„Mist, Mist, Mist“, fluchte Lois vor sich hin, während sie versuchte, ihre unbequemen „Reporterpumps“ auf umständlichste Art und Weise von ihren Füßen zu entfernen. Sie war verdammt spät dran. Wenn man es eilig hatte, wollten die einfachsten Dinge nicht gelingen. Erst recht, wenn man gleichzeitig noch in der Schreibtischschublade kramte, um nach ein paar Habseligkeiten zu suchen. Doch endlich war es geschafft. Die Pumps lagen lieblos auf dem tonlosen Teppich des Daily Planet, die Handtasche war geschultert, der Mantel übergeworfen. Eilig humpelte sie in den halb angezogenen Sneakers zum Aufzug. Dort angekommen, drückte sie gleich mehrmals ungeduldig auf den Knopf. „Davon kommt er auch nicht schneller“, konnte sich einer ihrer Kollegen seinen unnötigen Ratschlag nicht verkneifen. Er für seinen Teil entschied sich für die Treppe. „Frohe Weihnachten“, rief er mit hoch gehobenem Arm als Abschiedsgruß. „Ja danke. Du mich auch“, murmelte Lois genervt, als endlich das errettende ‚Bling‘ des Aufzugs ertöne, bevor sich die Türen aufschoben. Viel zu langsam für ihren Geschmack. Aber immerhin taten sie es. Und als Lois dann in der Kabine stand, nutzte sie die Zeit, die Fersen ihrer Sneakers endlich anständig hochzuziehen. Geschafft! Was für eine Erleichterung.
Der Knopf für das Erdgeschoss wurde gedrückt und gemächlich schlossen sich die Türen wieder. „Na mach schon“, feuerte sie den Aufzug ungeduldig an. Es war Weihnachtsabend und Lois hatte immer noch kein Geschenk für Clark. Wo auch immer der gerade steckte. Zwar klebten sie nicht den ganzen Tag während der Arbeit aufeinander – was ja auch eher kontraproduktiv wäre – aber normalerweise verabschiedete er sich bei ihr, wenn sie noch keinen Feierabend hatte. Das konnte nur bedeuten, dass er nebenher noch anderes zu tun hatte. Aber daran war Lois inzwischen gewohnt.
Ein weiteres „Bling“ ertönte und die Türen öffneten sich wieder. Ohne zu zögern verließ Lois schnellen Schrittes den Aufzug und lief durch die Eingangshalle des „Daily Planet“, um kurz darauf die kühle Abendluft einzuatmen. Draußen war es bereits dunkel geworden. Aber immer noch war es hell genug, denn die Straßenlaternen und die Lampen des großen Redaktions-Gebäudes erhellten den Platz. Ein Blick auf ihr Handy verriet der Journalistin, dass Clark ihr keine Nachricht hinterlassen hatte. Auch gut. Sie sah sich um. Hoffentlich wollte er sie nicht überraschen, um sie abzuholen. Dann hätte sie keine Gelegenheit mehr, noch schnell ein Geschenk zu besorgen.
Doch Clark war nicht hier. Stattdessen zog allerdings einer der Blumenkübel, die auf dem hell erleuchteten Platz des Gebäudes verteilt waren, ihre Aufmerksamkeit auf sich. Lois trat näher, fixierte das definitiv nicht zu den grünen Tannen passende Blau und griff danach. Sie zog daran. Das Stück Stoff hatte sich verheddert und sie musste vorsichtig sein, um es nicht zu zerreißen. Lois ahnte bereits, was sie gleich in Händen halten würde.
„Ach Clark“, seufzte sie und stopfte die Krawatte in ihre Handtasche. Wie oft hatte sie ihm gesagt, dass er seine Krawatten wenigstens in seiner Schreibtischschublade hinterlegen sollte? 100 Mal? 1000 Mal? Er lernte es wohl nie. Sein Krawatten-Verschleiß war unglaublich hoch. Nun ja. Diese hier hatte sie ja zum Glück gefunden, konnte sie waschen, bügeln und wieder in seinen Kleiderschrank hängen. Darüber müsste sie unbedingt noch einmal ein ernstes Wort mit ihrem Gatten sprechen müssen. Aber nicht jetzt.
Jetzt war es an der Zeit, ein Weihnachtsgeschenk für eben Jenen zu finden. Also eilte Lois zum Parkplatz hinüber und betätigte bereits unterwegs den Knopf ihrer Fernbedienung. Zeit sparen, wo es nur ging. Dort hinten pfiff ihr Kleinwagen zwischen den großen Schlitten und die Lichter blinkten ihr auffordernd zu. Na dann los!
Wie lange es gedauert hatte, bis sie endlich die Haustür mit Geschenk betreten konnte, wusste Lois nicht. Sie hatte nicht auf die Uhr gesehen. Aber scheinbar kam sie gerade rechtzeitig, denn aus dem Ofen heraus duftete es herrlich nach der Pizza, die Clark offensichtlich bereits ohne sie in den Ofen geschoben hatte. Sie wollten diesen Abend gemütlich angehen. Nur zu zweit. Das große Fest mit Familie und Freunden war am Weihnachtstag an der Reihe. Doch der heilige Abend gehörte nur ihnen. Deshalb sollte Clark sein Geschenk auch schon heute bekommen.
Aber noch stand dies in der Ecke an der Garderobe, eingepackt in eine rote Tüte mit unzähligen Santas drauf und wartete noch geduldig. „Ich bin dahaaaa“, rief sie, noch während sie sich ihres Mantels entledigte. Doch das hätte sie sich sparen können. „Ich weiß“. Zwei starke Arme legten sich von hinten um ihre Taille und sie spürte seinen Kuss in der Nackenkuhle, die noch vom Schal gewärmt war. Sein Atem verursachte ihr eine wohlige Gänsehaut, während sie die Augen schloss, um diesen Augenblick zu genießen.
„Wie war Dein Tag?“ Auf diese Frage hin seufzte Lois und schüttelt den Kopf. „Wie war Deiner?“ Clark wunk ab und löste sich von ihr. „Willst Du nicht wissen“. Damit war wohl alles gesagt. Manches wollte man vielleicht auch tatsächlich gar nicht wissen. Also beließen sie es dabei und machten sich gemeinsam auf den Weg zur Küche. Zwei Pappverpackungen lagen noch in der Ecke der Arbeitsplatte. „Hmm, Tiefkühlpizza“, stellte Lois fest, grinste aber nachsichtig. „So schwer ist Pizzateig nun wirklich nicht. Musst Du wirklich mal versuchen“. Aber sie hatte Hunger und der trieb bekannterweise alles rein, also setzte sie sich an den Tisch und begann damit, sich die Pizza in Stücke zu schneiden. „Das große Festessen ist meine Mum bestimmt längst am Vorbereiten“, entgegnete Clark mit einem Augenzwinkern und Lois verdrehte die Augen. Nicht, dass sie das Essen ihrer Schwiegermutter nicht zu schätzen wusste. Ganz im Gegenteil. Aber Martha verstand sich einfach viel zu gut aufs Kochen und Backen, so dass man nie der Versuchung widerstehen konnte. So aß man ganz von selbst jedes Mal mehr, als man eigentlich vertragen konnte. „Ja dann kann ich anschließend wieder nachhause rollen“, grinste sie und schob sich mit den Fingern ein Stück in den Mund. Clark tat es ihr gleich und an den Blicken, welche die beiden tauschten, war beiden anzusehen, dass sie sich doch sehr auf den morgigen Tag und Marthas Kochkünste freuten.
Nichtsdestotrotz waren die recht kleinen Pizzen schnell aufgegessen. Lois wischte sich mit einer Serviette den Mund ab, stand auf und wusch sich die Hände. Clark räumte im Handumdrehen den Esstisch ab und beide trafen sich wenige Minuten später im Wohnzimmer. „Oh … warte“, sagte Lois und verschwand im Flur, wo an der Garderobe noch immer das Geschenk darauf wartete, endlich ausgepackt zu werden. Mit beiden Händen versteckte sie es hinter ihrem Rücken, während sie sich wieder der Couch näherte, auf der es sich Clark in der Zwischenzeit gemütlich gemacht hatte. Mit hochgelegten Beinen lümmelte er dort, offenbar in der Absicht, für den Rest des Abends dort liegen zu bleiben. Neugierig legte er seinen Kopf in den Nacken, als er hörte, wie sich Lois ihm von hinten näherte. Sie suchte sich einen freien Platz auf der Couch und gesellte sich zu ihm. Sein Kopf folgte ihr abermals und er sah, wie sie ihm mit fröhlichem Lächeln hielt sie ihm die Santa-Tüte entgegen. „Frohe Weihnachten. Ich dachte, ich gebe es Dir jetzt schon, wenn wir noch Ruhe haben“. „Humm?“ Das war alles, was von ihrem Gatten zu vernehmen war, als dieser sich irritiert aufrichtete und wie automatisiert die Tüte entgegennahm. Von einem ungeduldigen „Na schau schon rein“ aufgefordert, tat er eben selbiges, griff kurz danach hinein und beförderte einen schwarzen, hölzernen Krawattenhalter zum Vorschein. „Oh?“ Lois nahm ihm sein Geschenk ab, um es ihm genauer zu demonstrieren. „Für Deine Krawatten“, erklärte sie. An dem schwungvoll gebogenen Haken hängte sie das gute Stück an ihrem Zeigefinger auf hielt es ihm vors Gesicht. „Du kannst ihn einfach an der Kleiderstange aufhängen und er ist um 360 Grad drehbar“.
Ein verhaltenes Lächeln zeigte sich auf Clarks Gesicht, als er sich sein Geschenk wieder zurückholte, um es sich genauer zu betrachten. „Das ist … praktisch“, nickte er. „Ja nicht? Das habe ich mir auch gedacht“. Lois lächelte ihn an und Clark schwante Böses. Weshalb er sich dann auch gleich verlegen am Hinterkopf kratzte. „Aber …“ Ein Räuspern folgte. „Haben wir nicht ausgemacht, dass wir uns dieses Jahr nichts schenken?“ Langsam, ganz langsam verschwand die Fröhlichkeit aus Lois‘ Gesicht, als ihr klar wurde, dass ihr Göttergatte ganz offensichtlich nichts für sie hatte. „Und da hast Du einfach nichts gekauft?“ Nichts zu schenken hieß doch lediglich, dass man sich nichts Großes, nichts Teures schenkte. Aber das hieß doch nicht wirklich NICHTS! Man schenkte sich dann eben etwas Praktisches, etwas man wirklich gebrauchen konnte. Oder eben etwas von Herzen. Aber man schenkte doch dann nicht einfach NICHTS!
Lois beobachtete, wie Clarks Kopf langsam zu nicken begann und hörte sein leises, vorsichtiges „Ja?“. Clark indessen sah, wie sich ihre Schultern senkten und sich ihre Lippen zu dieser süßen Schnute zogen, wie sie es immer taten, wenn Lois schmollte. Ein gefährliches Zeichen, das wusste er, fürwahr. Aber ebenfalls wusste er, dass es noch nicht zu spät war. Da war noch etwas zu richten. Also wirkte er gleich wieder selbstsicherer, richtete sich auf und erhob sich dann gänzlich von der Couch. „Nur weil ich nichts gekauft habe, heißt das nicht, dass ich nichts für Dich habe“, erklärte er und reichte ihr auffordernd seine Hand. „Zieh Dich an. Dein Geschenk wartet draußen auf Dich“.
Skeptisch griff Lois nach der ihr angebotenen Hand und stand ebenfalls auf, ging hinaus in den Flur und zog sich wieder an.
Nur wenige Minuten später spürte sie seinen festen Griff um ihre Taille, bevor sie sich in die Luft erhoben. Zum Glück hatte Lois ihre anfängliche Höhenangst überwunden. So etwas konnte man nicht gebrauchen, wenn man mit Clark Kent verheiratet war. So legte sie lediglich einen Arm locker um seine Schultern, eine Hand an seiner Brust, während sie immer höher und höher flogen.
Auf der eisernen Kugel des Daily Planet Gebäudes setzte Clark zur Landung an und Lois protestierte augenblicklich. „Oh nein, bitte nicht. Da komme ich doch gerade erst her“. Nach einem langen Arbeitstag konnte sie sich schöneres vorstellen, als wieder unmittelbar genau dorthin zurück befördert zu werden. Doch Clark machte eine ausladende Bewegung seines Armes über die Stadt hinweg. „Sieh Dir das an“. Und Lois sah es sich an. Sah den riesigen Weihnachtsbaum, der wie jedes Jahr an derselben Stelle, ganz in der Nähe des Daily Planet seinen Platz gefunden hatte, sah ihn funkeln und glitzern, bewunderte den goldenen Stern, welcher die Tanne krönte. Sie sah die vielen Lichter, weiß, golden, leuchtend und blinkend, die die Straßen durchzogen und die ganze Stadt in eine romantische Weihnachtswelt verzauberten. Die Menschen dort unten erschienen ihr so klein und hektisch. Genau, wie sie selbst noch an eben jenem Abend. Sie eilten durch die Straßen, um Busse und Taxen zu erreichen, die ihnen dann doch vor der Nase davonfuhren, suchten auf den letzten Drücker noch das perfekte Weihnachtsgeschenk, telefonierten oder stritten miteinander. Doch keiner von ihnen nahm diese atemberaubende, weihnachtliche Schönheit wahr, die Metropolis ihnen bereits seit Wochen bot. Das Einzige, was zu ihrem Glück noch fehlte, war Schnee. Oder vielleicht war es auch Glück, dass es eben nicht schneite. Denn sonst würden die Menschen wohl noch mehr schimpfen, Unfälle bauen und wieder schimpfen.
