Beschreibung: Ihr kennt das sicher - jemand gibt euch eine Karte mit 25 Feldern und dann werden bestimmte Dinge vorgelesen, die ihr auf eurer Karte damit abgleicht. Und wenn ihr dann eine Reihe waagrecht, senkrecht oder diagonal habt, springt ihr auf und schreit laut "Bingo!"
So ähnlich ist das hier auch. Nur dass wir als Forum alle zusammenspielen. Und niemand etwas vorliest, sondern wir zu den Begriffen in den Kästchen Storys schreiben, um sie voll zu bekommen.
Wie kinky seid ihr so? Wie gut könnt ihr beschreiben, wenn jemand etwas an einem anderen Wesen toll oder super oder heiß findet? Wenn das vielleicht sogar sexuelle Untertöne hat? Lasst es uns rausfinden!
Euch und uns allen viel Spaß!
Fandom: alle Länge: ab 500 Wörter aufwärts Post-Zeitraum: ab 01.03. bis zum "Bingo!"
Regeln:
1. Das Ziel beim Bingo ist, als Forum gemeinsam mindestens eine Reihe, Spalte oder Diagonale voll zu machen.
2. Wählt einen der oben stehenden Bingo-Kinks aus (keine Reservierungen, jeder Prompt kann auch mehrfach genommen werden).
3. Lasst euch davon inspirieren und schreibt eine Vignette, einen Oneshot oder mehr.
4. Postet die fertige Story im passenden Forum und meldet euch als Antwort auf diesen Thread mit einer Verlinkung dorthin.
5. Wenn ihr super motiviert seid, könnt ihr natürlich so viele Storys schreiben, wie ihr wollt.
6. Ganz wichtig: Habt Spaß dabei und lasst euch ein bisschen inspirieren!
7. Und wenn ihr den Spaß teilen wollt, gebt euren Mitschreiber_innen Feedback auf deren Werke - immerhin freut sich jede_r darüber, wenn das Geschriebene auch gelesen wird.
Geschrieben von: June - 01.03.2021, 00:51 - Forum: The Others
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just the way you are
Als er die Tür öffnete, hatte sich der Klopfende bereits umgedreht, um wieder zu gehen.
Bei dem Hut brauchte er allerdings nicht das Gesicht zu sehen, um zu wissen, wer sich da zu ihm verirrt hatte.
“Ryan?”
Chad prustete leicht, als Ryan zusammen zuckte und sich ertappt zu ihm umdrehte.
“Chad - ich - uhm - Hi!!” Ryan verschluckte sich an seinem eigenen aufgesetzten Grinsen und räusperte sich dann. “Entschuldige, ich - dachte nicht du wärst - zu Hause. Also schon - aber…”
Chad legte den Kopf schief und sah Ryan mit hochgezogener Augenbraue an: “Alter, was?!”
Ryan kratzte sich unter seinem türkisen Fedora in den Haaren und blickte ausweichend auf den Boden.
“Ich hätte - hätte dich nicht stören sollen, tut mir Leid”, er wies mit dem Daumen hinter sich zur Straße und schüttelte den Kopf. “Entschuldige, du hast Feierabend - das - ich - das war blöd, sorry. Ich denke, wir sehen uns morgen.” Damit drehte er sich mit einem kurzen Winken um, um zu gehen, aber Chad joggte die Stufen vor der Haustür hinunter und hielt Ryan an der Schulter fest.
“Hey, warte mal!” Ryan drehte sich nur zögerlich zu ihm und schenkte ihm erneut ein aufgesetztes Grinsen. “Ryan, was ist los?”
Ryan zuckte mit den Schultern: “Nichts!, nein, es ist nichts - ich dachte nur -”
“Ryan, du bist gerade ne halbe Stunde von Lava Springs hierher gefahren, was ist dein Nichts?” Ryan antwortete nicht, starrte auf den Boden und fuhr sich einmal mit der Zunge über die Unterlippe, setzte an, etwas zu sagen, aber presste den Mund wieder zusammen. “Möchtest du über Nichts bei ner Cola reden?”
Das Radio lief leise im Hintergrund während Ryan sich an einer Dose Dr. Pepper festhielt und auf seiner Lippe kaute. Chad saß neben ihm auf der Couch und musterte ihn mit einem leichten, wartenden Lächeln.
“Mann, ernsthaft. Ich dachte deine Tanznummer auf dem Baseballfeld war merkwürdig, aber das hier ist echt seltsam. Was ist los mit dir?” Er machte eine Ryan einfassende Geste mit seiner eigenen Dose Dr. Pepper. “Ich meine, du strahlst nicht mal. Sonst strahlst du immer. Was ist los?”
Ryan runzelte einen Moment fast überrascht die Stirn, ehe er wieder die Schultern zuckte.
“Hör zu, ich wollte- Ich hätte dich wirklich nicht- Du hast Feieraben-”
“Ryan!”
Ryan sackte regelrecht in sich zusammen und kratzte sich wieder unter dem Hut die Stirn.
“Ich hab- Ich hab mich nur mit Sharpay gestritten und… und dachte- Ich wollte nicht- Ich wollte-” Er seufzte tief. “ich wollte einfach woanders hin und ich hab nicht- nicht viele Freunde und…”
Auf Chads Gesicht erschien ein schiefes Lächeln.
Ryan betrachtete ihn als Freund? Wow. Irgendwie… cool. Immerhin, der andere hatte es ganz schön drauf. Er könnte sich schon vorstellen, dass - ja.
“Worum ging’s bei dem Streit?” Chad nippte an seiner Dose, während Ryan eine Fratze zog.
“Nich-” Chad unterbrach ihn mit einem strengen Räuspern. Ryan lächelte leicht und Chad musste feststellen, er freute sich ehrlich darüber. “Wegen der Show. Sie sagte… blöde Dinge; Das - das alles dämlich wäre, was wir versuchen würden und dass- dass ich gar nicht genügend Talent hätte um…” Ryan machte eine weg wischende Handbewegung, aber Chad konnte sehen, dass Ryan es nicht so einfach abschütteln konnte.
Natürlich nicht, Sharpay war seine Schwester und Singen und Tanzen sein Ein und Alles. Klar nahm es ihn mit, wenn er in seiner Quintessenz so dämlich angegriffen wurde, vor allem von seiner Schwester.
“Okay, das sie Realitätsprobleme hat wissen wir schon länger, sonst noch was?” Ryans absolut perplexer Gesichtsausdruck, ließ Chad die Augenbrauen hochziehen. “Was? Dachtest du, ich geb ihr Recht? Junge, ernsthaft. Du bist-” Er suchte mit der freien Hand nach einem Wort. “fürs Showbiz geboren, okay? Sharpay ist nur neidisch, weil sie das genau weiß. Du hast zehnmal so viel Potential in einem Arm wie sie in ihrem ganzen pink ummantelten Körper. Du musst es nur auch endlich mal einsehen.”
Ryan schien immer noch überaus perplex, wenn jetzt vielleicht sogar ein wenig peinlich berührt, aber er lächelte schüchtern.
“Schau nicht so! Du hast sogar mich zum Tanzen gebracht! Und ich tanze nicht!”
Ryan lachte und Chad erwiderte es mit einem fröhlichen Grinsen; Das Lachen war es sogar Wert, zu Tanzen, stellte er fest.
Als er die ersten Takte des nächsten Liedes aus dem Radio anklingen hört, musste er wieder lachen, sprang von der Couch auf, stellte die Dose neben dem Radio ab und drehte es laut:
Er schnappte sich Ryans Hut in einer Show-reifen Drehung und setzte ihn auf.
“Du bist wirklich gut, Ryan, also lass dich nicht so schnell runter ziehen.”
Chad ließ einmal seine Arme in einer Wellenbewegung auf Ryan deuten, ehe er Bruno Mars’ Text leicht verändert wiedergab:
“Oh, his eyes, his eyes make the stars look like they're not shinin'! His hair, his hair, falls perfectly without him trying!” Chad musste lachen, als er genau jetzt sah, wie Ryan versuchte seine Hut-Frisur zu retten. Er machte einen Satz und schlitterte auf den Socken über den polierten Wohnzimmerboden. “He’s so wonderful, and I tell him everyyydayyy~!”
Ryan prustete bei seiner erneuten Umdichtung und ließ sich von Chad auf die Beine ziehen und drehen. Ryan sah ihn fast tadelnd an und Chad drehte sich um die eigene Achse: “Yeah, I know, I know: When I compliment him, he won't believe me. And it's so, it's so sad to think that he doesn't see what I see. But every time he asks me, "Do I do okay?” I say: When I see your dance, there's not a thing that I would change! 'Cause you're amazing, Just the way you are!”
Ryan ließ sich von Chad über den Boden wirbeln, er hielt ihn an der Hand fest und zog ihn zurück zu sich, um einen Schritt zurück zu springen und ein paar Shuffle-Schritte zu machen. Ryan lachte wieder, so sehr, dass er sich den Bauch hielt.
“And when you smile, the whole world stops and stares for a while.” Chad sprang in einem Impuls nachdem er Ryan erneut gedreht hatte auf den Couchtisch: “'Cause boy, you're amazing! Just the way you are!”
Seine Arme waren weit ausgebreitet, während er den Refrain aus voller Kehle mit sang. Ryan stand vor ihm, er hielt immer noch seine Hand und er strahlte wieder.
Chad erwiderte das Grinsen.
Seine Augen flackerten kurz zum Radio, als der Text weiterging.
Her lips, her lips, I could kiss them all day if she'd let me
Chads Lachen wurde leichter, aber verschwand nicht, Ryans Augen leuchteten, so wie sie es sollten und sie flogen einen Moment zu seinen Lippen.
Das taten sie wirklich, oder? Er hatte sich das gerade nicht eingebildet.
Ryan kam ihm näher, oder kam er ihm näher?
Wow. Wow Was-
“Charles Danforth Jr., sofort runter vom Couchtisch!”
Chad zuckte erschrocken zusammen und sprang mit einem Satz vom Tisch, Ryan stützte ihn einigermaßen, damit er auf den Socken nicht ausrutschte und starrte zur Wohnzimmertür.
Chad drehte sich ebenfalls um und erblickte seine Mutter.
Er schluckte, aber sie warf ihm nur einen warnenden Blick zu. “Hör auf, auf den Möbeln herum zu turnen und hilf mir lieber dabei, die Einkäufe rein zu tragen.
“Eh, ja, klar, Mom, klar. Ich - sofort.”
Ryan kicherte leicht und Chad blickte ihn an.
“Ich - sollte meiner Mom helfen.”
Ryan nickte und lächelte ihn an; sein Lächeln war wieder echt. Chad freute sich darüber.
“Ja, klar. Ich will dich auch nicht länger stören.” Er nahm ihm den Hut vom Kopf, setzte ihn aber nicht gleich wieder auf. “Das hat mir… wirklich geholfen.”
Ryans Blick huschte kurz zum Radio und Chad folgte ihm, bevor er wieder Ryan ansah. Wann hatte der Song aufgehört?
Ryans Augen leuchteten wieder, als er den Blick erwiderte.
“Gerne, Ryan. Immer.”
Ryan hatte Grübchen, wenn er grinste.
Er beugte sich kurz nach vorne und drückte Chad einen kleinen, aber weichen Kuss auf die Wange: “Danke, Chad.”
Ryan war bereits aus der Tür draußen, bevor Chad richtig reagieren konnte.
Er brauchte einen Moment, um sich in Gang zu setzen und joggte hinterher. Ryan war schon auf dem Weg die Auffahrt hinunter. Verdammt, wieso war der Typ so schnell?
“Was jetzt? Ich muss die Einkäufe alleine rein tragen?!”
Ryan winkte ihm hinterrücks mit dem Hut und ging weiter. “Bis morgen, Chad!”
Seine Wange war leicht feucht, wo Ryans Lippen eben noch gewesen waren.
“Bis Morgen!”
Geschrieben von: tenten31 - 27.02.2021, 17:13 - Forum: The Others
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Als Blue Elvis entdeckte, musste sie breit grinsen. Sie stupste Adam neben sich mit dem Ellbogen und deutete wortlos auf den Mann mit Glitzeranzug, Rock’n’Roll-Tolle, Sonnenbrille und dem Ansatz eines Wohlstandsbauchs. Und meinte ein kleines Kichern von ihm zu vernehmen.
In der großen Kapelle des Excaliburs war aber an diesem Abend auch jedes Las-Vegas-Klischee erfüllt. Weißer Tüll und Glitzer in Massen; gerade, dass die Blumendekoration nicht glitzerte: weiße Rosen, pinke Hibiskusblüten und weiße und pinke Orchideen überall. Für die Gäste waren mehrere Reihen weißer Klappstühle aufgestellt worden. An einer Seite des Raums war bereits ein kunstvoller Turm aus Champagnergläsern aufgebaut, von dem auch bereits den Gästen gereicht wurde. Und an der Wand hinter Elvis hing ein riesengroßes Banner, das die Namen des Brautpaars mit einem blinkenden Herz in der Mitte verband.
