Geschrieben von: tenten31 - 30.01.2021, 01:21 - Forum: The Others
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Immerhin hatte sie lange genug geschlafen, um sich gleich zum Joggen umziehen zu können. Als sie aufgewacht war, hatte Gansey ihr mit einem kurzen Blick zum Fernseher gedeutet, dass die Kamera wieder aktiv war, woraufhin Blue den Reflex unterdrücken musste, die Decke sofort bis unter ihr Kinn zu ziehen. Das Gespräch war ganz natürlich auf eine gemeinsame Runde Jogging gekommen und so liefen sie nun beide hier draußen nebeneinander her.
Die Abenddämmerung hatte eingesetzt und die Luft war erträglicher geworden. Was nicht hieß, dass Blue nicht trotzdem schwitzte; sie waren immer noch in der Wüste.
Ihr Hotel lag direkt am Strip, so dass sie die Straße geradeaus joggend an vielen der anderen großen Hotels vorbei kamen. Die Gegend auskundschaften. Und Blue zumindest hoffte immer noch darauf, einen der anderen beiden zu treffen, nachdem um diese Zeit besonders viele Jogger unterwegs waren. Die meisten hatten Kopfhörer auf, hörten wahrscheinlich Musik beim Laufen – und nachdem Dick und Jane sich nicht ständig miteinander beschäftigen konnten, Frischverheiratete hin oder her, hatten sie es den anderen Joggern einfach nachgetan. Ganseys Kopfhörer waren verhältnismäßig groß und old-school, Blues waren einfache Stecker mit Kabel. Wenn sie vor sich hin murmelte beim Laufen konnte sie so tun, als wären es Songtexte.
„Adam“, murmelte sie. Noah hatte ihnen erklärt, dass er zwar alles mithörte, die Verbindung zum Rest ihrer Teammitglieder allerdings stimmaktiviert war.
Und es schien zu funktionieren. „Oh, hey, Jane. Kannst du sprechen?“, hörte sie Adams Stimme klar und deutlich, wenn auch etwas außer Atem, in ihrem linken Ohr.
Ein breites Lächeln schlich sich auf ihr Gesicht und sie sah kurz neben sich zu Gansey, der ganz aufs Laufen konzentriert schien. „Ja. Du auch? Wie ist euer Status? Wo bist du?“
„Joggen. Ich glaube, ich seh euch beide sogar ein paar hundert Meter weiter. Bei uns lief alles reibungslos.“
„Keine Zuhörer?“
„Keine. Alles sauber.“
„Bei uns schon. Jemand weiß, dass wir hier sind. Ich frage mich immer noch, was jemand so plötzlich gegen die Organisation haben kann.“
„Vielleicht sind gewisse Praktiken einfach nicht mit dem Gewissen vereinbar? Oder irgendjemand hat ihm ans Bein gepinkelt?“
Ein eisiger kleiner Schauer lief Blue das Rückgrat hinunter. Wie seelenruhig Adam durchaus logische Gründe anführte – dafür, dass jemand zum Maulwurf würde. Ob derjenige sich einfach nur an F.O.X. rächen wollte oder eben unlautere Methoden und Praktiken aufgedeckt hatte, war ja leider auch nicht bekannt. Einzig, dass Informationen wohl nach draußen geschmuggelt worden waren – und dass der Übergabetermin bereits feststand. Wer die Spieler in diesem Spiel waren, um das herauszufinden waren sie hier. Aber was, wenn es Adam war, der so klar nachvollziehen konnte, warum jemand überlief? „Aber welche Praktiken sollen das sein? Außer Callas Wortwahl manchmal…“
„Stimmt. Calla…“ Sie konnte das amüsierte Grinsen heraushören, bevor Adam seufzte: „Im Ernst, ich weiß es nicht.“
Blue wollte ihm unbedingt glauben. Wollte glauben, dass diese Worte ehrlich gemeint waren, dass Adam es genauso wenig wusste und verstand wie sie selbst. Aber dafür waren sie hier; um es herauszufinden. Und den Maulwurf zu stoppen!
„Blue?“
„Mhm?“
„Passt auf euch auf.“
„Ihr auch. Over and out.“
„Jane, schau mal, das Excalibur. Lass uns da doch mal rein schauen!“, kam es von Dick neben ihr, als er auch bereits abbog.
~*~*~*
Eins musste sie Gansey lassen: Er hatte einen erstaunlich guten Spürsinn für diejenige Art Informationen, die erst gefunden werden wollten. Auch wenn sie noch keine Ahnung hatte, ob sie auf der richtigen Spur waren, waren die Details doch alle äußerst verdächtig.
Als sie das Excelsior Hotel betreten und die mittelalterlich eingerichtete Lobby durchquert hatten, hatte Blue im ersten Moment der Kopf geschwirrt. Das Klingeln, Rauschen, Rattern von unzähligen einarmigen Banditen, dahinter die vielen Tische mit Roulette, Blackjack, Poker, Craps und noch ein paar anderen Glücksspielen, deren Namen sie gar nicht kennen wollte – alles hallte in ihren Ohren; dazu der Geruch von abgestandenem Zigarettenrauch und eine schummrige Irgendwie-Tag-Beleuchtung, die stark eingestellte Raumklimatisierung. Sie wusste, wie Casinos funktionierten, wie sie eine Sucht schufen und die Leute an den Automaten und Tischen hielten. Aber der Kontrast zur Abenddämmerung am Strip draußen hätte größer nicht sein können.
Hand in Hand und mit angemessenem Staunen hatten Dick und Jane also das Casino durchquert und sich im Gebäudekomplex ein wenig umgesehen. Blue fand es immer noch höchst amüsant, dass sie an einem Restaurant namens „Dick’s Last Resort“ vorbei gekommen waren. Beinahe hätte sie Gansey auch dort hinein bekommen. Beinahe.
Was sie schließlich gefunden hatten, war eine feierliche Ankündigung für eine Hochzeit am kommenden Donnerstagnachmittag. An und für sich nichts Ungewöhnliches, schließlich heirateten in Las Vegas ständig Leute. Der Name auf dieser Ankündigung allerdings hatte sie beide überzeugt, dass das genau diejenige Veranstaltung war, auf der die Übergabe der Liste stattfinden würde.
Auf dem Weg zurück zu ihrem eigenen Hotel hatte Gansey noch Adam und Lynch angefunkt und als würde er mit einem guten Freund telefonieren in bester Dick-Glendower-Manier von dieser wundervollen Hochzeit erzählt, bei der er ja zu gerne dabei wäre, jetzt wo er das gerade erst selbst hatte erleben dürfen bli bla blubb.
„Noah, was hast du für mich?“, raunte sie, als sie aus der noch laufenden Dusche stieg und ein Handtuch um ihren Körper schlang. Die Wasserverschwendung tat ihr ehrlich leid, erst recht hier in der Wüste, aber es war die einzige Möglichkeit sicherzugehen, dass nichts von dem, was sie sagte, von der Wanze unter der Couch aufgezeichnet würde.
In ihrem linken Ohr hörte sie klar und deutlich Noahs Stimme. „Könnte das nicht alles ein großer Zufall sein?“ fragte er deutlich amüsiert. „Dass ihr zufällig gleich am Ankunftsabend in das richtige Hotel stolpert und dort zufällig eine Ankündigung für eine Veranstaltung findet, bei der auch noch ein sehr verdächtiger Name auftaucht? Nope, ich glaube nicht, dass das Zufall ist.“
Blue verzog die Lippen zu einem ironischen Grinsen. Begann ihre Haare mit einem zweiten Handtuch trocken zu rubbeln. „Wir wissen also Zeit und Ort und wir wissen auch einen Namen. Nur dass der keiner von uns ist.“
„Korrekt. Er ist eher sowas wie ein Söldner für die Seite, die das richtige Angebot hat, und in so einige dreckige Geschäfte verwickelt. Wenn mich nicht alles täuscht, dann hat F.O.X. auch schon einige davon auffliegen lassen in der Vergangenheit.“
„Womit wir auch ein Motiv hätten“, warf Blue ein.
„Noch wissen wir nicht, ob er nur Mittelsmann ist oder selbst die Liste will.“
„Hm, ich denke nicht, dass er flüssig genug ist, um die Liste für sich selbst zu kaufen. Also steckt jemand anderes dahinter. Aber möglicherweise ist der Deal über ihn zustande gekommen.“ Blue musste unwillkürlich kichern. Ihre Haare standen kreuz und quer. Mit großer Sorgfalt bürstete sie sie aus und eng am Kopf nach hinten.
„Was ist daran so lustig? Ich finde das eher besorgniserregend, dass da noch jemand Drittes involviert ist.“
„Ach nichts, meine Haare sahen gerade nur wild aus“, klärte sie Noah unnötigerweise auf.
„Oh… Liegt Kings Brille irgendwo? Dann könnte ich auch was sehen.“
„Nein, und ist ja auch nicht wichtig“, wiegelte sie ab. Nahm die brünette Langhaarperücke auf, die sie sich vorhin zurecht gelegt hatte, und bürstete diese ebenfalls – bevor sie sich die Perücke vorsichtig aufsetzte und im Spiegel begutachtete. „Zurück zum Thema. Wir sollten auf jeden Fall die Gästeliste bei dieser Hochzeit mal genau durchleuchten. Kommst du da irgendwie ran?“
„Ich kann’s versuchen. Ich meld mich, wenn ich mehr hab.“
„Danke, Noah. Over and out.“
Sie zupfte noch ein wenig den Pony zurecht, war aber mit dem Gesamtergebnis sehr zufrieden.
Als es an der Badezimmertür klopfte und Gansey den Kopf herein steckte. „Jane?“
„Ja, Schatz?“ Blue deutete ihm, hereinzukommen und die Tür hinter sich wieder zu schließen, was er auch tat.
„Wie sieht’s mit deinem Appetit aus? Wollen wir uns in dieser wahnsinnig aufregenden Stadt mal was zu essen suchen?“, fuhr er in etwas lauterem Ton mit dem Gespräch fort.
„Mmmmh, wir haben doch kaum was gemacht bisher“, gab Blue in Janes verführerischstem Südstaaten-Drawl zurück.
Das würde wohl reichen. Und Gansey schien das ebenfalls so zu sehen. Er trat zu ihr, vielleicht ein wenig näher als nötig, und raunte in normalem Ton: „Ich mag deine natürlichen Haare lieber.“
Blue verdrehte die Augen und legte die Perücke zurück in die Tasche neben dem Waschbecken. „Ich auch. Aber deswegen bist du nicht hier, oder?“
„Wir bekommen wahrscheinlich eine Einladung zur Hochzeit“, ließ er sie ohne große Präambel wissen.
Blues Augenbrauen flogen in die Höhe und über den Spiegel begegnete sie fragend Ganseys Blick. Er nahm die Brille ab, massierte seine Nasenwurzel, bevor er ihren Blick direkt und beinahe stolz erwiderte. In einer scheinbar unbewussten Geste fuhr er sich mit dem Daumen über die Unterlippe. Blue wusste nicht, warum diese eine kleine Geste sie in diesem Moment so fesselte.
„Okay, King, ich bin ganz Ohr. Wie bist du so schnell da rangekommen?“ Da war es wieder, dieses Misstrauen, dass Gansey der Maulwurf sein könnte. Oder zumindest mit ihm unter einer Decke steckte. Und das ließ sie ihn auch spüren.
„Ronan kommt an so ziemlich alles heran oder kann es fälschen.“
Ronan. Ronan Lynch. Sie wusste extrem wenig über Codename Greywarens Hintergrund; lediglich das, was eben über seine Freundschaft zu Gansey gemunkelt wurde, und das, was in ihrem Mission-Briefing gestanden hatte: Ja, darin war etwas von Dokumentenfälschung vermerkt gewesen, aber dass er so schnell arbeitete… Deshalb war er also Teil dieses Teams. Auch wenn es ihn nicht wie in Ganseys Augen über jeden Zweifel erhaben machte… „Okay“, murmelte sie zurück, nickte.
„Okay.“
Für einen langen Moment standen sie einfach nur so da, blickten sich über den Spiegel an. Was Blue erwartete, in seinen Augen zu finden, wusste sie nicht so recht, aber wegsehen wollte und konnte sie auch nicht.