Verträumt lächelnd stand sie da, beide Arme um Clarks Körper gelegt, den Kopf an seiner Schulter ruhend. „Ach, Clark. Das ist wirklich ein schönes Geschenk“.
“Hey, Bobby…”
Als Robert Singer am Morgen des 24. Dezembers 1987 die Tür öffnete, wusste er bereits, dass ihn nichts gutes erwarten würden.
Nichts Gutes hatte jemals, jemals, an diese Tür geklopft und schon gar nicht in Form von John Winchester.
Bobby zog eine Augenbraue hoch, musterte den Veteranen vor sich kritisch und versuchte nicht auf die beiden kleinen Kinder zu achten, die neben ihm standen.
“Hey, John”, erwiderte er unwillkommenheißend und kurz.
Winchester war einen Moment im Begriff, mit den Augen zu rollen, entschied sich aber offensichtlich im letzten Moment anders und räusperte sich.
Scheinbar wollte er keinen Streit - und wenn das mal kein Warnsignal war.
“Das sind meine Jungs, Sam und Dean, ich hab dir von ihnen erzählt.” Während John das sagte, legte er die Hand auf den Kopf des größeren Jungen, das müsste dann Dean sein?, und wuschelte ihm durch die Haare.
Bobby folgte der Bewegung kurz, zog seine AUgenbraue weiter hoch und brummte zustimmen. Ja, John hatte von den Kindern erzählt.
John wartet noch einen Moment, ob eine weitere Reaktion von Bobby kommen würde, als dieser jedoch weiter stumm blieb, verdrehte John diesmal wirklich die Augen.
“Okay, Bobby, ich muss die beiden bei dir lassen.” Was?!
“Jungs, ihr bleibt ein paar Tage bei Onkel Bobby.” John legte die Hand zwischen Deans Schulterblätter und schob den Jungen damit einen Schritt vorwärts. Da Sam sich an seinen großen Bruder klammerte, wie ein Ertrinkender an einen Schwimmreifen, stolperte er mit.
Bobby betrachtete das Schauspiel verdattert, blickte einen Moment auf beiden Jungs, die mit großen Augen zu ihm auf sahen, als John sich auch bereits umdrehte und zu seinem Wagen ging.
“Hey!”, rief er ihm nach, schob sich an den Jungen auf seiner Veranda vorbei und ging diesem Bastard hinterher. “Hey!” Er riss an Johns Jacke, sobald er ihn genug eingeholt hatte, John stand bereits neben seinem Impala.
Ein viel zu schönes Auto für so einen Trottel.
John schnaubte hörbar, als er sich zu ihm umwandte.
“Bobby, ich habe einen Fall - ich kann die Jungs nicht mitnehmen.”
Bobby riss wütend beide Augen auf. “Und dann fällt dir nichts besseres ein, als sie hier zu parken? Ich bin doch keine Nanny! Morgen ist Weihnachten, du dummer Sack!”
Johns Gesicht verzog sich streng bei der Beleidigung, aber Bobbys wütender Blick übertrumpfte das.
“Es ist nur für ein paar Tage. Sie bekommen Geschenke, wenn ich wieder da bin.” Johns Augen glitten zu den beiden kleinen Gestalten, die immer noch auf der Veranda standen. “Dean ist schon acht, er versteht, dass das wichtig ist.”
“Und der andere?!”
John rollte mit den Augen: “Sam ist vier. Es wäre nicht so, als würde er sich daran erinnern.”
Bobby entgleisten die Gesichtszüge und vor Entrüstung schüttelte er den Kopf, bevor er die Worte ausspucken konnte: “Ja, wenn er vierundzwanzig ist, du vollendeter Idiot! Das dauert aber noch ein bisschen!”
John stöhnte genervt und drehte sich wieder zu seinem Auto.
“Dean kann auf Sam aufpassen, du wirst keine Schwierigkeiten mit den Jungs haben.” Er stieg ein und Bobby verschränkte wütend die Arme vor der Brust und machte seine Missbilligung mit jeder Faser seiner Körperhaltung klar.
Das schlimme war, ihm war klar, dass er verloren hatte. Die Jungs würden nicht wieder in diesen Wagen steigen, nicht jetzt. Sie würden hier bleiben.
Bei ihm.
Über Weihnachten.
“Danke, Bobby. Ich schulde dir was.”
“Da hast du verdammt Recht, Winchester!”
Er kickte ihm lose Steinchen hinterher, als John wegfuhr.
Und als er sich umdrehte standen die beiden Kinder immer noch vor seiner Haustür.
Dean hatte einen Arm fest um Sams Schultern geschlungen, der sich eng gegen seinen Bruder drückte, mit der anderen Hand hielt er einen Seesack, der mindestens so groß sein musste wie das Kind selbst.
Bobby konnte sich denken, dass nicht der beste Start war, aber er seufzte lang und entnervt.
Dieser verdammte Winchester.
Er hatte von der ersten Minuten, in der er ihn getroffen hatte, gewusst, dass dieser Bastard ärger bedeutet.
Dean schlang seinen Arm etwas enger um Sam.
“Entschuldigung, Mister Singer…”
Bobby atmete lang aus und schaffte es den Jungen an zu lächeln.
“Alles gut, mein Junge, aber dein Dad ist ein Idiot.”
Dean lächelte schüchtern.
In Bobbys Magen war ein kleiner Tropfen Wärme.
“Also, Jungs, rein, los.” Er scheuchte sie mit wedelnden Armen ins Innere.
~*~
Es war ein Desaster, aber das hatte Bobby ja schon ab dem Moment gewusst, indem es an der Tür geklopft hatte.
Sein Haus war doch nicht kindersicher!
In der Küche lagen offen Schusswaffen und rituelle Dolche, die Hälfte der offen herumliegenden Bücher. könnten einen töten wenn man die falsche Passage laut vorlas, im Backofen bewahrte er Tierknochen und giftige Kräuter auf und er wusste nicht mal mehr, wann er das letzte Mal sein Spülbecken ohne dreckiges Geschirr gesehen hatte.
Bobby rollte mit den Augen, als ihm dieser Umstand bewusst wurde - er würde das nächste Mal auf John schießen, wenn er ihn sah.
Aber immerhin hatte dieser Bastard mit einer Sache Recht behalten: Auch wenn es gruselig mit anzusehen war, Dean konnte sich wirklich gut um Sammy kümmern.
Kaum war Bobby hinter den Jungs ins Haus gekommen, hatte Dean bereits das Wohnzimmer sondiert, vorsichtig ein paar Bücherstapel und einen Stuhl beiseite geschoben und ein paar Spielsachen aus dem Seesack gezaubert.
Sam - offensichtlich weniger schnell damit, sich an die neue Umgebung anzupassen, stolperte unbeholfen seinem großen Bruder hinterher und hielt seine Hand fest, als Dean die Spielsachen auspackte.
Bobby lehnte sich mit gerunzelter Stirn in den Türrahmen und beobachtete das Schauspiel.
Die Spielsachen, die hervor kamen, waren eine Handvoll grüner Plastiksoldaten, vielleicht noch acht oder zehn - gab es die nicht eigentlich Eimerweise? -, ein ziemlich dünn gewordener Block, eine Schachtel Wachsmalkreiden und - als letztes - ein sehr zerrupft wirkender Stoffhase.
Bobby arbeitete seine Lippen gegeneinander, nickte dann aber und begab sich in die Küche.
Vielleicht hatte er noch Panzertape, um den Backofen zu zu kleben - und er sollte die Waffen wegräumen.
Er räumte etwas in der Küche umher, immer wieder einen Blick über die Schulter werfend - Kinder hier zu haben war merkwürdig. Aber Sam saß auf dem Boden, den Arm um den Stoffhasen geschlungen und malte die letzten freien Flecken eines bereits ziemlich verschmierten Blattes aus.
Kaufte John den Kindern denn keine neuen Spielsachen?
Bobby rollte mit den Augen. Na ja - er lud die Kleinen ja auch an Weihnachten bei einem Fremden.
An Weihnachten. An Weihnachten!
An Weihnachten.
Bobby hielt mitten in der Bewegung inne und runzelte die Stirn.
Sollte er etwas tun? Er war niemand der Weihnachten feierte. Er hatte es schon kaum beachtet, als seine Frau Karen noch am Leben gewesen war, aber nach ihrem Tod hatte er keinen Gedanken mehr an dieses unsinnig blinkende Fest verschwendet.
Er schüttelte energisch den Kopf.
Wieso sollte er auch?
Das waren ja wohl nicht seine Kinder, es waren Johns Kinder. Es war Johns Aufgabe, einen verdammten Christbaum zu besorgen und ihnen Geschenke zu kaufen und - und - un-
“Mister Singer?”
Bobbys Blick sackte nach unten zu dem Quell der Stimme und er erblickte den kleinen Dean. Verdammt, er war so winzig. Seine Lippen bewegten sich gegeneinander und er seufzte ergeben. “Bobby”, korrigierte er dann und legte die Pistole, die er gerade in der Hand hatte, in den obersten Küchenschrank.
Er bemerkte, dass Dean der Bewegung mit den Augen folgte.
Dean nickte, räusperte sich und korrigierte sich: “Bobby. Darf ich Sammy was zu essen machen?” Das Kind drehte sich und beobachtete Sammy, der immer noch auf dem Boden kauerte und versuchte, möglichst viele kleine Kreise oder Sternchen oder wasauchimmer in die freien Ecken des Blattes zu kritzeln.
“Und… können wir…“ Dean rieb sich mit den viel zu kleinen Händen den viel zu dünnen Oberarm. Der Pullover war ihm doch mindestens zwei Nummern zu groß. “Können wir vielleicht den Kamin anzünden?”
Deans Augen leuchteten einen Moment fast aufgeregt, offene Feuer hatte Bobby als Kind auch immer toll gefunden, bevor der Kleine seine Miene ordnete und wieder etwas schüchtern wirkte.
Bobby lächelte leicht.
Der warme Tropfen in seinem Magen wurde zu einer kleinen Blase Wärme.
“Klar, Junge, machen wir. - Lass mich nur schauen, was wir für Sammy und dich zu essen haben.”
Das Ergebnis:
Eine Dose Tomatensuppe - für Dean und Sammy offensichtlich vollkommen ausreichend und befriedigend (Gottverdammt nochmal, John!), aber nicht genug für die Weihnachtsfeiertage.
Nachdem Dean mehrfach (und erschreckend glaubwürdig) versichert hatte, dass er ein paar Stunden auf Sammy aufpassen konnte - und Bobby sicher sein konnte, dass sie keines der Bücher anfassen würden. Oder die Kräuter, die Amulette, Münzen, Kerzen, Papiere, Pulver - er musste aufräumen - entschied er, dass e in Ordnung wäre, kurz in den Supermarkt zu fahren.
Aufräumen würde er später machen müssen, wenn er in den Laden wollte, bevor der zumachte.
~*~
Der Einkauf war eskaliert und er grummelig und genervt deshalb.
Bobby schob die Tür hinter sich mit dem Fuß zu und stampfte durch den Flur.
“Jungs?”, rief er in das - viel, viel, viel zu Stille Haus - und erstarrte einen Moment, als er keine Antwort bekam.
Bobby stellte die Tüten wenige Schritte vom Eingang ab und blickte mit mehr Sorge, als er zugeben würde, in das Wohnzimmer.
Dort lagen die beiden Quälgeister und Bobbys Augen wurden einen Moment weit, als er umher blickte, um zu sehen, ob irgendetwas Verdächtiges in ihrer nächsten Nähe lag.
Aber dann schnarchte Dean leise und Bobby hätte beinah lauf aufgelacht.
Bobby schüttelte den Kopf, kratzte sich unter dem Truckerhat an der Stirn und entschied sich dann, erstmal die Einkäufe zu verräumen.
Kam ihm gerade Recht, dass die Kleinen schliefen. Dann konnte er wenigstens in Ruhe alles wegräumen.
Als er damit fertig war und wieder in das Wohnzimmer kam, hob er die beiden hoch, Sammy links auf seiner Schulter ruhend, Dean rechts, und trug sie die Treppe nach oben.
Sammy kuschelte sich bei dem Weg nach oben an ihm.
Die warme Blase in seinem Bauch wurde wärmer.
Sobald er die Beiden in einem Schlafzimmer ins Bett gelegt hatte (das bisschen Staub in den Lacken würde ihnen schon nicht schaden, das stärkte die Abwehrkräfte), ging er wieder nach unten. Die Spielsachen lagen noch verstreut auf dem Boden und Bobby atmete einmal tief, aber deutlich genervt durch, ehe er sich bückte - er war zu alt für diesen Scheiß - und die paar grünen Soldaten zusammen sammelte und die Kreiden in die Box zurück schob. Gerade hob er den Stoffhasen auf, vermutlich wäre der besser bei dem kleinen Sammy aufgehoben, als auf dem Fußboden, als fiel ihm auf, dass der Block eine neue Seite zeigte.
Eine sehr kindliche Zeichnung von einem Weihnachtsbaum, zackig und dreieckig mit großen, bunten Kugeln, einem goldenen Stern auf der Spitze und wilden roten Linien. Davon ausgehend, dass es wohl Lametta war und kein Blut darstellen sollte, war das Bild tatsächlich niedlich.
Daneben waren zwei kleine Figuren, mit minimalem Größenunterschied und eine etwas größere, mit einer - Pfanne? auf dem Kopf.
Darunter stand, in der krakeligen Wachsmalkreidenschrift eines Achtjährigen: “Unser Weihnachten 1987”
Die warme Blase in seinem Bauch zerplatzte und seine Zehen kitzelten in der Wärme und er spürte sie in seinem Hals, wie kleinen, fliegenden Funken eines zerborstenen Holzscheites im Kamin.