Es lenkte sie für einen Moment davon ab, warum sie hier waren. Lynch hatte es rechtzeitig geschafft und bereits zum Frühstück hatten Blue und Gansey einen Umschlag von einem der Hotelangestellten gebracht bekommen.
Blue war inzwischen warm unter der brünetten Perücke, die sie zu ihrem hellen Print-Sommerkleid trug. Kavinsky kannte sie alle vier vom Sehen; er musste sie nicht auf den ersten Blick erkennen. „Wie kennen Sie das Brautpaar gleich wieder?“, wandte Blue sich nun wieder Adam zu, nippte von ihrem Champagner und ließ ihren Blick für ein paar Momente auf ihm ruhen.
Er sah gut aus in seinem eng geschnittenen dunkelgrauen Anzug mit weißem Hemd und ohne Krawatte, die obersten drei Knöpfe offen. Seine Haare waren ordentlich nach hinten gegelt, was seine feinen Gesichtszüge und langen Wimpern betonte. Eine Hand war lässig in die Hosentasche gesteckt, in der anderen hielt er sein Handy, auf das er in regelmäßigen Abständen auch sah. „Mein Partner ist ein Geschäftsfreund des Ehemanns“, lächelte er sie an, so ganz offen zur Schau tragend, dass er das hier alles ganz aufregend und schnuckelig fand.
Blue nickte vage, ließ ihren Blick über die anwesenden Gäste schweifen. Keine Spur von Kavinsky oder Greenmantle – verdammt! Also wandte sie sich für den Moment wieder Adam zu. „Wie schön. Ist Ihr Partner denn auch hier?“ Sie tat, als würde sie mit dem Blick jemanden suchen, der wohl zu diesem Adam passen könnte.
„Nein, er hat es leider nicht geschafft“, gab Adam in bedauerndem Ton zurück, sah erneut auf sein Handy und seufzte leise.
Prompt drang Lynchs schneidend ironische Stimme aus ihrem Knopf im Ohr. „Awww, Parrish. Der Saustall hier ist mir auch lieber als jede Vegas-Hochzeit.“
Adam ignorierte ihn resolut und wechselte das Thema. „Haben Sie denn eigentlich schon den Geschenketisch gefunden?“ Wie zur Erklärung steckte er sein Handy für einen Moment ein und hob eine elegante Papiertasche mit dem Armani-Logo darauf an, in der mutmaßlich ein Geschenk für das Brautpaar steckte.
Es war kein schlechter Gedanke, jetzt, wo sie hier waren, nochmal dorthin zurück zu gehen und im Auge zu haben, wer den Raum neu betrat oder wieder verließ. „Aber klar, kommen Sie mit!“, antwortete sie nur und hakte sich bei Adam unter, um ihn zum Geschenketisch zu führen.
Dort angekommen, stellte er sein Champagnerglas ab, holte einen prall gefüllten Umschlag aus der Tasche und legte ihn auf dem Tisch ab. Bevor er allerdings den Champagner wieder aufnahm, zog er sein Handy erneut hervor und machte ein Selfie von sich, dem Tisch und seinem Geschenk. „So, der Pflichtteil ist erfüllt“, verkündete er, als er das Handy wieder zu sich nahm und das gemachte Foto begutachtete – für einen Moment konnte Blue erkennen, wie Adams Blick aufmerksam wurde, prüfend, doch im nächsten war das bereits wieder verflogen.
Als sie aus dem Augenwinkel ein bekanntes Gesicht zu sehen meinte. Einer Eingebung folgend, drängte sie sich näher an Adam, drehte sie beide so ganz natürlich ein wenig. „Ich hätte auch gerne ein Bild mit Ihnen“, meinte sie fröhlich und ließ auch keine Widerrede gelten.
Adam hielt das Handy erneut in die Höhe und sie beide rückten so hin und her, dass sie auch den Neuankömmling mit im Bild hatten. Bingo! Blue erkannte Laumonier und ergriff Adams Handgelenk, um ihm mit einem Finger unbehelligt eine kurze Schlagfolge dagegen zu tippen.
Aber wenn ein Raubkunst-Sammler wie Laumonier hier war, genauso wie Greenmantle und dessen Frau… Und Prokopenko natürlich… Blue konnte nur mutmaßen, wer hier im Raum noch Interesse an einer Liste mit den Namen zahlreicher Geheimdienstmitarbeiter haben könnte – bei der Vorstellung wurde ihr mulmig und gleichzeitig spornte es sie weiter an.
„Sargent, Parrish! Was für eine Überraschung.“ Die Stimme klang unangenehm bekannt, die Person, zu der sie gehörte, und die nun zu ihnen trat… Erst auf den zweiten Blick erkannte Blue Kavinsky, dessen schmaler Körper in dem weißen Anzug eher an Freddy Mercury denn an Elvis Presley erinnerte, doch waren die übertriebene Schmalzlocke, der Goldzahn und die große dunkle Sonnenbrille dann eindeutig wieder der King of Rock’n‘Roll. Blue bemerkte das Namensschild an seinem Revers, das ihn als Mitarbeiter des Hotels Excalibur auswies. „Hat Ronan also die Einladungen bekommen, ja?“, lächelte er wissend.
Blue sagte gar nichts dazu, hielt ihre Mimik neutral. Sollte er doch reden!
„Wenn wir grad dabei sind, wo habt ihr Mommy und Daddy denn eigentlich gelassen?“ In einer übertriebenen Geste blickte er sich im Raum um.
Ein Augenblick, den Blue nutzte, um zu Adam zu sehen, ob dieser einen Plan hatte oder wusste, was Kavinsky hier bezwecken wollte. Doch er sah alles andere als happy aus, fixierte düster K.
Kavinsky drehte sich ihnen beiden wieder zu und zuckte nonchalant die Schultern. „Ach, ich weiß, wo sie sind“, gab er lediglich von sich. Hob die Hände zu Fingerguns… und ging. Deutete im Gehen noch jemandem, dass sie doch die Geschenke an das Brautpaar zu den anderen auf den Tisch legen sollten.
Nur mit Mühe wartete Blue, bis Kavinsky außer Hörweite war, bevor sie raunte, „Dick, hörst du mich?“ Stille. „Noah?“ Nichts. „King? Greywaren?“ Es blieb still. „Verfluchter Mist!“
Wenn Kavinsky von ihrem Plan gewusst hatte, dann wusste er auch, dass Gansey und Lynch gerade sein Zimmer durchsuchten. Dass sie bestimmt nichts finden würden – außer einer Falle. Es war eine verdammte Falle und sie waren direkt hinein gelaufen! Das konnte doch nicht wahr sein! Blue fluchte weiter leise vor sich hin und versuchte in regelmäßigen Abständen jemanden von den anderen zu erreichen. Zog ihr Handy aus der großen Handtasche und wählte Dicks Nummer – aber auch da ging natürlich niemand ran.
„Wenn dieses Arschloch ihnen auch nur ein Haar krümmt…“, hörte sie Adam neben sich düster murmeln. Sie konnte sehen, er versuchte nach außen Ruhe und Gelassenheit auszustrahlen, auch wenn sein Blick immer noch eine ganz andere Geschichte erzählte.
Blue konnte ihn so gut verstehen, so verdammt gut. Adam kannte Gansey und Ronan schon länger, die drei waren gemeinsam schon durch Dick und Dünn gegangen; sie kannte Gansey erst seit dieser Mission und trotzdem wollte sie gar nicht daran denken, was Kavinsky alles mit ihm anstellen könnte!
Sie mussten beide ruhig bleiben. Die Mission kam zuerst – das war oberste Maxime. So sehr Blue diese gerade auch hasste! Am liebsten wäre sie ins Luxor gerannt, hätte Lynch und Gansey persönlich gewarnt, und sich jedem in den Weg gestellt, der ihnen etwas antun wollte. Aber sie war immer noch Agentin, sie hatte immer noch eine Mission, von der sie wusste, dass auch die beiden Männer sie als wichtiger erachten würden. Kavinsky war niemand, der Leute sofort kaltblütig umbrachte – er war auf Unterhaltung aus; darauf müssten sie setzen…
„Pardon, darf ich mal“, schob sich jemand an ihr vorbei zum Geschenketisch. Ganz automatisch trat Blue einen Schritt zur Seite. Jemand mit französischem Akzent! Als sie sich umwandte, stand da auch Laumonier, der einen einfachen, schlanken Briefumschlag auf dem Tisch ablegte. Hastig drehte Blue sich wieder weg, bevor er sie doch noch erkennen könnte.
Adam deutete ihr, mit ihm ein paar Schritte vom Tisch weg zu gehen, sah sich noch einmal um, wie sehr sie beobachtet wurden. „Der Gabentisch“, raunte er, „Absolut jeder legt dort was ab, ohne dass es verdächtig wirkt.“
Blue nickte. Sie fühlte sich mit einem Mal absolut ruhig und klar. „Hoffen wir, dass es als Beweise gegen sie reicht.“ Dann legte sie ihm die Hände in den Nacken und ging auf ihre Zehenspitzen, zog ihn gleichzeitig etwas zu ihr hinunter, so dass sie ihm in sein rechtes Ohr flüstern könnte. „Kann ich dir Kavinsky überlassen? Dann suche ich die Liste.“
Adam blickte ihr einen langen Moment tief in die Augen, suchend, eindringlich. Dann nickte er. „Pass auf dich auf.“
„Du auch. T minus dreißig am Punkt C.“
Sie waren hier hinter feindlichen Linien und das Wissen darum wog schwer auf Blue. Sie sah sich mit einem neutralen Lächeln um, während Adam den Raum durchschritt, auf der Suche nach Kavinsky. Wie viele Leute mochten hier sein? 50? 70? Keine 100, aber genug, um nicht lebend hier raus zu kommen, wenn man bedachte, dass wahrscheinlich die Hälfte dieser Gäste, wenn nicht mehr, geschäftlich hier war. Und was für ein Geschäft – die Enttarnung guter Agenten für Profit. Und ein systematisches Töten ebenjener Agenten und deren Familien, nahm sie an. Kein Waffenschmuggler, Drogenbaron oder Terrorist dieser Welt wollte so eine Liste für seine Weihnachtskarten.
Blue kannte die wenigsten der Anwesenden – außer den Greenmantles und Laumonier meinte sie noch eine elegante Asiatin mittleren Alters schon einmal irgendwo gesehen zu haben, konnte sie aber nicht so recht einordnen. Ein paar der Anwesenden konnten wirklich Prokopenkos Familie sein, hatten sie doch dieselben Ohren.
Gerade als sie Kavinsky in der Menge wiederentdeckt hatte, begann Musik zu spielen und alle begannen sich auf die weißen Klappstühle zu setzen. Blue gab vor, nochmal kurz den Raum verlassen zu müssen, hielt aber bei der Tür inne, um zu beobachten.
Kavinsky mit seinem Namensschild blieb neben den Resten des Champagnerturms stehen, mit dem Rücken gegen die Wand gelehnt und sein Blick auf Adam. Er schien enttäuscht, auch wenn sich das schwer sagen ließ mit den dunklen Brillengläsern, die seine Augen verdeckten.
Adam trat ohne Umschweife auf ihn zu, hielt sich mit ihm am Rand des Raums und unterhielt sich leise, flüsternd. Blue wünschte sich, ihr Knopf im Ohr würde übertragen, was gesagt wurde. Für einen Moment war sie versucht, weiter zu beobachten – nicht, dass viel aus der betont lässigen Haltung der beiden Männer herauszulesen wäre, geschweige denn, dass Lippenlesen etwas bringen würde. Adams Gesicht sah sie kaum und Kavinsky nuschelte.
Also besann sie sich wieder auf ihre Aufgabe. Die Uhr tickte. Sie musste die Liste finden. Sie am besten vernichten… Der Geschenketisch! Natürlich! Vielleicht nicht die Liste selbst, aber die Gebote dafür, schließlich war jeder der Gäste dort gewesen und hatte etwas abgegeben. Blue sah von draußen die Braut – dem glitzernden Prinzessinnenkleid zufolge vermutete sie das zumindest – am Arm eines älteren Herrn im maßgeschneiderten Anzug stehen, bereit einzumarschieren.
Während nun also alle Augen auf der Braut ruhten, bewundernde Aaaaahs und Oooohs laut wurden, schlüpfte Blue zurück in den Raum und zum Geschenketisch, riss ihre Handtasche auf und stopfte alle Umschläge, die sie zu fassen bekam, hinein.
Es war keine besonders schöne oder elegante Art, diese Mission zu lösen, erst recht, da sie damit unnötig Aufmerksamkeit auf sich zog, aber in diesem Moment die schnellste und effektivste.
„Hey, Stopp, stehenbleiben! Ich rufe sonst die Polizei“, kam auch bereits jemand in der Uniform des Hotels auf sie zu gesprintet, die Arme ausgestreckt, um sie zu fassen.