Schließlich brach Gansey den Blickkontakt ab, räusperte sich. „Du solltest mir wahrscheinlich am besten einen Knutschfleck beibringen, so dass es wirklich aussieht, als hätten wir hier drinnen gerade eine heiße Make-out-Session gehabt.“
Blue nickte nur, unfähig gerade einen Ton herauszubringen. Es war ein logischer und guter Gedanke und auch absolut nicht ungewöhnlich. Aber wurde er da gerade leicht rot oder bildete sie sich das im unvorteilhaften Licht des Kosmetikspiegels nur ein?
Sie drehte sich zu ihm um und ging ganz methodisch an seinem Pulspunkt zu Werke.
Gansey stand still da und es war etwas, wofür Blue ihm dankbar war, da es den Knutschfleck deutlich weniger emotional auflud, als das hätte der Fall sein können. Als sie fertig war, lehnte er sich noch etwas dem Spiegel entgegen und zog sein Polohemd zur Seite, um einen besseren Blick auf den dunklen Fleck an seinem Hals werfen zu können, ihn zu begutachten.
Schließlich schien er zufrieden und mit einem neutralen Lächeln fand Blue sich wieder seinem Blick gegenüber. „Also, Essen? Wo willst du hin?“
Sie merkte, wie mit diesen Worten Anspannung von ihr abfiel, von der sie gar nicht wahrgenommen hatte, dass sie dagewesen war. Ein schelmisches Grinsen fand seinen Weg auf ihre Lippen. „Ich wüsste da schon ein Lokal…“
Geschrieben von: tenten31 - 24.01.2021, 20:52 - Forum: The Others
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Oberste Priorität, als sie die Hotelzimmertür hinter sich geschlossen hatten, war sicherzugehen, dass sie nicht abgehört wurden. Stumm deutete Blue Gansey, dass er im Badezimmer ihrer Honeymoon-Suite anfangen sollte, während sie den Eingangsbereich absuchte.
Sie arbeiteten beide schnell, unauffällig und konzentriert. Schließlich fanden sie eine Wanze unter der plüschigen Couch und eine Kamera im Schlafzimmer. Das bedeutete gleich mehrere Dinge: Zum ersten war da jemand ziemlich pervers veranlagt; auch wenn Blue beinahe gewillt war, einem Angestellten hier zu unterstellen, dass er eben mit illegalen Pornos im Internet Geld verdiente. Die Kamera war auch keine der üblichen, die sie bei F.O.X. meistens benutzten.
Zum zweiten bedeutete aber die Wanze – F.O.X.-Standard –, dass jemand von ihrer Mission wusste, und das war der wirklich beunruhigende Teil. Es führte ihnen ganz unzweideutig vor Augen, dass es bei F.O.X. wirklich einen Maulwurf gab. Wenn sie die Wanze nun entfernten, bestätigten sie demjenigen die Info und verrieten ihm, wer sie waren. Wer die Agenten waren, die den Maulwurf dingfest machen sollten. Wenn sie sie ließen, könnten sie nicht wie geplant in der Suite Pläne schmieden oder weiteres Vorgehen besprechen.
„Ich geh mir erst mal den Flugzeug-Smog abduschen. Kommst du mit?“ Dicks Virginia-Drawl hatte sich nur noch verstärkt; Blue mutmaßte, es sollte Müdigkeit ausdrücken. Sie bekam eine Hand entgegen gehalten, ein spitzbübisches Lächeln auf Ganseys Lippen, als er ihrem Blick begegnete.
Es war die einzige Möglichkeit offen zu reden, weshalb Blue sie auch ohne Zögern annahm. „Oh ja“, legte sie eine beinahe schnurrende Qualität in ihre Antwort. Sie flatterte kokett mit den Lidern und legte ihre Hand in Ganseys, um ihm ins Badezimmer zu folgen.
Ins glücklicherweise wanzenfreie Badezimmer.
Sie schlossen die Tür hinter sich, könnten aber noch nicht sofort das Wasser aufdrehen. So schnell war niemand ausgezogen. Also noch eine Runde für das unfreiwillige Publikum.
„Mmmmh, Jane“, sprach Gansey ihren Decknamen aus, ein gutturales Brummen voller Lust. Und für einen Moment merkte Blue, wie sein Blick dabei sie unerwartet traf. Als Hitze, die sich in ihr regte – was lächerlich war, das wusste sie selbst. Hastig unterdrückte sie jeden Anflug von echter Emotion.
Allerdings wusste sie, dass in ihrem antwortend rauen, „Komm her, Tiger“ deutlich mehr echte als nur gespielte Lust mitschwang.
Sie warteten noch kurz, dann stellte Gansey die Dusche an.
„Verdammter Mist“, flüsterte er und jegliche Spur von weichem Südstaaten-Drawl war wieder verschwunden. Sie waren also wieder King und Mirror. Er setzte sich mit dem Rücken zur Tür, deutete ihr, sich neben ihn zu setzen.
Leise setzte sie sich zu ihm, nickte. „Wenigstens haben die Glendowers in ihren Flitterwochen sicher jede Menge heißen Dusch-Sex.“
Sie überlegte, was sie eigentlich mit ihm hatte besprechen wollen, bevor sie entdeckt hatten, dass die Suite abgehört wurde. Ach ja. Ihre Mundwinkel wanderten höher und höher und sie konnte ein leises Kichern nicht unterdrücken. „Macht Magician sowas eigentlich öfter?“
Für einen langen Moment erhielt sie nur einen verwunderten Blick von Gansey, bis er wusste, was sie meinte. Und dann konnte auch er nicht mehr anders als zu grinsen. „Ich muss ehrlich gestehen, ich weiß es nicht. Nicht auf unseren Missionen.“
„Er ist wirklich gut. Wirklich überzeugend. Teil der verzogenen, obersten Sphären“, kicherte Blue immer noch.
Wo ihre beiden Personas darauf getrimmt waren, zwar vielleicht optisch aufzufallen, aber sofort als harmlose Spinner abgetan zu werden, sagte Adams Persona: „Schenkt mir gefälligst eure ungeteilte Aufmerksamkeit“. Ganz eindeutig stinkreich, ganz eindeutig schwul, ganz eindeutig daran gewöhnt zu bekommen, was er wollte. Und Lynch sein Boytoy in Lack und Leder. Es war wirklich ein Bild für Götter gewesen! Das einzige, was ein wenig an Blue nagte, war das Wissen, dass die beiden erster Klasse geflogen waren und jetzt perfekt erholt wären, während die Glendowers sich offensichtlich nur die Holzklasse leisten konnten.
„Ist er. Sind sie beide“, nickte Gansey. „Ich würde Greywaren mein Leben anvertrauen.“
Womit sie wieder bei dem Thema wären, ob einer aus ihrem Vierer-Team der Maulwurf sein könnte. Blue seufzte leise. Eigentlich wollte sie darüber gerade nicht reden. Gansey legte seine Hand ins Feuer für Lynch – damit blieb also Adam übrig. Sie merkte, wie sie sich wünschte, Adam wäre auf ihrer Seite… „Ich knöpfe mir morgen mal Magician vor ,“ erwiderte sie tonlos.
Gansey presste die Lippen aufeinander, sein Mund eine schmale, freudlose Linie. „In Ordnung“, nickte er schließlich.
Dann stand er auf, legte seine Brille am Waschbecken ab und begann, sich unbeeindruckt seiner Kleidung zu entledigen.
„Was?“, zischte Blue unverständig.
„Ich hab jetzt wirklich eine Dusche nötig. Du kannst dich ja umdrehen.“
~*~*~*
Natürlich hatte Blue sich umgedreht, zumindest die meiste Zeit. Ein paarmal hatte sie dann doch zu Gansey gesehen, wie er so in seiner ganzen Nacktheit unter der Dusche stand und sich ohne viel um sie zu kümmern Schweiß und Flugzeugluft abwusch. Sie hatte ja eigentlich gewusst, dass er einen guten Körperbau hatte, durchtrainiert, athletisch, kompakt…
Blue hatte diese verstohlenen Blicke vor sich selbst damit gerechtfertigt, dass sie schließlich ein verheiratetes Paar mimten; Dick und Jane hatten sich ganz sicher schon oft nackt gesehen. Was, wenn sie nun vor anderen Leuten auf einmal überrascht war davon? Das wäre absolut nicht ihrer Persona entsprechend.
Dann allerdings hatte sie die Zeit genutzt und aus dem Kulturbeutel die beiden In-Ear-Kommunikatoren herausgesucht, die Noah ihnen allen mitgegeben hatte, um zu kommunizieren. Sie reichte Gansey einen davon – schließlich waren die Dinger wasserfest – und steckte sich ihren eigenen ins linke Ohr. Begutachtete sich damit im Spiegel; das Gerät war so klein, dass es im Ohr komplett verschwand. Hätte sie es nicht ungewohnt gegen ihr Trommelfell gespürt, hätte sie keine Ahnung gehabt, dass es überhaupt da war.
„When I was just a little girl I asked my mother what will I be“, begann sie als Empfangstest leise vor sich hin zu singen.
Als sie auch schon Noahs gut gelaunte Stimme klar und deutlich hörte: „Sargent, an dir ist eine Diva verloren gegangen.“
Sie schmunzelte zu sich. „Danke“, erwiderte sie murmelnd. „Kannst du mich gut hören? Hat Alpha-Team sich schon gemeldet?“
„Ich hör dich laut und deutlich, Blue. Und bis jetzt bist du die Erste. Keine Ahnung, was die beiden so lange brauchen. Bei euch alles grün?“
„Grün. Eine F.O.X.-Wanze, ein ausgefalleneres Kameramodell in der Suite.“
Es dauerte einen langen Augenblick, bis Noah antwortete; vermutlich scannte er in dieser Zeit das Stockwerk nach entsprechender Überwachungstechnologie. Die Signale wären bestimmt nicht allzu stark, mutmaßte Blue, schließlich war die angemietete sichere Wohnung, in die Noah sich eingenistet hatte, auf der anderen Seite des Hotelkomplexes. „Okay, nettes Empfangskommando. Ich werde versuchen, mich auf die Frequenzen zu schalten. Dann weiß ich, was die Konkurrenz kriegt.“
„Könnte es sein, dass die Kamera keine von unseren ist?“
„Hmmm… Lieber nichts riskieren. Aber in einem der Koffer müsste ein Störsender eingepackt sein, den ihr nutzen könnt. Technisches Equipment hat manchmal schließlich kleine Aussetzer. Sieht aus wie ein Montblanc-Füller.“
„Okay, danke, Noah.“
„Nichts zu danken. Over and out.“
Im Spiegel konnte Blue beobachten, wie Gansey nach einem Handtuch griff und aus der Dusche stieg, ohne diese abzudrehen. Er schlang sich das Handtuch locker um die Hüften und trat zu ihr, fischte seine Brille vom Waschbecken. „Willst du auch grad noch?“
Blue wollte gerade schon den Kopf schütteln, überlegte es sich dann aber doch anders. Es würde verdächtig aussehen, wenn sie trocken aus dem Bad käme. „Haare nass machen. Ich will nachher noch eine Runde joggen.“ Danach würde sie dann ausgiebiger duschen und sich Zeit dafür nehmen. Jetzt, mit Gansey als Publikum, musste das wirklich nicht sein.
Und so behielt sie auch ihre Unterwäsche an, als sie unter das heiße Wasser trat. Schenkte Gansey ein zuckersüßes Lächeln.
Er zuckte daraufhin nur die Schultern. „Dann gehe ich schon mal vor und aktiviere den Störsender.“
Blue nickte, dass sie ihn gehört hatte – auch wenn ein Wassertropfen, der sein Schlüsselbein entlang und dann seine Brust hinunter gelaufen war, gerade viel mehr ihrer Aufmerksamkeit auf sich gezogen hatte. Ja, verdammt, ihr Kollege hatte einen tollen Körper, na und?
Die Klinke der Badezimmertür bereits in der Hand, drehte Gansey sich nochmals zu ihr. „Showtime“, formten seine Lippen lautlos. Er setzte ein seliges Lächeln auf und beschleunigte seine Atmung etwas, als müsste er noch ein wenig nach Luft schnappen. Dann öffnete er die Tür. „Ich wart im Bett auf dich.“ Damit machte er noch einen Kuss in die Luft und war auch schon verschwunden, die Tür wieder geschlossen.
Blue war allein im Bad. Sie stellte das Wasser ab, atmete tief durch und schloss einen Moment die Augen. Nahm erneut einen tiefen Atemzug. Dann entledigte sie sich ihrer nassen Unterwäsche und schnappte sich ebenfalls ein Handtuch, um es sich um den Körper zu wickeln.