Er hasste diese Kinder.
Er fuhr nochmal los.
~*~
“Jungs!”, donnerte er am nächsten Morgen die Treppe hoch. “Aufstehen!” Eine kurze Pause. “Putzt eure Zähne!”
“Ja, Bobby!”, erscholl es im Kanon von oben und er hörte kleine, nackte Füße über den Boden tapsen.
Er zuckte fast zusammen, ehe er hinterher setzte: “NICHTS IN DER BADEWANNE ANFASSEN!”
“JA, BOBBY!”
Bobby lachte leicht, Idioten. Diese Kinder waren jetzt schon hoffnungslose Fälle.
Er ging zurück ins Wohnzimmer und betrachtete nochmal sein Werk, ehe er sich zu nickte, das letzte Buch über Vampirlegenden, das er gelesen hatte, zu klappte und ins Regel schob, und sein Glas Eggnog vom Kaminsims nahm.
Wenn er das schon mitmachen würde, dann nicht ohne flüssige Unterstützung.
Er setzte sich auf die Couch, die er auch erst mühsam freiräumen hatte müssen und nippte an seinem Getränk. Für die Jungs warteten diese widerlich schrecklichen - Bobby hatte eine Handvoll probiert - Lucky Charms und heiße Schokolade auf dem Fußboden. Angeblich aßen Kinder das ja.
Kaum einen Moment später, eigentlich so schnell, dass sich Bobby ernsthaft fragte, wie gut das mit dem Zähneputzen funktioniert hatte, trippelte das Duo der kleinen Füße seine Treppe hinab.
Zugegeben, er wurde nicht enttäuscht:
Als Sam und Dean in das Wohnzimmer traten, blieben beide wie vom Donner gerührt stehen und starrten in den Raum, der sich seit gestern so sehr verändert hatte, dass sogar Bobby Orientierungsschwierigkeiten hatte.
Er hatte den alten Plastikweihnachtsbaum aus dem Keller geholt, neben dem Kamin aufgestellt und geschmückt. Es war bestimmt keine Schönheit, aber er besaß einen goldenen Stern auf der Spitze, genau wie der von der Zeichnung.
Im Kamin brannte ein lichterlohes Feuer, die Zeichnung thronte auf dem Kaminsims und unter dem Baum (aber etwas näher an der Couch als am Kamin) standen ein paar Kleinigkeiten:
Ein Teddybär mit großer roter Schleife, ein Eimer mit grünen Plastiksoldaten und eine Spielesammlung für unterwegs, mit so einem Spielbrett mit Rand, damit man auch in einem Auto damit spielen konnte.
“Dean!”, Sammys kleine, piepsige Stimme - und Bobby wurde bewusst, dass er sie gerade zum ersten Mal richtig hörte - schwirrte aufgeregt durch den Raum. “Dean!, Dean, der Weihnachtsmann hat uns doch gefunden!”
Bobby verschluckte sich beinah seinem Eierlikör, denn wenn nicht Sams Äußerung war mindestens Deans fassungsloses Gesicht goldwert.
Es dauerte offensichtlich einen Moment, bis Dean die Situation verarbeiten konnte und ein breites, großes Grinsen erschien auch auf seinem Gesicht.
“Das müssen wir Dad erzählen!”
Bobbys Lachen wurde etwas schräg, aber er sagte nichts dazu. Dass der Weihnachtsmann die beiden gefunden hatte, war im Endeffekt die bessere Alternative. ansonsten hatten sie ja nur einen Dad, der sie an Weihnachten bei einem stadtbekannten Trinker ablud.
Bobby räusperte sich und nickte deutlich beeindruckt, während er den Baum und den Kamin betrachtet.
“Aber wirklich, Jungs. Ich wusste gar nicht, dass der weiß, wo ich wohne! Ihr müsst sehr brav gewesen sein.” Er stupste den Eimer mit Spielzeugsoldaten mit dem Fuß an. “Immerhin hat er sogar Geschenke gebracht!”
Er bemerkte das Zucken in den Beinen, die großen, leuchtenden Augen, als er die Aufmerksamkeit der beiden auch auf die Geschenke lenkte.
Innerlich seufzte er: Er hatte das nicht durchdacht.
Eigentlich wäre es wohl verantwortungsvoller gewesen, die beiden erst Frühstücken zu lassen, oder?
Aber er wollte die vor Aufregung fast platzenden Gestalten nicht noch mehr auf die Folter spannen.
“Na kommt, packt schon aus.”
Das brauchte er nicht zweimal sagen.
Sam und Dean stürzten sich förmlich auf die Geschenke: Sam ging sofort in neuer Liebe zu dem flauschigen Teddybären auf und Dean griff begeistert in das Meer aus grünen Soldaten in dem Eimer.
“So viele, schau mal, Sammy!”
Bobby lächelte und nahm noch einen Schluck Eggnog.
Er machte ein Foto, für euren Dad, brachte Dean Dame spielen auf dem Reisespielbrett bei und kämpfte mit Dean und den grünen Soldaten gegen den Angriff des Riesenteddys und seines gefährlichen Gefährten - dem Salzkaninchen (warum es ein Salzkaninchen war, wollte Bobby nicht wissen, der Teddy hieß aber Mr Fluffyhug - oder Mr Superrobotteddy, je nach dem welchen der beiden man fragte).
Bobby machte weitere Fotos an diesem Tag, die John niemals zu Gesicht kriegen würde.
Er grillte Würstchen über dem Kaminfeuer, brachte den Jungs bei wir man Smores machte (auch wenn es noch so furchtbar schmeckte) und brachte ihnen bei wie man Lucky Charms mit dem Mund fing.
Um am Ende des Abends, als er auf dem Boden saß, den Rücken am Sofa und zwei kleine, schlafende Jungs an seiner Seite, im Licht des langsam schwindenden Feuerscheins, musste er sich eingestehen, dass die Wärme, die ihn ganz und gar ausfüllte, nicht nur von dem Kamin kam.
A/N: Nach langer Zeit mal wieder eine Fanfiction, die im Rahmen des Adventskalenders 2020 unter dem Thema "Driving home for christmas" entstanden ist. Concrits Welcome
Driving home for christmas
Vor dem Fenster des kleinen Cottage rieselten große Schneeflocken zu Boden, die sich nach und nach zu einer ebenen, silbrig glitzernden Decke vereinigten, die den Rasen des kleinen Gartens unter sich bedeckte. Der Winter hatte Einzug in Godrics Hollow gehalten und hüllte das Dorf in ein gezuckertes Kleid. Es war kaum zu glauben, wie friedlich es hier wirkte, wo es doch alles andere als das war.
Die Zeiten waren äußerst dunkel geworden. Kaum ein Tag verging, ohne die Vermisstenmeldung eines liebenden Anverwandten, eine Traueranzeige eines Ordensmitglieds oder Schlagzeilen von Terrorangriffen auf Muggelhotspots. Unsicherheit und Angst lag in der Luft und keiner fühlte sich mehr sicher. Doch ihre Angst machte keinen Halt vor der eigenen Sicherheit. Schlimmer noch als alles andere war das Gefühl, keinem mehr trauen zu dürfen. Jeder konnte in dieser Zeit ein Spion für die eine oder die andere Seite sein (sie wie er es selbst mittlerweile für den Orden geworden war) oder schlimmer noch, unter dem Imperiusfluch stehen. Nur konnte man einem Mensch nicht ansehen, ob und aus welchem Grund er zum Opportunist geworden oder ob er verhext geworden. Vielleicht war aber auch gar nichts von beidem der Fall, sodass man nicht nur Gefahr lief, verraten zu werden, sondern auch mit dem eigenen Misstrauen Beziehungen und Freundschaften zu gefährden.
Obgleich es Remus in den letzten Monaten, die er im Rudel verbracht hatte, immer schwerer fiel, Dinge zu finden, die ihn bei Kräften hielten, schätzte er sich doch froh, dass es in seinem Leben noch jene Menschen gab, für die sich all das lohnen würde. Das letzte Mal, dass er sich glücklich gefühlt hatte, war allerdings schon eine kleine Ewigkeit her und langsam glaubte er, es nicht mehr wirklich fühlen zu können. Umso wichtiger war dieser Tag. Er musste hier endlich weg. Keinen einzigen Tag hielt es länger in diesem dunklen, kalten Wald aus. Keinen Tag länger wollte er sich weiterhin einer Prüfung nach der anderen unterziehen müssen, mit Hilfe derer ihn Greyback auffliegen lassen wollten. Einen einzigen Tag musste er hier weg und glücklicherweise bot Greyback ihn den richtigen Anreiz: eine Patrouille. Der Gedanke, dass es eine Falle hätte sein können, war auch ihm gekommen. Doch bisher hatte Remus nichts entdecken können – gefolgt war ihm offenbar keiner und eigentlich wunderte es ihn nicht einmal, denn die wenigsten Rudelmitglieder taugten zu mehr, als zum reißen ihrer Beute.
So schnell es eben ging, hatte Remus so viel Distanz wie möglich zwischen sich und denn Forest of Dean gebracht. Durch mehrmalige, zufällige Ortswechsel hatte er seine Spur verwischt, ehe er nach Godrics Hollow gekommen waren. Doch selbst hier hätte ihn vermutlich keiner erkannt, sah er dem jungen Zauberer mit den intelligenten Augen, der einst als Vertrauensschüler mit Bestnoten in Hogwarts abgeschlossen hatte schon länger nicht mehr ähnlich. Seine Augenringe war dunkler und tiefer geworden, sein Haar dunkler vom Schmutz, seine Haut fahler, bleicher und gezeichneter von den Narben und den Anstrengungen der Verwandlungen. Erst kürzlich war einer neue Narbe über seinem rechten Augen hinzu gekommen – die Retourcouche eines Betawolfes, der Remus nach wie vor nicht über den Weg traute.
Remus stellte den Kragen seines Mantels auf, ehe er das kleine Tor vor dem Haus der Potters aufschob und in den weiß geglänzten Vorgarten trat. Als er jedoch vor der kleinen Tür stand, hielt Remus inne. Es war ein merkwürdiges Gefühl, nach Hause zu kommen. Zweifel kochten in ihm auf: Wenn er nun doch aus Eigennutz Gefahr anschleppte? Einige Minuten später kam wieder Leben in seine von Panik erstarrten Knochen und statt zu Klopfen, schlich er um das Haus herum. Eine dumme Idee war das und dennoch warf er hier und da einen Blick durch die von Eisblumen verzierten Fenster.
Gleich sein erster Blick fiel in das Wohnzimmer des kleinen Cottages. Es wirkte so vertraut, waren sie doch früher oft hier gewesen – auch als Euphemia und Fleamont noch am Leben gewesen waren. Wie sie gemeinsam geflachst und gelacht hatten, um für ein paar Momente die Grausamkeiten des Krieges vergessen zu dürfen. Doch irgendwie fühlte es sich auch an, als warf er einen Blick in ein altes, ein anderes Leben. Just in diesem Moment vernahm er den gedämpften Schrei eines Säuglings und nur kurz darauf betrat Lily mit einem Spucktuch über der Schulter und Baby Harry auf dem Arm, das Zimmer. Etwas verzweifelt schien sie damit beschäftigt zu sein, ihren Sohn zu beruhigen und lief deshalb wippend durch das kleine Zimmer.
Ein warmes Lächeln schob sich bei diesem Anblick auf Remus Gesicht. Lily sah trotz allem gut aus – und gesund. Und Harry – sah er ihn nicht gerade zum ersten Mal? Den Sohn seines besten Freundes und der Frau, die er so viele Jahre lang versucht hatte, davon zu überzeugen, dass er doch kein so schlechter Typ war.
Da war es – ein kleiner Lichtblick; etwas Gutes in dunklen Zeiten.
Remus riss sich von dem Anblick los und lief weiter, um das Haus herum zum nächsten Fenster. Der Trubel drang bereits aus den inneren der Küche heraus, sodass vermutlich sogar die Nachbarn der Potters mitbekamen, dass deren Küche im Chaos versank. Offenbar stand im Kern des Trubels ausgerechnet ein armer, toter Vogel, der in einem mitleidserregend in seinem Bräter lag und von Sirius und James angestarrt wurde, als würde er allein dadurch gar werden. Remus Herz machte einen kleinen Hüpfer als er Sirius anhand seiner wilden Strubelfrisur erkannte, die er neuerdings offenbar unter zur Hilfenahme seines Zauberstabs bändigte.
Wie lange hat er ihn nicht mehr gesehen?
Remus vermochte es kaum mehr zu sagen.
„Sollten wir nicht… Lily holen?“, fragte eine unsichere, pipsige Stimme vom Küchentisch aus. Erst jetzt fiel Remus auf, dass Peter ja auch noch da war. Manchmal war es beängstigend wie wenig Peter doch auffiel – das hätte ihn von ihnen allen wohl noch zum besten Spion gemacht.
„Ah pff… wir haben hier ein Rezept. Das schaffen wir“, wunk Sirius ab, ohne sich Peter zu zuwenden. Remus schwante Böses bei der Aussage. Seines Wissens nach, war Kochen weder Sirius noch James Stärke.
Sirius fuhr fort, den Vogel anzustarren.
James auch.
„Müssen wir da noch was… reinstecken?“ fragte James etwa unsicher und legte den Kopf leicht schief.
„Wir haben immer Pflaumen reingemacht. Und Äpfel!“ fiebte Peter so leise, dass Sirius und James es auf Garantie überhören würden. Ein Babyschrei drang in den Küche, sodass sogar Remus es hören konnte.