Blue sah den Mann an. Zwinkerte ihm zu und lief los, aus dem Raum hinaus. In Richtung des Casinos. Hinter sich konnte sie den Mann in sein Walkie-talkie sprechen und Verstärkung anfordern hören. Sehr gut!
Kaum war sie an den Roulettetischen, zog sie alle Umschläge – bis auf einen schmalen mit Greenmantles prätentiös geschwungener Handschrift darauf – hervor und warf sie auf den nächstbesten Tisch. Einige der umstehenden Spieler riefen überrascht auf. Und als Blue sich kurz umzudrehen wagte, waren auch ihre Verfolger dort stehengeblieben, teilweise von den Leuten im Casino belagert.
Hastig duckte sie sich durch einen Durchgang zurück in Richtung der einarmigen Banditen, zog dabei die Perücke vom Kopf, stopfte sie in ihre Tasche, und wuschelte sich durch die kurzen Haare. Niemand hier schenkte ihr Beachtung. Ihre Schritte wurden gemütlicher und sie zog sich das dünne Kleid über den Kopf, ließ es ebenfalls in ihre Tasche verschwinden. Darunter trug sie kurze Leggings und ein dunkles Sporttop.
Blue verließ das Excalibur durch einen Seiteneingang, zog Perücke und Kleid aus ihrer Tasche, genauso wie eine alte Plastiktüte, in die sie beides zusammen mit ihren Schuhen stopfte. Sie hielt auf den nächsten Mülleimer zu, in den sie die Tüte entsorgte. Erneut setzte sie sich in Bewegung, kramte in der Handtasche und zog eine leichte Sportjacke sowie einen Turnbeutel hervor, in den sie den verbleibenden Inhalt leerte, dann wanderte auch die Handtasche in den nächsten öffentlichen Mülleimer.
Sie zog im Gehen die Sportjacke über, steckte sich weiße Headset-Kopfhörer in die Ohren und schlang den Turnbeutel über ihre Schultern. Aus dem Augenwinkel checkte sie in spiegelnden Flächen, ob ihr noch jemand folgte, doch schien sie sie erfolgreich abgeschüttelt zu haben.
Ein Blick auf die Uhr; T minus elf Minuten. Blues Gedanken gingen zu Adam, den sie mit Kavinsky allein gelassen hatte. Zu Lynch und Gansey, die möglicherweise in eine Falle getappt waren...
Für eine Liste. Eine Liste mit Namen, erinnerte sie sich. Ihre Mission war, Menschen zu schützen vor der Willkür der Korrupten dieser Welt. Und das war im schlimmsten Fall auch ihre vier Leben wert.
Die Frage war allerdings immer noch, wo zur Hölle die Liste war!
Kavinsky hatte die Liste gestohlen, um sie im Zuge dieser Effektshow, die Prokopenkos Hochzeit war, an den Höchstbietenden zu versteigern. Er hatte gewusst, dass F.O.X. jemanden schicken würde. Er hatte gewusst, dass sie vier geschickt worden waren – obwohl Adams und Lynchs Suite clean war und sie und Gansey... Wie dem auch sei, Kavinsky hatte sie auflaufen lassen! Aber weshalb das Ganze? Nur um ihnen persönlich den Stinkefinger zeigen zu können? Für einen metaphorischen Schwanzvergleich? Er war Ronan Lynchs Partner gewesen – wie konnte Lynch auch nur einen Tag mit so jemandem aushalten? Wie hatte K jahrelang bei F.O.X. ausgehalten? Dass Kavinsky niemandem vertraute außer sich selbst...
Blue fiel es wie Schuppen von den Augen. Kavinsky hätte die Liste keine Sekunde aus den Augen gelassen. Er musste sie immer noch bei sich haben!
„Yo, Midget!“ erwachte ihr Knopf im Ohr mit einem Mal wieder zum Leben. Es war Kavinskys Stimme. Blue merkte, wie eine unbändige Wut in ihr aufstieg, während sie mit aller Kraft versuchte ruhig zu erscheinen, einfach nur zu joggen, nicht zurück zum Excalibur zu sprinten. „Der kleine Adam Parrish möchte bitte im Bällebad abgeholt werden. Er hat seine nämlich verloren.“
„Du Schwein! Was hast du mit ihm angestellt?“ Blues Ton war düster und drohend.
„Easy, Schätzchen! Ich hab deinem G.B.F. kein Haar gekrümmt – noch. Kühlraum von Camelot. Hopp hopp!“
Blue knirschte mit den Zähnen, so angespannt war ihr Kiefer in diesem Moment. „Du...!“ Sie entfesselte einen Sturm von Kraftausdrücken in Kavinskys Richtung.
Natürlich hatte er sich schon ausgeklinkt.
Stattdessen hörte sie Noahs überraschte Stimme: „Whoa, ich wusste nicht, dass du solche Schimpfwörter drauf hast.“
„Noah!“ Blue war ehrlich erleichtert – Funkkontakt zu Noah bedeutete Informationen über den Rest des Teams. „Geht es ihnen gut? Lynch und Gansey?“
Noah zögerte. „Ich weiß es nicht, Blue. Sie sind irgendwann einfach vom Radar verschwunden.“
Mit einem tiefen Atemzug holte sie sich zurück ins Hier und Jetzt. Sie musste die Liste finden, dann konnte sie sich Sorgen um ihre Teamkollegen machen! T minus neun Minuten. „Okay. Bring mich zu Camelot, ich nehme an, das ist ein Restaurant.“
“Rogers, setz dich einfach.” Tony schob seine Sonnenbrille nach unten und blickte den großen, starken Superhelden vor sich abschätzig an. “Das nennt sich chillen.”
Rogers schnaubte und verschränkte in einer einzigartig missbilligenden Geste die Arme vor der Brust.
“Tony, ich denke wirklich nicht, dass jetzt der richtige Zeitpunkt ist für- für-”
“Sonnenbaden, Steve, und es ist der richtige Zeitpunkt.” Natasha unterstrich ihre Aussage, indem sie sich in ihrem Bikini auf die Sonnenliege neben Tony gleiten ließ, die Sonnenbrille aus den feuerroten Haaren zog und aufsetzte.
“Das könnt ihr doch nicht ernst meinen!”
Tony seufzte gedehnt und richtete sich auf.
“Hör zu, Steve, es ist ganz einfach: Wir retten ein einstürzendes Gebäude, wir gehen essen. Wir verhindern den Absturz eines superwichtigen Satelliten in einer Vorstadt, wir trinken Milchshakes. Wir retten die Welt - wir Sonnenbaden. Das nennt man Gleichgewicht, Rogers. Das ist essentiell für mentale Gesundheit. In den letzten siebzig Jahren hat man auf dem Gebiet beeindruckende Fortschritte gemacht. Ich zeig dir den Artikel: Also zieh dein Shirt aus und rauf auf die Liege.”
“Aber…”
“Liege!”
Das mehrstimmige Echo brachte Steve dazu die Augen zu verdrehen. “Banner liegt auch nicht in der Sonne!”
“Doch!” Bruce deutete auf seine Füße, die aus dem Schatten des Sonnenschirms gestreckt waren und grinste süffisant.
Steve seufzte gedehnt, überlegte, ob er noch weitere Argumente anbringen konnte, aber schüttelte den Kopf, als er sah, wie die Avengers, die größten Helden des Planeten, auf der Dachterrasse des Compound in Badekleidung auf Sonnenliegen lagen.
“Meinetwegen”, er murmelte es mehr als dass er es sagte und zog sich das T-Shirt über den Kopf, ehe er sich nun nur noch in Badeshorts auf die Liege neben Tony legte.
Tony hob sein Handy und machte Foto.
“Yeah, Jackpot - das verkauf ich Barnes.”
Steve versuchte, nicht zu lachen.
Geschrieben von: June - 26.02.2021, 13:53 - Forum: The Others
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Nice to know: Jarod und Kyle sind so genannte Pretender, Menschen, die sich aufgrund ihres überragenden Intellekts in jeden anderen Menschen verwandeln können.
Beide wurden als Kinder von einer Einrichtung namens "The Centre" von der Außenwelt isoliert und für Forschungen missbraucht.
Während Jarod unter der Kontrolle von Dr. Sydney Green verhältnismäßig normal und sozialisiert aufwachsen konnte, wurden Kyle sämtliche Emotionen abtrainiert und er wurde zu einem herz- und gefühllosen Killer ausgebildet.
Jarod konnte aus dem Centre entkommen und reist seither durch das Land, um die Schwachen und Hilflosen zu beschützen und seine Familie zu finden.
Erst im Erwachsenenalter begegneten sich die beiden wieder. Jarod würde ab diesem Moment alles tun, um den kleinen Teil Familie, den er jetzt hat, zu beschützen (und ab hier ignorieren wir Canon, weil fuck Canon).
kind words
Das war fantastisch, kleiner Bruder! Du bist ein richtiger Held!
Jarod hatte ihn fest umarmt, er hatte jeden Muskeln in seinem Arm gespürt und dann ein feuchter, lauter Kuss auf seine Wange, ein kräftiges Klopfen auf seine Schulter. Jarods Augen hatten vor Freude gestrahlt.
Danke! Danke! Sie haben uns gerettet! Danke!
Er hatte ihren Babybauch gespürt, als sie sich fest an ihn gedrückt hatte und er hatte sie gehalten, beschützt. Sie hatten sie gerettet. Es hatte sich gut angefühlt, als hätte er einen Sinn, eine Zukunft.
Wow! Was für Augen! Der Wahnsinn. Hier, der Donut geht aufs Haus, Süßer!
Sie hatte gezwinkert und ihn angelächelt.
Jarod hatte gelacht, als die Dame in dem Café mit ihm geflirtet hatte, und er nichts anderes getan hatte, als perplex zurück zu starren. Aber ihr Lächeln hatte etwas in ihm bewegt, ihre Worte hatten etwas bewegt. Sie hatte seine Augen gemocht. Er hatte immer gedacht, sie wären kalt und herzlos.
Ich entscheide, wer lebt und wer stri - Nein!
Aus seiner Kehle drang ein winselnder Laut, als er versuchte, sich weiter in sich zusammen zu schieben, den einen Arm enger um seine Knie schlang und den anderen über seinen Kopf schob.
Nein! Er wollte nicht an diesen Ort. Nicht zurück in die Dunkelheit. Er wollte zu den kleinen hellen Flecken, die er mit Jarod erlebt hatte.
Nette Worte, schöne Orte, gute Erinnerungen.
Jarod hatte ihm gesagt, er sollte sich daran festhalten, wenn er drohte abzustürzen.
Aber der Grund auf dem er stand war so wackelig und dünn.
Er suchte weiter, tief in seinem Kopf, nach hellen Flecken - nach Jarod. Aber alles, was er in diesem Moment finden konnte, waren die Augenblicke, in denen er Jarod enttäuscht hatte.
Wie Jarod ihm die Waffe aus der Hand riss; Wir bringen niemanden um!
Jarods Enttäuschung, als er darauf bestanden hatte, dass manche Menschen den Tod verdienten.
Jarods Traurigkeit, als er ihm gesagt hatte, er solle ihren Eltern nicht sagen, was aus ihm geworden war.
Jarod. Jarod. Jarod.
Jarod war enttäuscht von ihm.
Ein erschrockenes Zucken durchfuhr seinen Körper. Der Druck seiner Arme schmerzte fast schon.
Jarod war enttäuscht von ihm. Er gab sich nicht genügend Mühe. Er musste mehr Mensch sein. Kein Killer, kein Monster, nicht das, was sie aus ihm gemacht hatten. Er musste mehr Mensch sein er-
“Kyle?” Jarods Stimme klang immer so besorgt, wenn er ihn nicht sofort finden konnte. Weil Jarod ihm nicht vertrauen konnte..
Die Tür öffnete sich, er sah nicht auf. Die Vorhänge wurden zurückgezogen, er schreckte fast aus dem Sonnenlicht, aber er sah nicht auf.
Jarod setzte sich neben ihn. Er spürte die Wärme Jarods Körpers, wie sich sein Oberschenkel gegen seinen presste, wie sich seine sanfte Hand in seinen Nacken legte.
“Hey, kleiner Bruder.” Seine Stimme war so weich. Sein Daumen schob sich über seinen Hals, bis hinauf in den Haaransatz, dann wieder runter über die Wirbel. “Dunkle Orte?”
Er konnte nicht antworten, sein Hals war zugeschnürt. Er schluckte schwer.
Was sollte er antworten? Er selbst war der dunkle Ort!
Er konnte spüren, wie Jarod näher rückte, wie er seinen Arme um ihn schlang in einer ungelenken Umarmung.
Er spürte einen Kuss auf seinem Hinterkopf und bekam davon eine Gänsehaut, die seinen Rücken hinab lief, weil es so ungewohnt war, so menschlich.
“Ich liebe dich, kleiner Bruder. Du bist ein guter Mensch.”
Er hob den Kopf und blickte Jarod perplex an.
“Was?”