Im Spiegel checkte sie, dass ihre Haare entsprechend chaotisch und bemüht auf die Schnelle wieder ordentlich gemacht aussahen. Biss sich auf die Lippen, saugte daran, bis diese leicht geschwollen waren. Dann vergewisserte sie sich, dass ihr seliges Lächeln ebenfalls überzeugend aussah, bevor sie zu Gansey ins Schlafzimmer ging.
Sie ließ ihre Hüften ein wenig mehr schwingen als sie das normalerweise tat. Blieb vor dem Bett stehen, auf dem sich „Dick“ bereits unter der Decke seitlich drapiert hatte, den Kopf auf einen Arm gestützt, so dass er sie direkt beobachtete. „Hast du mich vermisst?“, hauchte sie.
„Und wie.“ Er hielt ihr die Decke auf, so dass sie nur darunter schlüpfen brauchte.
Was sie auch tat. Und nachdem sie nicht wusste, was der Stand mit dem Störsender war und inwiefern dieser nur die Kamera oder auch die Wanze beträfe, kuschelte sie sich eng an ihn. Himmel, Richard Campbell Gansey III roch gut! Ein erdiger, angenehm warmer Geruch mit einem Hauch von Minze. Blue bemerkte, wie ihr Puls ein wenig schneller ging.
Sein Arm löste sich und legte sich ihr um die Taille. Inzwischen lag er auf dem Rücken, sie halb auf ihm, die Augen geschlossen.
Vielleicht könnte Blue ja für ein paar Augenblicke so tun, als wäre das hier alles echt. Als wäre das eben nicht der arrogante Gansey, sondern… wer auch immer. Adam vielleicht, schließlich hatte sie sowieso vorgehabt, ihn nach einem Date zu fragen. Und Adam war ebenfalls verdammt sexy mit seinen hohen Wangenknochen, seinen feinen Zügen, seinen strahlend blauen Augen…
Geschrieben von: tenten31 - 18.01.2021, 11:36 - Forum: The Others
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[Nov 19, 2019 – 7:37PM]
[+1-504-426-5263] hi mein schatz. bin auf dem weg zu dir. sorry, ist später geworden. xoxo Jane
[+1-504-426-3425] Stress dich nicht, Liebling. Tickets liegen bereit. Müssen nur noch fertig packen. XXX Dick
[Jane] bin in 10 min da. bestellst du noch essen?
[Dick] Was willst du denn essen?
[Jane] pizza okay?
[Dick] Pizza bestellt. Fahr vorsichtig, Liebling. Freu mich auf dich. XXX Dick
[Jane] du bist der beste. xoxo Jane
~*~*~*
Ihre neuen Wegwerf-Handys funktionierten also schon einmal, sehr gut. Blue steckte ihres in die Tasche und seufzte zu sich. Sie hatte sich in zehn Minuten angekündigt; damit würde sie sich nun also auf den Weg zu Gansey machen müssen. Wirklich wollen tat sie nicht; mit jemandem zusammenzuarbeiten, der sie nicht dabei haben wollte, war nie einfach. Aber sie wusste, sie sollte und sie musste. Blue war Profi genug, die Mission an erste Stelle zu stellen. Außerdem sollten sie besser unbedingt dieses Gespräch hinter sich bringen, bevor es losging! Wer wusste schon, wer danach alles – zufällig oder absichtlich – mithören mochte.
Sie hatte die Akte ihrer neuen Persona, Jane Glendower, studiert; hatte ihre normale, sehr praktisch orientierte Kleidung gegen ein etwas auffälligeres, selbstgenähtes blaues Kleid mit Federn getauscht; hatte ihren Camaro eingelagert und von F.O.X. einen Volvo zur Verfügung gestellt bekommen.
Die Glendowers waren frisch verheiratet, aber kannten sich bereits seit der High School. Es war die klassische Story von der ersten richtigen Liebe, den High-School-Sweethearts, die zusammen gefunden hatten und zusammen geblieben waren, trotz aller widrigen Umstände. Das könnte ja heiter werden!
Immerhin ließ der kurze WhatsApp-Austausch hoffen, dass Gansey Profi genug war, um zumindest die Details ihrer Beziehung schnell gemeinsam ausgestalten und mit Leben füllen zu können. Er hatte sie nicht ignoriert, sondern sofort mitgespielt – und bei aller Wut über seine Arroganz ihr gegenüber musste sie zugeben, dass sie neugierig war, wie er an diese Mission herangehen würde.
Sie parkte den Volvo in der Auffahrt der sicheren Wohnung und suchte noch im Gehen in den Tiefen ihrer Tasche den Schlüssel, den sie mit all ihren Akten erhalten hatte. Doch wurde ihr die Tür bereits von innen geöffnet und darin stand Gansey – oder eben auch nicht Gansey, sah er doch so anders aus. Das glatt rasierte Gesicht und die Brille mit dem schmalen Drahtgestell ließen sein Gesicht weicher wirken, jungenhafter. Nahbarer, verletzlicher. Das kanarienvogelgelbe Polohemd in Kombination mit den hellen Chinos machte dazu aus Richard Campbell Gansey III einen Dozenten auf Hochzeitsreise namens Dick Glendower. Auf den Kleidungsstil dieses ihres angeblichen Ehemanns konnte Blue gut verzichten – aber die Brille… mmmmh, ja, das hatte was.
„Na, hast du mich vermisst?“, fragte sie keck.
„Immer, Süße. Schön, dass du endlich da bist“, begrüßte er sie in breitestem Old-Virginia-Drawl und mit einem Lächeln, von dem Blue ahnte, dass es ihr gefährlich werden konnte, sollte er es wirklich einmal ernst meinen. Er umarmte sie kurz und schob sie dann regelrecht nach drinnen, um hinter ihr die Tür zu schließen.
Kaum war diese zu, fiel sämtliche Zärtlichkeit von ihm ab und auch das Lächeln war verschwunden. „Die Koffer sind bereits gepackt. Ich nehme an, dass Sie die Hintergründe unserer Personas noch gemeinsam koordinieren wollen?“ Sein weicher Dialekt war wieder verschwunden, sein Ton war sachlich und kühl, auch wenn er bei seinen Worten in Richtung eines großen Tischs deutete, auf dem bereits einige Akten ausgebreitet lagen.
„Wollen Sie’s lieber alleine machen?“, konnte Blue sich die Spitze nicht ganz verkneifen. Am liebsten hätte sie die Augen verdreht, ging aber stattdessen erst einmal hinüber zu dem ihr angebotenen Platz am Tisch.
Als sie sich zu Gansey umdrehte, war dieser stehengeblieben und blinzelte sie an – unverständig? Fragend? „Ich… Womit habe ich bloß einen solchen Antagonismus von Ihnen verdient? Wenn Sie sich für diese Mission nicht bereit fühlen, sollen Sie es besser jetzt sagen.“
War das sein verdammter Ernst?! Er wollte sie wirklich mit allen Mitteln aus der Mission heraushalten, oder? „Natürlich fühle ich mich bereit. So bereit, dass ich sogar mit Ihnen zusammenarbeite, obwohl Sie mich ja ganz offensichtlich nicht dabei haben wollen.“
„Ich…“ Er seufzte leise, während er sich unter dem Brillengestell hindurch die Nasenwurzel massierte. Schließlich setzte er sich ihr gegenüber, fragte ausdruckslos: „Können Sie’s mir etwa verdenken, dass ich bei einer Maulwurfsjagd misstrauisch bin?“
Nun verdrehte Blue doch die Augen. Sein harter Blick ließ zumindest vermuten, dass er von ihr schon gehört hatte, ähnlich wie sie von ihm. Es war ein offenes Geheimnis, dass ihre Mutter unter besonderer Beobachtung von oben stand. Blue kannte die Gerüchte. Ihr Vater war eines der Ziele bei einer Mission ihrer Mutter gewesen. Er hatte sie geschwängert, hatte die Wahrheit über F.O.X. erfahren und war seitdem spurlos untergetaucht. Am wahrscheinlichsten war er ein Doppelagent gewesen. Was aber ganz und gar nicht hieß, dass Mutter und Tochter deshalb jetzt ebenfalls anderweitige Loyalitäten hatten. Und was verdammt nochmal niemandem das Recht gab, das auch nur anzudeuten!
Sie stand wieder auf und ging hinüber zum Kühlschrank, um zu sehen, was dort für sie bereitgestellt worden war. Nahm sich einen Joghurt heraus, suchte in den Schubladen nach einem Löffel und lehnte sich gemütlich mit dem Rücken gegen den nächstbesten Küchenschrank. „Reden Sie eigentlich immer so? Als wären Sie zweiundachtzig, nicht achtundzwanzig?“
„Das… Was bitte ist an meiner Art zu reden so anders als an Ihrer?“ Er hatte sich ihr zugedreht und runzelte beleidigt die Stirn.
Blue schüttelte lediglich ungläubig den Kopf und steckte sich einen Löffel voll Joghurt in den Mund. „Na, Dick gerade eben hat sicher ganz anders geredet“, merkte sie schließlich an.
„Dick ist auch eine Persona. Genauso wie Jane.“ Gansey stand auf und ging ein paar Schritte auf sie zu. Er lehnte sich rückwärts gegen die Tischplatte, wobei sein Blick demonstrativ auf seine Armbanduhr fiel. „Und ich denke, wir sollten besser noch Details klären, anstatt hier zu streiten.“
Das brauchte Blue niemand zweimal sagen. Das konnte ja noch heiter werden; wenigstens waren sie beide Profis! „Okay, also Glendowers…!“ Sie wechselte Register, verfiel wie Gansey vorhin in einen deutlich weicheren Drawl: „Warum haben wir eigentlich nicht viel früher geheiratet?“
Er zog natürlich sofort gleich, wechselte von einem Augenblick zum anderen in seine Persona. Wirkte fast ein wenig verlegen. „Ich wollte dir eben was bieten können. Und ich war schüchtern. Klar wusste ich, dass wir zusammengehören, aber…“ Sein Blick begegnete auffordernd direkt dem ihren.
Also führte sie ohne zu zögern weiter aus: „Aber wir waren schon so lange zusammen und ich glaub, wir haben uns beide schon mal die Frage gestellt, ob wir nicht was verpasst haben, immerhin warst du ja mein Erster und Einziger.“
„Genau.“ Er verschränkte die Arme vor seiner Brust, was wohl ein Ausdruck von Sorge sein sollte.
Blue leckte ihren Joghurtlöffel genüsslich langsam ab, konnte beobachten, wie Ganseys Blick ihren Fingern folgte, während er in Dick Glendower aufging. „Sag bloß, ich hab dir nie gesagt, dass ich schon wusste, wir sind seelenverwandt, bevor wir überhaupt zusammengekommen sind?“
Erneut ließ er seine Arme locker hängen. „Ich hab’s gehofft. Und seit gestern bist du ja auch meine Frau.“
„Ja. Die Zeremonie war echt wunderschön“, zwang Blue ein verträumtes Lächeln auf ihr Gesicht „Die alte Kirche hier in der Nähe ist aber auch verwunschen stimmungsvoll. Ich glaub, ich hab sogar in Dick Seniors Augen ein paar Tränchen glitzern sehen.“
„Gut, dass dein Dad – Dean – da gleich ein Taschentuch für ihn hatte. Aber musstest du unbedingt Helen als deine Trauzeugin nehmen?“
„Oh komm schon, ich weiß, du magst sie. Ich mag Henry ja auch. Und seine Rede danach bei Nino’s in großer Runde war auch super.“
„Ja, war eine tolle Feier, auch wenn’s spät geworden ist, aber wir konnten ja zum Glück ausschlafen.“ Dabei zwinkerte er ihr doch wirklich spitzbübisch zu. „Und wie alle geklatscht haben, als er erzählt hat, wie ich bei der Silvesterparty bei ihm um Mitternacht vor dir auf die Knie gesunken bin?“ Gansey demonstrierte dies sogar kurz, richtete sich aber sofort wieder auf, bevor Blue reagieren konnte.
Das Gemeine war, dass Blue sich wahrscheinlich in diese Persona sogar verlieben könnte. Das Gemeine war, dass sie wusste, das war alles nicht echt, alles Spiel. Und doch merkte sie, wie ihr Herz gegen ihren Brustkorb hämmerte nach diesen Hin und Her. Sie ließ sich nichts anmerken; sie wusste, nur weil sie ihren Herzschlag hören konnte, könnte das jemand, der über einen Meter von ihr weg stand, noch lange nicht. „Ja, das war aber auch romantisch.“ Sie schenkte ihm ein verliebtes kleines Seufzen und ein glückliches Lächeln, wiegte den Löffel in ihrer Hand hin und her.