„Hier steht was von… Äpfeln… und Backpflaumen. Was beim Merlin sind ‚Backpflaumen‘?“ fragte Sirius zweifelnd, der mittlerweile doch mal die Nase ins Buch gesteckt hatte. Remus schritt weiter zu einer kleinen Tür. Kurz klopfte er und…
… spürte in nächsten Moment, wie ihn etwas mit großer Wucht im Gesicht traf. Erst bekam er den brennenden Schmerz seiner Wange mit, dann schmerzenden Kälte und Wassertropfen, die seinen Hals hinab liefen. Kurzum riss Remus die Augen:
Ein Schneeball?
Überrascht stellte Remus fest, dass es dunkel war… und kalt. Noch ehe sich seine Augen an die Lichtverhältnisse gewöhnt hatte, hörte er den grauenvoll Vielklang eines dreckigen, wiehernden Lachens. Dann traf ihn ein zweiter Schneeball – heftiger noch als vorher. Mühevoll rappelte sich Remus auf und blinzelnde die beiden Todesser böse an, ehe er nicht nur den Schnee, sondern auch seinen Traum abschüttelte. Sauer stellte er den Kragen seines Mantels auf und desapparierte außer Sichtweite der beiden.
Daraufhin rückte er den Zauberstab und flüsterte „Incarcerus“. Aus dem Nichts erschienen einige Seile, die sich fest um Schultern, Arme, Rumpfe, Oberschenkel, Knie und Füße der beiden Schneeballschießer schlingen und sie somit zu Fall brachten.
„Silencio“, schob Remus nach und verhinderte somit alarmierender Schreie.
Daraufhin desapparierte Remus ein letztes Mal – diesmal nach Godrics Hollow.
Deans Hand fuhr energisch über seine Haare, um die bereits schmelzenden, verirrten Schneeflocken daraus zu entfernen, sobald er die Glastüren des Motels durchquert hatte.
„Gottverdammtes Wetter“, fluchte er und zog energisch an dem Kragen seiner Lederjacke, um auch dort die bereits geschmolzenen Flocken zu entfernen, aber sie hatten ihre molekulare Integrität bereits eingebüßt und flossen als kleine Tropfen über seine Schultern.
Cas, der hinter ihm das Motel betreten hatte, schien von dem Wetter – oder den Schneeflocken – nicht im mindesten berührt worden zu sein. Nein, Cas war sein ruhiges, leicht absonderlich wirkendes, geordnetes, unangeschneites Selbst.
Typisch.
„Ich denke nicht, das Chuck etwas mit dem Wetter zu tun hat, Dean.“
Der Jäger verdrehte mit einem tiefen Atemzug die Augen, presste die Lippen kurz gegeneinander und entschied, dass das kein Kampf für heute Abend war. „Ja, Cas. Was immer du sagst. – Lass uns ein Zimmer organisieren.“
Er hörte ein zustimmendes Brummen von Cas und warf ihm einen warnenden Blick über die Schulter zu den Cas – was ihn überraschte – tatsächlich verstand: Zumindest hob der Engel ergeben die Hände, um zu zeigen, dass er das Thema ruhen lassen würde.
Dean bemerkte das zufriedene Lächeln dennoch, schnaubte ein leises Lachen, das er mit einem Augenrollen kaschierte und wandte sich der Rezeption zu.
Das nicht von Chuck verdammte Wetter hatte sie überrascht. Als sie aus dem Keller der Kirche wieder herausgekommen waren – Ghuls beseitigt, Problem gelöst – hatte es bereits angefangen zu schneien.
Dean war der Ansicht gewesen, sie könnten zumindest noch die Hälfte der Strecke zurück nach Lebanon schaffen. Cas hatte mehrfach angemerkt, das Dean lieber nicht mehr fahren sollte; Nach der Anstrengung einer Jagd und angesichts der späten Stunde. Aber Dean war stur geblieben, was nicht hieß, das Cas nicht weiter gebohrt hatte, sie sollten Dean lieber ein Motel suchen, damit er sich ausruhen konnte.
Auf der Höhe von Garrison, North Dakota, war der Schneefall zu dicht und die Straßen zu glatt geworden – und Dean hatte zugeben müssen, dass der Engel Recht hatte. Heute würde sie nicht weiter kommen.
Also hatte Dean Baby auf den Parkplatz des nächsten Motels gelenkt. (Das selbstgefällige Grinsen dieses geflügelten Arsches war ihm dabei nicht entgangen.)
Die Augen des Jägers glitten einmal routiniert durch die Lobby und die jahrelange Erfahrung im Bereich Motels der Vereinigten Staaten von Amerika und was Sie zu erwarten haben verriet ihm, dass es sich hierbei zumindest nicht um eine der billigsten Absteigen handelte.
[size=small]Die Lobby war warm, freundlich und sauber. In einem Kamin, der von ein paar Sofas und kleinen Tischen eingekreist war, brannte ein Feuer. Alles war weihnachtlich geschmückt und es gab sogar einen kleinen Christbaum mit verpackten Deko-Geschenken in der Ecke. Über Lautsprecher in den Ecken spielten klassische Weihnachtslieder – wenigstens nicht WHAM! oder dieser Mariah Carey-Scheiß.
Dean verzog das Gesicht annähernd beeindruckt.
Wenn schon nicht mit dem Wetter, hatten sie wenigstens hier etwas Glück.
Es dauerte nur ein paar Augenblicke, bis er für Cas und sich ein Zwei-Bett-Zimmer geordert hatte.
„Sehr gerne, der Herr. Anlässlich der Feiertage erhalten unsere Gäste eine Kanne Eggnog oder alkoholfreien Weihnachtspunsch für Ihr Zimmer. Was darf…-„
„Eggnog.“
Dean erhielt ein wissendes Lächeln von dem Rezeptionisten und er erwiderte es freundlich. Kaum einen Augenblick später hatte er den Schlüssel mit dem großen, goldenen Plastikanhänger und der römischen Zahl XIII darauf entgegen genommen und hob ihn hoch, sodass Cas ihn sehen konnte.
„Okay, lass uns gehen. Ich brauch noch ein paar Schokoriegel vom Automaten und dann“ – Dean zog mit beiden Händen eine flache Linie – „Feierabend, Cas. Wir trinken Eggnog, essen Schokolade und ziehen uns einen Film rein.“
Dean wartete einen Moment auf eine Reaktion von dem Engel, aber Cas nickte nur, den Kopf zur Seite gelegt und immer noch leicht lächelnd. Offensichtlich hoch zufrieden, dass Dean doch Halt gemacht hatte.
Weirdo.
Der Jäger lächelte einen Moment warm bei dem Anblick, verdrehte dann aber schnell die Augen, um sich aus der Situation zu ziehen und schob den Riemen des Seesacks weiter auf die Schulter. Dean nickte dann hinter sich, zum Gang hinter der geöffneten Schiebetür.
„Komm, lass uns gehen.“
„… Hier!“ Dean nickte zu der Tür, vor der er gerade zum Stehen gekommen war und schob sich den letzten Bissen Schokoladenriegel in den Mund, während er mit der nun freien Hand in der Jackentasche nach dem Zimmerschlüssel wühlte.
Cas folgte ihm, den Blick bedächtig auf einen anderen Schokoriegel gerichtet, den er in der Hand hatte.
„Dean, ich bin mir nicht sicher, ob das wirklich eine angemessene Mahlzeit ist. Betrachtet man deinen Kalorienbedarf des heutigen Tages, müsstest du mindestens fünf Stück essen, um auf ein ebenes Level zu kommen. Bei der Menge an Zucker, Geschmacksverstärkern und genveränderten Aromastoffen, denke ich aber nicht…“ Cas sah gerade auf, als Dean den Schlüssel aus der Tasche zog, und im Begriff war, einen Schritt nach vorne zu machen, um die Tür aufzusperren.
Dazu kam er allerdings nicht mehr. „Dean! Pass auf!“, kam es energisch von Castiel, als er auch schon Dean am Kragen der Lederjacke packte und ihn energisch nach hinten zog.
Dean fiel durch den Ruck mit einem strangulierten Laut nach hinten. Der Seesack fiel von seiner Schulter und landete mit einem dumpfen whumps auf dem Boden, während er selbst von Castiel’s Schulter gestützt zum Stehen kam.
In einer schnellen, routinierten Bewegung griff Dean nach seiner Pistole.
Seine Augen checkten routiniert die Umgebung, zumindest die, die er – immer noch an Cas‘ Schulter gelehnt – einsehen konnte. Aber er fand keine Gefahrenquelle.
Dean sah mit angespannt gerunzelter Stirn zu dem Engel, um einen Hinweis auf das Problem zu erhalten, und folgte letztendlich seinem Blick.
Der eisern auf den Türrahmen des Hotelzimmers gerichtet war.
War an der Weihnachtsdekoration – eine grüne Girlande mit ein paar rot glänzenden Kugeln und zentriert ein Mistelzweig mit roter Schleife – irgendwas gefährliches, das ihm entgangen war?
Seine Augenbraue zog sich nach oben, er blickte wieder zu Cas. Zurück zur Dekoration. Zu Cas. Zur Dekoration?!
Gerade, als er den Engel darauf ansprechen wollte, wurde ihm bewusst, dass Cas den Arm um ihn geschlungen hatte, und ihn festhielt, wohl in dem Impuls, um ihn zu stützen.
Sobald sich Dean dieser Nähe bewusst wurde, fiel es ihm schwer, an etwas anderes zu denken; Und sei es eine unmittelbare Gefahr in Form von übernatürlicher Weihnachtsdekoration.
Diesen einen Moment konnte er nur daran denken, wie Cas‘ Hand genau in der kleinen Kurve seiner Taille lag und wie gut sie dorthin passte, wie sein Gesicht so nah an seinem war, dass er seinen Atem beinah an seinem Kinn spüren könnte. Er könnte die Bartstoppeln zählen, wenn er wöllte. Er sah den feinen Schatten des angespannten Wangenmuskels und die dünnen Fältchen um Castiel’s nachdenklich zusammengekniffene Augen und die zu einem schmalen Strich zusammengepressten Lippen.
Dean brauchte ein paar Herzschläge, bis er bemerkte, wo seine Augen hängen geblieben waren und er zog sich fast ruckartig aus der halbseitigen Umarmung.
„Was zur Hölle, Cas?!“, zischte er und ordnete seine Jacke, primär um etwas anderes zu tun zu haben, etwas anderes, auf das er seine Augen legen konnte.
Er räusperte sich streng, sortiere sich und blickte den Engel dann forschend an. Immerhin hatte er noch keine Antwort bekommen.
Nach wie vor nicht.
Der Jäger zog beide Augenbrauen hoch und machte eine ausladende Geste.
„Cas?! Möchtest du mich teilhaben lassen?“
Castiel’s Augen lagen nach wie vor auf der Türdekoration und nur langsam drehte er sein Gesicht zu Dean, sein Blick folgte einen Moment später.
„Es hängt ein Mistelzweig über der Tür.“
Die Selbstverständlichkeit dieser Aussage half nicht wirklich, um Deans leicht peinlich berührte Verwirrung zu schlichten.
„…Ja?“, hakte er nach, nachdem ihm klar war, das die Erklärung für Cas aussagekräftig genug gewesen war.
„Sam hat mich davor gewarnt.“
Dean zog beide Augenbrauen hoch, während er einen Moment die Antwort verarbeitete: „Sam hat dich –? Was?“
Cas legte den Kopf leicht schief, während er Dean anblickte.
„Sam sagte, bevor wir losgefahren sind, ich solle aufpassen, dass wir nicht unter einen Mistelzweig geraten.“
Dean konnte spüren, wie seine Wangen heiß wurden. Sobald er wieder im Bunker war, würde er Sam eine rein hauen.
Er knetete die Lippen einmal gegeneinander, ehe er sich mit der Hand fest über das Gesicht fuhr.
Cas Kopf kippte noch etwas weiter zur Seite. „Ich wollte dich beschützen“, setzte er hinterher und kniff nachdenklich die Augen zusammen, wie so oft, wenn er Deans Reaktionen nicht ganz verstand.
„Cas“, Dean begann mit mühsamer Ruhe. Sam, dieser Arsch. Er würde ihn umbringen. „Mistelzweige sind nicht gefährlich.“
Er rieb sich leicht die Augen und wusste ohne hinzusehen, dass Cas für einen Widerspruch den Mund öffnete.
„Aber Sam sagte...“
„Das war ein Witz, okay?“
Cas runzelte die Stirn: „Was ist an gefährlichen Mistelzweigen lustig?“
Er würde Sam häuten.
Dean schnaubte und schüttelte leicht den Kopf. In seinen Wangen brannte immer noch eine peinliche Hitze. Er wollte diese Diskussion wirklich nicht ausgerechnet mit Cas führen (und verflucht nochmal; Sam wusste das!).
„Sie sind nicht gefährlich und das war ein Witz, weil–“, Dean brach ab, fuhr sich mit der Zunge über die Lippen und blickte lieber zu dem Mistelzweig, als zu Cas. „Das ist ein Brauch, eine Tradition, okay? Wenn man sich unter einem Mistelzweig trifft – na ja – dann küsst man sich. Er hat einen Witz gemacht. Vergiss es.“
Dean versuchte die Situation mit der Hand wegzuwischen, aber er sah bereits an Cas‘ Gesichtsausdruck, dass das nicht funktionieren würde.
„Oh…“ Cas‘ Kopf legte sich auf die andere Seite, während er den Mistelzweig sondierte. „Warum?“
Deans Lider fielen über seine Augen, um einigermaßen zu verbergen, dass er damit rollte.
