Haut hing.
Seine Bewegungen wurden immer unkontrollierter, unruhiger und er biss sich fest auf die Unterlippe.
Nur - noch - einen-!
Steve würde in der Hitze seiner eigenen Ekstase, in dem Moment, in dem er selbst die Grenze überschritt, seinen Körper gegen ihn pressen, Dean komplett in sich rammen, tief, heiß, eng, während das raue Rauschen der Grabestiefe seinen Namen schreien-
Dean knurrte kehlig, die Lippen fest zusammen gebissen, als sein Orgasmus ihn mit sich riss. Er kam heftig und heiß gegen die Wand der Dusche. Seine Beine wurden weich, die Stöße in seine Faust unkoordiniert, aber nicht weniger heftig. Er musste sich abstützen, die Augen schließen, während er die letzten glühenden Tropfen aus seinem rot glänzenden Glied pumpte, das Bild von Steves lustverzerrtem Gesicht noch vage vor ihm.
“Fuck”, seine Stimme war rau und er schluckte, ehe er unter dem Prasseln der Dusche einen tiefen Atemzug nahm. “Fuck.”
Er konnte die Hitze in seinen Adern spüren, pulsierende, heiße Extase und wie sie langsam seinen Körper verließ, während die Dusche alle Beweise mit in den Abfluss nahm.
Verdammt, er musste damit aufhören.
Dean schloss noch einmal die Augen und atmete ein letztes Mal tief durch, ehe er sich die Hand wusch und dann durch seine Haare fuhr.
Er musste wirklich damit aufhören.
Es ging ihm dabei nicht ums Mastubieren; Verdammt noch mal, das war ein freies Land und alles, was die Rakete zum Starten brachte, brachte sie nun mal zum Starten. Steve war ein erwachsener Mann, er war ein erwachsener Mann, es gab daran also kein Problem.
Dass Steve in einer Beziehung war (einer falschen und schlechten Beziehung, deren Konterpart er am liebsten an den Sackhaaren zur Polizei zerren würde), war auch nicht sein Problem.
Aber er musste aufhören, ständig an Steve zu denken.
Also, natürlich dachte er nicht ständig an Steve.
Genoß er es, ihn sich vorzustellen, voller Lust und heißer Erregung, während Dean in ihn hämmern und ihn kommen lassen würde? Ab-So-Lut!
Hatte er die nervige Angewohnheit entwickelt, ständig sofort auf sein Handy zu sehen, sobald er eine Nachricht erhielt, weil er wissen wollte, ob sie von Steve war und ob es ihm gut ging? Vielleicht.
… War er die zwei Wochen, nachdem Steve ihm geschrieben hatte, er sollte sich nicht mehr melden, unleidlich, leicht zu reizen und frustriert gewesen? - Nur laut Charlie und Sam und was, bitte, wussten die beiden schon?
Dean seifte seinen Körper ein, brummte wohlig, als er bei seinem empfindlichen Glied ankam, die Erinnerung an Steve wieder einen Moment lebhaft und kräftig vor seinem inneren Auge, ehe er schief grinsend auch den Rest wusch, sein Haar shampoonierte und dann den Schaum abspülte.
Das Problem war vermutlich auch nicht, dass er ständig an ihn dachte, was er - nochmal - nicht tat. Aber sogar ihm war klar, wen- falls er an ihn dachte, wie er an ihn dachte.
Dean seufzte tief bei dem Gedanken. Er wusste nicht, wie das passiert war, wann oder warum, aber Steve war wie ein Leuchtfeuer, das all seine Aufmerksamkeit auf sich zog - Charlie brachte an dieser Stelle der Diskussion meistens einen weniger hilfreichen Vergleich mit dem Auge des Sauron und dem Einen Ring.
Er verdrehte bei der Erinnerung die Augen, stieg aus der Dusche und griff nach seinem Handtuch.
Aber Fakt war, Steve faszinierte ihn; Alles an ihm.
Von der ersten Sekunden an, hatte seine Stimme, diese reißende, grabestiefe, Whiskey-Stimme, mit Schluchten zwischen jedem Wort, ihn vollkommen in seinen Bann gezogen, jedes abgrundtiefe Wort nach dem nächsten.
Dieses eine, kurze Telefonat hatte schon gereicht, damit Steves Stimme ihn mit sich riss, wie eine Sirene Seefahrer in den Abgrund. Und, verdammt noch mal, er hatte so sehr gehofft, dass Steve nochmal anrufen würde.
Dass er ihn nochmal hören könnte, nicht nur immer wieder und wieder und wieder die Aufnahme des Gesprächs und seine Vorstellungskraft unter der Dusche oder alleine im Bett. Oder, dass er wenigstens bei einem anderen Dispatcher rauskommen würde, rechtzeitig, bevor alles eskalieren würde.
Dann hatte er ihn gesehen, lebendig, echt, in Farbe, aus Fleisch und Blut und mit diesen durchdringenden ozeanischen Augen, den dunklen, wilden Haaren, den Bartstoppeln.
Er hatte gedacht, Steve hätte ihn schon nach dem Telefonat in seinen Bann gezogen, aber spätestens nach dem Tag im Laden- Er hatte ihn vorher schon schwer aus dem Kopf bekommen, aber danach?
Er hatte fast täglich an ihn gedacht.
Einerseits, natürlich, weil er sich Sorgen gemacht hatte, er hatte das schillernde Hämatom damals nicht übersehen, aber andererseits-
Seine Vorstellungskraft hatte ihm mitunter sehr gute Dienste geleistet.
Zugegeben er hatte auch nicht daran geglaubt, jemals wieder von ihm zu hören. Er hatte es gehofft, natürlich, sonst hätte er ihm seine Nummer nicht gegeben, aber nachdem er zwei Wochen lang nichts gehört hatte, war er kurz davor gewesen, die Hoffnung aufzugeben.
Aber dann hatte unerwartet sein Telefon geklingelt.
Dean grinste schief bei der Erinnerung an Steves Anruf, an die Nachrichten, die sie in dieser Nacht ausgetauscht hatten und fuhr sich abwesend mit dem Handtuch über die feuchten Haare.
Und ehe er es sich versehen hatte - war er hier an diesem Punkt.
Es war ganz natürlich passiert, langsam, wie sich Jahreszeiten änderten und schnell wie ein Gewitterschauer an einem Sommertag. Aber plötzlich war Steve ein Teil seines Tages gewesen; Er schrieb ihm sämtlichen Nonsense, der ihm einfiel und Steve antwortete ihm, enthusiastisch, freundlich, warm.
Wenn er ein paar Tage nichts von ihm hörte, weil er mal wieder bei Earl sein musste, machte Dean sich Sorgen und war umso erleichterter, wenn er die nächsten Nachrichten erhielt.
Steve hatte sich Stück um Stück in sein Leben geschlichen und Dean bereute es nicht im Geringsten.
Er schätzte Steve; seinen Witz, seine Intelligenz - Seine Stärke.
Die Art, wie er sprach, diese Stimme, wie er textete und wie Dean sich jedes Wort aus seinem Mund vorstellen konnte, tief, vibrierend und reißend.
Steve war echt und authentisch und-
Er war- einzigartig.
Er war ein besonderer Mensch und er war von besonderer Stärke.
Das Grinsen auf seinem Gesicht wurde dünner, schwächer, bis es nur noch fest zusammengepresste Lippen waren:
Das Bild von Steves wundem Gesicht, die Platzwunde, die Blessuren, die Würgemale an seinem Hals, dränget sich in seinen Kopf und Dean schluckte einmal schwer, ehe er sich mit der Zunge über die Lippen fuhr.
Gott, er hätte Earl-
Er hätte ihn am liebsten selbst eine rein gehauen, wieder und wieder und wieder, bis er die Lektion gelernt hätte und seine dreckigen Finger von Steve ließ.
Deans Griff um sein Handtuch wurde einen Moment fast schmerzhaft fest, ehe er sich mit einem tiefen Atemzug zur Ruhe rief.
Er hatte ihn vermisst, Gott, wie hatte er ihn vermisst, nachdem Steve ihm geschrieben hatte, er solle sich nicht mehr melden und er hatte ein schlechtes Gefühl dabei gehabt.
Dean hatte gewusst-, okay, nein. Aber er hatte geahnt, das etwas im Argen war.
Wieso sonst hätte Steve ihm Mitten in der Nacht schreiben sollen, dass er “den Kontakt nicht länger aufrecht erhalten konnte”?
Die Wörter erzeugten immer noch ein merkwürdiges, übles Gefühl in seinem Mund.
Aber er hatte sich - wider besseren Wissens - daran gehalten. Er hatte nicht zurück geschrieben, er hatte ihn nicht angerufen, er hatte die Füße still gehalten, obwohl alles in ihm geschrien hatte, dass das nicht gut war.
Verdammt noch mal, er kannte diese Sorte Abschaum, diese Wichser, diese Bastarde, die ihre eigenen Unzulänglichkeiten an anderen ausließen, ihre mickrigen Schwänze oder die eigene Impotenz damit kompensierten, die Haut von Menschen aufzureißen und ihre Knochen zu brechen; von Menschen, die ihnen vertrauten, die sie liebten.
Er hatte gewusst, dass Earl nicht aufhören würde, dass es schlimmer werden würde - und er wollte ihm dafür den Schädel brechen!
Aber was hätte er tun sollen?
Steve hatte keinen Kontakt mehr gewollt, das hatte er akzeptieren müssen. Es war Steves (hoffentlich) Entscheidung gewesen; außerdem, ihn unprovoziert oder unabgesprochen anrufen hätte ihn vermutlich nur in Schwierigkeiten gebracht.
Dean wusste nicht, wo er wohnte, verflucht, er wusste ja nicht einmal, wie Steve richtig mit Vornamen hieß!
Natürlich, ja, er hätte es schon eine Millionen mal googeln können; den kleinen Laden aufrufen und nachsehen, wie der Besitzer hieß, aber- Er wollte Steves Vertrauen nicht missbrauchen.
Steve wollte, dass er ihn “Steve” nannte, das reichte ihm.
Dean zog seine Boxershorts und eine Jogginghose an und kämmte die durcheinander geriebenen Haare.
Er hatte jeden Tag an ihn gedacht, sich jeden Tag gesorgt, hatte die Anruflisten der täglichen Notrufe nach seiner Nummer durchsucht (was, ja, nicht okay war, aber er hatte sich Sorgen gemacht, okay?) aber - nichts.
Um Steve herum war Stille entstanden und Dean-
Er hatte keinen “Kummer” gehabt, wie Charlie und Sam es bezeichnet hatten; Er war eben besorgt gewesen. Vielleicht auch etwas enttäuscht, das Steve ihm so einfach den Rücken hatte zu kehren können, auch wenn es dafür sicher einen guten Grund gegeben hatte. Sie hatten monatelang regelmäßigen Kontakt gehabt, es war doch ganz klar, dass er ihn vermisst hatte.
Diese ganze Zeit über, hatte er sich erfolgreich einreden können, dass er einfach nur besorgt war - und dass das nur daran lag, dass er wusste, wie solche Geschichten in der Regel endeten.
Der Anruf war gekommen, als sie gerade gegrillt hatten; Die ganze Bande - Sam, Eileen, Charlie, Gilda - gemütlich draußen auf der Terrasse, die letzten einigermaßen warmen Oktobertage genießen.
Deans Herz war ihm bis in die Fußsohle gerutscht, als er das Schluchzen, Schniefen und Wimmern gehört hatte. Er hätte fast alles getan, um Steve in diesem Moment im Arm halten zu können, ihn zu beruhigen, zu beschützen. Aber er hatte ihn nicht einmal ins Krankenhaus bringen dürfen.
Er hätte es wissen sollen, dass das passieren würde. Er hätte wissen müssen, dass so etwas passieren würde und er hätte es verhindern müssen.
Aber stattdessen hatte er Steve einfach ins offene Messer laufen lassen.
Er war nicht hartnäckig genug gewesen, nicht deutlich genug.
Und er hatte ihn allein gelassen. Das einzige, das er dann noch hatte für ihn tun können, waren gemurmelte, beruhigende Wörter in sein Ohr, bis er eingeschlafen war.
Dean war innerlich rasend gewesen vor Wut, taub vor Sorge, schwer von Schuld.
Ehrlicher Weise hatte er solche Gedanken an dem Abend nicht zum ersten Mal gehabt, aber da hatte es ihn wieder mit voller Wucht getroffen; Dass er Steve halten wollte, beschützen wollte - nicht bemuttern, aber für ihn da sein.
Aber nicht nur das; Er wollte seine Hand durch die wilden, dunklen Haare führen, wollte, dass Steve ihn mit seinem durchdringenden Blick tadelnd ansah oder seinen Kopf an seine Schulter schmiegte, während er seine Arme um ihn schlang, dass er mit dieser abgrundtiefen Stimme Wellen voller Lachen gegen seine Ohren rauschen ließ.
Er wollte ihn küssen.
Langsam und fest, innig, tief, während er ihn hielt, seine Lippen gegen Steves gedrückt, bis seine Zunge über die weiche Haut fahren würde und dann in seinen Mund-
Seine Zunge fuhr stattdessen gedankenverloren über seine Unterlippe und Dean räusperte sich unwohl, ehe er sich einmal fast beschämt umblickte, ob jemand - natürlich nicht - mit ihm im Badezimmer sein könnte, der seine Gedanken vielleicht gehört hatte.
Aber so sehr er auch wusste, wie töricht und sinnlos das war; weil er und Steve nur Freunde waren, weil Steve ihn brauchte, als Freund, und weil Steve nun einmal in einer Beziehung war, egal wie abstoßend Dean selbst von Earl dachte; Er konnte nicht damit aufhören.
Dean hatte es im Gefühl gehabt, am nächsten Morgen, dass Steve sich nicht ausreichend ausruhen würde; Wie sollte er auch, war doch das, wo sich die meisten Menschen ausruhten für ihn der Ort, an dem er Angst hatte.
Deshalb war er in aller Frühe, vor seiner Schicht, zum Laden gefahren, hatte die beiden Salben in der Apotheke gegenüber gekauft und hatte gewartet, ob und wann Steve auftauchen würde.