Jarods Lächeln war wie eine wolkenverhangene Sonne; Warm und hell aber getrübt und er sah ihm direkt in die Augen.
Jarod strich über seine Haare.
“Ich liebe dich, kleiner Bruder. Du bist ein guter Mensch.”
Seine Kiefermuskeln spannten sich fast schmerzhaft an. Er wollte widersprechen, er wollte Jarod sagen, wie sehr er sich irrte. Wie recht er damit hatte, ihm nicht zu vertrauen, wie sehr er als menschliches Wesen versagte.
Aber Jarods Finger strichen weiter durch seine Haare und er drückte seine Stirn gegen seine.
“Ich liebe dich, kleiner Bruder. Du bist ein guter Mensch.”
“Woher willst du das wissen?!” Die Worte brachen aus ihm heraus, wütend und voller Gift und Ärger wie alles, was er sagte und tat, aber Jarods Lächeln wurde nur wärmer.
Jarods Hand schob sich auf seine Wange und strich darüber.
“Weil wirklich schlechte Menschen sich keine Gedanken darum machen, ob sie schlechte Menschen sind. Sie versuchen nicht, besser zu werden.”
Jarod zeigte ihm seinen feuchten Daumen.
Weinte er? Warum weinte er? Das ist so menschlich
“Und es ist ihnen auch egal. - Dir nicht.”
Jarod drückte ihm einen Kuss auf die Stirn und strich weiter sanft über seine Wange, während er nur starr da saß und die Worte auf sich wirken ließ.
Ich liebe dich, kleiner Bruder. Du bist ein guter Mensch.
Kyle konnte spüren, wie sich seine Mundwinkel ungewohnt verzogen, aber er wehrte sich nicht gegen das Lächeln, das seine Wangen teilte.
“Danke, Jarod. Du bist der beste große Bruder, den man sich wünschen kann.”
Es überraschte Kyle, dass bei seinen Worten etwas in Jarods Augen aufleuchtete, dass seine Gesichtszüge fast aus sagten, er wäre gerührt, dass sein nächster Atemzug etwas feucht klang.
Aber vielleicht, kam ihm der Gedanke, hatte sein Bruder auch dunkle Orte in sich. Vielleicht musste er auch manchmal nette Worte hören, um an schöne Orte zu kommen und gute Erinnerungen zu finden.
Ohne weiter darüber nachzudenken, griff Kyle in Jarods Nacken und hielt ihre Kopf zusammen, Stirn an Stirn, während Jarods Arme noch immer um ihn geschlungen waren.
Die Berührung kribbelte ungewohnt in seinen Fingern, aber es war gut. Hier mit seinem Bruder war ein schöner Ort.
“Du bist der beste große Bruder, den man sich wünschen kann”, wiederholte er, “und ich... “ Die Angst vor dem Wort allein, lähmte seine Zunge. Es war so ein großes Wort. Es war nicht wie Hass und Wut und Schmerzen, die in seinen Adern lebten und dort ihr Königreich errichtet hatten und ihn zu Hause nannten.
Es war leicht und furchteinflößend und wie die Sonne in Jarods Lachen so weit weg von ihm, und so warm, so menschlich und so erschreckend tief.
Aber sein großer Bruder war es wert und sein Herz machte einen kraftvollen, lauten Schlag. “Ich - ich liebe dich auch.”
Als Jarod seine Augen schloss, sah Kyle die Tränen seine Wangen hinab laufen und folgte ihnen mit den Augen.
Kyle spürte, wie Jarod ihn näher an sich zog, wie er sein tränennasses Gesicht in seiner Halsbeuge vergrub und Kyle hielt ihn fest.
Kyle und Jarod wussten nicht, wie lange sie dort saßen, auf dem Boden des Motelzimmers, eng umschlungen nette Wörter murmelnd, Liebevolligkeiten flüsternd, schöne Orte schaffend und gute Erinnerungen findend.
Aber sie lernten, dass jeder manchmal nette Worte brauchte, um schöne Orte zu finden und dort bleiben zu können, jeder brauchte gute Erinnerungen.
Geschrieben von: June - 25.02.2021, 11:14 - Forum: The Others
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Comfort-Abend
“Dean, was soll das?”
Cas seufzte erschöpft, während Dean ihn am Handgelenk den Flur entlang zog. Er war müde, sein Nacken schmerzte, genauso wie sein Rücken, seine Augen brannten von all dem Lesen und Übersetzen - aber trotzdem musste er das heute noch fertig bekommen.
Jetzt, wo er ein Mensch und kaum noch von Nutzen war, wollte er sich wenigstens dadurch seinen Platz im Bunker verdienen.
Die Wärme von Deans Hand auf seiner Haut zu spüren, war die kurze Unterbrechung allerdings allemal wert.
Cas konnte geradezu an Deans Rucken sehen, wie der andere mit den Augen rollte: “Ich hab es vorhin schon gesagt, Cas, du überarbeitest dich. Und ob du willst oder nicht - Menschen brauchen manchmal Pausen, in denen sie sich entspannen und Kraft tanken können.”
Cas zog eine Augenbraue hoch: “Ach wirklich?”
Dean hörte den skeptischen Tonfall und wandte sich kurz um: “Ja, wirklich.”
“Du und Sam ihr tut buchstäblich niemals etwas, das euch guttut!”
Deans schnaubendes, nasales Lachen war mehr Bestätigung, als Castiel lieb gewesen wäre.
“Ehrlich gesagt, doch. Du kennst diesen furchtbaren, grauen Pullover, den Sam hat? Dieses riesige Ding, das halb so lang ist wie er hoch und dreimal so breit?” Castiel nickte mit einer vagen Erinnerung. “Das ist sein offizieller Comfort-Pullover. Den zieht er immer an wenn er erschöpft ist und die Schnauze voll hat. Der Pullover bedeutet auch furchtbar fettiges Essen von dieser einen Fast-Food-Kette, du weißt schon, die mit den Chili-Cheese-Nuggets? Nein? - Okay, wird noch. Aber das ist Sams Comfort-Strategie. Und du - mein Freund - brauchst auch eine!”
Cas’ Stirn war tief gerunzelt.
Comfort-Strategie?
“Und deine?”
Dean lachte wieder und schwenkte mit einem eindeutigen Gesichtsausdruck den Kopf.
Er hatte also keine.
Noch bevor Castiel darauf reagieren konnte, war Dean vor der Tür des Badezimmer stehen geblieben und grinste breit: “Ich hab was für dich vorbereitet!”
Cas sah erst zur Tür und dann zu Dean, der leicht mit den Augen rollte, an Cas vorbei griff und die Tür aufstieß.
Er glaubte kaum, was er sah:
Das Licht war ausgeschaltet aber durch eine Vielzahl brennender Kerzen war es ausreichend hell um etwas zu sehen. Aus einer kleinen Musikbox auf dem Waschtisch kam das Geräusch von rauschenden Wellen, die Badewanne war bis über den Rand gefüllt mit weißem, glitzerndem, knisterndem Schaum und daneben stand ein kleines Tischchen mit einer Flasche Wein und ein einem Glas.
“Tadaaa!” Dean strahlte über das ganze Gesicht, aber Cas blickte nur verständnislos zurück. Dean rollte wieder mit den Augen.
“Cas, das ist für dich. Dein Comfort-Abend, okay? Raus aus den Klamotten, rein in die Wanne.”
Dean schob sich an Cas vorbei in den Raum, schraubte die Weinflasche auf und begann das Glas zu füllen, Cas folgte ihm langsam.
Neben der kleinen Musikbox lag sogar ein Handtuch und frische Kleidung; Deans, wenn er es richtig sah.
“Aber… das… - Ich versteh nicht...”
Cas zog etwas hilflos die Stirn kraus und sah Dean an, aber er zuckte nur mit den Schultern, räusperte sich und drehte sich leicht weg, während er weiter Wein ein schenkte, auch wenn das Glas bereits gut gefüllt war.
“Du musst dich mal ausspannen, Cas, zur Ruhe kommen.” Wieder zuckte er mit den Schultern. “Viele finden es entspannend ein heißes Bad zu nehmen. Außerdem ist mir aufgefallen, dass dein Rücken völlig verspannt sein muss, so wie du dich bewegst, da dachte ich…” Der letzte Teil war so leise gemurmelt, das er ihn beinahe nicht verstanden hatte.
Aber gerade dieser Teil brachte Cas dazu ehrlich und breit zu lächeln (und vielleicht sogar ein kleines bisschen rot zu werden).
Dean sorgte sich um ihn!
Dean hatte das alles hier für ihn gemacht!
Ja, sein Gesicht war definitiv wärmer als vorhin.
“Danke, Dean.”
Dean drehte sich zurück zu Cas - er fragte sich einen Moment, ob es an dem Halbdunkel lag oder ob Deans Wangen wirklich etwas rosa waren - und erwiderte das Lächeln.
“Klar, uhm - Buddy.”
Dean stellte das sehr volle Weinglas zurück auf das Tischchen und nickte.
“Okay dann - entspann dich! Ich - uh - ja.” Damit klatschte Dean einmal wie zur Selbstbestätigung in die Hände, nickte erneut und verließ eilig den Raum.
Cas blickte ihm einen Moment hinterher, ehe er leicht lachte und sich erneut umsah.
“Danke, Dean…” Die Wörter kamen nahezu sanft aus seinem Mund, ehe er sich nach kurzem Zögern auszog und in die Wanne gleiten ließ.
Dafür war er hier, richtig? Dean hatte das für ihn gemacht!
Er konnte die Übersetzungen auch noch später fertig stellen.
Cas seufzte lang und laut, als das heiße Wasser seine steifen Muskeln umfing und sank tiefer in die Wärme unter den Bergen und Tälern der Schaumkronen.
Das war ein fantastisches Gefühl.
Das Wasser war genau richtig und er konnte förmlich spüren, wie seine Muskeln erleichtert aufatmeten.
Er schaffte es höchstens ein paar Schluck Wein zu nehmen, ehe er umgeben von Wärme, dem Geräusch von Wellen und dem schummrigen Kerzenlicht auch schon einschlief.
“Hey, Cas”, die Stimme war weich und sanft und Cas lächelte zufrieden. “Cas, komm schon, wach auf.” Etwas stupste ihn an der Schulter.
Cas streckte auf, was ein merkwürdiges, platschendes Geräusch verursachte, es war kalt und nass und-
Er saß in der Badewanne, der Schaum war mittlerweile fast vollständig verschwunden, das Wasser kalt und die meisten Kerzen waren ausgebrannt - wie lange hatte er hier gelegen?
“Wa-?” Cas rieb sich die Augen und blickte zu Dean, der neben der Badewanne stand, möglichst woanders hinsah und dabei leicht lächelte.
War er rot?
“Komm, Sam hat heute zum Comfort-Abend erklärt. Wir haben Burger und Chili-Cheese-Nuggets geholt.”
Cas hatte das Gefühl, noch nicht ganz wach zu sein aber er nickte und rieb sich erneut die Augen. “Ja, okay, uhm-”
Dean reichte ihm ein Handtuch: “Hier. - Wir - uh - sind im Wohnzimmer.”
Cas nickte wieder, griff nach dem Handtuch und beobachtete, wie Dean erneut eilig den Raum verließ ehe er aufstand, sich abtrocknete und anzog.
Das Bad (oder das ungeplante Nickerchen) hatte tatsächlich Wunder bewirkt. Seine Augen brannten nicht mehr, sein Nacken fühlte sich weniger steif an und wenn er tiefe Atemzüge machte, zog es nicht mehr seinen ganzen Rücken hinunter.
Das ab und an zu machen; Daran könnte er sich gewöhnen.
Cas fand Sam - in besagtem grauen Pullover - und Dean kurze Zeit später auf der Couch vor dem Fernseher; Schächtelchen und Tüten einer Fast-Food-Kette auf ihnen und um sie herum verteilt. Sam lag mit dem Kopf auf Deans Schoß und warf Cas ein breites Lächeln zu.
“Komm her, Cas!” Dean hob den Arm auf seiner freien Seite. Seine anderer Arm ruhte locker auf Sams Schulter und Cas zögerte kurz, setzte sich dann aber dicht neben ihn und ließ widerstandslos zu, dass sich Deans Arm um ihn schlang. (Auch wenn er dabei ein bisschen rot wurde.)
Aber er konnte nicht bestreiten, wie gut es sich anfühlte, sich gegen Dean schmiegen zu können. Wobei er sich natürlich nicht an schmiegte, er - lehnte sich nur etwas gegen ihn.
Sam streckte den Kopf, um sowohl Dean als auch Cas kurz zu mustern, grinste breit, sagte aber nichts, sondern griff in die Tüte und hielt in vager Richtung zu Deans Mund eines dieser Nuggets in die Luft.
Dean schnappte mit dem Mund danach und zappte weiter durch die Kanäle, bis er - natürlich - an einem Western hängen blieb, aber nicht mal Sam beschwerte sich, sondern reichte Cas nur ebenfalls eines der Nuggets, dann eine Tüte mit Fritten und eine Schachtel mit einem Cheeseburger vom Couchtisch.