„Keine Ahnung, Mann.“ Dean zuckte mit den Schultern und versuchte erneut mit einer ungeduldigen Geste die Situation weg zu wischen, während er sich bückte um den Seesack wieder aufzuheben. „Man macht es einfach. Ich meine, Küsse unter einem Mistelzweig sind Tradition – das ist toll.“ Wieso redete er eigentlich weiter?! „Aber!“, er hob fast warnend den Finger, während er sich wieder fragte, wieso er eigentlich immer noch redete?!, „natürlich nur mit Einverständnis. Mistelzweige sind keine Entschuldigung für Belästigungen, Cas, nicht vergessen.“
Ja, das hatte er gut gerettet. Die Spielregeln hatte er gut erklärt.
Dean nickte, grinste möglichst breit aber etwas gestellt, um der Absurdität wenigstens oberflächlich etwas Humor abzugewinnen, und schlug Cas dann kumpelhaft auf die Schulter.
Dean klopfte seine Jacke ab, um den Schlüssel zu finden, bis er bemerkte, dass jener bei Cas‘ abrupter Aktion auch heruntergefallen war, bückte sich und hob ihn auf.
„Möchtest du unter einem Mistelzweig geküsst werden?“
Dean hätte den Schlüssel beinah wieder fallen gelassen, konnte ihn aber gerade noch festhalten. Er würde Sam in die Kniescheiben schießen.
Als sich Dean zu Castiel umwandte, um die Frage zu beantworten, lächelte er bereits sortiert und breit.
„Klar, Cas. Das ist Tradition. Ich meine, wer will das nicht?“
Witzig, in dem Licht in Flur wirkten Cas‘ Wangen beinah pink, als er nachdenklich nickte, den meerblauen Blick immer noch auf dem Mistelzweig.
Dean nickte ebenfalls, primär um irgendwie zu reagieren und begann etwas auf seiner Unterlippe zu kauen: Vielen Dank für das angenehme Gespräch, Sam!
Er schüttelte leicht den Kopf, während seine Finger den Schlüssel in das Schloss schoben.
Gerade, als er die Tür aufsperren wollte, lag Castiel’s Hand auf seiner Schulter und er drehte sich wieder zu ihm um.
Dean wusste kaum richtig, wie ihm geschah.
Er spürte die warme Hand an seinem Gesicht, wie Castiel’s angenehm rauer Handballen sanft über seine Wange strich, ehe sich Castiel’s Lippen auf seine legten.
Sie waren weich und süß und Dean merkte nicht einmal, wie der Seesack erneut von seiner Schulter rutschte, als er mit sanftem Nachdruck gegen die Tür geschoben wurde.
Stattdessen fühlte er Cas‘ Arm, wie er sich unter seine Lederjacke schob und um seine Taille schlang, den festen Körper nah und unmittelbar an seinem eigenen und die Lippen, so warm und weich und süß, wie sie sich gegen seine bewegten.
Die erste Millisekunde der Ungläubigkeit wurde überrollt von einem hellen, heißen Glücksgefühl, das aus seiner Brust seinen Hals hinauf stieg, bis in seine Wangen und keinen Platz ließ für Überraschung oder Fragen oder Nervosität.
Stattdessen erwiderte er den vorsichtigen Kuss mit einem Seufzen, ließ seine Hände einen Platz in Castiel’s dunklen, samtigen Haaren und an seinem Nacken finden.
Er stieß unbewusst einen schnaubenden Atemzug aus, halb Aufforderung, halb Bitte. Castiel’s Zunge glitt über seine Lippen und Dean öffnete sie bereitwillig um sie willkommen zu heißen.
Die Hitze in seiner Brust brannte höher, brannte heißer und er zog Castiel soweit möglich noch näher, um den Kuss gierig zu erwidern, zu vertiefen, mehr von den Lippen zu spüren, die sich so perfekt gegen seine bewegten, mehr von der heißen, neugierigen Zunge zu kosten, die seine Mundhöhle erforschte, mehr überraschte und genießende Atemzüge an seinem Gesicht zu fühlen, die ihm die Luft raubten.
Als Cas sich aus dem Kuss zurückzog, hätte Dean am liebsten laut protestiert. Allerdings kam er nicht dazu, da sein Körper vorher den dünn gewordenen Sauerstoff in seinem Blut wieder aufzufüllen versuchte.
Er öffnete die Augen, die er geschlossen hatte, ohne es zu merken, und brauchte mehrere tiefe, schnaubende Atemzüge, halb lachend, halb ungläubig, um seine Sprachfähigkeit wieder zu erlangen.
Seine Finger fuhren immer noch durch die schwarzen, wilden Haare und er nahm den heftigen Pulsschlag an Cas‘ Hals wahr.
Seine Lippen hatten sich in ein wirkliches, breites Grinsen verzogen und so sehr er versuchte, die Kontrolle darüber wieder zu erlangen – es klappte nicht. Das Grinsen blieb breit und froh und glücklich auf seinen Lippen.
„Was zur Hölle, Cas?“ Dean klang immer noch atemloser als es nach einem Kuss für sein Ego schmeichelhaft gewesen wäre. Er schüttelte etwas ungläubig aber über sich selbst belustigt den Kopf.
Cas – Dean war sich nicht mehr sicher, ob der pinke Ton auf seinen Wangen wirklich vom Licht im Flur herrührte – lächelte leicht und verschmitzt, während er den Kopf etwas gesenkt hatte und durch seine langen, dunklen Wimpern zu Dean aufblickte.
„Es ist Tradition, Dean.“ Seine Stimme war noch tiefer als üblich, aber zufrieden, fast glücklich. „Und ich habe dich vorher gefragt.“
Sie waren sich immer noch so nah.
Dean schnaubte ein Lachen und schüttelte wieder leicht den Kopf, aber ohne den geteilten, tiefen Blick zu unterbrechen.
„Ja, hast du.“ Seine Hand glitt von Castiel’s Nacken über seinen Hals, über seinen Kehlkopf, zu seiner Krawatten und sein Herz machte einen Sprung, als er bemerkte, wie Cas dabei die Augen schloss und langsam ausatmete.
Er leckte sich die Lippen. Seine Finger schlossen sich um den blauen Stoff. „Und ich steh immer noch unter dem Mistelzweig.“
Cas lächelte schief, fast schüchtern, den Kopf zur Seite geneigt und Dean bemerkte, wie sein Blick sich von seinem löste, um auf seine Lippen zu sehen: „Ja, das stimmt.“
Dean schluckte, atemlos aus anderen und denselben Gründen, nickte und zog leicht an der Krawatte.
Cas folgte sofort und ihre Lippen fanden sich zu einem weiteren Kuss, tief und eifrig, voll wandernder Hände und tiefen, atemlosen Seufzern.
Erst das Räuspern eines Hotelangestellten, der mit dem angekündigten Eggnog vor ihnen stand, sorgte für ein abruptes Ende.
Während Dean, gefangen in einer Schockstarre und geradezu unerträglicher, peinlicher Hitze auf seinen Wangen, nicht wusste, was er tun sollte, beugte sich Castiel, dessen Arme immer noch um Dean geschlungen waren, leicht zu dem Angestellten.
„Es ist eine Tradition“, ließ er ihn fast verschwörerisch wissen, und blickte auffällig zu dem Mistelzweig, unter dem sie immer noch standen. „Aber man sollte vorher fragen.“
Hier kommt Türchen Nummer 5. Thema: Eingeschneit/Schneesturm. Begleiten wir Kakashi im Alter von 14 Jahren auf einer Mission mit seinem Team.
Flucht im Schneesturm
Kakashi war lange gerannt. Hinter ihm rannte Rin. Sie hatten sich vom Rest des Teams trennen müssen. Jemand machte Jagd auf Rin. Kakashi wusste das zu verhindern. Zumindest so lange, er noch stand. Er ärgerte sich, dass er eine Blutspur hinterließ, die die Feinde anlockte. Aber sie konnten nicht anhalten, um es abzubinden. Im Grunde es war auch egal, denn der Schnee war schon so dicht, dass frischer Schnee seine Spur halt verdeckte. „Lass es mich kurz abbinden!“, bat Rin. Kakashi schüttelte den Kopf. „Nein, wenn wir stehen bleiben, kriegen sie uns. Wir laufen weiter!“, befahl er. Rin sah ihn bekümmert an.
Plötzlich zerrte sie ihn in eine andere Richtung. Sie deute auf eine Höhle. Sie packte ihn am Arm. „Komm!“, sagte sie. „Rin, nein, das ist eine Falle!“, sagte er. Sie sah ihn zuversichtlich an. „Vertraue mir. Du bringst uns dort in Sicherheit!“, sagte sie. „Wie soll ich das machen? Das ist eine verdammte Höhle!“, fuhr er sie wütend an. Sie rannte aber schon zur Höhle. Kakashi drehte sich um, als er die Verfolger schon sah. Sie würden sehen, dass sie hier rein gingen. „Rin!“, sagte er wütend. In der Zeit hätte sie ihn auch verbinden können. Und nun starrte sie auch noch die Höhle an. Was war nur mit ihr los?
Sie zeigte auf den Eingang, der oben bedrohlich voller Schnee war. „Erinnerst du dich noch daran, wie wir uns kennen gelernt haben?“, fragte sie. Er sah zum Schnee und sah sie fragend an. „Dieses Jutsu!“, sagte sie. Er lächelte und sah sie begeistert an. Ja, sie hatte recht! Er konnte sie in Sicherheit bringen und Miroku konnte die beiden wieder befreien. „Na los!“, sagte er und schnappte ihre Hand. Er rannte mit ihr in die dunkle Höhle. Dort drehte er sich um, und sah ihre Verfolger gefährlich nahe der Höhle. „Pass auf, es könnten sich Steine von der Decke lösen!“, warnte Kakashi. Rin nickte und sah nach oben. Dort war alles schwarz.
Kakashi konnte seine Verfolger nun sehen. „Jutsu der Erdwelle!“, sagte er und legte seine Hand auf den Boden. Sofort begann der Boden Wellen zu schlagen. Die ganze Höhle wurde durchgeschüttelt. Steine fielen von der Decke. Kakashi zog Rin in seine Arme und schützte sie mit seinem Körper. Dazu zwang er sie etwas in die Hocke, um auch ihren Kopf zu schützen. „Kakashi!“, wehrte sich Rin. „Du bist der Arzt. Du bist für meine Gesundheit verantwortlich, also darf dir nichts passieren!“, stellte er klar. Sie schluckte. Sie hörte ihn stöhnen und spürte, wie er etwas zusammen sackte. Ein großer Stein musste seinen Rücken getroffen haben. Dann war alles duster. Der Schnee war vom Hang gerutscht und hatte den kompletten Eingang dicht gemacht.
Die Erde beruhigte sich und man könnte die Leute draußen schimpfen hören. Sie kamen scheinbar nicht durch den Schnee. Kakashi selbst ging in die Knie. „Kakashi!“, schimpfte Rin nun und stand auf. Sie brauchten Licht. Kakashi hob seine Hand. „Chidori!“, sagte er leise. Rin sah ihn an. Musste er immer den Namen seiner Attacke sagen? Das war so kindisch. Aber so hatten sie schemenhaft Licht. Besorgt sah sie ihn an. Es war richtig, sie hatte keinen Kratzer, aber er sah übel aus. „Halt das Chidori etwas aufrecht. Ich suche etwas, um Feuer zu machen!“, sagte sie. Sie stand auf und sah sich um. Hier waren höchstens ein paar Stöcke. Wie lange brannten die schon? Vielleicht war es auch nicht gut, hier Feuer zu machen.
„Hier gibt es nichts, was den Rauch abziehen lassen kann!“, stellte auch Kakashi fest, so dass sich Rin wieder vor ihm hockte. „Halt es weg!“, befahl sie. Er hielt das Chidori zur Seite. Vorsichtig legte sie ihre Hand über seine Wunde und fing an sie zu heilen. „Danke!“, sagte Kakashi brav. Sie sagte nichts. Sie hätte sich bedanken müssen, aber sie tat es nicht. Denn hier erfüllte nur jeder seine Pflicht. Er rettete ihr das Leben und sie ihm. Das schweißte zusammen. Doch Kakashi empfand einfach nichts für sie. Es war bitter, dabei war sie ihm so nahe. Und er roch so unverschämt gut. Ob er jemals so über sie dachte? Sie wünschte es sich so sehr. Wenn sie sich etwas zu Weihnachten wünschen dürfte, dann nur diese eine Sache. Ein Zeichen, dass er sie doch mochte und sie mehr war als nur ein Teammitglied.
„Rin, ich kann nicht mehr lange!“, stellte er fest. Sie nickte und stand auf. Dann halt nur provisorisch. Sie ging um ihn herum und erschrak. Sein Rücken war blutig. Sie legte ihre Hände über seinen Rücken und schloss die Augen. Erleichtert atmete sie auf. Es war nichts gebrochen. Sie fing also an ihn zu heilen. Schließlich ging das Licht aus und nur noch ein grüner Hauch ihrer Tecknik war zu sehen. „Das reicht!“, sagte Kakashi. „Es reicht, wenn ich es sage!“, sagte sie bestimmt. Kakashi schwieg also. Im Grunde langte das grüne Leuchten ihrer Technik. Was sie immer so gestört hatte, da es ihre Position verriet, erwies sich nun als nützlich.
Es war wieder stockfinster, als Kakashi ihre Hand auf seiner Schulter spürte. Vorsichtig ging sie um ihn rum. Sie heilte wieder seine Wunde auf der Brust. Sie sah immer noch übel aus und Rin war klar, dass sie das nicht so heilen konnte. „Schaffst du das Chidori noch mal für eine halbe Minute?“, fragte sie. Er nickte. Ihr Licht erlosch. „Ich sage dir, wann!“, sagte sie. Sie legte ihm reichlich Dinge in den Schoß. Kakashi wurde leicht rot. „Jetzt!“, sagte sie. Er machte sein Chidori diesmal ohne Ankündigung. Verwirrt sah sie ihn, als er ihr den Verband hin hielt und gerötet zur Seite sah.