Bei seinem Anblick wäre der Zorn beinah mit ihm durchgegangen. Gott, er hätte Steve am liebsten gepackt und ihn so lange geschüttelt, bis er ihm gesagt hätte, wo Earl war, damit er ihn-
Er hätte mindestens dieselbe Behandlung verdient, mindestens. Impotenter, feiger Schlappschwanz!
Er war so wütend gewesen, dass es viel zu lange gedauert hatte, bis er bemerkt hatte, wie viel Angst er Steve gemacht hatte. Es zog kalt in seinem Magen bei der Erinnerung an Steves verkrampfte Hände um die Schreibtischkante und die weiten Augen.
Dean war selbst der Idiot, und er schnaubte sein Spiegelbild wütend an.
Aber Steve hatte es ihm verziehen, oder viel eher es nicht zugegeben, und sich von ihm helfen lassen.
Dean musste schwer schlucken bei der Erinnerung, daran, wie weich und zart Steves Haut unter seinen Finger gewesen war, wie sich seine Hand an seinem Arm angefühlt hatte, warm und fest und passend, seine ozean-blauen, tiefen Augen.
Seine Lippen waren so nah gewesen, nur noch Zentimeter entfernt und es hatte ihn alle Überwindung gekostet, in diesem Augenblick keinen Mist zu bauen.
Vor allem, da er sehr wohl gemerkt hatte, wie unwohl sich Steve gefühlt hatte:
Er hatte seinen Arm festgehalten, um ein kleines Stück Kontrolle über das zu haben, was Dean tat, dazu das ofte, harte Schlucken, dass er nicht gewusst hatte, wohin er schauen sollte, die wacklige Unterhaltung, um seine Nerven zu beruhigen.
Dean hatte das alles bemerkt.
Aber trotzdem hatte er ihn helfen lassen. Wohl mehr, weil er gemerkt hatte, wie wichtig es Dean gewesen war - auch wenn es wirklich wichtig für Steve gewesen war. Immerhin, seine Verletzungen schienen nicht schlimmer zu sein, als es den Anschein hatte.
Wenigstens das.
Letztendlich hatte er auch keinen Mist gebaut; Er hatte Steve helfen können - und das Privileg wiedererlangt, mit ihm zu schreiben.
Sein Blick huschte zur Uhr; Er hatte heute die Frühschicht gehabt und war vorhin erst nach Hause gekommen. Steve wäre mit ziemlicher Sicherheit noch im Laden.
Ein schiefes Lächeln zuckte Deans Mundwinkel nach oben.
Heute war er, der Mittwoch nächste Woche, und er konnte es kaum erwarten, Steve anzurufen.
Und - ja - genau das war die problematische Art, wie er an Steve dachte.
Aber damit konnte er umgehen; Steve und er waren Freunde und Dean war es wichtig, dass es so blieb.
Diese Schwärmerei hatte er im Griff. Er war Steves Freund, ein guter Freund, um das mal zu zitieren und das reichte aus.
Er hatte ihm am Tag nach dem Laden geschrieben, natürlich nur, um zu sehen, ob die Verschlüsselungseinrichtung für Steves Messenger-App funktioniert hatte - und Steve hatte geantwortet.
Seitdem texteten sie fast wieder jeden Tag, außer an den Wochenenden, natürlich, wenn Steves es wegen Earl nicht riskieren konnte.
Deans Lächeln wurde breiter und er zog sich ein altes Band-T-Shirt über.
Es tat ihm gut, mit Steve zu texten und er glaubte daran, dass es auch ihm gut tat, sonst würde er nicht antworten, richtig?
Er öffnete das Fenster im Badezimmer, um den heißen Wasserdampf nach draußen zu lassen, hängte die Handtücher auf und ging in sein Schlafzimmer zurück.
Er würde Steve fragen, wie sein Tag lief, ob die Rebellen-Barbie (Claire, ja, Dean kannte ihren Namen, nein, es interessierte ihn nicht) ihm weiter auf die Nerven ging, und Charlie interessierte sich rege für das “Supermarkt-Teenage-Liebesdrama” und wollte diesbezüglich bestimmt auch ein Update.
Seine Augen glitten routiniert über sein Bett, wo er sein Handy abgelegt hatte. Dachte er zumindest.
Seine Stirn runzelte sich, er hob Kissen und Decke an, bückte sich, um unter dem Bett nachzusehen, unter dem Nachtkästchen, darauf, dahinter.
Hmpf.
Vielleicht auf der Kommod- Nein.
Dean kratzte sich am Hinterkopf und ging zurück ins Badezimmer, vielleicht hatte er es doch noch in der Jeans gelassen? Aber weder die Jeanstaschen noch der Rest des Wäschekorbes gaben sein Handy preis.
Das konnte doch nicht sein! Er hatte es auf jeden Fall zu Hause in der Hand gehabt, es konnte also auch nicht in Baby sein, oder in der Arbeit.
Wo zum Teufel?
Seine Augen verdrehten sich genervt, von sich selbst und er tappte barfuß die Treppe hinunter. Charlie könnte ihn anrufen, dann würde er ja hören, wo es war.
Am Ende hatte er es im Kühlschrank liegen lassen, als er sich vorhin eine Cola rausgenommen hatte, oder so einen Quatsch.
“Hey! Halt, leg nicht auf- Warte, ist das ein Türrahmen? Wow, ich dachte, du wärst kleiner!” Charlies Stimme schallte flötend und fröhlich vom Wohnzimmer aus in den Flur.
Dean seufzte gedanklich und war schon dabei, anstatt zum Wohnzimmer in die Küche abzudrehen, um selbst im Kühlschrank nachzusehen, da er Charlies Telefonat nicht stören wollte.
Dann eben später, solange er sein Handy bis heute Abend wieder hat-
“Entschuldigung- Ich- Ich versteh nicht-?” Reißende, tosende, tiefe Wellen rollten über seinen Körper, umwirbelten seinen Kopf, tropften von seinen Ohren bis in seine Knochen und spülten ihm den Boden unter den Füßen weg, ließen ihn wie Treibgut im Sand einsinken.
Steve.
Was zum Teufel?!
Wieso sprach Charlie mit Steve? - Woher hatte sie überhaupt seine- Oh, diese kleine-!
Dean tat einen tiefen, tiefen Atemzug.
Er wollte das Wohnzimmer stürmen, Charlie sein Handy entreißen und sie fragen, was das sollte!
Er wollte wütend und entrüstet sein! Sein Handy zu klauen, um Steve anzurufen! Das-!
Nochmals schnaubend ging er in Richtung Wohnzimmer - und blieb im Türrahmen stehen, die Arme missmutig vor der Brust verschränkt und beobachtete Charlie.
Sie saß mit einem breiten, fröhlichen Grinsen im Schneidersitz auf der Couch, die feuerroten Haare locker hochgesteckt, vermutlich wieder mit ihrem Hermine-Zauberstab, und hielt sein Handy videochattauglich nach oben.
Ja, das war absolut nicht in Ordnung und er würde das gleich beenden!- Er wollte aber auch wissen, wieso sie Steve angerufen hatte… Er könnte ja noch einen kurzen Moment warten.
“Ich bin Charlie! Du erinnerst dich? Deans Mitbewohnerin?”
“Ich- Ja, natürlich. Charlie, ich- ich freue mich, dich kennenzulernen, aber-”
Er konnte die Verunsicherung in dicken, rauen Tropfen auf Steves Stimme hören und es zog kalt in seinem Magen.
Nach allem, was Dean bisher von dem anderen mitbekommen hatte, tat sich Steve ohnehin nicht leicht mit Vertrauen, was nicht weiter verwunderlich war; Dass Charlie sein Handy gekapert hatte, half bestimmt nicht.
Immerhin, Steve vertraute ihm nicht mal mit seinen Namen!
“Ja! Freut mich auch! Und - wow - hammermäßige-”
Charlie hörte die rauen, wackelten Endungen seiner Worte nicht und Dean sprang in Aktion; Er könnte Charlie auch später fragen, was sie von Steve wollte (und wieso zum Teufel sie sein Telefon dafür klaute und ihn nicht einfach fragte!) aber jetzt wollte er den anderen erstmal aus seiner Unsicherheit befreien.
Dean machte einen nachdrücklichen Schritt ins Wohnzimmer, während er sich streng räusperte.
Sie brach Mitten im Satz ab und drehte den Kopf fast schockiert zu ihm.
Deans Lächeln wurde gefährlich süß.
“Hallo Charlie. Gerade wollte ich dich fragen, ob du wohl mein Handy gesehen hast?!”
“Uhhh, Dean! Hi! - Das- schön, dass du da bist!”
“Charlie-”
“Ich dachte, du wärst noch, du weißt, uh- duschen!”
“Charlie-” Er konnte selbst spüren, wie seine Nasenflügel sich in dem strengen Atemzug blähten.
“D-Dean?” Charlie drehte wie auf Kommando das Handy in seine Richtung, sodass Steve ihn und er Steve sehen konnte und sein puderzuckersüßes, gefährliches Lächeln verlor schlagartig an Schärfe und seine Schultern sanken aus der angespannten Haltung in eine lockere. Vollkommen von selbst wurde es warm und freundlich und er lächelte Steve an. Er sah gut aus, besser, auf jeden Fall. Die Platzwunde an der Stirn war gut zugeheilt, die Würgemale an seinem Hals verschwunden und auch die Prellung um die Platzwunde und das Hämatom am Kinn verschwammen mit sanften Gelb- und Grüntönen mit seiner Hautfarbe.
“Heya, Steve. - Entschuldige mich kurz.”
Damit machte er einen Satz nach vorne, um Charlie das Handy abzunehmen, aber sie sprang mit einem lauten Quietschen von der Couch auf und hechtete hinter den Couchtisch, Steves Videochat immer noch offen und erhoben.
Dean sprang über die Rückenlehne der Couch und bezog ihr gegenüber Stellung.
“Charlie: Gib. Mir. Mein. Handy!”
“Sorry, Dean, aber - das ist nur zu deinem eigenen Besten! Zu eurem Besten!!”
Was? Schwachsinn!
Dean machte einen Satz nach links um den Couchtisch herum, aber Charlie konterte mit demselben Manöver und wieder befanden sie sich direkt gegenüber.
Sie zog herausfordernd die Augenbraue hoch, wackelte provozierend mit dem Handy und Dean grinste kopfschüttelnd.
Er wollte gerade dazu ansetzen, ein neues Manöver zu starten, als Steves angestrengter Atem durch die Leitung rauschte.
“Entschuldigt bitte, aber ist meine Gegenwart hierbei von Nöten?”
Ohne, dass er etwas dafür tat, wurde Deans Körperhaltung wieder entspannter, ruhiger, während er zu dem Handy sah und hoffte, dass er einigermaßen in Steves Blickfeld war: “Nein, schon in Ordnung, Steve, ich ruf dich spät-”
“DOCH!” Sogar Dean zuckte bei Charlies lautem Ausruf zusammen und blickte sie überrascht an. Sie seufzte gedehnt, drehte die grünen Augen nach oben und blies sich eine verirrte, rote Strähne aus dem Gesicht. “Tut mir wirklich leid, Dean, aber das ist wirklich zu deinem Besten!”
Sie machte einen Satz nach hinten, stieg auf die Couch und über die Rückenlehne, offenbar um etwas mehr Platz zwischen sich und Dean zu bringen und brachte sich wieder in den Fokus der Kamera.
Was zum Teufel wollte sie von Steve?
“Steve, pass auf: Dean überlegt schon ewig, wie er dich das Fragen soll-”
Die vorherige Neugier wich schlagartig kaltem Entsetzen. Nicht, dass er Charlie nicht blind vertrauen würde, aber- Oh- Gott. Was hatte sie vor?!
“Charlie?!” Sein Protest verhallte unbeachtet.
“Aber da uns langsam die Zeit davon läuft, habe ich entschieden zu intervenieren:”
“Charlie!” Was hatte er ihr erzählt? - Fast alles. Shit!
“Möchtest du am Samstag mit uns zur Halloween-Party?”
Dean, mittlerweile am Couchtisch vorbei und selbst auf dem Polster der Couch, verharrte Mitten in der Bewegung.
“Was?” - “Was?”
Steve schien gleichermaßen verwirrt.
Charlie, er konnte es in dem kleinen Fenster des Videochats sehen, verdrehte die Augen.
“Eine Halloween-Party, Steve. Nichts großes, unser Kumpel, Benny, hat ein Restaurant und wir feiern ein bisschen. Kostüme, Bier, Musik, ein ganz ungezwungener, lustiger Abend. Also, falls du dieses Wochenende sonst nichts vorhast…” Sie machte eine ausladende Geste und starrte ihn mit großen, aufgerissenen, grünen Augen auffordernd an.
“I-ich, ich weiß nicht-”
Dean stand immer noch erstarrt auf der Couch und- wartete.
Natürlich hatte er mit Charlie darüber gesprochen, wie gerne er Steve zu der Party einladen würde - aber dann hatte es erstmal die Funkstille gegeben und seither hatte er sein Glück nicht überstrapazieren wollen (immerhin kam er nicht umhin zu bemerken, dass der Kontaktabbruch geradezu direkt auf die Frage gefolgt war, ob er Steve mal zu einer Spritztour einladen durfte).
Steves Augen, die über den Videochat nicht annähernd so tief wirkten, wie sie waren, glitten zu ihm und Dean schluckte unwillkürlich, ehe er schief lächelte.
Er hatte es sich vorgestellt, wie er Steve fragte, wie Steve mit ihnen zu der Party gehen würde; Er könnte ihn dann vielleicht lachen hören, sehen, wie seine Augen kleiner wurden, weil ein breites Grinsen sie zusammen schob, während die reißenden, rauen Wellen seiner Stimme zu einem rauschenden, schäumenden Lachen wurden.
Er könnte ihn all seinen Freunden vorstellen, die Steve in ihrer Runde willkommen heißen und ins Herz schließen würden, fast so wie er es getan hatte, nachdem er nur ein paar Sätze mit ihm gesprochen hatte.
Er könnte mit ihm Bier trinken und die Köpfe zusammenstecken, um sich im Schall der lauten Musik zu unterhalten.