„Im Ernst, ist das nicht ein wenig zu dick aufgetragen?“ Da war Gansey wieder. Blue hatte ihn nicht wirklich vermisst, stellte sie fest.
„Menschen machen das eben so, ist immerhin einmal im Leben“, gab sie kurzangebunden zurück.
Keine Reaktion; seine Mimik war so ausdruckslos wie zuvor. „In Ordnung. Dann war das jetzt der einfache Teil. Kommen wir zu Teil zwei: Was ist damals im Sommercamp passiert, dass wir etwas miteinander angefangen haben?“
Einen Moment nahm sie sich, um nachzudenken. Schob sich noch einen Löffel Joghurt in den Mund, bevor sie ebenso sachlich antwortete, „Nachdem das jetzt doch schon eine gaaaanze Weile her ist, können wir da ja leicht unterschiedliche Erinnerungen haben. Wäre nur natürlich, schließlich funktioniert das menschliche Gehirn meistens so.“ Sie zuckte leicht die Schultern und erhielt lediglich ein Nicken. Dann schlüpfte sie erneut in ihre Persona, brachte einen verträumten Ausdruck auf ihr Gesicht. „Ich weiß noch, wir waren verdammt gut bei dieser Schnitzeljagd. Ich war ziemlich fit im Spurenlesen und du hast sowieso ein Händchen dafür, den richtigen Hinweisen nachzugehen. Dummerweise haben wir einen Bienenschwarm aufgescheucht…“
„…und mussten abbrechen, weil ich ja auf Bienen allergisch bin“, stimmte er doch tatsächlich, erneut ganz seine Persona, ein.
„Ja. Zum Glück hattest du deinen EpiPen dabei. Aber damit war’s das für uns. Wir sind da also einfach gesessen und haben geredet. Und geredet und geredet… Und irgendwann sind wir eben näher zusammen gerückt, haben Händchen gehalten, und dann die restlichen Tage eben auch miteinander verbracht. Wie wir als unwissende Teenager halt so waren. Erinnerst du dich, Schatz?“
Gansey nickte lediglich; und konnte Blue da eine Spur Anerkennung in seinem Blick erkennen? Nein, wahrscheinlich bildete sie sich das gerade nur ein.
„Ach ja, eine Sache noch“, wechselte Blue wieder aus ihrer Persona heraus und fixierte Gansey drohend. „Küss mich und du bist tot. Capisce?“
Aus dem Augenwinkel bemerkte sie ein abgehackt wirkendes Nicken zur Antwort. Doch ein Blick auf die Uhr verriet ihr, dass sie alles weitere besser im Auto auf dem Weg zum Flughafen besprechen sollten. Dort würden sie dann Lynch und Adam treffen, die bereits in ihre Personas geschlüpft sein würden – und die die Glendowers zumindest anfangs nicht kennen sollten.
~*~*~*
Der Volvo war nicht schön, aber sehr praktisch. Wenn sie sich entschlossen hätten, ein Surfbrett mit nach Las Vegas zu nehmen, hätte dieses wahrscheinlich auch noch Platz gehabt. Aber sie reizten wahrscheinlich auch so schon die Grenzen des erlaubten Gepäcks aus, die die Airline festgelegt hatte.
„Liebling, wir hatten doch vor einer Weile so große Probleme mit Maulwürfen in deinem Gemüsebeet. Erinnerst du dich?“ , fragte Dick unvermittelt – denn ja, es war eindeutig Dick Glendower, in dessen Persona Gansey also endgültig geschlüpft war, nun, da sie bis zur Ankunft im Hotel keinen wirklich unbeobachteten Moment mehr hätten.
Sie hatten das Gepäck genauso wie den Volvo auf Wanzen überprüft, als sie eingestiegen waren. Es war ein Wagen von F.O.X., ja, und gefunden hatten sie schlussendlich auch nichts. Nachdem aber auch der Maulwurf von innerhalb der Organisation operierte, hatten sie in stiller Übereinkunft beide beschlossen, lieber besonders vorsichtig zu agieren.
Blue hatte ein versonnenes Lächeln aufgesetzt und Gansey eine Hand auf den Oberschenkel gelegt, während er sie zum Flughafen fuhr. Sie summte unverbindlich, bevor sie zu ihm hinüber sah, möglichst verliebt und glücklich, wobei sie doch keines von beidem war. Unwillkürlich dachte sie an Adam, was dieser wohl gerade machte; ob er und Lynch auch schon auf dem Weg waren. Wieso hatte F.O.X. nicht ihm die Rolle ihres Ehemanns geben können anstatt Gansey, der ihr sogar offen ins Gesicht gesagt hatte, dass er ihr misstraute? Wenn diese Mission gut über die Bühne war, überlegte Blue, könnte sie Adam ja mal fragen, ob sie nicht zusammen etwas trinken gehen wollten…
„Liebling? Jane?“ Dick wartete immer noch auf eine Antwort.
Blue zwang sich zurück ins Hier und Jetzt. Die Mission fing gerade erst an; sie sollte sich besser konzentrieren! „Ja, ich glaube, ich erinnere mich. Meinst du, wir haben nicht alle ausgeräuchert?“ Sie ließ Janes Stimme zum Ende hin erschrocken klingen – von der Vorstellung, eine Nagetierplage im Garten zu haben, wenn sie aus diesen Flitterwochen zurückkämen.
Blue beobachtete, wie Gansey eine Hand vom Steuer nahm und diese auf ihre legte, ein besorgtes, kleines Lächeln auf den Lippen. „Ich weiß es nicht. Manchmal hab ich den Eindruck, du bist viel zu tierlieb…“
„Wieso sollte ich ausgerechnet diese Tierchen da haben wollen?“, schüttelte sie unverständig den Kopf. Dachte Gansey etwa über ihre bescheuerte Familiengeschichte hinaus ernsthaft, dass sie etwas mit der undichten Stelle zu tun hatte?! Allein der Gedanke schien ihr absurd. Aber gut, zugegeben, fremden Agenten nicht über den Weg zu trauen, war eine gewisse Berufskrankheit. Es war aber ja auch nicht so, als wäre ihr selbst nicht auch schon die Frage durch den Kopf gegangen, ob nicht Mister Super Spy hier zusammen mit seinem Besty einiges zu gewinnen hätte, wenn bestimmte Agenten aufflögen. Sie wusste, besonders Lynch hatte sich innerhalb von F.O.X. noch wenige Freunde gemacht mit seiner Art. Und nachdem sie ihn nun etwas länger in voller Lebensgröße erlebt hatte, wusste sie auch weshalb.
Ganseys Hand hielt immer noch die ihre fest, und wenn Blue nicht aus ihrer Rolle fallen wollte, gab es nichts, was sie dagegen tun konnte in diesem Augenblick. Ohne seinen Blick von der Straße zu nehmen, gab er zurück, „Vielleicht, um dich bei deiner Mutter zu revanchieren? Ich weiß, sie kann mich nicht wirklich leiden.“
Okay, in Ordnung, Gansey wusste also wirklich über Blues Beziehung zu F.O.X. und ihren familiären Hintergrund Bescheid – vermutlich ähnlich gut wie sie über ihn. Es war kein Geheimnis, dass ihre Mutter Maura gleichzeitig auch ihre Ausbilderin gewesen war. Inzwischen war Maura Callas rechte Hand. Blue war ebenso wie Gansey in das Familiengeschäft hineingewachsen – nur dass sie eben immer ein dunkler Schatten begleiten würde.
„Ach, Blödsinn, Schatz. Meine Mom weiß schon, was sie an dir hat.“ Sie warf Dick ein breites, beruhigendes Lächeln zu – und ja, es war definitiv nicht für Gansey; der bekam innerlich höchstens den Mittelfinger gezeigt. Seit sie denken konnte, hatte Blue härter für F.O.X. gearbeitet als die meisten anderen Agenten in ihrem Alter. Natürlich hatte auch sie ihre Trotzphase gehabt, in der ihr die imperativen Fragen ihrer Mutter auf die Nerven gegangen waren. Aber sie wäre nie auf die Idee gekommen, das an der F.O.X. auszulassen. Im Gegenteil: Sie hatte umso gefährlichere Missionen angenommen, um ihre uneingeschränkte Loyalität klar und deutlich zu beweisen. Hatte immer weiter an sich gearbeitet. Aber für Mister Super Spy würde das nie gut genug sein! „Und mir ist mein Garten heilig. Ich hoffe, wir haben die kleinen Mistviecher alle erwischt.“
Gansey neben ihr nickte nachdenklich. Was sollte er jetzt auch schon sagen? Immerhin hatte er seine Angst direkt angesprochen, dass sie auf einen Maulwurf angesetzt waren, der Teil des Teams war. Und das musste Blue – widerwillig – respektieren. Es stellte ein starkes Argument für seine Aufrichtigkeit dar; dafür, dass er eben nicht der Maulwurf war.
A/N: Dann poste ich das hier auch endlich mal - die Story geschrieben habe ich damals im November 2019, auch wenn ich seitdem einiges daran noch hier und da hin und her geschoben habe. Aber irgendwann muss es auch mal gut sein. Vielen lieben Dank an Estefania für die Beta!
What Happens In Vegas
Blue hatte bisher nur Geschichten über ihn gehört: Richard Campbell Gansey III, Codename King, einer der Top-Männer in F.O.X., der Field Operative Expedition. In diesen Geschichten könnte man meinen, er wäre magisch begabt, so viel wie er bereits erlebt und überlebt hatte. Richard C. Gansey III war praktisch in eine Spionage-Dynastie hineingeboren. Natürlich gab es auch hierüber mehr als genug Gerüchte: Dass er schon als Kleinkind regelmäßig an Lügendetektoren angeschlossen worden war, um seine Körperfunktionen kontrollieren zu lernen. Dass sein Vater, Richard Gansey II, ihn bereits im zarten Alter von zehn Jahren auf mehrere seiner Missionen in aller Welt mitgenommen hatte. Dass er mindestens acht Sprachen akzentfrei und auf Muttersprachler-Niveau sprach, sowie noch eine ganze Menge anderer Sprachen auf Konversations-Niveau.
Und dass er seit einem gemeinsamen Afghanistan-Einsatz vor etwa eineinhalb Jahren mit einem weiteren der Top-Männer der F.O.X. Blutsbruderschaft geschworen hatte: Ronan Lynch, Codename Greywaren – der, wenn man den Gerüchten Glauben schenken wollte, der Sohn des Teufels persönlich war. Die beiden jungen Männer waren bereits zuvor ein gutes Team gewesen, doch seitdem waren sie angeblich unzertrennlich.
Einzig der Dritte im Bunde hatte dieses Tag-Team wohl ein wenig aufgebrochen: Adam Parrish, Codename Magician. Im Gegensatz zu den anderen beiden hatte seine Familie zuvor nichts mit Geheimdienst-Arbeit zu tun gehabt; im Gegenteil. Es war ein offenes Geheimnis, dass ausgerechnet Ronan Lynch den illegalen Machenschaften Parrish Seniors ein Ende bereitet hatte. Adam Parrish selbst war es schließlich allerdings gewesen, der ihn dingfest gemacht hatte; er war in dieser Hinsicht ein self-made Spy. Wie es dabei und auch danach in ihm ausgesehen haben musste, konnte Blue nur mutmaßen… Jedenfalls war er seitdem Teil eines scheinbar unbezwingbaren Trios geworden.
Also drei Kerle mit James-Bond-Komplex, ging es Blue durch den Kopf, als sie den Dreien nun so im Besprechungssaal 6.21 gegenüber saß. Wenn sie ehrlich war, hätte sie sich King größer vorgestellt, war er doch der kleinste der drei Männer – selbst wenn er mit Präsenz die fehlende Größe auf erdrückende Weise wettmachte. Seine ganze Erscheinung samt des Dreitagebarts hatte etwas bewusst Glattes, strotzte nur so vor Selbstverständlichkeit. Und das, obwohl er hier im Gebäude wahrscheinlich der einzige Agent war, der ganz spießig in Hemd und lachsfarbener Krawatte herumlief. Greywaren und Magician trugen beide dunkle Lederjacken – ersterer mit der tödlichen Eleganz eines Mobsters, zweiterer mit der Lässigkeit eines Motorrad-Bastlers.