Den Verband brauchte sie aber noch gar nicht. Erst brauchte sie die Salbe. Zu spät merkte sie, was sein Problem war. Erst als sie nach der Salbe gegriffen hatte, merkte sie selbst, wie ihr Handrücken seinen Schritt streifte. Zu allem Überfluss fiel das Verband, dass er gehalten hatte, auf ihre Hand, woraufhin sie erschrocken ihre Hand wegzog, aber die Salbe zum Glück in der Hand behielt. Sie wusste nicht, was sie sagen sollte. Sie waren nun vierzehn Jahre alt. Auch wenn Kakashi immer so abweisend und kalt tat, war er auch nur ein Teenager. Das sah man nun deutlich, da er mit hochrotem Kopf zur Seite sah und sich die Hand vor dem Mund und die Nase hielt. Eine überflüssige Geste, da er eine Maske trug.
„Ähm….“, kam es von Rin. Kakashi reagierte nicht. Seine Hand mit den Chidori zitterte. „Ich beeile mich!“, sagte sie schnell, als sie das flackernde Licht sah. Hastig schmierte sie ihm die Salbe auf die Wunde, ehe sie anfing den Verband über die Wunde um seine Brust herum zu binden. Dabei hatte sie sein Hemd einfach hochgeschoben. Kaum war das passiert, war das Licht weg. Kakashi fiel nach hinten. Besorgt sah Rin ins Schwarze. So konnte sie ihn nicht weiter verbinden. Sie fuhr mit ihrer Hand über seine Hals, ehe sie an seine Wange kam. „Kakashi?“, fragte sie. Keine Antwort. Sie seufzte, ehe sie seine Hand auf ihrer spürte. „Entschuldige. Ich habe zu viel Chakra verbraucht!“, log er.
„Okay, richte dich bitte auf, damit ich dich weiter verbinden kann!“, sagte sie. Er nickte tapfer und setzte sich auf. Wieder spürte er ihre Hände auf seiner nackten Brust. Angestrengt atmete er aus. „Halt noch etwas durch!“, bat sie ihn. „Ja“, sagte er schwach. Unbemerkt wischte er sich das Blut von der Nase. Wenn Rin wusste, was sie hier mit ihm machte! Es war nicht das Problem, dass er kein Chakra mehr hatte. Er starb gleich an Blutverlust, da seine Nase nicht aufhörte zu bluten. Dass er so stark auf sie reagierte, überraschte ihn selbst.
Als Rin plötzlich weg war, sah er sich verwirrt um. Alles war schwarz. Vielleicht sollte er sein Sharigan nutzen? Doch dann spürte er ihre Hand auf seinem Kopf. Sie hatte ihn mehr oder weniger geschlagen, als sie ihn suchte. „Komm mit, es ist einfacher, wenn wir uns gegen die Wand lehnen!“, stellte sie fest. Er nickte und suchte mit seiner Hand ihre. Vorsichtig ließ er sich mit ziehen. Sie ging dann wieder in die Knie und setzte sich. Er setzte sich neben ihr, als er ihre Hand an seiner Schläfe spürte. Er gab den Druck nach. Mit hochrotem Kopf fand er eben diesen auf dem Schoss von Rin wieder. Er wusste ja, dass sie für ihn schwärmte, aber das machten doch nur Liebespaare?!
„Rin…?“, bekam er nur raus. „Sssht!“, sagte sie. Sie strich ihm über den Kopf. „Entspann dich und ruhe dich etwas aus. Ich halte Wache. Wenn du nachher nicht fit bist, kommen wir nicht hier raus und ehrlich gesagt, ist es hier ziemlich kalt!“, stellte sie fest. Sie nahm ihre Hand von seinem Kopf und rieb sie an ihre andere Hand, um anschließend warme Luft in die Hände zu pusten. Das machte sie eine ganze Weile, in der Kakashi versuchte nicht zu verbluten. Plötzlich spürte er ihre warme Hand auf seiner Wange. Erschrocken riss er sein Auge auf. Ein kalter Schauer lief ihm über die Haut. Nicht, weil ihre Hand kalt war, eher im Gegenteil. Sie war warm und das war toll. Aber sie musste Blut an ihren Fingern haben. Sie hatte ihm über die Nase gefasst.
Tatsächlich passierte lange nichts, ehe er wieder ihre warme Hand spürte. Er schloss entspannt die Augen. Was auch immer sie machte. Es beruhigte ihn und es war kein Heil-Jutsu. Es war ihre Wärme und Liebe, die er heute einfach mal annahm. Sein Atem wurde immer regelmäßiger, ehe er wirklich einschlief.
Ihm war nicht klar, wie lange er geschlafen hatte, aber Rin weckte ihn auf. Man konnte Kampfgeräusche von draußen hören. „Gai und Miroku-kun!“, sagte sie. Kakashi richtete sich immer noch verlegen auf. „Wir sollten ihnen helfen!“, stellte Kakashi fest. Rin schüttelte den Kopf. Da er das nicht sehen konnte, legte sie ihre Hand auf seiner. Er sah reflexartig zu seiner Hand, obwohl er nichts sehen konnte. Er merkte, wie sein Kopf wieder rot wurde. „Die beiden schaffen das schon!“, stellte sie fest. Er nickte nun auch.
Er löste sich von ihr und stand auf. Dann ging er wieder in die Hocke und stupste ihr gegen die Schulter. „Nimm meine Hand!“, sagte er. Sie griff danach, so dass er ihr aufhelfen konnte. Vorsichtig näherten sie sich dem Lärm. „Kakashi? Rin?“, hörten sie Gai rufen. „Wir sind hier drinnen!“, schrie Kakashi. Er sah Rin an und drückte ihre Hand. „Wir kommen hier raus. Miroku wird uns hier rausholen!“, beruhigte er sie. Rin nickte. „Bleib hinter mir!“, bat er sie. „Ja“, sagte sie und stellte sich hinter ihm und fasste auf seine beiden Schultern. „Wir sind bereit!“, schrie Kakashi laut. „Verstanden!“, hörte er nun wieder Miroku.
Es dauerte nicht lange, und es bildete sich erst ein matter Fleck, der immer besser sichtbar wurde. Als Kakashi weißen Schnee erkennen konnte, formte er Fingerzeichen und presste beide Hände auf den Boden. Dabei ging er in die Hocke. Rin tat es ihm gleich. Vor den beiden erschien eine Mauer aus fester Erde, die fest wie Stein war. Feuer zischte an der Mauer und den beiden vorbei. Ein Teil der Mauer brach ein. Rin wehten die Haare nach hinten vom Wind. Sie musste schlucken. Gleichzeitig war sie so beeindruckt von dem Jungen vor ihr. Er war so toll. Schließlich wurde es richtig hell und sie konnte Kakashi wieder erkennen. Da waren seine silbernen Haare, die struppig herum wirbelten. Er gab sich Mühe die Mauer aufrecht zu halten, bis der Feuerball erlöschen war.
„Ihr könnt froh sein, dass ich mit auf Mission war!“, meinte Miroku. Kakashi ließ die Wand, oder was davon übrig war, wieder zu Sand verfallen. Er stand auf. „Du bist im Team, weil du ein Uchiha bist. Als Uchiha ist diese Technik selbstverständlich. Du wärst absolut nutzlos, wenn du uns hier nicht rausgeholt hättest!“, sagte Kakashi abfällig. Gai lachte verlegen und legte seine Hand auf Mirokus Schulter. „Er meinte es nicht so!“, beschwichtigte Gai den Uchiha. Der sah aber Gai nur an. „Doch er meinte es so!“, meinte Miroku und drehte sich zu Kakashi, „Entschuldige dich!“. Kakashi ging an ihm vorbei. „Vergiss es!“, meinte Kakashi kaltherzig. Rin seufzte. Seit Obitos Tod war er so kalt geworden. Er wollte keine Freunde mehr finden. So taten sie sich immer schwer, ein viertes Teammitglied zu finden.
Kakashi ging einfach voran. Er musste seine Gedanken ordnen. Miroku störte dabei nur. In Kakashis Kopf tauchten Bilder auf, die er nie gesehen hatte. Eine verführerische Rin, die ihre Hand provokativ in seinen Schritt presste. Kakashi wurde rot. So war es nicht gewesen! So wurde es nie sein! Warum dachte er das? Er blieb stehen, traute sich aber nicht, sich umzusehen. Er konnte Rin nicht in die Augen schauen, ohne rot zu werden.
„Alles okay mit dir?“, fragte Gai Rin. Sie grinste als sie auf das Blut auf ihrer Hand sah. Sie hatte es ganz sicher abgewischt, als sie ihn fertig behandelt hatte. Das bedeutete, dass er Nasenbluten bekommen hatte. „Ja“, sagte sie begeistert. Gai zeigte auf ihre Hand. „Du blutest!“, stellte er fest. Kakashi drehte sich nun doch um und sah sie entsetzt an. „Oh keine Sorge, es ist Kakashis Blut!“, stellte sie fest, so dass Kakashi das Gefühl hatte im Erdboden versinken zu müssen. Er wirkte, als würde er gleich umkippen, so entsetzt war er.
„Ich muss es mir nach dem Behandeln nicht richtig abgewischt haben!“, stellte sie fest und wischte sich das Blut in ihren Rock. Gai sah nun auch seinen Rivalen an. „Alles okay mit dir? Soll ich dich tragen?“, fragte Gai Kakashi. „Ich trag mich selbst!“, fauchte Kakashi ihn an und schlug seine Hand weg. Verärgert stampfte er davon. „Was hat er denn?“, fragte Gai verwundert. Miroku sah ihn an. „Vielleicht will er nicht wie ein Mädchen auf dem Arm genommen werden!“, stellte Miroku fest. Gai zuckte mit den Schultern. Rin ging nun auch fröhlich pfeifend an den beiden Jungen vorbei. Kakashi konnte sagen, was er wollte und so abweisend sein, dass ihr Herz gefror. Sie wusste nun, dass er sie auch mochte. Mehr hatte sie sich nie gewünscht.
„Ist irgendwas tolles passiert?“, fragte Gai nach. Rin sah ihn an und lächelte. „Wir haben alle überlebt. Und es ist bald Weihnachten, dass wir alle zusammen feiern können!“, stellte sie. Gai grinste ebenfalls. „Du hast recht!“, stimmte er zu. Miroku sah beide an. Die waren alle irre. Nicht eine Mission wurde er mehr mit dem Team machen. Sie hatten zu Recht ihren Ruf verrückt zu sein. Er konnte es kaum erwarten, wieder in Konoha zu sein. Auf keinen Fall feierte er mit den dreien Weihnachten.
So weihnachtlich, wie es halt geht, wenn man mitten im Krieg lebt! xD
Mit großen Augen sah sie zu ihm hinunter. Da stand er, vor der Leiter, auf welcher sie stand und blickte abwartend zu ihr hinauf. Hatte sie sich da etwa verhört? „Was Du Dir zu Weihnachten wünscht“, wiederholte er seine Frage geduldig mit einem freundlichen Lächeln. Belle sah sich in dem großen Speisesaal um, in welchem sie soeben damit beschäftigt war, die Schränke abzustauben. Seit einer gefühlten Ewigkeit wohnte sie nun in diesem Schloss und tat Tag ein, Tag aus immer wieder dasselbe. Ohne, dass sich in ihrem Leben viel änderte. Und nun fragte er sie auf einmal, was sie sich zu Weihnachten wünschte? Woher kam dieser plötzliche Sinneswandel?
„Ich … Nun …“, setzte sie an, doch wollte ihr so spontan keine passende Antwort einfallen. Ihr Blick fiel auf die ihr entgegengestreckte Hand. Offensichtlich eine Aufforderung, zu ihm hinter zu kommen. So steckte sie den Staubwedel in ihre Schürze, kam ein paar Sprossen auf ihn zu und ihre Finger umschlossen die Seinen, bis sie schließlich direkt vor ihm auf dem Boden stand. Und ihn ansah. Mehrere Wimpernschläge lang verloren sich ihrer beider Augen ineinander, bis Belle schließlich wieder zu sich fand.
Seine Hand loslassend entfernte sie sich, was ihn dazu veranlasste, wieder ernster dreinzublicken und sofort wieder unnahbarerer zu wirken. Ganz so, wie sie ihn kannte. Wenn man hier überhaupt von ‚kennen‘ sprechen konnte. „Nun“, griff sie das Gespräch wieder auf, schritt durch den Saal und sah sich um. Ihr Blick fiel aus dem Fenster hinaus. Seit einer Weile war dies endlich möglich, hatte sie es doch geschafft, ihn dazu zu bewegen, die Vorhänge tagsüber offen zu lassen. Es gefiel ihm nicht. Aber er hatte sich dazu durchgerungen, sich von ihr überzeugen zu lassen.
Belle verlor sich in der weißen Winterwelt, die sich vor ihr erstreckte. In dicken Flocken rieselte der Schnee zum Boden hinab. Bedeckte das Schloss, die Ländereien und die Bäume, die in ihre weißen Kleider gehüllt so zauberhaft und wunderschön aussahen. Und Belle wusste, was sie sich zu Weihnachten wünschen wollte. „Ich wünsche mir einen Weihnachtsbaum“.