Er könnte Steve fragen, ob er tanzen möchte, wiegend zur Musik, ganz nah an den festen Muskeln, den ozeantiefen Augen und dem Geruch von Sommerregen und Sturmwolken und-
“Und- uh- möchtest du?” Die Worte waren aus seinen Mund, ohne, dass er darüber nachgedacht hatte und Charlie drehte sich mit einem entgeisterten Gesicht zu ihm.
Ja, er hatte es selbst gehört. Aber noch bevor Dean einer weiteren Kurzschlussreaktion folgen konnte, wie sich beispielsweise die Hand gegen die Stirn zu schlagen, toste Steves Stimme durch die Leitung:
“Ich- uh, ich habe kein Kostüm und-”
“Ich finde eins!”, tschirpte Charlie dazwischen und sah Steve geradezu leuchtend an. “Ich weiß genau, als was du gehen könntest! Du musst mir nur deine Größe sagen!”
Die feinen Sehnen an Steves Hals drücken sich in einem angestrengten Schlucken gegen die weiche Haut, bevor seine Zunge aus seinem Mund schoss und seine Unterlippe benetzte.
“Aber- ich- habe kein Auto; Ich-”
“Ich könnte dich abholen.” Charlies und Steves Augen legten sich blitzschnell auf ihn und Dean spürte, wie sein Gesicht heiß wurde. “Ich meine, wenn- wenn du möchtest. Dann- uh, könnte ich dich herbringen, wir machen uns hier fertig und - uh - fahren zur Party…? - Ich bring dich natürlich auch nach Hause! Nüchtern!” Er machte eine abwehrende, versichernde Handbewegung - und stand immer noch auf der Sitzfläche der Couch.
Dean räusperte sich möglichst unauffällig, als ihm das klar wurde, und stieg wieder hinunter.
Charlie hatte sich derweil wieder dem Videochat zugewandt und sah Steve überzeugend und bittend an.
“Also, was sagst du?”
Steve wich ihrem Blick aus, aber Dean bildete sich ein, dass seine Augen immer wieder zu ihm huschten und er lächelte warm.
Sie sollten ihn nicht so drängen, zwei gegen einen, das war - unfair. Aber es wäre nur gut für Steve, weitere Leute kennenzulernen und mal raus zu kommen. Vermutlich war er relativ isoliert. Es- wäre nur ein lustiger Abend - unter Freunden.
Das hätte nichts mit Deans Wunsch zu tun, dass er dabei wäre; Es wäre nur gut für Steve.
Als er sich sicher war, das Steves Augen auf ihm lagen, konnte er die stumme Frage förmlich spüren, fast, als würden die rauen Wellen seiner Stimme um ihn spülen; ob es in Ordnung war, ob Dean wirklich damit einverstanden wäre, ob es keine Umstände machen würde - und er nickte lächelnd gegen die Zweifel ins Steves Blick.
Steve schnaubte leicht und senkte den Kopf, aber Dean war sich fast sicher den Anflug eines Lächelns in den Mundwinkeln zu sehen.
“Ich- ja, ich komme- komme gerne.” Er nickte noch einmal, zweimal, ehe er aufsah. “Danke, für die Einladung, Charlie. Ich freue mich darauf, dich richtig kennenzulernen.”
Charlie jubelte auf der Stelle hüpfend und strahlte Steve breit und leuchtend an.
“Oh, Super! Steve, das wird so toll! Dean soll dir meine Nummer schicken, okay? Dann besprechen wir alles wegen deinem Kostüm! - Oh, Hammer! Das muss ich gleich Gilda erzählen, sie wird sich auch so freuen! Peace-Out, Bitch! Bis Samstag!” Sie machte ein schmatzende Kussgeste, warf Dean locker das Handy zu und zog mit siegreich erhobenen Händen schnell von dannen, bevor Dean sie sich schnappen konnte.
Dean musste mehrfach nach dem Handy greifen, bis er es endlich sicher in der Hand hatte und hob es schnell an um zu sehen, ob Steve immer noch in der Leitung war.
Sein Gesicht war schon wieder so heiß und räusperte sich streng, ehe er schief lächelte.
“Heya, Steve.”
Auch um Steves Lippen huschte ein kleines Lächeln, ehe er nickte: “Hallo, Dean.” Gottverdammt.
Dean schluckte hart, als es in seiner Brust dumpf und ziehend schlug.
Es gab niemanden der seinen Namen so aussprach, die Wörter so betonte, ihn so begrüßte, die dunklen, vibrierenden Silben, tief und kräftig, tosend, Ozeane, die sich unter ihm auftaten und ihn verschluckten, bis er ganz auf den dunklen, rauen Grund sank.
Er räusperte sich wieder und fuhr sich über den Hinterkopf.
“Ich- uh- du musst vermutlich noch arbeiten, huh?” Steve nickte, immer noch mit diesem leichten, warmen Lächeln auf den Lippen und Dean erwiderte es vollkommen automatisch. “Dann - ruf ich dich später an. Text mir einfach, wenn du zu Hause bist. Und ich schreib dir noch Charlies Nummer. Kannst du mir deine- Straße texten?” Er wollte nicht direkt nach der Adresse fragen. Steve würde ihm einen Ort in seiner Nähe nennen, bei dem er sich wohl fühlen würde, wenn Dean ihn dort abholte. Es musste nicht direkt seine Haustür sein.
“Natürlich, das- das mach ich.”
Dean nickte mehrfach, während er sich nur einen kurzen Moment in Steves Lächeln verlor, nur einen - winzigen - Augenblick. “Okay, cool. Dann bis heute Abend.”
“Bis heute Abend, Dean.”
“Ja- und Uh, Steve?”
Sein Blick, offensichtlich gerade auf der Suche nach dem Auflegen-Button, hob sich nochmal auf das Display. “Ich freu mich, dass du mitkommst.”
Steves Lächeln wurde geschlossener, kleiner, schüchtern und er nickte ebenfalls.
“Ich mich auch. Bis dann, Dean.”
~*~
Deans Finger trommelten auf Babys Lenkrad, während sein Blick aufmerksam die Straße auf und ab glitt. Irgendwo hier müsste Steve jeden Moment auftauchen.
Er war etwas zu früh dran, ausgemacht war halb sechs gewesen; Es war fünf vor und er wartete schon seit ein paar Minuten, aber er wollte Steve nicht das Gefühl geben, dass er ihn warten lassen würde , falls er selbst früher dran wäre.
Sein Handy fiepte und er griff augenblicklich danach.
Hatte Steve es sich anders überlegt? Nein, oder? Er hätte dann früher Bescheid gesagt.
Sie hatten am Mittwochabend, als sie telefoniert hatten, nochmal darüber gesprochen. Steve freute sich darauf, Earl war nicht da, es gäbe keinen Grund, abzusagen. Richtig?
Die Nachricht war- von Charlie und Dean verdrehte die Augen.
Es war die nächste stichelnde Bemerkung, dass er nicht nervös sein sollte, wegen seines “Dates” mit Steve und dass er vorsichtig fahren sollte, weil sie sich furchtbare Mühe mit seinem Kostüm gab; Dean durfte übrigens nicht wissen, was es war und auch wenn er Steve das nicht erzählt hatte, um ihn nicht zu verunsichern, befürchtete er das schlimmste.
Aber der eigentliche Punkt war, dass er nicht nervös war. Das war auch kein Date!
Sie gingen nur zusammen aus, zum ersten Mal, mit Freunden- als Freunde! Es gab keinen Grund nervös zu sein.
Steve freute sich auf heute Abend und Dean war kein kompletter Arsch, er hatte sich im Griff; Er würde es für Steve nicht merkwürdig machen, nur weil er eine kleine Schwärmerei hatte.
Sie waren Freunde. Nur Freunde. So einfach war das.
Er war nicht nervös.
Außerdem war es auch kein Date! Steve war nach wie vor in einer Beziehung - Dean’s Gesicht verzog sich streng und angewidert bei dem Gedanken an Earl - aber egal wie er dazu Stand, so war es nun einmal.
Weder würde er Steve bedrängen, noch es für den anderen merkwürdig machen.
Er war kein fünfzehnjähriger Teenager mehr, verdammt noch mal. Er hatte sich im Griff!
Dean klickte fast schmollend das Display seines Handy aus und ließ es neben sich auf den Sitz fallen. Er lehnte sich zurück und blickte weiter die Straße hoch und runter.
Es war kein Date. Sie waren nur Freund-
Eine Bewegung aus den Augenwinkeln zog seine kreisenden Gedanken in ihren Bann und er drehte automatisch den Kopf in die entsprechende Richtung.
Da war Steve; Er verließ gerade eines der hohen, mehrstöckigen Wohngebäude, Dean blickte automatisch auf die Hausnummer, und ging vor zur Straße, ein paar Meter vor ihm.
Ein breites Lächeln erschien auf seinen Lippen und er startete den Motor. Baby erwachte mit einem tiefen, röhrenden Grollen zum Leben und Steve drehte sich, nun beleuchtet von den Scheinwerfern, in seine Richtung.
Als Babys Beifahrertür direkt vor Steve war, hielt Dean sie an, beugte sich zur Seite und kurbelte das Fenster runter, leicht nach unten und vorne gebeugt, um Steve ansehen zu können.
Er trug einen viel zu großen Trenchcoat und darunter ein weißes Hemd, bei dem gerade mal der oberste Knopf war offen war und dass seinen schmalen, langen Hals betonte. Der Stoff lag locker genug um seinen Oberkörper, um nicht zu spannen, aber eng genug, damit Dean die halbdunkle Schattierung von seinen Muskeln erahnen konnte und weit genug offen, damit er einen flüchtigen, kleinen Blick auf die feine Kurve seines Schlüsselbeins werfen konnte.
Vermutlich war es eigentlich schon zu dunkel, um so etwas zu erkennen, aber nichtsdestotrotz blieben seine Augen kurz daran hängen.
Dean kaschierte ein halbes Räuspern in einem frechen Grinsen und lenkte seine Augen nachdrücklich zu Steves Gesicht.
“Heya, Sonnenschein, zu dir oder zu mir?”
Ja, das war vermutlich der dämlichste Spruch, der ihm in diesem Moment hatte einfallen können - und er sah die Bestätigung auch sogleich in Steves Ausdruck.
Er kniff die Augen zusammen und legte leicht den Kopf zur Seite, bevor seine Zunge unsicher hervor schoß und seine Unterlippe benetzte.
“Ich- uh, dachte, du- wir-”
Seine Augen verengten sich etwas weiter und sein Blick glitt einmal unsicher die Straße hoch und runter, bevor sein Kehlkopf sich in einem fast nervösen Schlucken wölbte.
Super gemacht, Winchester.
Dean schüttelte den Kopf, streckte sich weiter, um die Tür zu öffnen und rutschte dann zurück auf den Fahrersitz.
“Ja, nein. Klar, also - Entschuldige, das- war nur ein Witz. - Alles gut, steig ein.”
Steve zögerte noch einen Moment, ganz toller Witz, Winchester, öffnete die Tür dann aber doch ganz und stieg ein. Er räusperte sich leicht, zog die Tür behutsam aber fest zu und zupfte dann an den Ärmeln seines Hemdes.
Wieder zuckte seine Zunge über seine Unterlippe und Dean hätte sich ohrfeigen können.
Er war ein Idiot.
Die Luft im Wagen fühlte sich mit einem Mal fest an, gespannt und Dean zögerte, loszufahren, um stattdessen etwas zu finden, dass er sagen könnte, etwas, dass die Stimmung lockern und ihn und Steve etwas beruhigen würde. Etwas, das-
“Also”, die erste hervor stoßende Welle einer neuen Flut rauschte gegen seine Ohren und er drehte sich zu Steve. Er - lächelte; halbseitig, leicht versteckt in dem Senken seines Kopfes und der Art, wie er ihn vorsichtig zur Seite gedreht hatte und würde Dean es nicht besser wissen, hätte er gesagt, es wäre kokett. “Das ist Sie, ja?”
Es dauerte einen Moment, bis Dean zusammenfügte, dass er von Baby sprach und grinsend nickte.
“Ja, das ist sie. Baby, das ist Steve. - Steve, das ist Baby.” Dean tätschelte das Lenkrad wohlwollend. Er hatte schon buchstäblich jeden Witz darüber gehört, wie er mit seinem Auto sprach, dass sie einen Namen hatte, dass sie eine sie war und dergleichen. Aber die verstanden ihn und Baby einfach nicht und deswegen war es ihm egal.
Aber jetzt, einen Moment lang, musste er zugeben, dass sich sein Rücken unwohl anspannte, als er auf Steves Reaktion wartete.
Seine unendlich tiefen Augen glitten Aufmerksam über ihr Armaturenbrett, über die Sitze, das Lenkrad, er drehte sich sogar um, um einen Blick auf den Rücksitz zu werfen und dann:
“Ich bin sehr erfreut”, er senkte den Kopf fast begrüßend in Richtung ihrer Armatur, ein weiteres, leichtes Lächeln auf den pinken Lippen. “Sie ist wunderschön.”
Dean lachte leise auf und spürte, die Spannung aus seinem Rücken fallen, genau in den Moment, als ein warmes Knistern ins einem Bauch begann.
“Ja, ist sie, nicht wahr?” Sein Blick verharrte einen Augenblick auf Steves Gesicht, dem halbdunklen Schattierungen seiner Züge, dem Lächeln, den Augen, der kleinen Platzwunde, die von Tag zu Tag immer mehr zu heilte, ehe er sich fast zwang nach vorne zu blicken, die langen schlanken Kurven von Babys Motorhaube entlang. “Mein ganzer Stolz.”
Er konnte aus den Augenwinkeln sehen, wie Steve nickte und sich leicht in dem Sitz zurück lehnte.
Es folgte wieder eine Pause, in der Dean überlegte, was er sagen könnte, es wäre seine Aufgabe, jetzt etwas zu sagen, richtig?
Er machte es doch merkwürdig für Steve oder?
“Dann: Zu dir, oder?”
Dean drehte überrascht den Kopf zu Steve, der fast verschmitzt lächelte, auch wenn es dennoch schüchtern wirkte und bedeckt, aber in seinen Augen funkelte eine Portion Schalk und Humor und Dean lachte auf.