Cas probierte das scharfe Käsebällchen, brummte glücklich und verteilte dann in selber Art die Pommes zwischen ihnen dreien, nachdem er Sam einen Moment dabei beobachtet hatte.
Sam schmiegte sich etwas mehr gegen Deans Oberschenkel und pickte mit den Fingern Stückchenweise den Burger in seinen Mund, anstatt sich aufzusetzen und abzubeißen.
Dean hatte die Fernbedienung irgendwo auf der Couch platziert und hielt sowohl Sam als auch Cas nah an sich, während er zufrieden lächelte und hin und wieder ein Käsebällchen oder Pommes zugeschoben bekam.
Und Cas konnte nicht verhindern, vielleicht doch etwas näher an Dean zu sinken, als es angemessen wäre. Aber Deans warme Hand auf seinem Arm hielt ihn dort, also erlaubte Cas sich, es zu genießen.
Es war immerhin Comfort-Abend.
Jetzt hatte er auch verstanden, was Deans Comfort-Strategie war: Nähe und seine Familie.
Geschrieben von: tenten31 - 20.02.2021, 16:29 - Forum: The Others
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Der morgige Donnerstag war streng durchgetaktet; sie durften sich keine Fehler erlauben. Nach dem Frühstück kamen entweder ihre gefälschten Einladungen oder nicht – so oder so startete ab diesem Zeitpunkt ein Countdown bis zur Übergabe der Liste. Bis dahin musste alles sitzen, alles stimmen, alles passen. Sie mussten diese Mission erfolgreich abschließen.
Kurzzeitig hatte Blue auch noch mit dem Gedanken gespielt, einfach einen Haftbefehl gegen Kavinsky zu erwirken – aber wie sie alle hatte er mit Sicherheit genug Agententraining, um unterzutauchen und nicht mehr auffindbar zu sein, wenn er denn wollte. Nein, sie vier mussten ihn hier schnappen; dass seine Karriere bei F.O.X. zu Ende war, wusste er sowieso. Jetzt und hier war er noch in Reichweite…
„Jane?“, hörte sie ein Flüstern neben sich, sanft genug, dass es sie nicht wecken würde, wäre sie nicht sowieso noch wach.
Es war eines von Blues Ritualen seit ihrem ersten Einsatz damals. Damals hatte sie die Nacht vorher nicht schlafen können, hatte generell vor lauter Angst und Adrenalin kaum drei Stunden auf eine ganze Woche verteilt geschlafen. Das hatte sie dann, zurück zuhause und in der Sicherheit ihrer eigenen vier Wände, alles nachgeholt. Seitdem visualisierte sie für sich nochmals den Plan und alles, was sie schützen würde. Ihre Persona, wie sie reagieren würde, ob sie auf dieser Hochzeit weinen würde, wie sie sich mit dem gutaussehenden Fremden unterhalten würde, dessen Partner ihn ebenfalls versetzt hatte. Und wie sie aus einem Champagnerglas eine tödliche Waffe improvisieren konnte, oder aus einem Blumendraht... alles, was Maura ihr beigebracht hatte. Es ließ sie sich für alle Eventualitäten vorbereitet fühlen.
„Liebling?“, kam es erneut geflüstert. Sie spürte, wie die Matratze sich verformte, als Gansey sich zu ihr drehte.
„Mhmmm?“, versuchte sie schläfriger zu klingen als sie wirklich war.
„Ich kann nicht schlafen“, war seine Stimme nun ganz nah an ihrem Ohr. Sein warmer Atem kitzelte leicht und sie konnte den typischen Hauch Minze wahrnehmen, den sie inzwischen auch mit ihm zu assoziieren gelernt hatte.
Dass sie hier in ihrem Hotelzimmer nicht reden konnten, wussten sie beide sehr genau. Trotzdem wäre es unnatürlich, nicht zu fragen. „Alles okay? Bedrückt dich was?“
Zur Antwort bekam sie ein nachdenkliches Seufzen. „Ich weiß nicht so recht... Jetzt sind wir hier in Vegas und... und wir verschlafen alles...“ Er zog die Wörter richtiggehend in die Länge.
Zu ihrem Glück war es dunkel genug, dass niemand das Lächeln sehen würde, das sie sich für einen Moment gönnte. Dann seufzte sie ebenfalls, legte einen leicht frustrierten Ton auf: „Irgendwann müssen wir aber doch auch mal schlafen.“
„Können wir doch daheim dann auch noch.“ Dick hatte sich inzwischen aufgesetzt und ein leises Klicken warnte Blue vor, dass er seine Nachttischlampe anschaltete.
Sie würden der Porn-Cam also eine Show liefern.
Als Blue sich im Bett zu ihm umwandte, hatte er sich bereits seine Brille vom Nachttisch geangelt und aufgesetzt. Irritiert blinzelte sie ihn an. „Dick, Liebling, lass uns schlafen...“
Mit einem erneuten, diesmal lauten und deutlich frustriert klingenden Seufzen schlug er die Decke zurück und schwang sich aus dem Bett. „Wenn du schlafen willst, fein! Ich geh mir jetzt eine Show ansehen oder so.“
Blue sah verwirrt zu, wie er sich scheinbar blindlings ein Paar dunkler Hosen und ein Hemd überzog, seine Schuhe nahm und zuerst zur Schlafzimmertür und dann zur Suitetür hinaus stapfte.
„Schatz?“, fragte sie vorsichtig in die hinterlassene Stille. Natürlich erhielt sie keine Antwort.
Dann schlug sie ebenfalls die Decke zurück, zog sich hastig die erstbesten Klamotten an, die sie fand, schnappte sich noch ihre Handtasche und den Zimmerschlüssel und sprintete ihrem frustrierten Ehemann hinterher.
Gansey wartete bereits an der Tür zum Treppenhaus auf sie. Ein breites, unverstelltes Lächeln trat auf sein Gesicht, als er sie entdeckte, und er hielt ihr die Tür offen.
Im Treppenhaus stiegen sie etwa eineinhalb Stockwerke in einvernehmlichem Schweigen nach unten, bevor Blue es nicht mehr aushielt: „Filmreif, Mister Glendower.“
Er stieß ein amüsiertes Schnauben aus. „Man könnte fast meinen, ich mache sowas öfter.“
„Machst du das denn?“ Sie beobachtete ihn aus dem Augenwinkel, sein zufriedenes kleines Grinsen, seine leicht angezogenen Schultern, die Hände in den Hosentaschen vergraben.
„Hin und wieder.“
„So so, du spielst deiner eigenen Ehefrau also was vor?“, neckte Blue. Sie merkte, wie gut ihr die Bewegung tat, wie sie gleich leichter atmete, jetzt wo sie aus der Suite draußen waren. Was nicht hieß, dass sie hier vollkommen offen und frei reden konnten – aber es fühlte sich deutlich mehr nach Räumen und Situationen an, die sie kontrollieren konnten.
„Meiner geliebten Ehefrau würde ich doch niemals...!“ Er ließ das Satzende unausgesprochen zwischen ihnen hängen. Dieser Teil war sowieso vor allem inhaltsloses Necken. „Aber im Ernst, ich konnte wirklich nicht schlafen“, fügte er leiser, dankbarer hinzu.
Blue sah zu ihm hinüber, gab ehrlich zu: „Ich auch nicht.“
„Das...“ Ganseys Stimme war kaum mehr als ein Flüstern. „Kavinsky war Ronans alter Partner, bis K ihn einfach zurückgelassen hat. Ich weiß nicht, wie er reagieren wird, wenn er Ronan hier sieht...“
Blues Lächeln verschwand schlagartig bei dieser Eröffnung. Es erklärte vieles. Warum Lynch so viel über Kavinsky wusste. Warum Gansey in dem gemeinsamen Gespräch so reagiert hatte. Warum er sofort Lynch von der Hochzeit abgezogen hatte, als sich die Chance geboten hatte. Warum er Lynch ihr gegenüber immer verteidigt hatte – fühlte er sich etwa verantwortlich für die Fehler oder auch die Vergangenheit seines Partners?
„Er weiß hoffentlich, dass du ihn niemals im Stich lassen würdest“, gab sie schließlich ebenso leise, ebenso ernst zurück.
Gansey nickte. „Sollte er. Ich hoffe es.“
Eine Antwort blieb Blue ihm schuldig, da sie in der Lobby ankamen. Schnellen Schrittes und ohne ein Wort miteinander zu reden, durchquerten sie diese und wurden erst wieder langsamer, als sie sich bereits einige Schritte vom Hotel entfernt hatten.
Und auch dann war es Gansey, der zuerst wieder sprach: „Weißt du was? Lass uns wirklich noch irgendwo hingehen! Was meinst du?“ Sein Gesichtsausdruck war neckend, aber Blue meinte in seinem Blick, der auf ihr ruhte, ein hoffnungsvolles Funkeln zu erkennen.
Was keiner von ihnen beiden aussprach, war, dass nach Prokopenkos Hochzeit morgen Abend diese Mission sehr wahrscheinlich vorbei war. Sie würden in den nächsten Flieger nach Hause steigen, noch eine offizielle Nachbesprechung über sich ergehen lassen und dann wieder getrennter Wege gehen.
Und Blue realisierte, dass sie es vermissen würde. Dass sie Dick und Jane vermissen würde. Diese so unerwartet ungezwungene Partnerschaft mit Richard Campbell Gansey III, Mister Unnahbarer Super Spy persönlich. Der gar nicht mehr so unnahbar und arrogant schien inzwischen. Sie waren ein verdammt gutes Team, arbeiteten erstaunlich selbstverständlich und reibungslos zusammen. Nach gerade einmal zwei Tagen reichte ein Blick zur Kommunikation. Ja, das würde sie vermissen...
Sie hielt an, atmete bewusst tief durch, während sie überlegte, und drehte sich langsam zu ihm. Begegnete seinem hoffnungsvollen Blick und konnte ein spitzbübisches kleines Grinsen nicht mehr verhindern. „Weißt du was, lass uns genau das machen. Lass uns das Nachtleben hier ein wenig unsicher machen!“ An Schlaf war gerade sowieso nicht mehr zu denken.
Seine geschult coole Haltung wich einem ehrlichen breiten Lächeln. Einem sehr hübschen Lächeln. Es war einer dieser Momente, in denen Gansey nicht darauf achtete, wie er wirken mochte, was für ein Bild er abgab. Und Blue mochte diese Momente sehr, stellte sie fest, ließen sie sie doch ein wenig hinter die unnahbare Fassade blicken.
Sie ergriff seine Hand und setzte sich erneut in Bewegung, den Strip hinunter. Dabei folgte sie ihren Instinkten, waren doch viele ausgehfertig aussehende Menschen unterwegs, denen sie einfach folgen könnten. Die sie schon an einen lohnenswerten Ort brachten – solange sie morgen zum Frühstück wieder auf der Matte standen, konzentriert und bereit, konnten sie jetzt noch ein wenig Zeit totschlagen. Und dass sie beide nicht schlafen konnten, hatten sie ja bereits etabliert.
Auf dem Weg sprachen sie kaum, aber es fühlte sich auch nicht so an, als wäre das nötig. Blue hielt immer noch Ganseys Hand fest und irgendwann griff er um, verschränkte ihre Finger ineinander. Sie sah daraufhin kurz zu ihm auf, begegnete seinem so offen gut gelaunten Lächeln. Und wusste, auch auf ihren eigenen Zügen lag ein ähnliches Lächeln. Sie mussten aussehen wie das liebestrunkene junge Pärchen, das ihre Personas darstellten.
Nur einmal, nur für kurz, könnten sie wirklich einfach so tun, als ob… Blue könnte so tun, als wäre sie wirklich mit ihrem frisch gebackenen Ehemann hier – wer das sein sollte, wen sie sich da ganz genau vorstellte, wusste sie nicht. Sie hatte keinerlei feste Beziehung; redete sich immer damit heraus, dass der Job das eben auch nicht zuließ. Aber dass dieser noch unbekannte Mann, mit dem sie beschlossen hatte, ihr Leben zu teilen, aussah wie Gansey, dagegen hatte sie überraschend wenig einzuwenden.
Und als sie ihn so aus dem Augenwinkel musterte, musste sie zugeben, dass er besonders jetzt auch zum Anbeißen aussah: Seine Haare waren immer noch etwas wild vom Bett, auch wenn er ganz offensichtlich versucht hatte, sie mit den Fingern in Form zu bringen. Es hatte so viel mehr Natürliches an sich als Gansey der Super Spy oder Dick Glendower. Dazu die Brille auf seiner Nase, das einfache Hemd, die Ärmel aufgeschlagen, und dunkle Hosen – klassisch und zeitlos und ziemlich sexy…
Nur für ein paar Stunden könnten sie so tun, als wäre das hier alles Wirklichkeit.