Als sie sich endlich wieder zu ihm umwandte, um seine Frage zu beantworten, stand er da, mit leicht schief gelegtem Kopf, ein paar Mal ungläubig mit den Wimpern zuckend. Er konnte ihr alles besorgen, was sie nur wollte und Belle wünschte sich einen Baum? „Aber er soll nicht sterben müssen, nur weil ich mich daran erfreuen will“, warf sie noch hinterher und langsam, ganz langsam nickte Rumpelstilzchen. „So sei es, Verehrteste“. Eine kurze Verbeugung folgte, dann schritt er zur Tür, warf seinen Mantel um und verließ das Schloss.
Zurück blieb eine irritiert dreinblickende Belle, immer noch den Staubwedel in der Hand haltend. Wie praktisch wäre es doch manchmel, die Fähigkeit zu besitzen, Rumpels Gedanken lesen zu können. Doch das konnte sie nicht. Und so zuckte sie mit den Schultern und nahm ihre Arbeit wieder auf. Zu Weihnachten sollte das Schloss blitzblank sein und von seiner schönsten Seite erstrahlen. Und um das zu schaffen, hatte sie noch genau diesen Tag Zeit.
Es war noch dunkel am frühen Morgen, als Rumpel ungeduldig, mit den Fingerkuppen gegeneinander trommelnd, am Waldrand vor dem Schloss wartete. Bis er hörte, wie sich jemand ihm näherte. „Na endlich“, kam es leise über seine Lippen. Im Schein seiner Fackel erkannte Rumpel den jungen Mann, den er noch am Tag zuvor mit einem ganz besonderen Auftrag losgeschickt hatte. Doch seine Laune hielt sich in Grenzen. Mit knorriger Hand wedelte er in Richtung des Baumes, welchen der Bursche hinter sich über den Boden schleifte. „Was ist das?“ Sein Gegenüber sah von Rumpelstilzchen zu dem Baum und wieder zurück. „Der Baum“.
Rumpel seufzte und antwortete in betont ruhigem Tonfall: „Ich sehe, dass das ein Baum ist“. Mit aneinandergelegten Fingerspitzen schritt er eine Runde um besagtes Objekt herum, bevor er wieder zum Stehen kam. „Das war nicht der Auftrag“. „Aber …“ Doch Rumpel schnitt dem jungen Mann das Wort ab. „Ich sagte, Du sollst einen Tannenbaum finden. Nicht, Du sollst einen fällen“. Das war nicht, was Belle sich wünschte. Sie hatte extra erwähnt, dass der Baum nicht sterben durfte, nur damit sie ihn bewundern konnte.
Aber der Schlossherr wäre nicht Rumpelstilzchen, wenn er mit solchen Situationen nicht umzugehen wüsste …
So führte Rumpel an Heiligabend Belle in den Schlossgarten, in dessen Mitte der wohl schönste Weihnachtsbaum aus dem Boden ragte, den sie je gesehen hatte. Geschmückt mit goldenen Girlanden und glänzenden Kugeln. Auf der Spitze leuchtete – wie sollte es auch anders sein – ein Weihnachtsstern und erhellte den gesamten Schlossgarten in einem warmen, romantischen Licht.
Stolz betrachtete er sein Werk und bemerkte, wie Belle sich neben ihm daran erfreute. „Oh Rumpel, er ist wunderschön“. Ein wenig überrascht war er aber doch, als sie ihm um den Hals fiel. „Vielen Dank“. Zögerlich legte er seine Arme um ihre Taille und betrachtete mit einem Lächeln diesen ganz besonderen Baum, der tief im Boden des Schlossgartens verwurzelt dastand und Belle auch nach Weihnachten noch lange erfreuen würde. Über ihre Schultern hinweg betrachtete er das üppige Nadelkleid und vor allem eine Stelle in der Mitte des Stammes, an der ein paar unnatürlich aussehende Verwachsungen ein knorriges Gesicht zeigten. Augen, die sehen konnten. Eine Nase, die riechen konnte. Ein Mund, der nicht sprechen konnte. Ein junger Holzfäller, dessen Tage zwar nicht gezählt aber fortan sehr schleppend und zäh erscheinen würden.
diese Übung ist sinnlos, weil ich schon lange weiß, dass es dich nicht gibt. Trotzdem muss ich diesen Brief schreiben, weil Rektor Cross uns diese Hausaufgabe über die Feiertage aufgegeben hat. Nichts gegen die Hausaufgabe, aber am Ende lesen doch sowieso nur Sie diesen Brief, Mister Cross. Wieso muss ich also eine Entität ansprechen, an die nur Kinder glauben?
Und ich bin kein kleines Kind mehr. Immerhin bin ich schon neun und damit ein großer Junge. Also kann ich auch meine eigenen Entscheidungen treffen. Zumindest meistens. Wenn ich das entscheiden könnte, wäre ich jetzt zuhause bei meinen Eltern. Aber wie Sie wissen, sind meine Eltern noch auf Forschungsreise und kommen erst im neuen Jahr wieder. Sie haben mir am Telefon hoch und heilig versprochen, dass wir Weihnachten nachholen. Glaube ich. Die Verbindung war sehr schlecht.
Ich weiß, das ist ein Risiko, weil Sie diesen Brief ja auch lesen, Rektor Cross, aber ich denke nicht, dass Sie den Dachboden ansonsten wirklich nutzen können. Deshalb habe ich mir dort ein Deckenlager aufgebaut, weil es dort gemütlich ist und ich meine Ruhe habe. Ich kann dort ungestört nachdenken. Ich mache auch nichts kaputt, versprochen. Nachdem Weihnachten für mich ja sowieso ausfällt, störe ich dort oben auch niemanden und habe die Bücher auch ordnungsgemäß aus der Bibliothek ausgeliehen.
Wissen Sie, normalerweise haben meine Eltern immer einen Baum besorgt. Wenn mein Dad Zeit hat, macht er selber Eggnogg. Meine Mom kauft Plätzchen und es gibt am Abend Gänsebraten. Ich weiß wie gesagt, dass der Weihnachtsmann nicht existiert. Trotzdem macht meinen Eltern das ganze Zeremoniell mit dem Glas Milch und dem Teller voll Plätzchen Freude, also spiele ich mit. Ich schlafe in der Weihnachtsnacht auch meistens schlecht, deshalb ist es vielleicht sogar besser, dass ich dieses Jahr hier bin. Hier kann ich sicher ungestört schlaf—
Lieber Mister Cross,
entschuldigen Sie, dass ich diesen Weihnachtsbrief so abrupt abgebrochen habe, aber ich hatte etwas gehört. Schritte auf dem Dach – natürlich war mein erster Gedanke, dass ich vielleicht den Weihnachtsmann wütend gemacht habe mit der Behauptung, dass es ihn nicht gibt. Aber dann hätte ich auch einen Schlitten und Glöckchen hören müssen und beides war nicht zu hören. Was es dann also war, was da auf dem Dach so herumgeturnt hat? Oder eher, wer? Nachdem es morgen sowieso in der Zeitung stehen wird, kann ich es Ihnen auch sagen.
Batman war hier! Batman und Robin! Im Gegensatz zum Weihnachtsmann sind Batman und Robin nämlich sehr real. Sie waren hier, ich hab sie gesehen. Sie haben einen Verbrecher über die Dächer verfolgt. Dann sind sie auf das Nachbardach gesprungen, Robin sogar mit einem Salto. Das war so super und ich hätte gerne meine Kamera dabei gehabt. Das ging hin und her und beinahe wäre der Verbrecher abgestürzt, aber Batman hat ihn aufgefangen. Dann haben sie den Verbrecher gefesselt und Robin hat mir sogar gewunken.
Wow! Bestes Weihnachten ever!
Bitte heben Sie für mich den Zeitungsartikel davon auf, als Weihnachtsgeschenk. Vielen Dank!
Dann kommt hier nun also mein Beitrag zum Adventskalender 2020.
Ich hoffe, Ihr habt Spaß beim Lesen.
Geheimmission um Mitternacht
Es war still im Haus. Und dunkel. Einzig der am sternenklaren Nachthimmel leuchtende Vollmond warf seine Strahlen in ein Zimmer. Darin standen zwei Betten. Eines auf der linken Seite des Fensters, das andere auf der Rechten. Das Bett auf der linken Seite war leer. Die Decke war zurückgeschlagen worden, das Laken zerknittert.
Im anderen Bett zeichneten sich die Silhouetten zweier Mädchen ab. Mit geöffneten Augen lagen sie da. Still und hochkonzentriert. Ganz offensichtlich warteten sie auf etwas. Ein braunes und ein grünes Augenpaar starrten jeweils gebannt zu der lediglich angelehnten Zimmertür, durch die das Ticken der großen Standuhr zu vernehmen war, welche unten im Wohnzimmer die Zeit verkündete. ‚Tick-Tack-Tick-Tack-Tick‘ „Wie lange denn noch?“, flüsterte die Kleinere der beiden. „Pst“, kam es lediglich als Antwort und eine beleidigte Schnute wurde gezogen.
Wie lange genau sie noch warten mussten, konnte im Nachhinein keine der Schwestern sagen. Doch irgendwann war es so weit. Das ständige Ticken der Uhr wurde abgelöst durch das dunkle Gongen, welches insgesamt 12x ertönte und den beiden somit verkündete, dass das Warten ein Ende hatte. Es war Mitternacht. Ganz sicher würde der Weihnachtsmann nun bald durch ihren Kamin rutschen und die beiden Strümpfe füllen, welche am Abend mit größter Sorgfalt an dessen Sims aufgehangen wurden. Und die unterschiedlichsten Fragen hatten die Schwestern diesbezüglich bereits beschäftigt. Darunter auch die Folgende: Hatte der Weihnachtsmann wirklich so einen dicken Bauch? Und wenn ja: Wie konnte er dann durch den Kamin passen? Würde er da nicht stecken bleiben? So breit war doch der Kamin in diesem Haus gar nicht. Oder? Doch auch, wenn die Mädchen bei dem Gedanken an einen in ihrem Kamin stecken gebliebenen Weihnachtsmannes kichern mussten, hatten sie doch im Endeffekt beschlossen, ihm zu helfen.
Und wer die Mission „Hilf dem Weihnachtsmann“ an Christmas Eve beim Zubettgehen im Kopf hatte, konnte es sich natürlich nicht leisten, die Augen zuzutun und einfach einzuschlafen. Nicht auszudenken, wenn der Arme sonst die ganze Nacht dort stecken würde und alle anderen Kinder deswegen am Christmas Day ihre leeren Strümpfe vorfinden würden. Nein. Da musste man wach bleiben. Und aufstehen. Selbst, wenn es mitten in der Nacht war.
Folglich standen rasch zwei nackte Fußpaare auf dem Teppich vor dem Bett, bevor sie sich in Bewegung setzten. Doch bevor es hinaus auf den Flur gehen würde, kramte die Jüngere noch in ihrer Spielzeugkiste. Daraus brachte sie nur wenige Augenblicke später einen schwarzen Plastikstab mit weißer Spitze zum Vorschein, dessen Anblick ihre Schwester dazu veranlasste, die Augen zu verdrehen. „Sei nicht albern, Lily“. Der Zauberstab gehörte zu einem Zauberkasten, den die Eltern ihrer jüngsten Tochter zum Geburtstag geschenkt hatten, seit sie so sehr von den Zaubertricks schwärmte, von denen ihr neuer Freund aus der Nachbarschaft ständig erzählte.
Und dann, endlich, verließen die beiden ihr Zimmer. Hand in Hand, sich vorsichtig mit nackten Füßen über den Boden tastend. Das Mondlicht musste ausreichen. Würden sie die Lampen anknipsen, würden sie ihre Eltern aufwecken und dann wären sie schneller wieder in ihren Betten, als ihnen lieb war. Also: „Schsch“, kam es von Petunia, als sie hörte, wie hinter ihr die Treppenstufe knarrte, welche Lily soeben betreten hatte. Warnend den Zeigefinger auf die Lippen gelegt, drehte sie sich zu ihrer Schwester herum, die sich gleichzeitig eine Hand vor den Mund hielt, als würde dies das Holz unter ihren Füßen daran hindern, verräterisch zu knarzen.
En prüfender Blick zur Schlafzimmertür der Eltern folgte und beide atmeten erleichtert aus. Nichts regte sich dort. Also konnten sie weiter gehen. Die Treppe hinunter und ab ins Wohnzimmer. Zum Glück hatte Petunia sich schon in der Vergangenheit sehr gut gemerkt, an welchen Stellen das Betreten der Treppenstufen vermieden werden sollte, denn sie schlich sich gerne in der Nacht heimlich in die Küche, um sich dort Schokolade aus dem Vorratsschrank zu stibitzen. Also konnte sie Lily sehr genau anweisen, wohin sie zu treten hatte.
Im Kamin war das Feuer bereits abgebrannt. Zum Glück. Aber wahrscheinlich kam der Weihnachtsmann auch deswegen immer erst später in der Nacht. Er war ja schließlich nicht dumm. „Ich hab Hunger“, gestand Lily nach einem Blick auf den Teller mit den selbst gebackenen Keksen, die sie eigentlich als Wegzehrung neben dem Glas Milch und der Schüssel mit Möhren auf dem Wohnzimmertisch bereitgestellt hatten. Und schon langte sie zu. Eine Hand voll Kekse – eine kleine Kinderhand wohlgemerkt – würde wohl nicht auffallen, wenn sie fehlen würde.