Er setzte den Blinker und leitete Baby auf die Straße.
“Darauf kannst du wetten, Sonnenschein.”
~*~
Die Fahrt war nach seinem anfänglichen Volltreffer entspannt und angenehm gewesen; Sie hatten sich locker unterhalten, Steve hatte gefragt, ob er wusste, was Charlie für ihn als Kostüm bereit hielt, (“Buddy, wenn ich es wissen würde, ich würde es dir sagen, aber als ich einmal nachsehen wollte, hat sie mir mit einem Lichtschwert auf den Kopf geschlagen!” - “Ein Lichtschwert?” - “Star Wars? Jedis? Yoda? Lichtschwert?” - “Uhm…”), dann hatten sie über seine erschreckenden Wissenslücken im Bereich Filme und Popkultur gesprochen (“Was soll das heißen, du hast keinen Fernseher?” - “Ich brauche keinen.” - “Du kennst nicht mal ‘Star Wars’! Du brauchst einen!”) und dann über Benny, sein Restaurant und wer noch alles da sein würde.
Es war - angenehm gewesen, zwanglos, fast natürlich, wie Steve in Baby saß, neben ihm auf dem Beifahrersitz, leicht gegen die Tür gelehnt, damit er Dean besser ansehen konnte.
Er hatte fast gehofft, noch ein wenig länger nach Hause zu brauchen, nur noch eine rote Ampel, nur noch ein Stoppschild an einer stark befahrenen Straße, aber kaum waren sie losgefahren, bogen sie auch schon in die Einfahrt des kleinen Hauses, das er und Charlie gemietet hatten.
Steve bedankte sich nochmal, während er ausstieg und Babys Tür behutsam schloss, dass Dean ihn abgeholt hatte und sie verharrten einen kurzen, merkwürdigen Moment auf der Veranda, bevor Dean sich räusperte, die Tür öffnete und Steve hinein bat.
Er kam nicht einmal dazu, seinen Mantel auszuziehen, bevor Charlie von der letzten Podeststufe der Treppe sprang und ihn in eine Umarmung zog.
“Steve! Es ist so schön dich zu sehen! Wow, du bist echt viel größer, als ich dachte!” Sie drehte sich zu Dean, eine Hand bereits besitzergreifend aber locker um Steves Handgelenk und grinste. “Ich entführ ihn dir kurz! Gilda ist schon oben, wir machen gerade ihre Haare, können also los, sobald ihr beide euch in Schale geworfen habt!”
Sie trug gerade noch einen plüschigen, grünen Morgenmantel, aber der würde bald einer Rüstung weichen. Denn sie wäre heute Abend die Ritterin ihrer wunderschönen Fee; Gilda.
Dean, wohlwissend, dass er sie ohnehin nicht aufhalten könnte, winkte lässig und warf Steve, der offensichtlich von der Situation überfordert und verunsichert war, ein warmes, beruhigendes Lächeln zu.
“Alles klar, dann zieh ich mich auch um. - Bis gleich, Steve.”
Steve ließ sich einen Moment von Deans Lächeln von der Situation ablenken, oder davon beruhigen, erwiderte es für einen flüchtigen Moment, warm, entspannt, ruhig, ehe er den Kopf wieder wegdrehte und das Zucken in seinen Mundwinkeln schüchtern wurde.
Charlie ließ ihre Augen kurz zwischen beiden hin und her gleiten, ehe sie mit Steve nach oben ging.
Dean folgte auf dem Fuße, um sich ebenfalls umzuziehen.
Es hatte einen kurzen Spannungsmoment gegeben, als sich Steve und Gilda gesehen hatten; Offensichtlich nicht das erste Mal, denn Steve begrüßte sie überrascht mit ”Mrs Fairywood!”.
Sie war, seit Charlie ihr erzählt hatte, wo es ihre Lieblingskekse gab, Stammkunde in Steves Laden und Dean hatte sehen können, wie Steves Nervosität die Skala nach oben geklettert war, bis Gilda ihr helles Silberglocken-Lachen lachte, herzlich Steves Hand geschüttelt hatte und sagte, sie würde ihn Steve nennen, wenn er sie Gilda nannte.
Dean hatte weiter zusehen wollen, sicherstellen wollen, dass es Steve gut ging und alles in Ordnung war, aber Charlie hatte die Situation noch kurz beobachtet und Dean dann mit einem “Wir kommen klar!” weitergeschoben.
Das nächste Mal, als Dean an Charlies Zimmer vorbei gekommen war und hinein spähte, hatte Steve immerhin den Trenchcoat ausgezogen, aber noch kein Kostüm angezogen. Stattdessen flocht er geschickt Gildas gewellte, lange Haare. Charlie zurrte gerade die Riemen ihrer Armenschienen fest und scheuchte ihn weiter und er hörte auf zu spionieren, ging hinunter und holte sich eine Cola.
Dean selbst war ein Cowboy, ein Sheriff! Keiner dieser Lucky-Luke-Kinderkostüme-Cowboys; Nein, sein Kostüm war cool.
Er hatte die Stiefel mit den Sporen, die Weste aus echtem Leder, das Hemd, dem langen, schwarzen Mantel, den Sheriff-Stern, den Hut.
Als Gilda in die Küche kam, in ihrem weißen, wallenden Feenkleid und mit einer halboffenen, geflochtenen Frisur, begrüßte er sie mit Howdy und sie kicherte.
Sie warteten auf die anderen beiden und tranken im leichten Gespräch Cola und Gurkenwasser, das sich seit neustem im Kühlschrank befand, bis sie Schritte und Stimmen von der Treppe hörten.
“Ich verstehe es nicht, wieso diese Stiefel?”
“Es gehört dazu, Steve, das ist das Markenzeichen.”
“Aber das ergibt keinen-”
“So ist das in der Serie eben.”
“Ich kenne diese Serie nicht.” Steves Stimme klang gezogen und kraftlos, als hätte er dieselbe Anmerkung schon einige Male machen müssen, aber ohne, dass Charlie es beachtet hätte.
“Daran werden wir arbeiten!”
Und damit trat Charlie zuerst in die Küche, in feierlicher Rüstung, mit Armschienen, Stiefeln, Pappschwert und mit weißem Banner auf ihrer Brust, das anzeigen sollte, dass sie zu der Fee im weißen Kleid gehörte. In ihre Haaren waren mehrere kleine, feine Zöpfe geflochten und Dean fragte sich, ob das auch Steve gewesen war, der kurz darauf ebenfalls die Küche betrat und-
Charlie, diese miese kleine Verräterin.
Sie hätte Steve als alles verkleiden können, buchstäblich alles!
Aber hier stand er nun, in babyblauer Krankenhauskleidung, die Unfaires mit dem ohnehin schon tiefen Blau seiner machte, einem Arztkittel und Cowboy-Stiefeln.
Er war Dr. Sexy M.D.
Sogar mit einem Ausweis, der an seinem Kittel hing, mit einem Passfoto von Steve, das Charlie vorhin gemacht haben musste, auf dem Stand Dr. Steve Sexy, M.D..
Dean versuchte, seine Augen davon abzuhalten, weiter über Steves Erscheinung zu gleiten, zu bemerkten, wie tief die Hose mit dem Gummizug auf seinen Hüften sitzen musste, wie seine Muskeln sich gegen das T-Shirt schmiegten, wie das Blau der Kleidung seine Augen betonte, und nahm einen großen Schluck aus seiner Dose, bei dem er sich fast verschluckte.
Verdammt, Dr. Sexy war im Fernsehen schon sexy! Aber das? Holy shit!
Er konnte es fast vor sich sehen, genau wie in der Serie, wenn er Dr Sexy, seinen Dr Steve Sexy in einen Wandschrank drängte, während Steves Hände sich unter sein Shirt schieben würde, gierig, kratzend und heiß von Erregung und Verlangen. Er würde ihn gegen die Wand drücken, küssen, fest und hungrig, seinen Hals mit Lippen und Zähnen bearbeiten und in die locker sitzende Hose greifen um-
Er musste sich räuspern, um dem Verschlucken energisch entgegen zu wirken, mehrfach, bis er seine Gedanken wieder unter Kontrolle hatte. Dann versuchte er sich an einem selbstbewussten Lächeln für Steve, das auf halbem Weg scheiterte, als er wieder die gleißenden, betonten blauen Augen sah und er senkte mit einem schiefen Grinsen den Kopf.
“Doktor.” Er nickte ihm grüßend zu und es klang nicht halb so selbstsicher und cool, wie er es sich gewünscht hatte und, verdammt er würde Charlie umbringen.
Steve kniff die Augen zusammen und legte leicht den Kopf schief.
“Sher-iff?”
Geschrieben von: June - 28.06.2021, 08:00 - Forum: The Others
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Kapitel 9
Not by mistake
Sein Kopf dröhnte bei jedem eiligen Schritt die Stufen der Hochbahn hinunter.
Er hatte verschlafen. Natürlich hatte er ausgerechnet heute verschlafen.
Castiel zog unten angekommen tief die Luft ein, als ihn eine Welle voller Übelkeit überkam und er lehnte sich für einen Moment gegen den Stützpfeiler, um seinen Kopf zu halten.
Er bildete sich ein, dass das half.
Auch wenn es dafür einen trockenen Kloß in seinem Hals bildete.
Sein Schlucken fühlte sich heiser an in seiner Kehle und Castiel musste einmal kurz durchatmen, um sich zu sammeln, als seine Hände begannen zu zittern.
Die Erinnerungen an den gestrigen Abend waren an manchen Stellen unwirklich ungenau, dann wieder messerscharf. Er konnte sich genau daran erinnern, wie sich Alastair’s Hand um seinen Hals geschlossen hatte, an die schmerzhafte Atemlosigkeit in seinen Lungen und die klumpige, kalte Angst in seinen Venen.
Castiel konnte spüren, wie sein Puls allein bei der Erinnerung daran schneller wurde und sein Atem zitterte in seiner Kehle.
Er durfte nicht-
Er musste an etwas anderes denken, etwas, das ihn beruhigte und-
Alastair hatte ihn heute morgen geweckt; Castiel hätte bereits aus dem Haus sein sollen, als er nach Hause gekommen war, aber er hatte ja verschlafen müssen.
Er hatte seine Hand in Castiels Haaren vergraben und ihm einen Kuss aufgepresst, sich entschuldigt, dass es soweit hatte kommen müssen.
Castiel hatte sich kaum getraut zu atmen, auch nicht, als Alastair's Finger so sanft und in vollständigem Kontrast zum Vorabend über seine Blessur am Kinn gestrichen hatten.
Er hatte die blauen und lilafarbenen Stellen in seinem Gesicht geküsst und leise Liebkosungen gemurmelt, während jede Berührung feurigen Schmerz durch seine Haut geschickt hatte.
Castiels Herz wäre vor- vor Angst beinah aus seiner Brust gesprungen, auch wenn er vehement versuchte hatte, sich davon nicht überrennen zu lassen.
Alastair hatte sich entschuldigt. So etwas- das-
So etwas konnte schon mal passieren, wenn die Emotionen überkochten, Alastair hatte sich entschuldigt. Es wäre nicht fair, nachtragend zu sein.
Natürlich hatte er ihm- er-
Er würde ihm verzeihen, immerhin das- Alastair hatte selbst gesagt, es war ein Ausrutscher gewesen. Er hatte die Kontrolle verloren, er hatte sich entschuldigt!
Und auch wenn Castiel sich eilig aus Alastair’s Griff in die Dusche und dann aus dem Haus geflüchtet hatte.
Alastair hatte einen Fehler gemacht - und sich entschuldigt.
Er hatte keine Angst vor ihm! Er liebte ihn, sie waren in einer Beziehung, sie waren Partner, da stritt man sich schon mal.
Das war nur- er musste-
Sein Puls wurde wieder schneller und Castiel zog tief die Luft ein.
Nein, er musste sich beruhigen, er musste an etwas anderes denken.
An etwas beruhigendes.
Ruhe und Wärme und…
Dean.
Castiel schloss einen Moment die Augen und ließ sich von seiner Erinnerung in das gestrige Gespräch zurückführen.
Jetzt, wo er daran zurück dachte, fühlte es sich mehr an, wie ein Traum, als wie etwas, das er tatsächlich erlebt hatte, das tatsächlich passiert war.
Deans honigweiche, warme Stimme hallte noch in seinen Ohren nach, die Kraft und Stärke darin, direkt neben der rauen Sanftheit, die ihn umschlungen und gehalten hatte.
Er kämpfte einen Schauer hinunter, schluckte, um sich zu sammeln und setzte seinen Weg fort.
Sein Puls war nicht weniger schnell, aber allein der Gedanke an Deans Stimme, half, seine Nerven zu beruhigen.
Castiel hatte gestern Abend nicht wirklich erwartet, dass Dean rangehen würde, als er ihn angerufen hatte, auch wenn ihm das erst heute Morgen klar geworden war.
Nicht, nach den Nachrichten, die er ihm geschrieben hatte; Nicht, nachdem er sich sang-, klang- und erklärungslos einfach abgewandt hatte.
Aber Dean war nicht nachtragend oder wütend gewesen.
Er war rangegangen.
Ein trauriges Lächeln zuckte an seinen Mundwinkel, als er die Straße zum Laden hinab lief.
Nein, Dean hatte ihm einfach-
Einfach bedingungslos geholfen.
Er hatte das nicht verdient, das war ihm klar.
Er hatte Dean nicht verdient.
Und er wollte sich erkenntlich zeigen, irgendwie, wollte Dean klar machen, dass er die Freundlichkeit und Wärme, die er ihm so freizügig gab, nicht als Selbstverständlichkeit erachtete, sondern wirklich schätze.
Er wollte ihm zeigen, wie viel es ihm bedeutete, wie viel seine Freundschaft ihm bedeutete; Wie viel Dean ihm bedeutete.
Die letzten Wochen, in denen er nicht mit ihm geschrieben hatten, waren düster und trübsinnig gewesen, weil Dean ihm gefehlt hatte. Er hatte ihn vermisst.
Und in den Moment, in dem er ihn gebraucht hatte, war er da gewesen.
Einfach so.
Ohne Bedingungen oder Forderungen, er war-
Castiel wollte- musste! Er musste irgendwas tun, um sich bei Dean zu bedanken.