Blue war sich ihrer verschränkten Finger sehr deutlich bewusst. Seine größere Hand in und um ihre. Es hielt ein abenteuerlustiges Schmunzeln auf ihrem Gesicht. Es beschleunigte ihren Puls ganz unmerklich immer weiter. Und ohne darüber nachdenken zu wollen, zog sie sich daran ein wenig näher zu ihm, bis sich auch ihrer beider angewinkelten Unterarme berührten. Fast als wäre sie bei ihm untergehakt, nur dass sie nicht vorhatte, seine Hand loszulassen.
Das Verrückte war, ihm schien es genauso zu gehen. Erneut drückte er sanft ihre Hand, zog sie noch ein wenig näher zu sich.
Keiner von ihnen beiden sprach. Für ihren Teil wusste Blue, wenn sie nun etwas sagte, würde sie die Illusion dieses Moments zerstören. Sie kämen am Ende darauf zu sprechen, warum sie hier waren. Das wollte sie gerade nicht. Und sie war dankbar, dass er sich ebenfalls einfach treiben ließ.
So steuerten sie also anderen Partygängern hinterher, schließlich vom Strip weg in eine Seitenstraße. Dort hörten sie bereits die Musik, sahen eine Schlange am Eingang; jeder wurde von einem Türsteher wie einem Berg ganz genau gemustert.
„Willst du hier rein, oder sollen wir uns was anderes suchen?“, war seine Stimme mit einem Mal ganz nah an ihrem Ohr, kitzelte es angenehm. Er hatte sich etwas zu ihr herunter gebeugt, sah sie erwartungsvoll an.
Blue hoffte, die Zweifel, die sich in diesem Moment in ihre Gedanken schlichen, waren nicht in ihrem Blick sichtbar. Wenn sie jetzt wieder gingen, weitersuchten, würden sie mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit einfach zurück ins Hotel gehen. Den Rest der Nacht wach oder in erschöpftem Halbschlaf verbringen. Blue würde sich fragen, was diese Nacht noch hätte werden können. Nein, sie wollte sich nicht fragen, sie wollte es herausfinden!
Aber sie wollte auch Gansey eine letzte Chance geben umzukehren. „Kriegst du etwa kalte Füße?“
„Wieso sollte ich“, grinste er frech zurück und richtete sich wieder zu seiner vollen Größe auf.
Sie mussten keine drei Minuten warten, bis sie von dem Türsteher gemustert und mit einem einfachen Grunzlaut nach drinnen gewinkt wurden.
~*~*~*
Es war definitiv ein Club, auch wenn der Bereich um die größte Bar eine angenehm ruhige Atmosphäre ausstrahlte. Alles war Holz, Plastik, Vinyl, Vintage Chic und jede Menge Leute. Blue hatte das Gefühl, sich einfach von der Masse treiben lassen zu können, ohne dabei unterzugehen. Es war laut – zu laut, um sich zu unterhalten, aber genau richtig, um ganz eng aneinander zu rücken, wenn man etwas sagen wollte.
Falls man sich denn unterhalten wollte. Mit einem fragenden Blick und einem Nicken hatten sie bereits beschlossen, erst einmal gemeinsam die Tanzfläche unsicher zu machen. Blue merkte, wie schnell ihr Herz gegen ihren Brustkorb hämmerte, wie sie Energie loswerden musste, bevor sie noch etwas tat oder sagte, was sie bereuen würde.
Die Musik war gut. Der DJ legte vor allem alte Dance-Klassiker auf, viel Pop, viel Rock. Und als schließlich auch noch „You Never Can Tell“ gespielt wurde, war Blue überrascht. Nicht nur war ihr Begleiter ein guter Tänzer, nein, er tanzte mit ihr Twist in bester Pulp-Fiction-Manier. Wirkte dabei cool und aalglatt, bis er zum Ende hin in ein breites Grinsen ausbrach, von dem Blue wusste, dass er dasselbe Grinsen auf ihrem Gesicht ebenfalls finden würde.
Sie fielen sich lachend und außer Atem in die Arme. Und blieben dort. Der nächste Song war eine langsame Ballade, und ganz von selbst legte Blue ihre Hände in seinen Nacken, schmiegte sich eng an ihn, ihren Kopf an seine Brust gelegt. An ihrer Wange konnte sie sein Herz gegen seinen Brustkorb hämmern spüren. Seine Arme umschlangen sie, seine Hände sanft an ihrem Rücken. Sie fühlte sich gut aufgehoben, so ohne viele Worte verstanden und… sicher.
In diesem Moment wollte Blue einfach nur die Augen schließen und so tun, als ob. Hier und jetzt, mit ihm. Mit Gansey. Und danach würden sie nie wieder darüber sprechen. So einfach wäre das.
Der Song endete und Blue nahm ihren Kopf wieder von seiner Brust. Als sie zu ihm aufsah, fand sie ein schüchternes Lächeln vor, Unsicherheit und Hoffnung in seinen Augen, die ihr mit einem Mal Angst bereiteten. Hastig löste sie sich von ihm und ergriff stattdessen seine Hand, um ihn mit zur Bar zu ziehen.
Sie bestellten willkürlich zwei Cocktails und blieben damit an der Bar stehen.
„Blue, ich…“
„Wusstest du eigentlich, dass meine Mom ausgebildete und zertifizierte Barmixerin ist?“, unterbrach sie Gansey hastig, bevor er die unangenehme Stille zwischen ihnen noch toppen könnte. Sie gab ihren Händen etwas zu tun, indem sie die Orangenscheibe von dem Spießchen zu lösen begann.
„Nein, das wusste ich nicht. Aber können wir nochmal…?“
Erneut unterbrach Blue ihn, auch wenn sie wusste, wie unhöflich sie gerade war und wie uninteressiert sie gerade auf ihn wirken musste – erst recht, da sie seinem Blick sehr bewusst auswich. „Sie hat lange selber rumprobiert und die grässlichsten Mischungen zusammengestellt. Bis sich wer ihrer erbarmt und ihr den ersten Kurs geschenkt hat.“
„Das gerade… Du…“
„Ich hätte auch einen Kurs mitmachen können, aber ich war damals unterwegs“, fuhr sie unbeirrt fort, irgendetwas zu erzählen. Was ihr gerade einfiel eben. „Jetzt gerade bereue ich das ein bisschen. Der Cocktail ist echt lecker. Wie ist deiner denn?“ Endlich brachte sie ihren Blick auch wieder zu seinen Augen. Seinen fragenden haselnussbraunen Augen, die sie verstummen ließen – und die Welt um sie herum gleich mit.
Blue lehnte sich ihm entgegen, noch bevor sie überhaupt realisierte, dass sie sich überhaupt bewegte. Ihre Lider flatterten synchron zu ihrem schnellen Puls.
„Greenmantle?“
Blue war verwirrt, öffnete die Augen wieder, sah Gansey fragend an. „Was?“
„Colin Greenmantle“, wiederholte er. Schlagartig stand ihr wieder der unnahbare Super Spy gegenüber.
Blue musste sich sehr zusammenreißen, um sich nichts anmerken zu lassen. Enttäuschung, dass dieser Moment wohl unwiederbringlich vorbei war; Frustration, dass Gansey einfach so ohne Vorwarnung zurück wechselte; sture Verzweiflung, vielleicht den Moment zurückholen zu können, wenn sie nur weiterpreschte, wobei sie gleichzeitig wusste, wie sinnlos und dumm das war…
Ganseys Blick wurde entschuldigend; scheinbar hatte er doch auch bemerkt, was in ihr vorging. Verdammt! Immerhin blieb es bei dem Blick. Stattdessen fügte er noch in sachlichem Ton hinzu, „Hinter dir, elf Uhr. Er ist dick drin im weltweiten Waffenschmuggel – vor allem ausgefallene Waffen. Ich hatte schon einmal das Vergnügen.“
Oh verdammt! Als Blue realisierte, wovon Gansey da eigentlich redete, setzte auch bei ihr augenblicklich das Agententraining wieder ein. Dass ihr Gespräch niemand mithörte, da war sie relativ sicher, sprachen sie doch auch zu leise, als dass etwas anderes als Noahs Knöpfe im Ohr etwas davon übertrugen. „Meinst du, da besteht eine Verbindung?“
Gansey seufzte, nickte. Nahm ihre freie Hand in seine und führte sie für einen kurzen Augenblick an seine Lippen – es war eine Entschuldigung und eine Bestätigung, dass er dasselbe gefühlt hatte, bevor… Oder zumindest wollte Blue das alles in dieser kleinen Geste lesen.
„Lass uns gehen“, meinte sie sanft und zog ihn bereits mit sich in Richtung Ausgang.
nice to know:
Wir befinden uns im Jahr 1946.
Daniel Sousa hat sein linkes Bein im zweiten Weltkrieg verloren. Er hat eine Beinprothese, braucht aber eine Aluminiumkrücke.
Jack ist Leiter der SSR, Daniel einer seiner fähigsten Agents und besten Freunde (auch wenn das beide manchmal nicht einsehen möchten).
Und ich wehre michentschieden gegen die Wörterzählung! Die Story selbst hat nur 1493 Wörter!
Das einzige Mittel
„Was zum Teufel, Sousa?!“
Nach der Katastrophe, die die SSR heute verhindert hatte, war Jack klar gewesen, dass Sousa am besten Gesellschaft brauchte.
Sie hatten zwar die Explosion im Stadtkern (gerade so) verhindert und den Sprengstoff (ganz knapp) sichergestellt – aber Sousa hatte einen Streifschuss am Kopf abbekommen, was die weiße Kompresse an der Seite seines Kopfes immer noch kundtat.
Daher hatte er viel erwartet, als er sich zu dem anderen Mann aufgemacht hatte: In erster Linie viel Alkohol, in zweiter, weniger wahrscheinlicher Linie ein leichtes Mädchen, das Daniel die Sorgen des Tages wirksam vertrieb.
Er hatte hilfsbereit eine Auf alles gefasst-Einstellung und eine Flasche Scotch dabei, als er an Daniels Tür geklopft hatte, um dem anderen beizustehen (und weil er sich wirklich Sorgen gemacht hatte.)
Worauf er nicht gefasst gewesen war, war, dass Sousa vollkommen nüchtern war, einen grünen Wollpullover trug, der verdächtig selbstgestrickt aussah, und die Pyjamahose.
Das Augenrollen, doch, das hatte er wartet.
„Was willst du. Thompson?“
Jack lächelte, hob die Scotchflasche demonstrativ an und schwenkte sie hin und her.
„Mich um meinen im Dienst verwundeten Agent kümmern, was denn sonst?“ Ohne auf eine Antwort oder Reaktion zu warten, schob sich Jack an Daniel vorbei in das kleine Appartement und sah sich um, während er das Jackett auszog und den Hut abnahm.
Die Wohnung war ordentlich, wenn man von dem mit Büchern vollgestopften Regal absah.
Aus dem Radio auf dem kleinen Schränkchen klang leise klassische Musik, daneben lag mitsamt Holster Daniels Dienstwaffe.
Es roch merkwürdig, irgendwie nach heißer Schokolade.
Auf dem Couchtisch brannte eine Bienenwachskerze, neben ihr ein aufgeschlagenes Buch, das mit dem Rücken nach oben lag und eine Sanduhr, die gerade ihr letztes Körnchen nach unten fallen ließ.
Jack schnaubte amüsiert: „Nett hast du’s hier. - Du bist seit zwei Stunden zu Hause, Sousa, wieso bist du noch nicht betrunken?“ Jack warf die Jacke auf die Rückenlehne der Couch und setzte seinen Hut darauf. Die Flasche hielt er immer noch in der Hand.
Aus Daniels Kehle grollte es hörbar, während er die Tür schloss und sich umwandte.
Jack bemerkte, dass er schwer auf der Krücke lehnte, was er sonst vermied, um nicht schwächlich zu wirken, aber es wunderte ihn nicht. Der Tag war die Hölle gewesen.
Er wies mit der Flasche auf die Krücke.
„Du solltest dich setzen – und was trinken.“
Als hätte er eine magische Formel ausgesprochen änderte sich Daniels Körperhaltung und er nahm sein Gewicht von der Krücke – Sturer Bock.
„Ich möchte nichts trinken, vielen Dank.“ Die Worte wurden von Daniels strengem Gesicht untermauert, als er zur Couch hinkte, Jackett und Hut nahm und beides an die Garderobe hing.
„Mhm“, Jacks Skepsis klang hörbar durch, „Ja, ich meine. Klar. Der heutige Tag war die Hölle, du wurdest fast erschossen und dein Abend besteht aus – was? Einem Buch, der Kerze und - dem Wollpullover?“
Daniel bemühte sich sehr, nicht verärgert zu wirken, als er sich wieder zu Jack drehte. „Lass meinen Pullover in Ruhe.“
Es irritierte Jack mehr, als es sollte, dass Daniel nicht einmal widersprach.