Der erste Keks wanderte auch sogleich in Lilys Mund. Mit einem genießerischen „Mmmmh“ wurde er weg geknuspert, während ein paar Krümel davon zu Boden fielen. „Lily. Sieh nur“. Petunia hatte sie angestupst und deutete sogleich mit dem Finger in Richtung des Wohnzimmerfensters, an dem sie gerade noch eine dunkle Gestalt vorbei huschen sah. Mit großen Augen starrten beide nach draußen, wo dicke, weiße Schneeflocken zu Boden rieselten. „Der Weihnachtsmann“, hauchte Lily und legte schnell die noch nicht angeknabberten Kekse wieder zurück auf den Teller. Klopfte sich beide Hände an ihrem Nachthemd ab und stolperte im nächsten Augenblick in Richtung des Weihnachtsbaumes. Petunia hatte sie dorthin gezogen. Sie mussten sich verstecken. Der Weihnachtsmann durfte doch nicht wissen, dass sie noch wach waren.
Die Nadeln des Tannenbaumes pieksten schmerzhaft an den nackten Beinen, während die Schwestern sich in die kleine Ecke dahinter drückten. Doch da mussten sie wohl durch und sie blieben tapfer lautlos sitzen, als sie hörten, dass sich die Haustür öffnete. Fragende Blicke wurden ausgetauscht, als auch schon schwere Schritte ins Wohnzimmer stampften. Lily hielt ihren Zauberstab fest umklammert und starrte mit großen Augen auf die schwarzen Stiefel, die sich dem Baum näherten, auf halbem Weg stehen blieben und gleich darauf wieder näher herantraten. „So, so“, sagte eine dunkle Stimme, die den Schwestern irgendwie bekannt vorkam. Ein paar herunter gefallene Kekskrümel knirschten unter den schweren Schritten. Immer weiter drängten sich Petunia und Lily in der kleinen Ecke zusammen, Hand in Hand und den Atem anhaltend. Zu spät bemerkte Petunia, dass ihr nackter Fuss noch hinter dem Baum hervor lugte und zog ihn schnell zurück.
„Petty? Lils? Raus da“.
Langsam, umständlich und hier und da mit einem „Autsch“ begleitet, krabbelten die Schwestern aus ihrem pieksigen Versteck heraus, richteten sich auf und sahen sich ihrem Vater gegenüber. Mit strengem Blick, die Hände hinter dem Rücken versteckt, bedachte er die beiden in Erwartung einer Erklärung. „Wir wollten doch nur auf den Weihnachtsmann warten, damit wir ihm helfen können, falls er in unserem Kamin stecken bleibt“, erklärte Lily bitterernst, während Petunia nickte. Beide Augen ihres Vaters wanderten bezüglich dieser Erklärung in die Höhe, sein linker Mundwinkel zuckte kaum merklich. „Ah ja. Und da dachtet Ihr, Ihr zaubert ihn dann frei“, schlussfolgerte er mit einem Blick auf den Zauberstab, den Lily immer noch in ihrer Hand hielt. Die Kleine nickte mit fest aufeinander gepressten Lippen. Stille entstand, während der Vater so tat, als müsse er überlegen. Nichts weiter als das Ticken der Standuhr war zu hören, bis er endlich wieder sprach. „Nun. Ich mache Euch einen Vorschlag. Ich bleibe hier und passe auf den Weihnachtsmann auf, während Ihr wieder schlafen geht. Ihr müsst doch morgen fit sein“. Das ließen sich Petty und Lils nicht zweimal sagen und schon huschten sie aus dem Wohnzimmer hinaus, die Treppe hinauf und ab in ihr Zimmer. „Hoffentlich stecken morgen früh nicht beide im Kamin fest“, sorgte sich Lily und nach einem kurzen Blickwechsel huschten sie kichernd in ihre Betten.
Es wäre doch ganz wundertollig, wenn wir jeden Tag im Advent eine kleine Story hätten, die uns den Tag versüßt. Deshalb gibt's unseren Adventskalender, den wir hoffentlich auch möglichst voll bekommen. Sucht euch ein noch verfügbares Stichwort aus und gebt Bescheid, für welchen Tag ihr posten wollt. Bitte verlinkt dann die gepostete Story auch hier.
Der Adventskalender findet gleichzeitig auf unserem Discord-Server und hier im Forum statt - dort können auch freie Arbeiten gepostet werden, hier im Forum lediglich Fanfiction. Alles wird aber auch gegenseitig vercrosslinkt.
Wir wünschen euch ganz viel Weihnachts- und Winter-Inspiration und jede Menge Spaß am Schreiben, Lesen und Kommentieren!
Justine faltete die Zeitung zusammen, aus der sie den Artikes gerade eben noch laut vorgelesen hatte und klemmte sie unter den Rand von Alex‘ Tablett mit Mittagessen. „Die armen Kids“, meinte sie und verzog das Gesicht zu einem Stirnrunzeln, „Conner ist schon wirklich herzig. Er ist vorbei gekommen, um nach dir zu sehen und er war so völlig aufgelöst. Aber er hat versucht, mich zu beruhigen.“
„Er ist ein echt anständiger Junge“, stimmte Alex zu. Waren sie eigentlich alle. Er drehte den Kopf so weit, wie die Halskrause es ihm erlaubte, und sah zu der Reihe von Karten und Vasen, die sich entlang der Fensterbank erstreckte. Schon witzig; man wusste nie, wie beliebt man eigentlich war, bis alle dachten, dass man im Sterben lag. „Ich kann immer noch nicht glauben, dass er mit einem Promi zusammen ist“, lachte er in sich hinein, „Da hat‘s der Dorfjunge wohl zu was gebracht, schätze ich.“
„Er hat übrigens noch keine Karte geschickt“, meinte Justine. Lorelei zupfte an ihrem Hosenbein, so dass sie sich zu ihr hinunter beugte und sie auf das Bett hob, wo sie zwischen Alex‘ Füßen sitzen konnte. „Eine Karte von dieser Frau ist da – seiner Tante, hast du gesagt? Sie hat auch noch Marmelade oder sowas mitgeschickt. Irgendwas Eingemachtes.“
Alex schnitt eine Grimasse. „Warum hast du mir das nicht gesagt, bevor ich diesen widerlichen Hackbraten gegessen hab? Ich hätte dich drum gebeten, unten noch ein paar Brötchen zu holen oder so.“
„Hey!“
Alex sah die Länge des Betts hinunter zu dem Mädchen, das im Grunde seine Stieftochter war. Ihre Mutter hatte ihr die Haare heute zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden, der im Sonnenlicht kupferfarben glänzte. „Ja, Sweetie?“
„Darf ich dein Jello essen?“
Justine schnaubte amüsiert und zog den Rolltisch in Richtung ihrer Tochter. „Hau rein, Kleine“, antwortete sie ihr und drückte ihr einen Göffel in die Hand.
Loreleis Gesicht erhellte sich und sie hieb auch sofort begeistert auf die zitternde grüne Masse ein.
„Weißt du, woraus das gemacht ist?“, fragte Alex grinsend.
„Kuhfüße und Schweineknochen“, gab sie gelangweilt zurück, „Das hast du mir schon gesagt. Aber es schmeckt trotzdem gut.“
Alex lachte leise und verzog das Gesicht, als er dabei schmerzhaft seine Rippen spürte. „Ich finde deinen Pragmatismus höchst bewundernswert, junge Dame“, sagte er.
Lorelei schlürfte demonstrativ das Jello durch ihre Zähne ein.
Es klopfte an der Tür, bevor eine der Krankenschwestern ihren Kopf ins Zimmer streckte. Alex hoffte, es war kein schlechtes Zeichen, dass er ihren Namen nicht mehr wusste. „Sie haben nochmal was vorbei gebracht bekommen“, verkündete sie.
Justine atmete hörbar aus und sah sich um. „Ich glaube nicht, dass hier noch Platz ist für weitere Blumen. Denkst du, sie meinen, dass sie dafür Bonuspunkte oder so bekommen?“
„Es sind keine Blumen“, erwiderte die Krankenschwester. Sie trat ins Zimmer, eine kleine, flache, braune Schachtel in Händen. „Sondern ein kleines Päckchen.“
„Vielleicht noch mehr Kekse!“, rief Lorelei aufgeregt.
„Du hast doch schon Jello“, gab Justine geistesabwesend zurück, während sie die Schachtel entgegen nahm. Darauf stand ‚ZERBRECHLICH‘, weshalb sie sie lieber nicht schüttelte. „Soll ich sie aufmachen?“
Alex hob seine Hände an, die über seinen Verbrühungen immer noch locker einbandagiert waren. „Ich denke, das solltest lieber du machen, ja.“
„Nein, ich“, quietschte Lorelei und streckte schon die Hände nach dem Päckchen aus, doch ihre Mutter nahm es ihr lieber wieder weg.
„Honey, da steht ‚zerbrechlich‘. Das bedeutet, dass darin etwas ist, das kaputt gehen kann.” Sie fuhr mit dem Fingernagel unter das Paketband und hielt inne. Ihr Blick ruhte auf der Schachtel, ihr Lächeln sarkastisch. „Alex? Hast du etwa Briefe an Supermodels geschrieben?”
An… „Was?“, fragte er.
„Der Absender lautet ‚Kory Anders‘.“
Kory Anders? Was? Alex versuchte sich aufzusetzen, nur um sofort seine Freundin und die Krankenschwester um sich zu finden. Justine half ihm, das Bett etwas nach oben zu fahren und hielt ihm die Schachtel entgegen, als sie sie öffnete. Darin lag eine Karte mit einem gezeichneten Wissenschaftler darauf sowie ein kleines gerahmtes Foto von Anders im Bikini unter einem Wasserfall, mit Autogramm und einem Lippenstift-Abdruck. Alex musste grinsen, als er an die Kommentare dachte, die er von seinen Schülern bekommen würde, wenn er das auf seinem Schreibtisch stellte.
„Oh, wie geschmackvoll“, meinte Justine trocken, zog das Foto aus der Schachtel und schob es unter eine Decke, bevor Lorelei es sähe. Die Schachtel klapperte und Dalton sah, dass unter dem Bild zwei kleine Ampullen verstaut gewesen waren.
Justine hielt sie für ihn in die Höhe, so dass er sie untersuchen könnte. Eine enthielt eine dickflüssige, dunkle, leuchtend orange Flüssigkeit; in der anderen befand sich eine Locke rötlich braunes Haar.
„Oh mein Gott“, stieß Alex schwer atmend aus, „Das sind Proben.“
„Was?... Warte!“, schimpfte Justine, als er mit seinen schmerzenden, geschwollenen Fingern nach der Karte tastete, „Ich lese sie dir vor.“
Die Karte beinhaltete keine vorgedruckte Nachricht. Stattdessen standen ein paar Zeilen in graziler, geschwungener Schrift darin, die mit lila Tinte geschrieben worden waren.
„‚Lieber Alex‘“, las Justine vor, „‚ein Freund hat mir eine ganze Menge über dich erzählt und ich wollte dir einfach eine baldige Genesung wünschen. Mein Freund meinte, du hast schon genug Blumen, also hat er mich gebeten, etwas ein bisschen Persönlicheres mitzuschicken, mit Grüßen von ihm. Viel Glück, Kory Anders. P.S.: Ich würde mich über eine Kopie der Arbeit freuen, wenn du damit fertig bist. Du kannst sie Conner geben‘. Und dann hat sie das Papier geküsst. Man sollte meinen, das Foto hätte schon gereicht.“
Alex juckten die Finger unter den Verbänden. „Oh mein Gott“, sagte er erneut. Er wandte sich hastig an die Krankenschwester. „War das Päckchen lange am Empfang gelegen? Ich muss wissen, wie alt diese Blutprobe ist.“ Ihm wurde das Herz schwer. „Die Post ist doch sicher schon vor Stunden gekommen.“
„Ist nicht mit der Post gekommen“, gab die Schwester zurück und nahm die Karte, um einen Blick darüber zu werfen. „Dieser eine Junge hat es gerade eben erst zur Schwesternstation gebracht. Hab ihn kaum gesehen, so schnell ist er wieder verschwunden.“
„Könnten Sie mir etwas Eis besorgen? Trockeneis, meine ich. Und eine Isolierbox. Die gibt es hier sicher im Phlebotomie- oder Histologie-Labor—”
„Mister Dalton“, mahnte die Schwester ihn plötzlich, „Beruhigen Sie sich! Ihr Monitor spielt ja völlig verrückt.“
Alex atmete tief durch und zwang sich, sich wieder in seine Kissen zu legen. „Aber können Sie das Eis besorgen?“
„Ich hab da einen Freund im Labor“, meinte sie. Sie trat an sein Bett und rückte seine Infusion wieder gerade. „Ich geh und spreche mit ihm, aber Sie müssen ruhig bleiben, okay?“
„Okay“, stimmte Alex zu. Er versuchte angestrengt, ruhig zu atmen. „Ruhig. Okay. Liebling, kannst du Charles anrufen? Sag ihm, dass er Co-Autor sein kann, wenn ich sein Labor benutzen kann. Oh fuck! Ich kann ja nicht mal meine Hände benutzen.“
„Alex!“, fuhr Justine ihn an, als sie ihrer Tochter die Hände über die Ohren legte.
Er verstummte betreten.
Justine seufzte und schenkte ihm einen liebevoll entnervten Blick. „Sie werden dich hier nicht raus lassen, wenn du dir selber noch einen Herzinfarkt bescherst. Ich rufe Charles an. Aber beruhige dich erst mal, okay?“
„Ja, Liebling“, stimmte Alex zu, auch wenn seine Gedanken rasten.
Alien-DNA! Alex musste grinsen. Oh, das war so viel besser als noch eine Topfpflanze. Was für ein aufmerksamer Junge!
A/N: And that's all, folks! Ich hoffe, die Story hat euch ein bisschen gefesselt und gefallen. Lasst mir doch gern einen Kommentar da - egal ob zur Übersetzung oder zum gemeinsamen Fangirlen/Aufregen/whatever...