Er wusste nur nicht, was.
Wie sollte er in Gesten oder Worten ausdrücken, was er nicht mal klar denken konnte?
Castiels Schultern sanken mutlos und er korrigierte den Schal um seinen Hals, den er heute Morgen umgelegt hatte, um die blauen Flecke und Kratzer von Alastair’s Fingern etwas zu kaschieren. Es war nicht wirklich kalt genug für einen Schal, andererseits war es auch nicht hell genug für die Sonnenbrille, die er trug, um die Spuren an seiner Schläfe etwas zu kaschieren. Er hoffte, sein Schal war hoch genug gezogen, um das schillernde Hämatom am Kinn etwas zu verbergen.
Allerdings machte er sich keine Illusionen, es war nur bei einem flüchtigen Blick hilfreich, ansonsten täuschte er wohl niemanden.
Castiel seufzte und fuhr sich durch die unordentlichen Haare.
Vermutlich sollte er sich darüber Gedanken machen, wie er so auf seine Kunden und Mitarbeiter wirkte, aber sein Kopf kreiste nur weiter um Dean:
Er hätte ihm schreiben sollen, heute Morgen.
Er hätte genügend Gelegenheiten gehabt, hatte oft genug das Handy in der Hand gehalten und es dann doch wieder in die Tasche geschoben.
Was sollte er sagen? Was ihm schreiben?
Jedes Mal, wenn er den Chat öffnete, starrten ihn seine eigenen Nachrichten von vor zwei Wochen wütend an und erinnerten ihn daran, wieso er den Kontakt ursprünglich abgebrochen hatte.
Er war nicht gut für Dean.
Das wurde ihm jedes Mal von neuem klar, wenn er die Nachrichten sah, wenn er daran zurück dachte, wieso er sie geschrieben hatte, wenn er sich vor Augen führte, was alles passiert war, womit er Dean belastete.
Castiel sollte es beenden, es wirklich beenden und Deans Nummer löschen, sich für alles bedanken, sich für alles entschuldigen, ehrlich sein und einfach gehen.
Das wäre besser für Dean, bevor er ihn noch mit sich riss, weiter und tiefer in dieses kompliziert gewordene Konstrukt seines Lebens.
Vorher war alles so einfach gewesen, so leicht.
Er wusste nicht, was passiert war; Wann es so schwierig und kompliziert geworden war.
Mittlerweile war er nah genug am Laden, um zu sehen, dass er geöffnet und die Aufsteller bereits draußen waren und Castiel erlaubte sich einen beruhigten Atemzug.
Er hatte gut daran getan, Kaia einen Schlüssel zu geben, nachdem er das andere Mädchen, Claire, eingestellt hatte.
Zugegeben, er hatte Claire nur eingestellt, weil sie ohnehin die ganze Zeit im Laden rumhing und Kaia von der Arbeit abhielt - er ging davon aus, sie schwärmte für sie - und so konnten sie wenigstens Zeit miteinander verbringen und sich dabei nützlich machen und eine weitere Kraft hatte wirklich nicht geschadet.
Ein kleiner Wermutstropfen war allerdings, dass sie ihn ständig “Bizarro-Dad” nannte, scheinbar hatte er moderate Ähnlichkeit mit ihrem Vater. Es war wohl auch ein erweiterter Ausdruck Ihrer Teenage-Rebellion, sich keiner Norm hinzugeben; Genauso wie der schwarze Nagellack und die auffälligen Frisuren oder ihre Tätowierungen, aber was ertrug man nicht alles, für junge Liebe.
Außerdem hatten sie dafür jetzt neue Stammkunden in ihrer Stiefmutter Kelly und ihrem Stiefbruder Jack.
Castiel war im Begriff, die letzten paar Schritte zu joggen, stoppte sich aber, als das einen heftigen Kopfschmerz auslöste. Er fasste sich beruhigend an die pochende Schläfe und atmete tief durch, ehe er langsam weiter ging.
Als er sortiert und lächelnd den Laden betrat, fand er Kaia hinter der Kasse vor, Claire lehnte direkt daneben, und sie tuschelten.
“Er starrt uns an! Das ist ein Stalker, definitiv. Der sitzt seit heute morgen in dieser alten Kar-!”
“Entschuldigt bitte die Verspätung, Ladies”, sein Lächeln war wacklig, aber warm. “Aber ich fürchte, sogar Chefs verschlafen manchmal. - Danke, dass du den Laden aufgesperrt hast, Kaia, ist bereits alles fertig?”
Kaias Blick auf sein Gesicht war nicht so unauffällig, wie sie vermutlich dachte, aber sie nickte nur und erwiderte das Lächeln. “Kein Problem. Ja, es ist alles fertig, Mr. Novak.”
Clair war weniger subtil: “Guten Morgen, Johnny Depp, Zusammenstoß mit Amber Heard gehabt?”
Für schrecklich langen Wimpernschlag, war Castiel von der Bemerkung aus dem Konzept gebracht.
War es so offensichtlich? Sah man so direkt, woher die Spuren in seinem Gesicht kamen? Wieso ausgerechnet dieser Vergleich? Was- Wieso-?!
Er durfte nicht aus dem Konzept gebracht sein!
Er durfte- wollte; konnte sich nicht anmerken lassen, das- was passiert war.
So etwas passierte doch nur- Außerdem war es nicht, das! Es war nur ein Ausrutscher gewesen! Nichts- nicht so etwas.
Zu seiner Erleichterung war er wider erwarten jedoch nicht im Scheinwerferlicht von Claires Bemerkung gefangen; Sein Mund schaffte wie von selbst ein schiefes Lächeln, das sich vor seine rasenden Gedanken schob, und er nahm die Sonnenbrille ab.
„Claire, das ist ein sehr ernstes Thema und niemand weiß, was hinter verschlossenen Türen passiert, auch nicht bei Prominenten. Daher möchte ich derartige Witze nicht mehr hören, verstanden?“
Claire verdrehte in typischer Teenager-Rebellion die Augen, nickte aber: „Ja, Bizarro-Dad, verstanden. – Aber ernsthaft, was ist passiert?“
Sie nickte zu der kleinen Platzwunde an der Schläfe und dem dunklen Hämatom an seinem Kinn und auch Kaia, die versuchte beschäftigt auszusehen, schielte neugierig nach oben.
Castiel lächelte nonchalant.
„Ich bin die Treppe runtergefallen.“
Kaum hatte er die Worte ausgesprochen, betete er, dass es ein plausibler Grund war, ein mögliches, plausibles Szenario und-
Er hatte sich vorher etwas vernünftiges Überlegen sollen und nicht nur an Dean denken!
Kaia und Claire tauschten kurz einen Blick, ehe sie ihn wieder ansahen.
„Treppe? Haben Sie keinen Aufzug?“
Castiel lachte auf, einerseits erleichtert, scheinbar war es nicht vollständig abwegig, andererseits halb amüsiert über die Frage.
„Alte Menschen wie ich müssen versuchen, Bewegung in ihren Alltag einzubinden, Claire, deshalb nehme ich manchmal die Treppe.“
„Vielleicht erstmal nicht mehr, so als Tipp.“
Diesmal verdrehte Castiel die Augen. Ein scharfer Schmerz schoss dabei durch seine Stirn und er versuchte, es sich nicht anmerken zu lassen.
„Ich werd’s mir merken, danke.“
Er ließ seinen Blick einmal routiniert durch den Laden wandern und nickte den beiden dann freundlich zu.
“Ich bin im Büro, falls ihr mich braucht, ansonsten kümmere ich mich um den Papierkram.”
So würde er zumindest mit seinem Aussehen keine Kunden verschrecken.
“Alles klar, Mr Novak.” - “Verstanden, B.D.!”
Castiel hatte gerade den ersten Schritt in sein Büro im hinteren Teil des Ladens gemacht, als seine Beine unter dem heftigen Herzschlag beinahe nachgeben wollten.
Er hatte nicht mal bemerkt, wie hektisch und rasend er gewesen war.
Seine Hand klammerte sich an den Türknauf und er zog die Luft tief durch seinen rauen Hals ein.
Es war alles in Ordnung. Er war die Treppe hinab gestürzt, das war eine plausible Erklärung.
Es war nichts passiert, nur ein- ein Versehen. Genau.
Er nickte sich einmal selbst zu und war gerade im Begriff, die Tür zu schließen, als Claires Stimme ihn innehalten ließ.
“Oh, pass auf! Stalker im Anmarsch!”
Was, Stalker?
Castiel hörte das vertraute Klimpern über der Tür und runzelte die Stirn.
Wieso Stalker? Was für ein Stalker?
Sollte er lieber nochmal nach vorne gehen?
Er war im Begriff, das Büro wieder zu verlassen, um nach dem Rechten zu sehen, als er eine weitere Stimme hörte und abrupt innehielt:
“Guten Morgen, uh, Kaia, richtig?” Es war, als würde der süße Klang von rauem Honig ihn auf dem Boden festkleben.
“Guten Mor-” - “Guten Morgen, Stalker”, Claires Stimme war überzogen und irritierend freundlich und er konnte sich den verwirrten Gesichtsausdruck, den sie verursachte, nur allzu gut vorstellen.
Wieso zum Teufel-?!
Castiel beugte sich aus der Tür, um einen Blick auf die Kasse zu erhaschen, obwohl er wusste, dass er sie von hier nicht sehen konnte.
“Uh, Guten Morgen, Teenage-Mutant-Rebellen-Barbie?!” Er konnte die Sanftheit in den herben Scotchtönen ausmachen, ruppig, abwehrend, aber noch freundlich. “Wo ist Mr Novak? - Da? Okay.”
Castiel stand weiterhin perplex im Türrahmen seines Büros und starrte den Gang entlang, der die Schritte von schweren Stiefeln zu ihm warf.
Obwohl er wusste, zu wem die kristallinen Töne gehörten, obwohl er die Stimme sofort erkannt hatte, vielleicht sogar immer erkennen würde, war er doch überrascht, als Dean tatsächlich um die Ecke bog, und ihn direkt ansah.
Für einen Moment zuckte ein Lächeln in seinem Mundwinkel.
Dean sah- Also, er sah gut aus, wie er auf ihn zukam, groß und kräftig, die breiten, starken Schultern umhüllt von einer dunkelgrünen Jacke, die hellbraunen Haare schmeichelhaft in Form gestylt. Er konnte sogar die Sommersprossen erkennen und die grünen, grünen Augen die ihn direkt-
Es zog kalt in Castiels Magen. Deans Augen waren dunkel, zu dunkel.
In seiner Stirn prangte eine tiefe, zuckende Furche und seine Nasenflügel blähten sich weit in einem bemüht ruhigen Atemzug.
Was hatte er falsch gemacht? Was hatte er falsch gemacht?!
“Dean…?” Castiel war selbst davon überrascht, wie dünn und durchsichtig seine Stimme klang - hatte Dean ihn überhaupt gehört?! - als Deans feste, energische Schritte weiter auf ihn zukamen.
Es dauerte noch ein paar Sekunden, rasende Herzschläge, ungläubiges Blinzeln, bevor er in Aktion zuckte und hektisch zurück wich.
Dean hatte ihn fast erreicht.
Nein!, nein, nein, nein, nein! Was hatte er falsch gemacht?!
Castiel warf aus Reflex die Tür zu, wodurch sie direkt in Deans Hand landete und stieß rücklings gegen seinen Schreibtisch. Dean schob die Tür wieder auf, betrat das Büro und warf sie hinter sich ins Schloss.
Das klickende Geräusch verriet Castiel, dass er die Tür verriegelt hatte.
Sein heftiger Herzschlag brannte in seinem Hals, pochte in seinem Kopf, während er die Augen nicht von Dean abwenden konnte.
Was hatte er falsch gemacht?
Wieso war Dean so wütend?
Wieso war Dean hier? Was hatte er getan?!
“Dea-”
“Du bist ein vollendeter Idiot!”
Castiels Mund klappte augenblicklich zu. Er konnte die raue Welle von Deans Stimme fast körperlich spüren, wie sie ihn gegen den Schreibtisch presste, in die Enge trieb, ihn festhielt.
Aber noch konnte er atmen, seinen Brustkorb und Lungen dehnen und atmen, tief ein, tief aus und er starrte Dean an.
“Was zum Teufel machst du hier?!” Deans Wogen prasselten gegen seinen Torso und sein rasendes Herz darunter und er zog stockend die Luft ein.
Er spürte, wie die Panik an der Hinterseite seines Kopfes kratze, wie der hektische Herzschlag so viel Sauerstoff aus seinem Blut zog, ohne, dass er die Gelegenheit hatte, es schnell genug zu ersetzen. Er spürte das beginnende Zittern in seinen Muskeln und schluckte hart und schmerzhaft.
Nein, er durfte nicht- Er musste-
Tief atmen. Sich konzentrieren.
Alles war in Ordnung.
Es war alles in Ordnung.
Es gab keinen- Wieso sollte Dean wütend-
Es war alles in Ordnung.
Castiel schluckte erneut, um seine Stimme zu festigen, ehe er antwortete, ruhig, sortiert und neutral.
“Ich arbeite hier, Dean.” Er konnte hören, spüren wie seine Stimme trotzdem an den Enden zitterte.
Deans Stirn zog sich in noch tiefere Falten.
“Ja, no shit?! Du bist verletzt, verflucht nochmal, Steve! Du musst dich ausruhen!”
“Ich habe mich ausgeruh-”
“Doch nicht nur einen Abend, du Idiot!” Castiels Mund schnellte wieder zu, als Dean ihm erneut ins Wort fiel und er bemühte sich um einen ruhigen, tiefen Atemzug.
Es war alles in Ordnung!
“Dean-” Er musste sich räuspern, um das brüchige Wackeln aus seiner Stimme zu vertreiben. Seine Brust schmerzte von dem heftigen Schlag in ihrem Inneren, sein Kopf pochte im Takt seines Pulses und er konnte jeden zittrigen Atemzug in aller Deutlichkeit in seinem wunden Hals fühlen. “Ich- ich hab mich ausgeruht und- es-” Das Schlucken schien schwieriger zu werden. Das Reden war anstrengend.