Stattdessen starrte er Jack nur auffordernd an. Jack zog beiden Augenbrauen hoch und legte mit einem breiten, freundlichen Lächeln den Kopf schief: „Wofür war die abgelaufene Sanduhr?“
Die Ablenkung verfehlte ihr Ziel nicht; Daniels Augen wurden groß, er beugte sich ein Stück zur Seite um die Sanduhr sehen zu können und hinkte dann leise fluchend in die Küche.
Jack setzte sein golden boy-Grinsen auf und folgte dem Veteran pfeifend.
Denn egal wie griesgrämig Daniel sich geben würde, Jack würde nicht weichen. Er wusste selbst, wie er nach so einem Tag drauf wäre; Da würde er Daniel ganz bestimmt nicht sich selbst überlassen.
Und lieber tranken sie zusammen eine Flasche Scotch, als jeder für sich.
Er lehnte sich in den Türrahmen und beobachtete, wie Daniel seine Krücke an die Arbeitsplatte lehnte, den Backofen ausschaltete und sich dicke Ofenhandschuhe überzog, ehe er die Tür öffnete und etwas aus dem Ofen holte.
„Was zum Teufel, Sousa?!“
Daniel hatte einen Moment lang gelächelt, fast zufrieden, als er den dampfenden, dunklen Schokoladenkuchen betrachtete, der nicht nur die kleine Küche, sondern vermutlich das ganze Appartement mit seinem Duft aus geschmolzener Schokolade und heißem Zucker ausfüllte. Er stellte ihn auf ein Geschirrtuch, ehe er sich wieder zu Jack wandte und seine Augen wurden merklich reservierter.
„Thompson, lass es, okay?“ Es gab ein Knirschen in seiner Stimme, das preisgab, wie angespannt Daniel war – also hatte der Tag doch Spuren hinterlassen, Jack hatte es doch gewusst.
Jack betrachtete den Mann vor sich einen Moment, nickte ein paar Mal und schob sich dann neben Daniel in die winzige Küche, wodurch er mehr als nah an Daniel gepresst war – „Was zum – Thompson!“ -, aber er öffnete unbeirrt einen der wenigen Schränke nach dem anderen, bis er das Fach mit den Gläsern gefunden hatte.
„Ich versteh’s, Daniel“, er warf ihm einen warmen Blick, fast ein Lächeln zu und holte zwei Gläser hervor. „Und – genau deshalb –“
„Jack, nein.“
Jack hatte die Flasche bereits aufgeschraubt und in eines der Gläser Scotch fließen lassen, als er abrupt hochsah.
Daniel rieb sich streng mit den Daumen und Mittelfinger über den Rand seiner Augenhöhlen und atmete tief durch.
„Jack, ich möchte nichts trinken. Ich möchte nicht – ich…“ Er brach ab und nahm einen tiefen Atemzug, den Blick auf den Kuchen gelenkt.
„Du möchtest Schokoladenkuchen essen?“ Die Frage klang deutlich ungläubig und Jack zog irritiert eine Augenbraue hoch. „Ist etwa grade die Zeit im Monat?“
Daniels Augen zogen sich wütend zusammen, als er Jack unbeirrt entgegen starrte. Ja, er war ein Arsch – und das war ein Schritt zu weit gewesen.
Aber noch bevor er zurück rudern konnte, brach die Anspannung des Tages aus Daniel heraus: „Weißt du was?! Ja! Genau das möchte ich! Ich möchte hier sitzen, in aller Ruhe, in meinem Lieblingspullover, und ganz entspannt Schokoladenkuchen essen! Und weißt du auch wieso? Weil ich heute beinahe erschossen worden wäre! Und ich bin durch, Jack, okay? Ich bin für heute fertig. Ich will nur Schokoladenkuchen. Und weißt du wieso? Weil er verdammt nochmal fantastisch ist! Und weil er gut schmeckt, und weil er mich froh macht. Und dein dämlicher Scotch sorgt nur dafür, dass ich morgen noch größere Kopfschmerzen habe und mich elend fühle. Also, Ja! Ich will Schokoladenkuchen essen! Den Schokoladenkuchen ist das einzige, das an so einem Tag wirklich hilft!“
Sobald Daniel seinen Ausbruch beendet hatte, eilte seine Hand mit einem leisen Winseln an die Kompresse.
Jack schluckte mundtot.
„Okay. - Kann ich – uhm – dann auch ein Stück haben, wenn er so toll ist? – Und du vielleicht ein Glas?“ Er hielt ihm das gefüllte Glas hin und lächelte etwas unsicher. Ein Friedensangebot.
Wenn es Schokoladenkuchen sein sollte, bei dem er Daniel Gesellschaft leistete, dann war es eben Schokoladenkuchen.
Daniel lachte schnaubend und schnappte Jack das Glas aus der Hand.
„Aber du trägst alles zur Couch. Ich setz mich hin und trink was.“
~+~
Jack winselte leise, als er sich mühsam von seinem Bett erhob und sich durch den Flur zur Tür schleppte, um wer auch immer daran gerade geklopft hatte, zu erschießen.
Durch die bunt schillernde Prellung auf seinem Brust und seiner Seite, die er sich heute eingefangen hatte, schmerzte jeder Schritt, verdammt nochmal, jeder Atemzug und er wollte nur in seinem Bett liegen, schlafen und sich zur Not mit der dreiviertel vollen Flasche Scotch die Lichter ausblasen, wenn es anders nicht ging, um dann weiter zu schlafen.
Er wollte bestimmt nicht zur Tür humpeln.
„Was?!“ Das barsche Wort hatte seinen Mund verlassen, bevor er die Tür überhaupt annähernd geöffnet hatte, geschweige denn realisiert hatte, wer vor ihm Stand: „Sousa?!“
Daniel lächelte leicht und nickte. „Thompson.“
Er klopfte mit seiner Krücke gegen die spaltbreit geöffnete Tür.
„Lass mich rein. – Ich hab was für dich.“
Jack runzelte die Stirn und trat fast automatisch einen Schritt zurück, um den Mann einzulassen. Verwirrt bemerkte er das in Geschirrtücher gewickelte runde Ding, das Sousa balancierte und die Tüte, die um sein Handgelenk baumelte.
„Was? – Sousa, komm schon – ich…“
„Du hattest einen harten Tag. Ich weiß.“ Daniel klemmte die Krücke zwischen seinen Arm und Körper und entfernte mit der freien Hand vorsichtig die Tüte von seinem Handgelenk, ohne das Geschirrtuchpäckchen zu sehr zu stören. „Deshalb hab ich dir das einzige Mittel dafür mitgebracht. – Hier.“
Jack zögerte einen Moment, ehe er ergeben seufzte und die Tüte entgegennahm, um hineinzusehen.
„Was zum…“ Er zog den hellblauen, wunderbar weichen Stoff hervor und warf die Tüte achtlos auf das Schränkchen neben der Tür. Er entfaltete das Kleidungsstück und schnaubte leicht lachend. „Ein Wollpullover?“
Daniel lächelte und hielt ihm das ausgewickelte Päckchen entgegen, das sofort den betörenden Duft aus Schokolade und heißem Zucker in seiner Wohnung verteilte.
„Und Schokoladenkuchen. Ich dachte, Scotch hast du noch genug.“
Jack schüttelte mit einem müden, aber ehrlich dankbarem Lächeln den Kopf.
„Diesmal holst du die Teller.“ Er streifte sich den weichsten Pullover, den er jemals getragen hatte, über den geschundenen Oberkörper und nahm Sousa den Schokoladenkuchen ab, um das Aroma tief einzuatmen.
Daniel lächelte.
„Klar, du setzt dich – und trinkst erstmal was.“
Geschrieben von: tenten31 - 13.02.2021, 15:00 - Forum: The Others
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„Nein, gesehen hat er mich glaub ich nicht. Und ja, ich hab ihn leider verloren.“ Blue seufzte, als sie die Vorkommnisse des Vormittags zum dritten Mal erzählte.
Sie waren alle fünf unbeobachtet genug, dass sie frei sprechen konnten. Blue und Gansey hatten beschlossen, die Glendowers noch eine Runde den Strip entlang spazieren zu lassen – Hand in Hand und sich immer wieder möglichst verliebte und liebevolle Blicke zuwerfend, schlenderten sie an den verschiedenen Casinos und Hotels entlang, aus deren dunklen Tiefen Musik und das allgegenwärtige Klingeln der Spielautomaten zu hören war. Adam hatte sich seit einer Weile am hoteleigenen Pool des Excalibur Hotels postiert, da um diese Uhrzeit dort am meisten los war. Lynch hatte sich laut dessen Aussage in seine und Adams Suite zurückgezogen, da er wohl keine Lust hatte, ständig von irgendwelchen Fans seines „Gönners“ belagert zu werden – außerdem würde sein Teint zu sehr leiden. Und natürlich hatte er sich auch zurückgezogen, um sich endlich um die Einladungen zu kümmern.
Die vier Männer redeten wild durcheinander, so dass Blue nur Bruchstücke ihrer Reaktionen mitbekam. Lynchs düstere Schimpfworte konnte sie allerdings auch so erraten. Adams Ton war sonnig, die Worte passten aber so gar nicht dazu – Blue verstand „…Mistkerl…“ und „…schuld, wenn…“. Noah fragte sie etwas, das sie allerdings nicht ausmachen konnte. Und Ganseys „…finden ihn schon“ wurde immerhin davon begleitet, dass er sanft ihre Hand in seiner drückte.
Als sie zu ihm blickte, entdeckte sie ein aufmunterndes Lächeln und einen Ausdruck in seinen Augen, den sie so bisher noch nicht bemerkt hatte. Die Mittagshitze klebte ein paar verirrte Haarsträhnen in seine Stirn und an seine Schläfen, was das sehr akkurate Image ein wenig negierte. Es war aber auch heiß – sie sollten bald zusehen, dass sie wieder nach drinnen kamen!
„Jane, noch da?“, hörte sie Adams leicht besorgt klingende Stimme.
Wie lange hatten die anderen auf ihre Antwort gewartet? „Ich bin noch da. Noah, ich war nicht nah genug für einen Marker“, riet sie einfach mal seine Frage. Und lag damit offensichtlich richtig. „Ist bei dem anderen Marker denn noch was rausgekommen?“
Sie hörte Noah leise summen, bevor er antwortete: „Jepp. Angestellten-Spinte und Wäscherei sind lokalisiert. Würde aber vorschlagen, die Uniformen möglichst kurz vorher zu besorgen, damit sie nicht vermisst werden.“
„In Ordnung. Also morgen Mittag etwa. Nicht allzu knapp“, setzte Gansey fest.
Von Lynch und Adam hörte Blue zustimmende Laute, bevor Lynch hinzufügte: „Wenn wir bis dahin nicht alle vier Einladungen in Händen halten und da einfach rein marschieren. Wäre mir lieber. Der Bastard wird Augen machen!“
Blue bemerkte, dass Gansey zu ihr sah, direkt ihrem Blick begegnete. Ernst fragte er: „Ronan, bis wann schaffst du die Einladungen zu Prokopenkos Hochzeit? Ich wäre gerne vorbereitet, falls es doch Plan B wird.“
„Chill, Gansey! Ich hab dich noch nie hängen lassen, oder?!“ Ein aggressiver Unterton war immer noch in Lynchs Stimme zu hören.
Ein leises Seufzen von Gansey. Blue konnte ihn aus dem Augenwinkel nicken sehen. „In Ordnung. Wenn wir bis morgen Vormittag nichts haben, bereiten wir uns auf Plan B vor.“
„Wer führt die Operation Uniform durch?“, fragte Adam sachlich.
Von Lynch war ein leises Grummeln zu hören, aber keine Widerworte.
Blue überlegte einen Augenblick. „Dick ist zu auffällig. Noah, kannst du Adam und mich morgen lotsen?“
„Klar, mach ich.“
Gansey neben ihr wirkte nicht begeistert, dass er so plötzlich nicht mehr Teil des Plans war. Blue hoffte, er sah trotzdem ein, dass es wirklich in dieser Konfiguration am unauffälligsten wäre.
„Adam, das ist auch in deinem Sinne? Kein Schaulaufen mit Boytoy?“, fuhr sie in neckendem Ton fort, um die Atmosphäre ein wenig aufzulockern.
Und es wirkte, zumindest bei dem Angesprochenen. Adam lachte. „Passt… Um aber nochmal auf Kavinsky zurück zu kommen: Noah, kommst du in die Buchungssoftware des Excalibur? Obwohl wahrscheinlich keiner unserer Gesuchten unter seinem echten Namen eingecheckt ist.“
„Wahrscheinlich“, stimmte Gansey nachdenklich zu.
Ein Schnauben von Lynch. „K ist clever, aber eitel. Der will, dass Leute wissen, er war’s.“ Hatte er Kavinsky studiert oder riet er gut aus dem, was allgemein erzählt wurde?