Drei Augenpaare ruhten prüfend auf Blue, eines braun, eines eisblau und eines himmelblau – sie blickte abwechselnd in alle davon, herausfordernd; nicht gewillt, zuerst wegzusehen.
„Gentlemen, das hier ist Codename Mirror. Sie ist die wirksamste Unterstützung, die ich Ihnen für diese Mission zur Seite stellen kann, und extrem talentiert im Einsatz von Klingenwaffen“, stellte die Direktorin sie dem Trio vor. „Wir haben verlässliche Intel, dass eine Liste mit Code- und zugehörigen Realnamen ihren Weg aus unseren Räumlichkeiten hinaus gefunden hat. Scheinbar haben wir also einen Maulwurf. Ich möchte Sie jedoch bitten, diese Information als Top Secret zu behandeln, da wir uns ansonsten gezwungen sehen, Sie ebenfalls zu eliminieren.“ Sie lächelte zuckersüß in die Runde und Blue hatte keinerlei Zweifel daran, dass sie diese Drohung auch in die Tat umsetzen würde. Das Lächeln wurde für einen Augenblick schneidend, bevor sie unbeirrt sachlich fortfuhr: „Ihre Mission ist es nun, diesen Maulwurf zu finden und die Liste zu zerstören, bevor sie in falsche Hände gerät. Noch Fragen?“
Gansey hob die Hand, als wäre er hier in der Schule, fragte in höflichem Ton: „Verzeihung, ich möchte nicht unhöflich erscheinen, aber wäre es bei einer Maulwurfjagd nicht geschickter, möglichst wenige Agenten zu involvieren? Braucht es für diese Mission wirklich vier Leute?“
Blue hörte den bestimmten und harten Unterton sehr deutlich aus seinen Worten. Meinte er da gerade wirklich, sie außenvor lassen zu wollen? Ein fragender Blick zu ihm bestätigte ihr diese Vermutung, wich er ihr doch ganz offensichtlich aus.
Natürlich; wieso eine Neue dabei haben, egal, was die Direktorin gerade gesagt hatte?! Dieses arrogante Arschloch war wahrscheinlich einer von der Sorte, die Frauen im Außendienst als Risiko und Last ansahen. Blue fixierte ihn mit einem düsteren Starren, dem er nach wie vor auswich.
Die Direktorin derweil hob lediglich eine Augenbraue, als ihr Blick schwer auf dem Fragenden landete. „Für diese Mission sehen wir in der Tat zwei Teams à zwei Leute vor. Zur Sicherheit aller Parteien. Außerdem bekommen Sie Czerny zur Seite gestellt; er wird Ihre digitalen Augen und Ohren bei dieser Mission sein. Laut unseren Informationen soll die Liste am kommenden Donnerstag bei einem Treffen in Las Vegas an den Meistbietenden übergehen. Ich denke, uns allen wäre es lieb, wenn es dazu gar nicht erst kommt. Also ziehen Sie besser den verdammten Stock aus ihrem weißen, privilegierten Arsch und sehen zu, dass Sie nach Vegas kommen. Ihre Deckidentitäten sowie alle nötigen Unterlagen finden Sie in Ihren persönlichen Fächern. Damit ist diese Besprechung beendet.“
Während die Direktorin bereits aufstand und den Raum verließ, blieb Blue sitzen, wie die drei Männer ihr gegenüber auch. Sie lehnte sich in ihrem Stuhl zurück und musste sich sehr zusammenreißen, ihre Arme nicht in einer Geste des stummen Protests vor der Brust zu verschränken. „Okay, King…“ – dabei spie sie seinen Codenamen regelrecht aus, als wäre er ungenießbar – „…Was zur Hölle war das gerade?!“
„Ich wollte doch nur… Ich hätte auf jeden Fall versucht, eine bessere…“ Der Angesprochene wirkte für einen Moment überrumpelt, unverständig, nervös. Bis er sich ihr zuwandte und einmal tief durchatmete. Augenblicklich schien er erneut ruhig, gefasst, die Situation und sich selbst zu hundert Prozent im Griff. Er lehnte sich ihr ein wenig entgegen, musterte sie von oben bis unten.
Was er wohl in diesem Moment sah? Blue fühlte sich mit einem Mal in ihren Cargohosen und mehreren Schichten zerschlissener T-Shirts unfair verurteilt, würde aber nicht dem Drang nachgeben, an sich hinunter zu sehen. Stattdessen fixierte sie ihn weiterhin anklagend.
Doch erschien im nächsten Moment ein Lächeln auf seinen Lippen, das für weniger aufmerksame Beobachter aufrichtig wirken mochte. „Wollen wir nicht lieber das Kriegsbeil begraben? Ich freue mich schon, mit Ihnen zusammen diese Mission zu meistern, Mirror.“
Welches verdammte Kriegsbeil? Und wurde sie jetzt als die Kleinliche hingestellt, weil sie seine Frage an die Direktorin nicht so auf sich hatte sitzen lassen wollen?! Sie blickte von Lynch zu Parrish. Am süffisanten Grinsen des ersteren könnte man sich schneiden; immerhin war der Gesichtsausdruck des zweiteren wenigstens aufrichtig entschuldigend. Ja, Parrish war definitiv jetzt schon derjenige, mit dem sie von den Dreien am liebsten zusammenarbeiten würde.
Dann glitt ihr Blick zurück zu Richard Campbell Gansey III; sie durfte also nicht als kleinlich dastehen… Aber sie würde das bestimmt nicht so auf sich sitzen lassen. Dieses Spiel konnten auch zwei spielen. Ein zuckersüßes Lächeln trat auf ihre Züge. „In Ordnung, begraben wir das Kriegsbeil. Von so einem erfahrenen Veteranen wie Ihnen kann ich sicher noch was lernen. Schließlich wurde ich nicht schon als Kleinkind zur gefühllosen Lügenmaschine ausgebildet. Das ist schließlich unser Business; da haben Sie mir so einiges voraus.“
Sie stand auf und verließ ebenfalls den Besprechungsraum, ohne noch einmal zurückzusehen.
~*~*~*
Natürlich war es gekommen, wie es hatte kommen müssen.
Das Schlimmste war, dass Blue wusste, Gansey war attraktiv. Er war athletisch und er war gutaussehend im klassischen Sinn, mit ebenmäßigen Zügen und gerader Nase. Hätte er keine so selbstgerechte Persönlichkeit, würde es ihr wahrscheinlich nicht einmal etwas ausmachen so zu tun, als wären sie verheiratet. So aber…
Blue presste die Lippen aufeinander, um sich möglichst wenig anmerken zu lassen, während sie die langen Gänge des Hauptquartiers zu den Aufzügen hinunter schritt. Das wäre ja noch schöner! Eigentlich war er es nicht einmal wert, dass sie sich über ihn aufregte. Er war ein guter Agent, das war es, was zählte. Und sie waren allesamt Profis; sie würden das verdammt nochmal alles gut über die Bühne bringen!
Als die Aufzugtüren sich für sie öffneten und sie hinein trat, hörte sie hinter sich jemanden rufen. Ganz automatisch drückte sie den Knopf, um die Türen noch offen zu halten. Zumindest bis sie sah, wer da zu ihr in den Aufzug trat. Er sah kurz zur Knopfreihe, drückte dann aber nichts weiter; sie schienen also dasselbe Ziel zu haben.
Parrish begrüßte sie mit einem scheuen kleinen Halb-Lächeln. „Tut mir leid wegen G… King. Er ist… da manchmal ziemlich unsensibel.“
„Das kann man wohl sagen. Kommt wohl mit dem familiären Hintergrund“, mutmaßte Blue und schenkte ihm ein ehrliches Lächeln. Wenigstens einer entschuldigte sich bei ihr; wenigstens einer schien sie nicht ausschließen zu wollen; wenigstens einer schien Manieren zu haben!
Parrish nickte nur, schien für einen Moment etwas sagen zu wollen, überlegte es sich dann aber doch anders. „Du kannst übrigens gerne Adam sagen“, bot er schließlich an.
Blue überlegte einen Moment, wie gefährlich es wohl wäre, ihren richtigen Vornamen zu nennen, immerhin gab es Codenamen ja nicht umsonst. „Adam, okay. Du kannst gerne einfach Blue sagen“, nickte sie. Parrish hatte ihr auch seinen echten Vornamen genannt – vermutlich ohne zu wissen, dass sie diesen sowieso schon kannte. Außerdem glaubte ihr sowieso kaum jemand, dass Blue kein Spitzname war.
Und auch Parrishs Stirn legte sich für einen Moment fragend in Falten – bevor einer von ihnen beiden jedoch noch mehr sagen konnte, öffneten sich die Aufzugtüren zu den Labors. Schweigend gingen sie den steril weißen Gang entlang, klopften an einer ebenso steril wirkenden Tür an und öffneten sie, noch bevor sie eine Antwort hörten. Adam hielt Blue die Tür offen und deutete ihr, vor ihm einzutreten.
Der Raum, den sie betraten, war relativ groß. An den Wänden hingen unzählige Zeichnungen, Kritzeleien und in einer Ecke sogar ein altes Blink182-Poster. Der Raum selbst war vollgeräumt mit den unterschiedlichsten Gerätschaften und technischen Apparaturen in den unterschiedlichsten Größen. Von etwas, das die Anmutung einer Drohne hatte , blickte Noah Czerny auf und ein breites Lächeln erschien auf seinem Gesicht. „Oh, hallo. Ich hab mich schon gefragt, wann ihr wohl soweit seid. Kommen die anderen beiden auch?“ Er kam ihnen entgegen.
„Sind auf dem Weg“, nickte Adam. Da wusste er gerade definitiv mehr zu seinen beiden Kollegen als Blue – sie machte sich eine mentale Notiz, dass sie am besten noch vor ihrem Abflug gleiche Bedingungen für alle schaffen sollten.
Blue hatte schon bei ein paar Missionen mit Noah zusammen gearbeitet. Er war bereits einige Jahre länger bei F.O.X. als sie selbst, allerdings nicht im Außendienst; er unterstützte stattdessen in Form von Technologie und Überwachungsarbeit. Blue wusste, für diese Mission würden sie seine Fähigkeiten extrem gut gebrauchen können.
Während die drei sich nun also begrüßten und ein wenig Smalltalk betrieben, trafen schließlich auch Gansey und Lynch ein. Blue bemerkte, dass King kaum ihrem Blick begegnete, selbst als er sie begrüßte. Er machte also direkt weiter, wo sie aufgehört hatten – ließ sie wissen, dass er diese Mission lieber ohne sie durchführen würde. Oh ja, sie müssten sowas von reden!
„Gut, wenn jetzt alle da sind, lasst mich euch die neusten Gadgets vorstellen“, grinste Noah stolz und klatschte vorfreudig in die Hände.
Beschreibung: Frohes Neues Jahr euch allen! Wir hoffen, ihr seid gut im Jahr '21 angekommen. Nach der Völlerei der Feiertage und diesem ganzen letzten Jahr und in der dunkelsten Zeit des Jahres haben wir uns alle ein wenig Achtsamkeit und Selbstliebe verdient! Deshalb ist auch das Thema dieses Monat "Self-Care" - lasst euch einfach davon inspirieren, habt Spaß damit und wir freuen uns auf eure Geschichten!
Fandom: alle Länge: Nachdem es darum geht, auf sich zu achten, sind NUR Storys zwischen 150 und 1.500 Wörtern erlaubt. Post-Zeitraum01.-31.01.202101.01.-28.02.2021 (verlängert bis Ende Februar!)
Regeln:
1. Wählt einen der unten stehenden Prompts aus (keine Reservierungen, jeder Prompt kann auch mehrfach genommen werden).
2. Lasst euch davon inspirieren und schreibt ein Drabble, eine Vignette oder einen kurzen Oneshot dazu.
3. Postet das fertige Drabble/die fertige Vignette/den fertigen One-Shot im passenden Forum und meldet euch als Antwort auf diesen Thread mit einer Verlinkung dorthin.
4. Wenn ihr super motiviert seid, könnt ihr natürlich so viele Drabbles/Oneshots schreiben, wie ihr wollt.
5. Ganz wichtig: Habt Spaß dabei und lasst euch ein bisschen inspirieren!
6. Und wenn ihr den Spaß teilen wollt, gebt euren Mitschreiber*innen Feedback auf deren Werke - immerhin freut sich jede*r darüber, wenn das Geschriebene auch gelesen wird.