“Wenn du jetzt sagst, es geht dir gut- dann- ich schwör bei Gott-! Du musst dich länger ausruhen als einen Abend!”
Dean kam einen energischen Schritt auf ihn zu und Castiel machte einen unwillkürlichen Satz nach hinten, gegen den Schreibtisch.
Die Kante schmerzte in seinem Rücken, schoss seine Wirbelsäule hinauf durch seinen Kopf. Er konnte fast spüren, wie der Schmerz mit der Panik in seinen Nerven kollidierte, bis seine rasenden Gedanken sich davon auseinander stoßen und erden ließen.
Etwas unwirkliches, trotziges klickte in ihm an einen Platz, eine Mischung aus heißer Widerspenstigkeit und kalter Panik, und er zog unwillig die Augenbrauen zusammen.
Nein! Das hier- das- das war sein Büro und- und sein Laden! Dean hatte nichts davon gesagt, dass er-
Außerdem- Er- er hatte nicht bei Alastair in der Wohnung bleiben wollen.
Nicht- heute Morgen zumindest.
Es war sein Recht hier zu sein.
Nicht Deans!
“Davon hast du nichts gesagt. Ich habe mich an das gehalten, was du gesagt hast!”
Es stimmte; Er hatte alle Anweisungen befolgt, er hatte alles richtig gemacht.
Das hier war nicht seine Schuld! Diesmal, verdammt, diesmal war es nicht seine Schuld!
Es gab keinen Grund, warum Dean so wütend war.
Er hatte lediglich die paar Sachen aufgehoben, die unmittelbar um ihn herum gelegen hatten, bevor er aufgestanden war und sich von Dean am Telefon ins Bett hatte dirigieren lassen.
Er hatte mit ihm gesprochen, sanft, kristallin und beruhigend, bis er eingeschlafen war.
Ein warmes Gefühl zog in seiner Brust und sein kalter, rasender Pulsschlag wurde wärmer und weicher.
Dean schnaubte.
“Wer hätte denn auch ahnen können, dass man dir sagen muss, dass du mit einer Gehirnerschütterung am nächsten Tag nicht gleich zur Arbeit rennst?!”
“Du, offensichtlich, oder warum bist du sonst hier?!” Die patzigen Worte hatten Castiels Mund verlassen, bevor er überhaupt richtig darüber nachdenken konnte und einen Augenblick lang erstarrte er, genauso wie Dean, mitten im Moment.
Das war zu viel.
Trotz und Widerspenstigkeit hin oder her, das war zu viel.
Das hätte er nicht sagen sollen.
Die Erinnerung an den Schlag gegen sein Kinn, an Alastair's wütendes Gesicht nach seiner letzten Aufmüpfigkeit huschten mit scharfen, schneidenden Ecken durch seinen Kopf.
Die Schreibtischkante drückte schmerzhaft gegen seinen Rücken, als er versuchte, mehr Abstand zwischen sich und Dean zu bringen, aber es ging nicht.
Castiel hielt erschrocken die Luft an, die Muskeln zum Zerreißen gespannt, seine Augen auf jede noch so kleine Bewegung von Dean gerichtet, bis-
Dean lachte schnaubend auf und fuhr sich durch die Haare, rieb sich über den Hinterkopf, lachte wieder: “Klugscheißer.”
Die tiefen, reißenden, rauen Wellen aus Scotch und Honig hatten ihre Härte und Wucht verloren und trafen ihn fast sanft, fast beruhigend.
Die Spannung wich nur langsam und vorsichtig aus Castiels harten Muskeln und er schluckte, um einen Kloß herum, während er Dean weiter beobachtete.
Dean erwiderte den forschenden Blick und nickte leicht, mehr für sich, als für Castiel.
Er zog seine Jacke aus; darunter trug er ein schwarzes T-Shirt und ein rot-schwarz kariertes Hemd, und warf sie zielsicher auf den Aktenschrank neben sich und schob die hochgekrempelten Ärmel höher. Er machte einen betonten Schritt zurück.
“Ich hab dir Angst gemacht.”
Castiel konnte spüren wie Deans tiefe, grüne Augen über ihn glitten; Erst, als sie an seinen Händen hängen blieben, bemerkte er, wie hart er sie um die Schreibtischkante gekrallt hatte.
Es war mühsam sie zu lösen und er massierte die angespannten Finger gegeneinander, sobald er es geschafft hatte. Seine Handflächen waren unangenehm feucht.
Dean fuhr sich mit der Zunge über die Lippen und rieb sich wieder den Hinterkopf. “Tut mir Leid, ich wollte dir keine Angst machen.”
“Hast du nicht”, seine Worten kamen zu schnell, zu atemlos, zu hektisch. “Ich- warum auch? Ich hab- Ich bin- bin ja nur-” Er machte eine unbestimmte Geste mit der Hand. “Gefallen.”
Dean sah ihn nur einen Moment an, ehe er nickte: “Ich weiß.”
Castiel konnte fast körperlich spüren, wie die Stimmung im Raum, die Spannung, langsam schmolz.
Deans Körpersprache war betont ruhig, seine Stimmlage wieder der angenehme Ton von kristallinem Honig, keine Härte oder heiße Wut dahinter.
Seine Augen sondierten den Raum, als würde er nach etwas anderem suchen, das er beobachten konnte, etwas, das ihn ablenken könnte, bis sie doch wieder bei Castiel landeten.
Auf der offensichtlichen Suche nach Worten, benetzte er erneut seine Lippen mit der Zunge und Castiel folgte der Bewegung für einen unbewussten Moment.
“Ich bin hier”, Deans Stimme war betont sortiert und fremdartig klumpig in ihrem Klang und er machte beiläufig einen weiteren Schritt nach hinten, bis er mit dem Rücken an der Tür lehnte, “weil ich mir Sorgen gemacht habe.” Castiel setzte an, ihm zu widersprechen, zu sagen, dass das zwar nett war (und liebenswürdig und freundlich und warm und-) aber Dean hob die Hand, um ihm Einhalt zu gebieten.
“Steve.” Es war eine Bitte, fast ein Flehen, als würde Dean sich wirklich sorgen, als würde er die Gewissheit brauchen, nicht nur für Castiel sondern für sich. Sie machte seine Stimme dick und schwer. Ein Schauer lief heiß seinen Rücken hinab und Castiel wandte die Augen ab. Dean räusperte sich: “Darf ich…?”
Sein Blick drehte sich gerade noch rechtzeitig zurück zu Dean, um zu sehen, wie er leicht die Hände hob und in seine Richtung nickte.
In Castiels Kopf stoben die Gedanken gegeneinander wie ein Erdrutsch, der auf das Meer traf.
Der Herzschlag in seiner Brust war dumpf und klobig, zu hart, zu kantig, seine Hände zitterten, wenn er die feuchten Handflächen an seiner Hose abwischte: Er hatte - Angst; Angst vor dem, was Alast- was gestern passiert war. Angst vor den Schmerzen in seinem Hals und dem Pochen in seinem Kopf und er wollte nicht klein und weinerlich und wehleidig sein, wegen ein paar Kratzern, aber- Aber Dean machte sich auch Sorgen. Nicht wahr? Dean machte sich Sorgen deswegen, also dürfte er doch auch…?
Auf der anderen Seite wollte- konnte er es nicht zugeben. Und würde er es nicht zugeben? Wenn er Dean gestatten würde- was eigentlich?
Alastair hätte ihn doch nie- Das- Das was gestern passiert war; Er hätte ihn niemals so sehr verletzt, dass-
Es war ein Unfall gewesen, ein Versehen, wie, wenn man die Treppe hinab fiel.
Außerdem: Dean war kein Arzt. Dean war nur beim Notruf aber-
Er sorgte sich, er kümmerte sich, er war wegen ihm hier.
Ein wohliger, warmer Schlag drang durch seine Brust, glättete die Kanten in seinem Herzschlag, und Castiel schloss einen Moment die Augen.
Dean war wegen ihm her, er sorgte sich, er- Er war nicht wütend, wegen Castiels Nachrichten oder weil er ihn angerufen hatte. Er war einfach - da.
Es zog in ihm, zog ihn in diese Richtung, zu Dean, zu der Wärme, die aus seinen Augen strahlte und aus seiner Stimme tropfte und sich so beruhigend und sicher anfühlte, im Gegensatz zu seinen aufgeschreckten und unruhigen Nerven.
Castiel wollte sich nur einen Moment lang in dieser kleinen, wattigen Zuneigung zurücklehnen, nur einen Moment dort Kraft tanken, dann könnte er weitermachen.
Dann wäre alles in Ordnung und-
“Ja.”
Über Deans Gesicht huschte ein halbseitiges Lächeln und er nickte, ehe er langsam näher kam, die Hände halb erhoben, bis er direkt vor ihm stand.
Er beobachtete seine Bewegungen, betont vorsichtig, ruhig, wie das leichte, beruhigende Lächeln nicht von seinen Lippen wich, wie er versuchte seinen Blick zu halten und auch, wenn es kindisch war, es beruhigte ihn wirklich.
Dean würde ihm nichts tun.
Als seine Hände nach den Enden von seinem Schal griffen, zuckte Castiel trotzdem unwillkürlich zurück und schalt sich im nächsten Moment selbst dafür. Weichei!
Er senkte beschämt den Kopf und konnte spüren, wie sein Gesicht unangenehm heiß wurde, aber Dean lächelte ihn nur beruhigend an und wickelte den Stoff vorsichtig ab.
Seine Hände bemühten sich, in Castiels Blickfeld zu bleiben, sichtbar, weit von seinem Hals, das Schaltuch weit auseinander gezogen, sodass es keinen Druck ausüben würde.
Castiel war davon einen Augenblick lang abgelenkt, von der Rücksicht, von der Vorsicht in seinen Bewegungen, von Deans ganzer Art, voller Selbstverständlichkeit und Sanftheit.
Nur einen kurzen Moment lang erlaubte er sich, nach oben zu sehen, Deans geschickte Hände aus den Augen zu lassen und in das warme, leichte Lächeln zu sehen und-
Er stand direkt vor ihm.
Er war so nah.
Castiel wusste nicht mehr, wohin er sehen sollte.
Er war- Er war Dean noch nie so nah gewesen.
Er hatte nicht bemerkt, wie viele Sommersprossen sich wirklich auf Deans Gesicht tummelten, oder das Grübchen im Kinn, das fast von seinen Bartstoppeln verdeckt wurde. Er hatte bemerkt, wie grün und tief Deans Augen waren, aber jetzt sah er erst die verschiedenen Sprenkel und Lichtreflexe, die Nuancen und Schimmer und wie lang und geschwungen seine Wimpern waren.
Ganz zu schweigen von seinen Lippen, definiert, voll und pink, gekrönt von seinem ausgeprägten Amorbogen.
Die kleine, dünne Narbe an seinem Kinn.
Dean war so nah, dass die Knopfleisten seines offenen Hemdes an Castiels Weste kratzen, dass er die Wärme spüren konnte, die von ihm ausging, dass er ihn riechen konnte; Leder, Kaffee und sein Deodorant, männlich und frisch.
Er wusste nicht wieso, aber es wunderte ihn, dass Dean nicht nach Honig roch, es würde so gut dazu passen, süß und herb - Castiel schluckte hart und Dean zog seine Hände alarmiert zurück.
Nein!
Die unangenehme Hitze stieg wieder in Castiels Wangen auf, zusammen mit einem irrationalen Sehnen, Dean wieder näher zu sein und er räusperte sich peinlich.
Dean wirkte ehrlich besorgte, als er ihn forschend anblickte.
Er schüttelte als Antwort leicht den Kopf: “Alles - nichts, alles okay.”
“Sicher? Ich will nicht, dass du-”
Castiel schluckte wieder und straffte seinen Rücken: “Sicher.”
Verdammt nochmal, er musste sich zusammenreißen!
Was trieb er denn hier?
Dean war nur gekommen, um ihm zu helfen und er- er verlor sich in unmöglichen Gedanken!
Es hatte ihn nicht zu interessieren, wie Dean roch, oder wie grün seine Augen waren, oder wie viele Sommersprossen und Narben er hatte.
Genau das, ganz genau deswegen, war es richtig gewesen, Dean die Nachrichten zu schreiben. Diese dämliche, kindische Schwärmerei, die er hier entwickelte, war unangebracht und dämlich und falsch! Dean hatte das nicht verdient, er hatte besseres verdient, er-
Es war nicht mal eine Schwärmerei.
Er war nur irrational!
Es war Projektion; Er bildete sich völlig unsinnig ein, einsam zu sein und projizierte es auf Dean, er stritt sich mit Alastair und flüchtete sich zu den Textnachrichten, er- Castiel bildete sich ein, etwas zu vermissen und formte in seinem Kopf ein Idealbild, das nichts mit der Realität zu tun hatte und das, obwohl Dean einfach nur freundlich sein wollte.
Nichts davon war rational oder gerechtfertigt und- er musste damit aufhören.
Für sich und für Alastair und für Dean.
Das hier war nicht fair!
Nur weil er hin und wieder einen kleinen Streit mit seinem Partner hatte, durfte er nicht so über einen Freun- über einen fremden Mann denken.
Etwas in Castiel krampfte kalt und er schloss einen Moment die Augen.
Dean war kein fremder Mann; Dean war hier. Wegen ihm. Für ihn. Er war-
Er hatte ihn so vermisst.
Deans Hände schwebten direkt über seiner Haut, direkt an seinem Hals. Als es ihm klar wurde, konnte er die Wärme spüren, die Präsenz und Castiel hob vorsichtig den Blick; Dean sah ihn, sah ihm direkt in die Augen, Gott, diese Augen, und fragte ihn stumm, ob es wirklich in Ordnung war.
Er wollte seine Stimme hören, er wollte keine stumme Frage, er wollte Wörter, sanft und schwer wie Honig, herb wie Scotch, tief, vibrierend, er wollte in den Wörtern verloren gehen, sich mit davon schwemmen lassen, nur für einen Augenblick! Er hatte sie so vermisst - aber er nickte nur.
Castiel zog überrascht und scharf die Luft ein, als Deans Finger auf seine Haut trafen.
Noch bevor Dean die Hände wegziehen konnte, hatte Castiel nach seinem Handgelenk gegriffen und hielt es in Position.