„Okay“, kam es langsam von Noah. „Einen Versuch ist es wert. Ich besorge mir grad die Daten für den Buchungsserver.“
Blue wusste, das würde eine Weile dauern. Sie suchte Ganseys Blick und deutete ihm mit einem Kopfnicken, ob sie nicht umdrehen wollten. Er schien einen Augenblick zu überlegen, bevor er nickte. Aber anstatt denselben Weg zurückzugehen, trat er an die Gehsteigkante, sah die Straße hinauf und hinunter. Bei einer Lücke im Verkehr zog er Blue mit sich auf die andere Straßenseite, wo zumindest abschnittsweise Schatten herrschte.
„Danke“, formte Blue mit den Lippen und schenkte ihm ein Lächeln, als sie drüben waren. Ihr Strohhut tat zwar sehr gute Dienste, aber jedes Stückchen Schatten fühlte sich trotzdem himmlisch an.
Gansey erwiderte das Lächeln kurz, bevor er zurück im Gespräch war. „In Ordnung. Sollte Noah wirklich fündig werden, teilen wir uns morgen auf – zwei durchsuchen Kavinskys Zimmer, zwei gehen zu Prokopenkos Hochzeit. Irgendwo wird die Liste ja sein.“
„Klingt vernünftig“, stimmte Adam zu.
Sie hatten alle die Briefing-Unterlagen für diese Mission gelesen. Natürlich hatte niemand ihnen gesagt, wer auf der Liste mit den Codenamen und Klarnamen stand. Blue ging davon aus, dass keiner aus diesem Team gefährdet war, ansonsten hätte die Direktorin sie wahrscheinlich nicht ausgewählt, aber sicher sein konnten sie wohl erst, wenn diese vermaledeite Liste sicher vernichtet war. Aber was wäre sicher vernichtet? Das Briefing hatte erwähnt, dass die Liste digital und hochverschlüsselt war – vermutlich suchten sie also nach so etwas Kleinem wie einem Flashdrive. Vermutlich…
„Hm, kein Kavinsky im Excalibur, aber gleich mehrere Prokopenkos, was aber im Angesicht einer bevorstehenden Hochzeit nicht überraschend ist“, mischte sich Noah wieder ein. Scheinbar hatte er die Datenbank geknackt.
Ob es Sinn machen würde, deren ganze Zimmer zu durchsuchen? Was war Prokopenkos Rolle in diesem Spiel?
„Was ist mit Decknamen? Sprechenden Namen?“, hakte Lynch nach.
Noah schwieg einige lange Augenblicke. „Hmmm… Ein paar ungewöhnliche Namen. Haha, da heißt jemand wie das deutsche Wort für Coming-of-Age. Roman Effing-Bildung.“
„Das ist er.“ Es war mehr ein gutturales Knurren denn wirkliche Worte von Lynch. Und nicht zum ersten Mal fragte Blue sich, woher Lynch Kavinsky so gut kannte.
„Noah, die Zimmernummer“, drängte Gansey. Seine Hand drückte ihre fester, ohne dass er es wirklich zu merken schien. Als Blue zu ihm sah, war sein Gesichtsausdruck angestrengt freundlich und sein Blick stur nach vorne gerichtet.
Sie versuchte ihm ihre Hand zu entziehen – und konnte den Moment genau ausmachen, in dem Gansey bemerkte, was los war. Seine Hand erschlaffte, ließ ihre sofort frei. Als Blue erneut zu ihm aufsah, stand in seinem Gesicht eine unausgesprochene Entschuldigung. Blue atmete tief durch und ergriff einem Impuls folgend erneut Ganseys Hand.
Schließlich meldete Noah sich wieder. „Oh, im Luxor, nicht im Excalibur. Die beiden gehören zur selben Gruppe… Zimmer 621.“
„Danke. Ronan und ich übernehmen das Zimmer. Blue, Adam, ihr die Hochzeit.“
Geschrieben von: tenten31 - 06.02.2021, 13:30 - Forum: The Others
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Morgen wäre es soweit. Morgen war Donnerstag und sie würden sich keine Fehler erlauben können. Die Hochzeit war das Wann und das Wo. Aber das Wer und das Wie waren die schwierigeren Dimensionen dieser Mission. Zu beidem konnten sie zum gegenwärtigen Zeitpunkt nur Vermutungen anstellen.
Was auch der Grund war, weshalb sie beim Frühstück beschlossen hatten, sich aufzuteilen um schneller voranzukommen. Gansey würde seine Augen im Casino offen halten, Blue in der Einkaufs- und Fressmeile des Excalibur.
Es war immer noch unangenehm kalt hier drinnen, erst recht, nachdem sie aus gut über 30 Grad in der prallen Sonne draußen gekommen waren. Diesmal war Blue allerdings vorbereitet – sie hatte eine waldgrüne Häkel-Sommerjacke mitgenommen, außerdem einen Strohhut, den sie auch hier drinnen auf dem Kopf ließ, um nicht sofort von allen Kameras identifiziert werden zu können.
Immerhin war es deutlich leiser als im Casino, selbst wenn das allgemeine Gemurmel der Bildschirme, der Musik in den Läden, der Einkäufer und neugierigen Touristen um sie herum ein beständiges Hintergrundrauschen ergab.
Blue bewegte sich mit den Menschenmengen, streifte mit großen Augen durch die gewundenen Gänge, deren Steinimitat, heraldische Banner und hinterleuchtetes buntes Kirchenfensterglas immer wieder daran erinnerten, was das Thema dieses Gebäudekomplexes war. Was sie dabei zu finden hoffte, wusste sie nicht so recht, aber sich zu bewegen half ihr auch beim Denken. Nachdem sie in ihrem eigenen Hotelzimmer keinerlei Planung laut aussprechen konnten, kam ihr dieser Teil der Mission also sehr gelegen.
Die Frage war, was sie machen würden, wenn sie bis morgen Abend keinerlei neue Informationen hätten. Wenn diese Hochzeit der einzige Anhaltspunkt bliebe, mit dem sie arbeiten müssten. Noah hatte eine Gästeliste auftreiben wollen, sich aber damit noch nicht wieder zurückgemeldet. Lynch hatte ihnen allen Einladungen besorgen wollen, aber auch in dieser Hinsicht hatten sie noch nichts gehört.
Was also, wenn sie nur Ort und Zeit wüssten? Würden sie trotzdem versuchen hineinzukommen? Wahrscheinlich wäre es sinnvoll für diesen Fall als Teil des Hotelpersonals zu erscheinen – Blue begann, wie willkürlich ein paar Fotos mit ihrem Handy zu schießen, immer auch darauf achtend, dass die Uniformen des Personals darauf sichtbar wären.
Sie kaufte einen Karamell-Macchiato, von dem sie probeweise nippte – und sich bemühte, ihr Gesicht nicht allzu sehr zu verziehen. Das Zeug war ihr persönlich viel zu süß und fettig, aber es war erstaunlich heiß bei all dem Sirup und der Sahne. Gerade versuchte sie den Deckel von ihrem To-Go-Becher zu ziehen, als sie in jemanden hinein lief – und einen Großteil ihres Getränks auf dessen Hoteluniform verschüttete.
„Oh mein Gott, das tut mir so leid. Verzeihung, ich hab kurz nicht darauf geachtet, wo ich hinlaufe. Ich zahl Ihnen auch die Reinigung“, bot sie sofort in entschuldigendem Ton und etwa eine halbe Oktave höher als gewöhnlich an.
Der junge Mann verzog das Gesicht, als er an sich hinunter sah, seufzte. „Schon okay, Miss. Passen Sie nur nächstes Mal besser auf, wohin Sie gehen. Ich kümmere mich darum, dass jemand die Flecken aufwischt.“
„Oh, vielen Dank! Ich bin wirklich manchmal so ein unglaublicher Schussel.“ Sie legte ihm für einen Moment ihre freie Hand auf die Schulter.
Mit einem schicksalsergebenen kleinen Lächeln nickte der junge Mann und eilte dann schnellen Schrittes davon.
Blue sah ihm noch ein paar Augenblicke hinterher, dann suchte sie die nächste Damentoilette auf, wo sie den halben Becher Karamell-Macchiato in den Mülleimer warf und sich die klebenden Hände wusch. Hastig sah sie sich um, checkte die Kabinen, ob noch jemand mit ihr im Raum war. Niemand.
„Noah, hörst du mich?“, murmelte sie.
Die Antwort ließ nicht lange auf sich warten. „Laut und deutlich, meine liebe Blue. Was hast du für mich?“
Blue musste entgegen ihrer selbst schmunzeln. Jedem anderen Menschen wäre sie für diese sexistisch angehauchte Anrede beleidigt. Einzig Noah hatte da eine Sonderstellung. „Einen aktiven Marker, der dich theoretisch dorthin führt, wo es Excelsior-Hoteluniformen gibt, die wir ausborgen können. Gibt’s was Neues in Sachen Gästeliste?“
„Okay, ich bin an dem Marker dran. Und zur Gästeliste leider nichts Neues. Es scheint keine bei der Hochzeitsplanerin abgegeben worden zu sein.“
„Verdammt, also keine einfache Spur für uns. Aber andererseits auch gut; so kommen wir eher rein.“
„Kann ich sonst noch was für dich tun?“
Blue überlegte einen Augenblick, als sich hinter ihr bereits die Tür öffnete und sie beschloss, die Gelegenheit entsprechend zu nutzen und zurück ins Gemurmel der Passagen zu gehen. „Nein, danke. Over and out.“
Noahs Stimme in ihrem Ohr verstummte wieder und Blue ließ sich erneut von den vielen anderen Menschen treiben. Sollte sie Gansey Bescheid geben wegen der Uniformen und der nicht vorhandenen Gästeliste? Vielleicht hätte er ja derweil noch eine andere Spur aufgetan…
Als bereits Ganseys Stimme in ihrem linken Ohr erklang, wenn auch ungewohnt zögerlich: „Jane, kannst du sprechen?“
„Positiv. Hast du was herausgefunden?“, murmelte sie und machte sich bereits daran, ihre Kopfhörer in die Ohren zu stecken, so dass es aussah, als hörte sie Musik oder telefonierte – selbst wenn diese einfach nur in ihrer Tasche verschwanden, ohne eingesteckt zu sein.
„Nein, leider nicht. Ich habe eine Weile an den Automaten gespielt, dann ein paar Runden Blackjack. Und ganz ehrlich? Ich sehe den Reiz nicht. Warum spielen Menschen sowas exzessiv?“ Inzwischen klang er wieder eher nach sich selbst, locker, wenn auch dabei nachdenklich.
„Ernsthaft? Mister Super Spy ist zu gut für Glücksspiele aller Art?“, zog sie ihn auf, spürte ein kleines Lächeln auf ihre Lippen treten. „Hast du dann nicht den falschen Beruf? Obwohl man dir mit deinem guten Aussehen wahrscheinlich alles abkauft, oder? Hast du’s schon mal in der Politik versucht?“
„Das ist noch weniger was für mich. Mom arbeitet in Washington – die könnte dir sicher so einige Geschichten erzählen!“, seufzte er gespielt, auch wenn Blue meinte, ein kleines Lächeln aus seiner Stimme herauszuhören.
„Natürlich, wieso war das klar, dass deine Mutter…?“ Blue seufzte theatralisch und verdrehte zu sich die Augen, auch wenn Gansey das natürlich nicht sehen konnte. „Wie kann der Sohn zweier so zwielichtiger Menschen nur kein Glücksspiel mögen? Also auch keine Politiker-Karriere?“
Gansey lachte leise. „Nein danke. Wenn die einen erst einmal haben, findet man so schnell nicht wieder hinaus.“
„Und ich dachte immer, Casinos sind so konzipiert, dass man nicht mehr raus findet… Halt, Moment, jetzt seh ich’s auch. Ist sich beides zu ähnlich. Ein Spiel mit gezinkten Karten, aus dem man nicht mehr raus kommt.“
„Bingo. Die Vorstellung hat etwas Klaustrophobisches für mich“, stimmte Gansey zu.
„Aber ich muss jetzt nicht den Notarzt rufen für deine Platzangst?“ Blue bemühte sich, besorgt zu klingen.
„Eine Weile halte ich es schon noch hier aus. Ich habe ja gute Gesellschaft.“
„Die beste…“ Bevor Blue jedoch noch mehr sagen konnte, fiel ihr jemand auf, keine zehn Meter von ihr entfernt. „Oh Shit!“, entfuhr es ihr und ganz reflexartig bog sie ins nächstgelegene Geschäft ab.
Ohne ihn jedoch aus den Augen zu lassen. Immerhin schien er sie noch nicht bemerkt zu haben, lief stattdessen zielstrebig aber ungehetzt durch die Ladengasse. Er trug Shorts und Hawaiihemd, dazu eine große spiegelnde Sonnenbrille mit weißem Gestell.
„Was, Jane, was ist los?“, konnte Blue Ganseys Stimme neben sich hören. Sämtliches Lächeln war daraus gewichen.
Wie zufällig drehte sie sich von den bunten Souvenirs vor ihr zurück zur Ladengasse. Erblickte nur noch seinen Rücken, als er in der Menge verschwand.
„Ich glaube, ich hab gerade unseren Maulwurf gefunden“, raunte sie.