Prompts: (01) Chicken Soup for the soul (02) (Schaum)Bad mit Wein bei Kerzenschein -- Comfort-Abend (von June) (03) Backen/Kochen/Essenzubereiten für die Seele (04) Schokolade! -- Das einzige Mittel (von June) (05) Digital Detox (06) Don't listen, your head is just mean! (07) Tipps an das jüngere Selbst (08) Der glücklichste Moment (09) Love your body (10) Wolken beobachten (11) Dear Diary (12) Bucket List (13) (Kleiderschrank) ausmisten (14) Waldbaden (Shinrin Yoku) (15) Kontakt zu alten Freunden (16) Spieleabend (17) Deine liebste Musik (18) Fotoalbum / Scrapbook (19) Ich bin für dich da / Du bist nicht allein (20) Spiraling (and how to stop it) (21) ausgedehnter Spaziergang (22) Sonnenbaden -- safe the world - take a sunbath; It's called balance (von June) (23) Wohnzimmer-Tanzparty -- just the way you are (von June) (24) Komplimente -- kind words (von June) (25) Meditation / Yoga (26) Herumalbern und lachen (27) Books and Coffee (28) Me-Time (29) The best dreams happen when you're awake (30) Fitness und Sport
Und wenn euch das noch nicht genug ist, haben wir hier noch eine Playlist für euch zusammengestellt, von der ihr euch auch inspirieren könnt.
T/N: Und auch wenn sie nicht unbedingt an Weihnachten spielt, finde ich, dass diese kleine Story sehr viel Weihnachtsgefühle weckt in mir, warum auch immer. Es handelt sich wieder um eine kleine Fic von iesika (das Original ist hier zu finden: https://iesika.livejournal.com/54032.html) – und wieder recht alt. Ursprünglich wurde dieses kleine Juwel 2009 gepostet, als gerade die ersten Superboy- und Red-Robin-Hefte herauskamen (alles noch vor new52).
Umarmung
Sobald er Tante Martha Bescheid gegeben hatte, dass er wieder da war, brauchte Kon gar nicht lange überlegen, wohin es als nächstes ging. Er hatte nicht die geringste Ahnung, wo Cassie sein könnte, aber Tim würde er in Gotham finden. Tim würde sicher auch wissen, wo Cassie und der Rest waren, so dass er Kon auf den neusten Stand brachte, bevor sie sich am Freitag im Tower trafen.
Als er aber in Gotham ankam, war die Bathöhle leer. Sämtliche Ausrüstung und Kisten waren mit Laken zugedeckt und von einer dünnen Schicht Fledermausdreck überzogen. Im Haus war auch niemand, selbst wenn es zumindest bewohnt aussah – die Spülmaschine lief und in einem der Badezimmer im oberen Stockwerk brannte Licht. Natürlich stellte Kon das alles durch das Dach hindurch fest. Er war ja nicht dumm. So sehr wie Tim versteckte Sprengsätze und Fallen mochte, war Batman selbst damit nur noch schlimmer!
Na gut. Es war auch schon spät. Wahrscheinlich waren sie schon losgezogen, um das Verbrechen zu bekämpfen. Vielleicht hatte auch der Butler-Typ heute Abend frei, weil er ein heißes Date hatte oder so. Auch alte Knacker brauchten schließlich Liebe. Kon hatte Tim schon einmal nur mit seinem Supergehör gefunden und das war sogar noch gewesen, bevor sich sein Teleskopblick gemeldet hatte. Kon könnte das wieder machen, no Problemo. Und wenn das alles nichts half, könnte er auch so lange durch die Stadt fliegen, bis eine der Bats ihn fand.
Ganz genauso war es dann auch. Er hatte gerade über der Innenstadt eine Pause eingelegt, um sich zu orientieren – weit unter ihm floss der Verkehr in gemütlichem Strom dahin – als er eine Bewegung ausmachte: Batman, der ihn von einem Vorsprung auf der gegenüberliegenden Straßenseite aus zu sich winkte. Kaum war Kon nur noch fünf Meter entfernt, sprang Batman von der Wand direkt auf ihn zu. Kon hatte noch nicht wirklich darüber nachgedacht auszuweichen, als Batman bereits seine Arme in einer festen Umarmung um ihn schlang.
Batman umarmte ihn, hundertfünfzig Meter über Gotham! Seine Beine schlangen sich ebenfalls um Kons und auch wenn er erst einmal vor Überraschung einige Meter fiel, trug Kon ganz instinktiv auch gleich den Großteil seines Gewichts.
„Ich musste gleich Clark Bescheid geben“, sprach Batman in sein Ohr – nur dass das nicht Batmans Stimme war. „Ich wollte erst sichergehen. Oh mein Gott, du lebst!“
„Dick?“Kon fühlte sich gerade so, als würde er immer noch fallen.
„Ja. Himmel, ich hab dich sterben sehen!“
„Mach dir keinen Kopf“, versicherte Kon, „Mir geht’s wieder gut.“ Er legte Dick eine Hand auf die Schulter, weil man das mit hysterischen Leuten eben so machte, solange sie einen nicht versuchten umzubringen.
„Du benimmst dich wie ein Mädchen“, ertönte eine höhnische – und ziemlich jung klingende – Stimme von der Hausfassade. Über Dicks Schulter erblickte Kon einen Jungen in Rot und Grau, der zu ihnen hinunter sah.
Dick – Kon konnte ihn nicht einmal in Gedanken ‚Batman‘ nennen – seufzte, drehte sich aber nicht um: „Ich hab dir doch gesagt, du sollst zurück zur Basis.“
„Wer zur Hölle ist der da?“, fragte Kon, „Wo ist denn Robin?“
„Ich bin Robin!“, gab der Kleine überheblich zurück.
„Nie im Leben!“, knurrte Kon, während er Dick auf dem Dach absetzte und etwas Abstand zwischen sie brachte. „Wo ist Tim?“
Dick sah resigniert zu Boden. „Ich weiß es nicht“, gab er leise zu.
„Was?!“
„Ich hab gesagt, ich weiß es nicht“, wiederholte Dick etwas lauter. Sein Blick war immer noch nach unten gerichtet, so dass Kon etwas tiefer schwebte – doch Dick wich ihm aus.
„Wie“, fragte Kon verwirrt, „Hast du ihn etwa verloren?“
„Die kleine Heulsuse ist abgehauen.“
„Robin!“, warnte Dick.
„Abgehauen?“, wiederholte Kon.
„Oh, beachtet mich“, äffte der Kleine in quängeligem Singsang, der überhaupt nicht nach Tim klang, „Oh, ich Armer! Mein Daddy hat mich nie geliebt. Oh, meine Fotze von Freundin hat mich angelogen. Oh, mein armer toter Lov—“
Ein Schlag, und der Rotzlöffel fiel. Kon fing ihn ein paar Meter über dem Boden auf, bevor er ihn bleich und zitternd auf einer Bushaltestelle absetzte.
Nur Sekunden später ging er neben Dick auf einem Gargoyle in die Hocke. „Wir müssen echt reden, Mann.“
Geschrieben von: tenten31 - 24.12.2020, 13:02 - Forum: The Others
- Keine Antworten
Nachdem es sie nur noch eine Woche gibt, bevor sie offiziell große Pause machen, muss hier einfach auch nochmal ein Arashi-Oneshot sein... Frohe Weihnachten allerseits!
Intervention (Sakumoto, 1.000 Wörter)
Um ihn herum erhob sich ein Summen und ein Ruck ging durch den Zug, bevor dieser sich erneut in Bewegung setzte. Sho beobachtete, wie sie den Bahnhof hinter sich ließen, dann die Hochhäuser der Stadt, dann die niedrigeren Dächer der Vorstadt. Immer weiter und weiter gewann der Zug an Geschwindigkeit. Draußen vor dem Fenster wurde es bereits dunkel, auch wenn es noch relativ früh war; es war nicht mehr lang bis zur längsten Nacht des Jahres.
„Entschuldigung, ich glaube, Sie sitzen auf meinem Platz“, drang eine leise Stimme an Shos Ohr, zu der er sich auch direkt umdrehte. Im Gang zwischen den Sitzreihen stand ein junger Mann Anfang zwanzig, etwa in Shos Alter. Er trug einen dicken Wintermantel sowie eine leicht beschlagene Brille auf der Nase, und wedelte ganz und gar nicht begeistert mit einem Ticket. Dabei ruhte sein Blick auf dem Mann neben Sho.
Der Mann entschuldigte sich und räumte seinen Platz für den Jüngeren. Sho schenkte seinem neuen Sitznachbarn ein gezwungenes kleines Lächeln, bevor er sich wieder umdrehen wollte, um weiter das abendliche Lichtermeer zu betrachten.
„Fahren Sie auch bis nach Tokyo durch? Wenn nicht, sollten wir vielleicht Platz tauschen?“ Der Typ klang aufrichtig besorgt – was Sho sich fragen ließ, ob er denn vorhatte, bis Tokyo durchzuschlafen, so dass es einen guten Grund dafür gab, oder ob er einfach nur Shos Fensterplatz haben wollte.
„Ich fahre auch bis Tokyo durch, keine Sorge.“
„Oh, super. Sind Sie aus Tokyo? Fahren Sie Ihre Familie besuchen über die Feiertage?“ Sho nickte lediglich; er hatte nicht wirklich Lust sich mit irgendeinem fremden Nerd zu unterhalten. Der aber schien nicht zu begreifen: „Ich bin übrigens Matsumoto Jun.“
„Sakurai Sho“, seufzte er leise und wandte sich doch Matsumoto wieder zu. Da ging also seine ruhige Zugfahrt hin…
„Freut mich, Sie kennenzulernen, Sakurai-san.“ Sho musste ja zugeben, dass Matsumotos Lächeln, das Funkeln in seinen dunklen Augen und die in diesem Winkel gut sichtbaren, perfekten kleinen Muttermale direkt unter seinen Lippen ihn auf ungeahnte Weise berührten.
Sho riss sich zusammen und erwiderte das Lächeln. Der Junge konnte echt nichts für seine Laune. „Freut mich ebenfalls. Tut mir leid, wenn ich gerade etwas griesgrämig war. Der Tag war lang und ich bezweifle, dass die Feiertage viel entspannter werden.“
„Oh, warum?“
Matsumoto wirkte so ernst und offen bei seiner Frage. Dabei hatte er bestimmt nicht die leiseste Ahnung, worauf er sich da einließ. Aus einer Laune heraus beschloss Sho, offen mit ihm zu sein.
„Mein Vater hat mich erwischt, wie ich an der Uni herumgeknutscht hab. Mit einem anderen Kerl.“
„Und?“
„Und?!“ Sho wusste nicht, ob er darüber lachen oder weinen sollte. Wie konnte Matsumoto nicht begreifen, was an diesem Umstand so fatal war? Jeder normale Mensch würde doch ausrasten, oder? „Und meine Familie hat mich deswegen das letzte halbe Jahr ziemlich geschnitten. Zu Weihnachten planen sie jetzt sicher einen… Exorzismus oder eine Intervention oder so.“
Sho hatte das alles noch nicht einmal seinen Freunden an der Uni erzählt – jetzt mit einem vollkommen Fremden im Zug darüber zu reden, fühlte sich seltsam an. Gleichzeitig fühlte es sich aber auch ungeahnt befreiend an, das endlich auszusprechen. Und jemand Unvoreingenommenen zu haben, der nicht sofort schreiend weglief, war da ein guter Anfang.
Matsumoto nickte nur und lächelte Sho mit seinen dunklen Augen und geschwungenen Lippen an. „Sie machen einen recht vernünftigen Eindruck. Warum sind Sie sich so sicher, dass sie sich in diesem halben Jahr nicht damit arrangiert haben? Ihre Familie weiß, dass Sie über Weihnachten nach Hause kommen, oder?“
„Ich… Ja, wissen sie. Um ehrlich zu sein, haben sie mich sogar angerufen, um sicherzugehen.”
Matsumotos Lächeln wurde breiter und ein wenig dämlich, berührte Shos Herz aber deswegen nicht weniger. „Sehen Sie, ist doch ein gutes Zeichen. Alles wird gut, auch für Sie. Die haben Sie sicher alle sehr lieb.“
„Sie kennen meine Familie nicht.“
„Nein, aber ich kenne Sie. Und ich finde, Sie sind liebenswert.“
Sho stieß ein freudloses kleines Lachen aus. „Danke. Selbst wenn wir uns gerade noch nicht einmal eine Stunde kennen.”