Sein Atem stockte verwirrt in seiner Kehle. Peinlichkeit und Scham pochten hart gegen seine Brust, aber er konnte Deans Handgelenk nicht loslassen; Er wollte nicht.
Er hätte niemals erwartet, dass diese kleine Berührung ihn so aus dem Konzept bringen würde, diese kleine Berührung dürfte ihn gar nicht so aus dem Konzept bringen!
Aber Denas Hände waren wie seine Stimme; Sie waren rau und kratzig von hart erarbeiteten Schwielen, trotzdem war ihre Berührung sanft, fast weich und so warm.
Es kostete Castiel sämtliche Überwindung, dem Schauer, der seinen Rücken hinab laufen wollte, nicht nachzugeben, seine Augen nicht zu schließen, sich nicht in den wohltuenden Kontakt von Haut und Haut zu lehnen.
Es war lächerlich und dämlich, peinlich!, falsch. Aber Deans Finger an seinem geschundenen Hals waren wohltuend und sanft und er sehnte sich danach.
Nach gestern, nach den Schmerzen, dem Druck und den Kratzern, nach den kalten Küssen und klebrigen Lecken von Alastair heute Morgen. Diese Sanftheit fühlte sich so- selten an. Und wertvoll, er wollte sie nicht- er konnt nicht-
Natürlich war das völliger Blödsinn.
Alastair war nicht ständig so grob zu ihm, das war ein Ausrutscher gewesen, den er ihm- er- er würde ihm das verzeihen, weil er wusste, dass Alastair ihn liebte. Und er liebte Alastair.
Aber trotzdem war seine geschundene Haut und seine aufgeschreckten Nerven von gestern verstört und wund und sehnten sich nach- nach- nach Dean.
Nach seiner Sanftheit und Stärke, der Ruhe, Wärme, der Fürsorge, die er sogar ausstrahlte, wenn er wütend war, oder die er gerade deshalb ausstrahlte, weil er aus Sorge wütend wurde?
Dean sorgte sich so sehr um ihn, dass er sogar her kam, ohne zu wissen, ob Castiel überhaupt heute hier gewesen wäre. Er war hergekommen, um nach ihm zu sehen.
Er war wütend gewesen, weil er sich um Castiel gesorgt hatte - und auch wenn es ihn im ersten Moment verschreckt hatte er- Er wusste es zu schätzen.
Er hatte es nur nicht verdient.
Nein, schlimmer, er projizierte lediglich. Mal wieder, immer noch!
Aber Deans Berührung war so angenehm.
Für einen Moment, für diesen einen Moment, könnte er es sich gestatten, richtig? Der gestrige Abend war- anstrengend gewesen, beängstigend und brut- heftig.
Er würde es sich nur für einen Moment gestatten, um sich in diesen falschen Gefühlen kurz auszuruhen.
Nur einen Moment, nur ganz kurz.
Langsam wurde ihm klar, dass er Deans Handgelenk immer noch festhielt. Seine Haut unter seinen Fingern fühlte sich sicher an, erdend, und ohne es zu bemerkten, begann er sanft mit dem Daumen darüber zu streichen, die weichen Haare vor und zurück zu schieben, als wäre es das selbstverständlichste der Welt.
Sein Schlucken war hart und schwer und als es seinen Hals hinab wanderte drückte es seine Haut gegen Deans Finger.
Seine Augen schlossen sich ohne sein Zutun, ohne seine Erlaubnis.
Es waren keine Funken, kein Feuerwerk oder ein Blitzschlag der ihn traf, kein dämliches, kindisches Klischee, das außerdem ohnehin vollkommen fehlplatziert wäre, weil er nicht für Dean schwärmte.
Aber trotzdem wollte er diesen Moment nicht verlieren, diesen sanften, warmen Kontakt, der sich so weltenentfernt von dem anfühlte, was gestern passiert war.
Er war einfach verschreckt von gestern, das war der Grund.
“Steve…?” Sein Name in dem rauen Raspeln von kristallinem Honig ließ ihn beinah schaudern.
Verdammt, das war nicht sein Name!
Castiel schluckte nochmals hart, spürte wieder, wie sein wunder Hals dabei gegen Deans Finger stieß und zwang seine Augen offen.
“Ich- Es tut mir Leid.”
Er sollte die Hand wegnehmen. Er musste die Hand wegnehmen!
Deans sanftes Lächeln fing seine Augen und seine rasenden Gedanken ein.
“Nein, ist schon-” Seine Stimme war tiefer als sonst, dicker und er räusperte sich. “Ist schon okay, Steve. - Darf ich deinen Hals abtasten?”
Deans Augen zuckte über ihn, zu seiner Hand an Deans Handgelenk, er bildete sich fast ein, Dean würde seinen Arm sogar noch dagegen schieben, aber das war wirklich nur reine Einbildung, zu seinen Händen, die so nah über Castiels Haut schwebten, zu seinen Augen, Lippen, Augen. Lippen? Nein, das hatte er sich auch eingebildete.
Castiel räusperte sich selbst und nickte dann. Er musste sich endlich zusammenreißen.
Das halbseitige Lächeln zuckte wieder in Deans Mundwinkel und er begann seinen Hals abzutasten.
Seine Finger drückten fest gegen die weiche, empfindliche Haut und diesmal schloss Castiel die Augen, weil es wehtat.
“Entschuldige”, murmelte Dean leise, tastete aber weiter seinen Hals ab und das warme Grollen seiner Stimme reichte Castiels Nerven als Beruhigung. Seine Finger fuhren mit stetigem Druck gleichzeitig auf beiden Seiten hinunter, kreisten an manchen Stellen kurz.
Castiel zischte und zuckte leicht zurück, als er eine Stelle traf, die besonders schmerzte und Dean murmelte eine erneute Entschuldigung.
Aber trotz der Schmerzen - und ja, Castiel war sich darüber im Klaren, dass das irrational war - fühlte es sich gut an, sicher, als würde man sich um ihn kümmern, sich sorgen.
Es war - fast intim.
Intim war nicht gut.
Bevor Castiels Gedanken weiter abrutschen konnten, räusperte er sich streng - Dean hielt währenddessen inne - und benetzte sich die Zunge mit den Lippen.
Er musste - etwas sagen.
Es war ohnehin schon merkwürdig genug, richtig?
Er sollte etwas sagen.
“Was- Was machst du da eigentlich?”
Deans Augen, bisher fixiert auf seinen Hals und die Blessuren daran, schnellten einen Moment nach oben.
“Ich prüfe, ob du Einblutungen im Hals hast. Die kann man ertasten, tun höllisch weh und müssen von einem Arzt untersucht werden. Sind schlimmer als die oberflächlichen Hämatome. - Achtung, das kann jetzt unangenehm werden.”
Dean schloss die Augen, scheinbar um sich besser auf seinen Tastsinn zu konzentrieren und tastete Castiels Kehlkopf ab. “Kannst du einmal schlucken?” Castiel folgte der Anweisung und Dean dem Hüpfen in seiner Kehle mit den Fingern, platzierte sie dann an den Seiten und bat Castiel nochmals darum. Wieder folgte er und Dean nickte zufrieden.
“Okay, das sieht gut aus. - Darf ich?”
Er machte eine vage Geste in Richtung von Castiels Gesicht.
Die Unterhaltung tat ihm gut. Sie erdete ihn, Deans warme, kristallraue Stimme erdete ihn, beruhigte ihn, machte die Situation, die Nähe weniger merkwürdig.
Dennoch legte er fragend den Kopf schief.
Dean lächelte wieder halbseitig, aber diesmal wirkte es, als wolle er damit sein eigenes Unwohlsein verstecken. Es funktionierte nicht.
“Ich - möchte mir deine Augen ansehen. Bitte.”
Castiel runzelte die Stirn und kniff verwirrt die Augen zusammen.
“Warum?”
Dean benetzte unruhig seine Lippen mit der Zunge und atmete einmal tief durch.
“Wenn- Uh. Also. Bei-” Er brach ab und schloss einen Moment die Augen, um sich selbst zu sammeln, seine Händen lagen mittlerweile locker auf Castiels Schultern, seine Hand immer noch auf Deans Unterarm. Er konnte spüren, wie Dean einen Moment die Muskeln und Sehnen anspannte, wie er kurz Castiels Schultern drückte, sich dann aber wieder entspannte.
“Es könnte sein, dass du Stauungsblutungen hast. Je nachdem wie-” Er brach wieder ab. “Darf ich? Bitte?”
Eigentlich, stellte Castiel plötzlich fest, sollte es ihn stören.
Es sollte ihm unangenehm sein, dass Dean ihm so nahe war, sie kannte sich kaum, hatten sich bis heute erst einmal gesehen. Sie waren Fremde, sowas wie Internet-Freunde, wenn überhaupt; Sie existierten nicht in einer realen Welt, in einem realen Rahmen.
Aber dennoch konnte er nichts Störendes daran finden, wie Dean etwas Gewicht auf seine Schultern legte, dass sein Gesicht so nah an seinem war, wie sein Daumen begonnen hatte, sanft aber fest an der Verbindung von Castiels Nacken zu Hals zu streichen.
Das - war nicht gut.
Er schluckte - und nickte.
Dean erwiderte es und legte beide Daumen dann unter je eines von Castiels Augen.
“Kannst du nach oben schauen?”
Castiel folgte; Es war unangenehm, als Dean seine Unterlider hinab zog, noch unangenehmer, als er seine Oberlider anhob und Castiel nach unten sah, aber schnell vorbei.
"Woher… weißt du das eigentlich alles?" Es war ungewöhnlich, oder? Wieso wusste Dean solche Dinge? Wie man einen Hals abtastete und dass es sowas wie Stauungsblutungen gab?
Dean grinste leicht.
"Weißt du was? Das ist eine echt lange Geschichte, die ich aus Prinzip nur in Bars erzähle; Wenn du es also wissen willst, müssen wir mal was zusammen trinken gehen."
Das Ziehen in seiner Magengrube war zu gleichen Teilen warm und quirlig und kalt und hart.
Er schluckte kurz, antwortete aber nicht darauf.
Als nächstes legten sich Deans Hände vollkommen selbstverständlich an Castiels Lippen, die rauen Schwielen von seinen Daumen kratzig gegen die weiche, pinke Haut.
Es war ein gutes Gefühl, so natürlich, warm, er wünschte sich, Dean würde über seine Lippen streichen, nur ein paar Milimeter, das raue, sanfte Kratzen seiner Schwielen an-
Castiel zuckte nicht zurück, aber sein Atem verfing sich einen Moment in seinem Hals.
Das hatte nichts zu bedeuten!
Es fühlte sich nicht gut an, nicht besser, als bei jemand anderem, als bei Alastair - es war nur; Nur irrational intim.
Ja, intim war nicht gut.
Das musste auch durch Deans Kopf gehen, denn er konnte beobachten, wie sein Adamsapfel unter einem harten Schlucken hüpfte, wie Deans Augen auf seine Lippen fixiert waren, wie er seine Lippen benetzte.
Es war nur - irrational intim. Aber Dean untersuchte ihn, daher; Das war quasi medizinisch, sonst nichts.
Dean machte ein raues Geräusch im hinteren Teil seiner Kehle, ehe er mit den Daumen Castiels Unterlippe nach unten schob, die Innenseite eingehend mit gerunzelter Stirn betrachtete und dann gleichsam mit der Oberlippe weitermachte.
“Okay, sehr gut.” Seine Hände lagen sanft an den Seiten seines Kopfes, seine Stimme rauschte um ihn, wie das Brummen eines Bienenschwarms, als er ihn einmal nach links und dann nach rechts drehte, um hinter seine Ohren zu sehen.
Deans Hände sanken wieder auf seine Schultern und er ließ für einen tiefen Atemzug den Kopf hängen.
Er wirkte - erleichtert.
Castiel legte den Kopf schief und versuchte einen Blick in Deans Augen zu erhaschen; Er hatte sie geschlossen.
“Dean?”
Dean richtete sich auf, als hätte man einen Knopf gedrückt und warf ihm ein warmes Lächeln zu.
“Ja, Entschuldige, Steve. Es ist alles in Ordnung.”
Seine Augen huschten nochmals über sein Gesicht und Castiel war sich mehr als bewusst über die dunkellila Flecken, die blauen Schattierungen und grünen Ränder an seinen Blessuren.
Er wusste, Dean wollte damit lediglich sagen: Es war nicht schlimmer, als es aussah.
Dean riss seine Augen förmlich von ihm los, drehte sich um und ging zu seiner Jacke. Er hob sie hoch, um in den Taschen wühlen zu können, ehe er sie wieder achtlos auf den Aktenschrank fallen ließ.
“Hier”, murmelte er, halb in Gedanken, und kam wieder auf Castiel zu.
Es waren zwei Cremetuben; Castiel kniff fragend die Augen zusammen, aber Dean schraubte nur eine auf, gab etwas der weißen Creme auf seine Finger und kaum einen Augenblick später fühlte er den klebrigen, kalten Kontakt zusammen mit Deans rauen, warmen Fingern.
Es brannte und schmerzte, als er die Creme auf der kleinen Platzwunde an seiner Schläfe verstrich und Castiel verkniff sich ein schmerzhaftes Brummen. Mit dem Rest an seinen Fingern bedeckte er die kleinen Kratzer an seinem Hals.
“Dean, was-”
“Moment.” Dean wischte seine Finger nachlässig an seiner Hose ab, öffnete die zweite Tube und begann deren Inhalt auf die blauen Flecken um seine Wunde, an seinem Kinn und an seinem Hals zu schmieren. “Kann ich dein Handy haben?”
Die Frage war so beiläufig, dass sie Castiel tatsächlich aus dem Takt brachte.
“Was?”
Dean war zu dem großen Hämatom an seiner Schläfe zurückgekehrt und noch damit beschäftigt, die Creme möglichst sorgsam an seiner Schläfe zu verreiben, also versuchte er, aus dem Augenwinkel nach oben zu schielen. Es schmerzte und er ließ es.
“Dein Handy, Steve, nur einen Moment, bitte, okay?”
Er hätte erwartet, dass etwas in ihm sehr deutlich Nein! schreien würde. Aber stattdessen fühlte er nur eine eigentümliche Ruhe.
Was sollte er vor Dean verstecken? Dean war der Grund, warum er sein Handy in Gegenwart von Alastair ausschaltete. Aber Dean wusste von ihm.
Es zog kalt in Castiels Brust; Er war ein niederträchtiger Lügner und Betrüger.
Immer noch.
Aber trotzdem zog er das Handy aus der Hosentasche.
Sein Sperrbildschirmhintergrund war das Foto von Alastair und ihm auf dem Pier und er zeichnete schnell den Code ein, ehe er das Handy Dean gab.
Sein Hintergrundbild war das Logo seines Ladens.
Er bemerkte, dass Dean lächelte, als er das sah und beugte sich dann etwas nach vorne, um zu sehen, was Dean mit seinem Telefon tat; Dean änderte den Winkel, damit Castiel es in aller Deutlichkeit sehen konnte, sobald er es bemerkte.
Er ging in die Google-Suchleiste und Castiel runzelte die Stirn, als Dean mit beeindruckender Geschwindigkeit verschiedene Suchwörter eingab: Blaue Flecke
Was hilft gegen blaue Flecke
Blaue Flecke im Gesicht + Hilfsmittel
Er klickte verschiedene Suchbegriffe an, wartete exakt so lange, bis die Seite vollständig geladen hatte, verließ sie wieder und änderte die Suchbegriff, bis er schließlich auf eine Seite kam, die eine Creme anbot; Heparinsalbe.
Castiel runzelte die Stirn; Dean gab den Begriff ein, klickte auf weitere Links und gab schließlich den Namen der Apotheke auf der anderen Straßenseite ein und suchte dort nach der Salbe, dann schloss er den Browser und reichte Castiel beide Salbentuben.
“Was…?”
Dean scrollte und klickte weiter durch sein Handy, aber Castiel war einen Moment von den Salben abgelenkt.
“Die Heparinsalbe hilft gegen die Hämatome, das andere ist Bepanthen, das ist für die Wunde und die Kratzer. Du hast sie heute morgen gekauft, in der Apotheke gegenüber, du hast Bar bezahlt”, Dean antwortete so beiläufig, dass Castiel das angenehme raue Rauschen seiner Stimme beinah über das Studieren der Tuben nicht als Wörter identifiziert hätte. “Trag beides so oft am Tag auf, wie es geht, bis es besser wird. Damit sollte es schnell heilen.”
Er hielt ihm sein Display entgegen. “Gib einen PIN ein.”
Castiel, noch damit beschäftigt, die Informationen über die Salben zu verarbeiten, war vollkommen verwirrt.
“Was?”
“Einen PIN, such dir einen PIN aus, einen, den nur du kennst und den auch sonst niemand erraten kann. Keinen, den du woanders schon benutzt!” Er wackelte ungeduldig mit dem Handy. Castiel blinzelte verwirrt, aber bevor er ansetzen konnte, zu Fragen, was gerade passierte, wackelte Dean nur ungeduldiger damit und Castiel gab die ersten vier Zahlen ein, die ihm in dieser Situation einfielen.
“Okay, super.” Dean zog das Handy zu sich zurück, testete offensichtlich etwas und lächelte dann zufrieden, ehe er Castiel das Handy wiedergab.
“Dean, was-?”
“Ich hab deine Messenger-App gesichert.”
“Was??” Castiel starrte das Handy verwirrt an und Dean beugte sich nach vorne, um auf dem Telefon zu navigieren.
Seine Messenger-App war nicht mehr, wo sie vorher gewesen war, sondern in einem kleinen Ordner. Als Dean sie antippte, erschien eine PIN-Abfrage.
“Jetzt kann niemand mehr deine Nachrichten lesen, außer dir.”
Castiel Boden zog sich unter seinen Füßen zusammen und ließ ihn luftleer und alleine. Er war einen Moment überwältigt von der schieren Wucht der Informationen, die Dean ihm gerade entgegen geworfen hatte, dass er nicht wusste, was er sagen sollte.
Heparinsalbe, Bepanthen, für seine Verletzungen. Bar bezahlt, der Suchverlauf in seinem Handy.
Das verschlüsseln seiner App.
Die Untersuchung.
Es juckte in seinen Fingern, Stauungsblutung zu googeln.
“Dean- Ich-”
Er wollte sich bedanken. Er musste sich bedanken! Aber seine Zunge war wie Blei in seinem Mund.
Was sollte er sagen?
“Ich weiß, Buddy”, Dean hatte sich bereits umgedreht und war gerade dabei seine Jacke wieder anzuziehen. Er zog mit einem Ruck seinen Kragen zurecht. “Du bist gefallen.”
Etwas Kaltes sank auf den Boden von Castiels Magen und er schluckte schuldbewusst.
Es war lächerlich, nicht wahr? Es war so lächerlich. Wem machte er etwas vor?
Aber er- er konnte nicht. Es ging nicht. Wenn er- wenn er es aussprechen würde, dann-
Er konnte das nicht.
“Ja, ich bin gefallen.” Seine Stimme fühlte sich dünn und brüchig an in seinem Hals, sein Blick war auf die Salben gesenkt und er räusperte sich. “Danke, Dean, für- Ich danke dir, für alles.” Einen Moment lang wirkte es fast so, als würden Deans Schultern sich unter seinen Worten anspannen, aber nur für einen flüchtigen Moment.
“Klar doch, uh- Buddy.” Dean nickte, lächelte verkrampft und legte seine Hand auf den Türknauf.
Der Augenblick zog sich, Sekunde um Sekunde.
Für einen Moment, war sein Büro wie ein Stillleben, ein Herzschlag, noch ein Herzschlag, dann sprang Dean in Aktion; Er ließ den Türknauf los und drehte sich zu Castiel.
Er konnte geradezu sehen, wie sich Wut und Ungeduld in Dean aufstauten und aus ihm heraus brachen:
“Okay, weißt du, ich-” Er schnaubte und fuhr sich durch die Haare. Castiels Muskeln spannten sich nervös an. “Ich weiß, du bist gefallen.” Er bemühte sich, seine Stimme ruhig zu halten, das Grollen in den Scotchtönen nicht überhand gewinnen zu lassen, aber Castiel konnte sehen, dass es ihm schwer viel. Trotzdem fühlte sich das kristalline Rauschen gegen seine Ohren - gut an. Warm; Er konnte Deans Sorge darin fast schmecken, süß, zäh und herb.
Er war nicht auf ihn wütend und als Castiel das klar wurde, entspannte er sich deutlich.
“Aber du- Es ist nicht deine Schuld, dass du gefallen bist, okay, Steve? Es ist- Es ist- Der Boden. Okay? Der Boden ist Schuld daran und-” Er stoppte erneut, um tief und streng Luft einzuziehen. “Der Boden, auf dem du stehst, der ist Schuld daran und du hast das nicht verdient, Steve. Du hast- du hast einen guten Boden verdient. Einen- stabilen Boden, der, der dir guttut und dich nicht fallen lässt. Okay? Und es gibt- tonnenweise gute Böden, Steve, okay? Es gibt viele Böden, die sich freuen würden, wenn du auf ihnen stehen würdest, wirklich gute Böden, und- und die würden dich nicht fallen lassen. Die- die würden dich- stützen und halten und wären - stabil und- Du hast es nicht verdient zu fallen, Steve. Du verdienst einen guten Boden.”
Die Verzweiflung in Deans Worten war fast greifbar, breitete sich zäh und klebrig in dem Raum aus, aber trotzdem zog ein leichtes Lächeln an Castiels Lippen.
Müde, erschöpft und selbst verzweifelt, aber es war ein Lächeln.
“Dean…”
Dean wandte sich abrupt ab, als er Castiel ins Gesicht sah, als hätte er zu viel gesagt und entriegelte die Tür.
“Du hast guten Boden verdient, Steve, und das ist kein guter Boden.”
“Dean-”
“Ich weiß, du bist gefallen-”
Er öffnete die Tür.
Er würde gehen; Aus dem Laden gehen und verschwinden. Castiel könnte ihn nicht nochmal anrufen, er dürfte ihn nicht nochmal anrufen. Bewies das alles hier nicht, dass er damals richtig daran getan hatte, ihm die Nachrichten zu schreiben?
Gott, er hatte ihn so vermisst
Aber er sollte das nicht so stehenlassen, nicht wahr?
Castiel konnte doch nicht, er durfte doch nicht- Er musste etwas sagen, richtig? Deans Annahmen, Deans Ansicht war - falsch. Es war nicht so.
Es war ein Ausrutscher gewesen. Es-
Er-
“Er hat sich entschuldigt.”
Dean hielt Mitten im Schritt inne, den Rücken zu Castiel. Er konnte sehen, wie sich seine Schultern in einem tiefen, betonten Atemzug hoben, ehe er sich langsam umdrehte.
“Er hat gelogen. Dieser Boden, Steve,” er machte eine unterstreichende, auf den Boden deutende Geste. “Der liebt dich nicht. Und er wird dich weiter fallen lassen.”
Dean sagte das mit einer solchen Gewissheit, mit einer derartigen prophetischen Sicherheit, dass es kalt und taub in Castiels Blut klumpte.
Er schluckte und wich Deans Blick auf.
Ein Zittern drohte durch seine Muskeln zu stoben, aber er kämpfte es hinunter.
Was sollte er darauf sagen? Er sollte darauf etwas sagen.
Der tiefe, sortierte Atemzug und das Rascheln, als sich Dean wieder durch die Haare fuhr, ließen Castiel den Blick heben.
Er sah vorsichtig auf und konnte beobachten, wie Dean den Nacken knacken ließ und einen Moment die Augen schloss, ehe er nickte und Castiel direkt ansah.
“Aber weißt du was, wenn-” Er stoppte sich und leckte sich wieder über die Lippen. “Falls das passiert: Ich bin da, okay? Ich lass dich nicht allein, Steve.” Er lächelte, nonchalant und offen - wie das erste Mal, als er ihn gesehen hatte.
“Warum?” Das Wort war schneller aus Castiels Mund, als sein Kopf überhaupt geschaltet hatte und einerseits pochte es peinlich in seiner Brust, andererseits war das genau das, was ihn irritierte.
Warum?
Warum sollte Dean weiterhin für ihn da sein wollen?
Er war nicht Deans Problem, nur weil er damals seinen Notruf angenommen hatte.
Dean musste sich nicht um ihn kümmern.
Dean schnaubte lachend auf.
“Ouch, Steve. Ernsthaft, Ouch: Weil wir Freunde sind.” Sein Blick war durchdringend, fest und bestimmt.
Es tat so gut.
Sie waren Freunde, sie waren Freunde und der einsame Schatten, der ständig in Castiels Hinterkopf lauerte schrumpfte ein wenig, zumindest für einen Sekundenbruchteil, bis eine kalte und dunkle Realität sich in seine Gedanke schob:
Es durfte nämlich nicht sein.
Ein Protest wellte in Castiels Brust auf, ein kalter, trauriger Protest, umwickelt von Scham und Schande. Aber er war nötig.
Sie waren keine Freunde, er hatte- Er hatte Dean verraten, er hatte die Gedanken an ihn und sein Vertrauen missbraucht.
Es war nötig gewesen, den Kontakt abzubrechen.
Er verdiente das nicht, nicht die Freundschaft und Sorge, nicht seine bedingungslose Hilfe.
Und so sehr er es jetzt genoß, ihn hier zu haben, in der Ruhe seiner Präsenz Kraft zu tanken, genauso wusste er, dass das nicht in Ordnung war.
Er durfte nicht.
“Dean, ich-”
“Wann ist Earl wieder auf Geschäftsreise?”
Castiels Kopf kippte fragend zur Seite.
“Was? Earl?”
Dean räusperte sich streng und machte eine ungenaue Handbewegung in Richtung Boden und Castiel: “Du weißt, Earl.”
Oh. Alastair.
Warum Earl?
Seine Augen verengten sich zu fragenden Schlitzen.
Earl?
Wie kam Dean auf Earl?
Nein, das war gerade egal!
Es ging Dean nichts an. Es war für Dean nicht wichtig, es war nicht relevant, wann Ear- Alastair nicht da war. Er sollte nicht antworten. Er musste- er musste einen Strich ziehen, sich bedanken und verabschieden.
Genau das würde er jetzt tun:
“Er- uh- Mittwoch, also, Nächste Woche Mittwoch, bis uh- den Mittwoch darauf.”
Was? Nein!
Dean nickte langsam, räusperte sich schwer und sah betont nicht zu Castiel.
“Ich- Du-” - Ein weiteres Räuspern. - “Ich würde dich gerne anrufen, am- am - Nächste Woche Mittwoch.”
Nein.
Sag, Danke, Dean, das ist sehr freundlich. Aber Nein, Danke.
Es ist besser so.
“Danke, Dean.” Ein wackeliges Lächeln zuckte in seinem Mundwinkel. “Ich würde mich freuen.”
Was?! Nein, verdammt!
Ein breites, ehrlich fröhliches Grinsen spaltete Deans Lippen und er sah Castiel wieder an.
“Okay, Steve, dann bis Mittwoch. Pass auf dich auf.” Er klopfte zur Verabschiedung zweimal mit den Fingerknöcheln gegen den Türrahmen, blieb dann aber nochmal stehen.
“Und, ruh dich aus, okay? Heb wenigstens nichts schweres und mach keinen Sport, ja?”
Okay, das eskalierte gerade. Was trieb er hier?
Ja, die warmen, sanften Wogen von Deans Stimme waren angenehm und beruhigend und ablenkend, aber er musste sich jetzt konzentrieren.
Er musste ihm sagen, dass er sich umentschieden hatte.
Dass es keine gute Idee war, wenn sie telefonierten, dass es keine gute Idee war, wenn sie wieder- wenn sie weiterhin einen solchen Kontakt pflegten.
Es war keine gute Idee; Er sollte sich nochmals bedanken, für die Unannehmlichkeiten entschuldigen und absagen.
“Danke, Dean. Das werde ich.”
Dean warf ihm noch ein letztes, breites Lächeln zu und winkte über die Schulter, ehe er sein Büro verließ; Kurz darauf erklang das Klingeln an der Tür.