„Gern geschehen.“ Matsumoto schien einen langen Augenblick nachdenklich, bevor sich seine ganze Haltung veränderte. „Ich würde dich sehr gerne besser kennenlernen, Sho-san“, sagte er mit belegter Stimme. Sein Lächeln dabei war selbstbewusst, sein Blick dagegen schüchtern, fast flehend.
Bevor Sho reagieren konnte, fanden Matsumotos Lippen in einem federleichten, erschreckenden und gleichzeitig so wundervollen Kuss die seinen. Und doch kam ihm als erstes in den Sinn, sich verschämt umzusehen – allerdings schien niemand sie überhaupt zu beachten.
„Tut mir leid.“ In Juns Blick lag weder Zögern noch Reue. „Das hätte ich wahrscheinlich besser nicht tun sollen. Ich wollte nur, dass du weißt, du bist nicht allein.“
Sho wollte Jun am liebsten anschreien. Was zur Hölle hatte er sich dabei gedacht?! Aber nein, um sie herum waren Leute und Sho wollte bestimmt keine Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Er wusste ja, dass er manchmal zu Wutausbrüchen neigte. Und er glaubte Jun. Weshalb er sich mit der Zunge leicht über die immer noch von Juns Berührung kribbelnden Lippen fuhr. „Ich… du… Danke… schätze ich.“ Er wusste, sein versuchtes Lächeln scheiterte kläglich. „Aber bitte mach das nicht nochmal.“
„Oh“, war alles, was er als Antwort bekam. Juns Lippen formten eine schmale Linie. „Okay. Nochmal sorry.“
Sie ließen sich beide wortlos zurück in ihre Sitze fallen. Die Stille um sie herum schien mit einem Mal massiv und schwer.
Bis Juns leise Stimme sie durchbrach: „Ganz bestimmt akzeptiert dich deine Familie so, wie du bist.“ Shos Herz hämmerte regelrecht gegen seinen Brustkorb.
„Danke.“ Die Antwort kam von Herzen und erst als er sie ausgesprochen hatte, realisierte Sho, dass er überhaupt etwas gesagt hatte. Er musste die immer noch lauernde, erdrückende Stille überwinden. „Es ist nur… nächstes Mal… wäre etwas Vorwarnung nett.“
„Nächstes Mal?“, fragte Jun vorsichtig. „Es gibt ein nächstes Mal?“
„Wenn du nicht so dumm fragst, dann vielleicht“, brach doch noch Shos Temperament durch.
Aus dem Augenwinkel konnte er erkennen, wie Jun ihm sein dämliches Lächeln schenkte, wie seine so ausdrucksstarken Augen funkelten. „Ähm… also… Lust, dass wir uns an Weihnachten treffen?“
Zu erst einmal danke an @tenten31 @Estefania fürs Anfeuern und Mut machen.
Dann nochmal ganz ganz lieben Dank an die Beste Betaleserin die ich je hatte @tenten31. Ich hab schon so einiges von dir gelernt. Danke von
Ich hatte Adventskalendertürchen Nummer 23 mit dem Wort Esskastanien. Ich hoffe euch gefällt meine kleine Geschichte, wie immer freue ich mich sehr auf einen Kommentar, danke im Voraus. *mit Esskastanien anlock, ich kann sie schon riechen, liegt aber gerade daran, dass meine Mutter welche macht, als ich die Geschichte heute geschrieben habe, konnte ich es auch riechen, mit dem Unterschied, dass da keine gemacht wurden. *grins* Ich höre jetzt mal auf zu reden und lasse euch lesen. Wobei eins noch. Ich wünsche Frohe Weihnachten, schöne Tage und alles Gute. Jetzt aber kommt die Geschichte.
Esskastanien und andere Weihnachtsleckereien!
Prolog
Jonathan Samuel Kent stand in seinem Zimmer. Er blätterte gedankenverloren in einem Fotoalbum, auf dem ab und an eine seiner Tränen landete.
Once upon a time...
„Jon, jetzt mach schon! Du weißt doch genau, wie er ist, wenn man nicht pünktlich ist.“ Man sollte meinen, wenn man über Superspeed verfügte, brauchte man sich keine Sorgen über das Zuspätkommen machen. Schien also nicht nur beim roten Speedster der Fall zu sein. Der kleine Superboy ließ sich viel zu lange Zeit fürs Geschenkeeinpacken.
Clark begleitete seine Lois noch zur Tür, während er auf seinen Sohn wartete. Das Taxi stand schon vor der Tür, also verabschiedeten sich Lois und Clark schnell, bevor sie einstieg, um zu ihren Eltern zu fahren.
Kaum war das Taxi weggefahren, stand Jon vollgepackt mit Geschenken in der Tür und kaute an einem Stück Lebkuchen. „Also ich wäre soweit – und du?“ Grinsend sah er seinen Vater an.
„Na dann, auf geht’s!“
Clark und Jon gingen ein Stück die Straße entlang. Als sie dann an einer verlassenen Gasse vorbeikamen, prüften sie kurz, ob jemand zusah und flogen los.
Der Flug nach Gotham dauerte nicht lange. Jon wollte unbedingt mit Damian zum Weihnachtsmarkt gehen, daher hatten sie sich verabredet, um sich dort zu treffen. Es sollte ein Beste-Freunde-Vater-Sohn-Abend werden. Clark hatte nicht wirklich damit gerechnet, dass Bruce zusagen würde, da er abends immer schwer beschäftigt war, dennoch hatte er zugesagt. Die Lage war wohl ausnahmsweise mal ruhig. Umso besser.
Sie landeten etwas abgelegen und gingen den Weg zum Weihnachtsmarkt zu Fuß weiter. Kaum waren sie beim Eingang angekommen, klingelte Clarks Handy. Er hatte es mitgenommen, weil er es geahnt hatte. Es war wirklich Bruce, obwohl er echt gehofft hatte, dass er es nicht war. Dringender Notfall also, und helfen lassen wollte er sich auch nicht, typisch Batman. Clark seufzte etwas, und als es dann hieß, Damian würde auch nicht kommen können, musste er das seinem Sohn irgendwie erklären.
Heute war der letzte Abend dieses Weihnachtsmarktes, also die letzte Gelegenheit – da sie aber schon einmal hier waren, hatte Clark eine Idee: „Hey Kleiner, tut mir leid, das war Bruce. Er sagt, sie können nicht kommen, es ist ein Notfall.” Er wuschelte seinem Sohn über die Haare. „Was hältst du davon, wenn wir eben alleine auf den Weihnachtsmarkt hier gehen? Da wir doch eh schon hier sind?” Danach könnten sie immer noch nach Wayne Manor fliegen und warten, bis Batman und Robin vom Einsatz zurückkamen. Kam ganz auf Jons Laune an, ob er überhaupt noch Lust hatte oder nicht, wäre verständlich.
Jon seufzte. Kurz sah er seinen Vater an, dann den Weihnachtsmarkt. „Hmm, na gut, dann lass uns eben alleine gehen.” Man merkte an seiner Stimme, dass er nicht sonderlich Lust hatte, aber scheinbar auch nicht einfach nachhause wollte. „Danach gehen wir aber die Geschenke abgeben, Alfred ist eh immer zuhause.” Dabei klang Jons Stimme etwas fröhlicher, wenn auch immer noch enttäuscht.
Clark legte Jon eine Hand auf die Schulter und nahm ihm die Tasche mit den Geschenken ab. „An welchen Stand willst du zuerst?” Irgendwie musste sein Sohn ja aufgemuntert werden.
Wieder überlegte Jon etwas, bevor er sprach. „Ich möchte erst einmal eine Runde machen und dann entscheiden, wo ich sonst als erstes hinmöchte.” Kaum hatte er es ausgesprochen, schon lief er los. Clark ging etwas erleichtert hinterher.
Jedoch hatte es sein Sohn scheinbar eilig, denn die Runde war schnell rum. Jon blieb wieder stehen und seufzte etwas. „Es macht irgendwie keinen Spaß. Es sieht alles so lecker aus, aber es ist blöd, wenn ich mir hier den Bauch vollschlage und Damian nicht dabei ist. Ich wollte ihm doch all die leckeren Sachen zeigen.” Jon war echt frustriert.
Clark nahm seinen Sohn in den Arm. „Du hast schon recht, war anders geplant, aber du weißt ja wie unser Leben nun mal ist. Es kann immer wieder etwas dazwischenkommen”, versuchte er ihn zu trösten und überlegte kurz, wie der Abend noch gerettet werden konnte, als ihm eine Idee kam. „Ich weiß, was wir machen. Wir bringen den Weihnachtsmarkt einfach zu Damian, wenn Damian nicht zum Weihnachtsmarkt kommen kann.” Clark grinste etwas und sah Jon an. „Na, was hältst du davon?”
Jons Gesicht hellte sich schlagartig auf. „Au ja, du hast echt die besten Ideen, Daddy.” Jon umarmte seinen Vater fröhlich und grinste. „Ich gehe schnell Süßigkeiten aussuchen.” Kaum hatte er seinen Satz beendet, lief der Junge los.
Clark hingegen nahm sein Handy und schrieb Dick, Tim und sogar Jason eine SMS und fragte, ob sie gleich mal Zeit hatten, in der Bathöhle vorbeizukommen. In der SMS schrieb er auch, was er vorhatte, damit sie sich keine unnötigen Sorgen machen mussten.
Clark folgte Jon dann zum Stand und bezahlte die Süßigkeiten, die der Junge ausgesucht hatte. Als sie am Schmalzgebäckstand vorbei gingen, hatte Clark wieder eine Idee und bat den Verkäufer, ihm einen Kilo unfrittierte Gebäckstücke zu verkaufen. Der Verkäufer musterte ihn erst kurz etwas seltsam, aber willigte dann ein, als er Jons bittendes Gesicht sah. Das Zeug schmeckte ja nur, wenn es gerade frisch gemacht wurde – deswegen musste er es roh mitnehmen, denn die Zubereitung würde sicher eine Stunde in Anspruch nehmen. So war es besser.
Kurz nachdem er bezahlt hatte, bekam er schon die erste SMS. Sie war von Jason, der ablehnte, weil er keine Lust hatte. War ihm eigentlich schon klar gewesen, aber Clark wollte ihn nicht ausschließen. Vielleicht würde er ja doch noch kommen, es war halt typisch Jason.
Er packte das Handy wieder ein und beobachtete seinen Sohn, wie er sich fröhlich die Stände ansah. „Noch was entdeckt?”
Jon stand an einem Stand, wo es alle möglichen Kristalle zu kaufen gab, auch welche, die aussahen wie Kryptonit, aber keins waren. Er musste grinsen und suchte sich eben genau diese aus. Er hatte schon eine Idee was er damit anfangen würde, aber er behielt diese Idee erst einmal für sich. „Willst du dir auch etwas Schönes aussuchen?”
Es glitzerte und funkelte in allen möglichen Farben. Jons Augen machten es ihm nach und der junge Superboy konnte sich einfach nicht entscheiden, was er nehmen wollte. „Ich nehme dies hier, nein lieber das oder doch lieber die hier.” Er grübelte etwas.
Nachdem er seine Auswahl auf drei Kleinigkeiten beschränkt hatte, sich aber noch immer nicht entscheiden konnte, bat Clark den Verkäufer, alle drei mit dem Möchtegern-Kryptonit abzukassieren aber in zwei verschiedene Tüten zu packen. Nachdem er bezahlt hatte, entdeckte er noch drei kleine Vögel und eine Fledermaus, die aus Marmor geschnitzt waren – die kaufte er dann auch noch, sowie einen kleinen Kerzenhalter, der ebenfalls aus Marmor war – und es ging weiter.
Sie waren schon auf dem Weg zurück zum Eingang, als Clark einen Stand mit Esskastanien entdeckte. War schon eine Weile her, dass er das letzte Mal welche gegessen hatte. „Guck mal, Jon, hier gibt es Esskastanien. Lass uns welche kaufen!” Er wartete nicht, bis sein Sohn antwortete, denn wenn er keine wollte, würde er sie halt selbst essen. Da Jon nicht antwortete, drückte er ihm einfach eine Tüte in die Hand.
Während er seine erste Esskastanie schälte, beobachtete er seinen Sohn. Clark dachte sich schon, warum er nicht schon anfing, sie fröhlich zu essen. Auch hier brauchte es keine Worte. Clark wusste, was zu tun war und kaufte zwei Kilo noch roher Esskastanien vom Verkäufer. Kostete zwar extra, aber was tat man nicht alles, um seine Kinder glücklich zu machen. „So, nun iss deine, bevor sie kalt werden und lass uns danach du weißt schon wohin.” Er zwinkerte ihm zu und widmete sich wieder seinen Esskastanien zu.
Selbst für Superman war Wayne Manor einfach nur gigantisch. Er war schon ganz oft hier gewesen, jedoch beeindruckte es ihn immer wieder. Dieses Mal klingelte er an der Eingangstür und wartete, bis Alfred ihnen öffnete, was nur einige Momente dauerte. Der Butler – oder wie die meisten ihn eher sahen, der Vater und Freund – wurde zur Begrüßung von Clark und Jon umarmt.
Kaum hatte er die Tür hinter den Besuchern geschlossen, bot er bereits eine Tasse Tee oder etwas anderes zu trinken an. Beide lehnten dankend ab. Alfred wollte ihnen beim Tragen helfen, doch dies lehnten sie auch dankend ab.
Jedoch stellte Clark die Tüten kurz ab, da sein Handy wegen einer SMS oder nein, es waren gleich zwei hintereinander, vibrierte. Tim und Dick sagten beide zu. Sehr gut! Clark lächelte zufrieden und Jon blickte seinen Vater neugierig an.
„Kommen sie? Bitte sag, dass sie kommen.” Jons Stimmte war hoffnungsvoll, aber etwas unsicher. Clark hingegen nickte nur. „Juhu, dann lass uns schnell alles vorbereiten! ” Dabei sah er seinen Vater und Alfred voller Tatendrang an.
Clark erklärte Alfred, was für eine Überraschung sie geplant hatten, und der Butler freute sich darüber. Er ging voraus, während Clark und Jon samt Geschenken und Einkäufen ihm folgten.
In der Bathöhle war Superman sogar noch öfter und es beindruckte ihn noch mehr. Es war einfach faszinierend. Nicht so überragend wie seine Festung der Einsamkeit, aber dennoch ein spannender Ort. Jon schien es auch so zu sehen denn er starrte staunend durch die Gegend.
Ein paar Minuten später war Dick auch schon angekommen. Er hatte Weihnachtsdekoration dabei. Clark musste sich einfach Bruces Gesicht vorstellen, wenn er das hier sehen würde. Deko war eine gute Idee, warum war Clark nicht von selbst draufgekommen? Dafür hatten sie ja Dick. „Hey. Schön, dass du kommen konntest, und das mit der Deko ist echt eine gute Idee.”
Nightwing wurde auch zur Begrüßung von Clark zuerst umarmt. Jon war noch zu begeistert von der Höhle, deswegen wurde er von Dicks Umarmung überrascht. „Ja hat gut in meinen Zeitplan gepasst, außerdem kann ich doch nicht Damians und vor allem Bruces Reaktion darauf verpassen! Daher auch die Deko – wenn schon, denn schon.”
Dick grinste, als auch schon die Deko vom kleinen Superboy beschlagnahmt wurde. Der Junge fing ohne zu zögern an zu dekorieren. Clark sah ihm noch kurz zufrieden dabei zu, bevor er dann anfing, die Esskastanien vorzubereiten. Alfred hatte bereits alles hingelegt was sie heute Abend brauchen würden. Er brauchte keinen Herd, dafür hatte er seinen Hitzeblick. Echt praktisch. Damit konnte er den Topf mit dem Öl einfach erhitzen und das Schmalzgebäck frittieren.
„Ich geh eben hoch und schaue, ob ich Alfred helfen kann und frage Tim, wann er ankommt. Bis gleich!”, sagte Dick, bevor er hochging.
Ein paar Minuten später kam Dick mit Alfred zurück. Tim war auch dabei. „Ich freue mich, dich zu sehen, Tim! Schön, dass du es einrichten konntest“, sagte Clark lächelnd. Nachdem Tim ebenfalls so herzlich begrüßt wurde, ging es weiter an die Arbeit. Der Tisch wurde gedeckt, mit allerlei Leckereien. Tee gab es auch und der duftete so herrlich nach Weihnachten.
Als Jon mit Hilfe von Tim fertig dekoriert hatte, stapelte er seine Geschenke auf einem kleinen Tisch, den Alfred extra dafür hingestellt und dekoriert hatte. Jetzt fehlten nur noch die Hauptgäste. Wobei Jon noch hoffte, dass Kon und Kara vielleicht auch kamen. Und Batgirl wäre auch cool. Wenn sie hier auftauchten, ohne zu wissen was hier los war, wäre es sogar noch cooler! Jon ließ sich einfach mal überraschen. Er stellte sich jetzt ziemlich zufrieden grinsend neben seinen Vater. „So, jetzt sind wir bereit.” Stolz sah er dann zu den Batjungs. „Wisst ihr wann sie wieder kommen?”
Tim und Dick schüttelten beide gleichzeitig den Kopf. Dauerte manchmal lange und manchmal halt nicht, konnte leider keiner beurteilen. Anrufen und fragen wäre zu gefährlich, außerdem würde es die Überraschung kaputtmachen. Ihnen blieb also nichts weiter zu tun als zu warten.
Währenddessen gab Alfred jedem schon mal eine Tasse Tee und nahm sich auch eine. „Dies ist wahrlich eine gute Idee gewesen. Master Damian wird sich sicher freuen.” Es aber bestimmt nicht zeigen, vielleicht ja doch. Schließlich war es die Weihnachtszeit. Da hatte sogar Batman gute Laune, hin und wieder zumindest.
Die Zeit verging und verging. Mittlerweile waren sie schon seit einer Stunde fertig, es wurde schon spät. Ein ungutes Gefühl machte sich breit. Bruce schien es gut zu gehen, denn sein Herzschlag war normal, dies konnte Clark wegen seines Supergehörs hören. Er hatte sich die Herzschläge der Menschen, die ihm besonders am Herzen lagen, gemerkt, denn er musste es kontrollieren, damit es nicht zu viel für ihn wurde. Er musste differenzieren können, wo die Gefahr höher war und wo nicht. Er konnte schließlich nicht überall gleichzeitig sein und auch nicht alle Menschen retten, auch wenn er es gern wollte und es ihn hin und wieder runterzog, weil er es nicht konnte. „Sie werden sicher bald kommen“, beruhigte er alle – aber hauptsächlich seinen Sohn, denn die Batfamily konnte mittlerweile damit umgehen.
Wieder war eine Stunde vergangen. Es wurde immer weniger geredet und immer mehr gewartet. Clark konnte beobachten, wie sein Sohn immer frustrierter wurde, auch wenn er tapfer versuchte, es nicht zu zeigen.
„Lasst uns einen Weihnachtsfilm gucken”, sagte Dick fröhlich, als seine Worte fast von den Geräuschen des ankommenden Batmobils übertönt wurden.
Jon sprang auf und lief in die Richtung.
„Hättest du das nicht eher sagen können?” Tim boxte seinem Bruder gegen die Schulter und grinste. Selbst Alfred musste schmunzeln. Clark war zufrieden und konnte es kaum erwarten, Bruces Gesicht zu sehen.
Er war nicht der Einzige mit dieser Vorfreude, also stand er zwischen Tim und Dick, während Jon bereits beim Batmobil angekommen war, das gerade geparkt wurde. Kaum wurde die Tür des Wagens geöffnet, riefen alle gleichzeitig: „Frohe Weihnachten!”
Clark konnte selbst unter der Maske Bruces Verwunderung sehen und auch wie Damian versuchte, seine Freude zu verstecken.
Jon hingegen schnappte sich gleich Damians Arm und zerrte ihn fast zu dem Tisch mit den Geschenken. „Guck mal, das und das und das da haben wir alles für dich gekauft und wir haben den Weihnachtsmarkt einfach hierhergeholt, weil du nicht mitkommen konntest, wie findest du es?” Freudestrahlend sah er Damian an und wartete auf seine Reaktion.
„Ganz nett.” Robin klang viel beeindruckter als er wollte. Es war wirklich toll, aber zugeben konnte er es nicht. Er würde auch nicht zugeben, dass er viel lieber mit Jon auf den Weihnachtsmarkt gegangen wäre als mit seinem Vater auf Mission, was er sonst immer wollte und sauer war, wenn er nicht durfte.
„Ganz nett?” Clark hob eine Augenbraue. “Es tut nicht weh sich zu freuen, glaub mir.” Er zwinkerte ihm zu und wuschelte ihm durch die Haare, bevor er zu Bruce ging.
Noch bevor Clark etwas sagen konnte, spürte er die Hand seines Freundes auf seiner Schulter. „Danke“, sagte Bruce, während er seine Maske abnahm und man ein kleines Lächeln sehen konnte.
Damian hatte nur vor sich her gegrummelt, als Clark ihm durch die Haare gewuschelt hatte und war sich umzuziehen gegangen. Jon wartete solange, bis Damian wieder da war, um ihm zu erzählen wie es so auf dem Weihnachtsmarkt war.
Bruce und Clark gesellten sich zu den Anderen. Dabei wurden sie von den Jungs angegrinst. Auch Damian musste etwas grinsen, als er wieder da war. Es war eine seltsame Situation, kurze Stille umgab die Bathöhle, bevor alle anfingen zu lachen.
Es wurde sich unterhalten, gegessen und getrunken, während Clark sich um die Esskastanien kümmerte, die er schön mit seinem Hitzeblick erhitzte und fertig machte zum Essen. Alfred frittierte währenddessen das Schmalzgebäck in Öl, welches durch Jons Hitzeblick erhitzt wurde. Hier und da wurden ein paar Fotos zur Erinnerung gemacht und alle waren glücklich.Clark hatte den Anderen die Kristalle gezeigt, die aussahen wie Kryptonit, aber keins waren, und erzählt, dass er sie anonym Luthor zu Weihnachten schenken könnte. Das Gesicht, das er machen würde, sobald Luthor realisierte, dass es den Kryptoniern nichts ausmachte - das wollte Clark nicht verpassen. Dieser Gedanke brachte ausnahmslos alle zum lachen.
So wurde es doch noch ein schöner Abend. Jeder kam auf seine Kosten und auch Damian wurde im Laufe des Abends lockerer und schien sich zu freuen. Einmal alle Sorgen vergessen und glücklich sein, wenigstens für ein paar Stunden.
Ein Jahr später
Jon hatte die Geschenke wie letztes Jahr schon im November fertig. Dieses Jahr wollten sie den Weihnachtsmarkt in Smallville besuchen und auf der Farm feiern. Hatten sie schon im Sommer beschlossen. Heute wäre der Tag gewesen, nur diesmal würde es kein Weihnachtsfest geben.
Es war vor wenigen Tagen passiert. Er wusste nicht mehr, ob es zwei oder drei Tage waren. Er hatte aufgehört zu zählen. Seine Mutter hatte ihn seitdem nicht mehr aus den Augen gelassen. Sie war auch nicht mehr viel arbeiten. Sein Vater war vor einer Woche mit Green Lantern auf eine Mission geflogen. Jon wusste nicht, ob er schon wusste, was passiert war.
Gerade war es ihm aber vollkommen egal. Gerade wollte er einfach nur alleine sein. Er hatte das Fotoalbum vom letzten Jahr in der Hand und sah sich die Bilder der verrücktesten Weihnachtsfeier ever an und musste weinen. In der anderen Hand den Zeitungssauschnitt, der sein Leben veränderte. Das Datum verriet, wie lange es her war. Nicht zwei oder drei Tage, nein es war gestern, warum kam es ihm denn schon solange vor?
„Der Erbe von Wayne Enterprises, Bruce Wayne, und sein Sohn Damian, kamen bei einem Autounfall ums Leben. Sie waren gerade auf dem Weg zu einer Wohltätigkeitsgala, als ein anderer Wagen die Kontrolle verloren hatte und gegen den Wagen von Wayne knallte. Der Wagen kam vom Weg ab; der Butler überlebte schwer verletzt und wurde sofort ins Krankenhaus gebracht. Der Fahrer des anderen Wagens wurde auch ins Krankenhaus gebracht, starb aber auf dem Weg dorthin aufgrund seiner Verletzungen.“
Jon hatte diesen Artikel schon so oft gelesen und so sehr gehofft, es würde sich ändern, wenn er es nochmal lesen würde. Die Trauer wurde nur nach jedem Mal lesen immer mehr. [Absatz]
Plötzlich spürte er die Hand seines Vaters auf seiner Schulter. Jon sagte nichts und warf sich in dessen Arme. Er hörte eine ganze Weile nicht auf zu weinen.
Clark hatte es durch die Justice League erfahren; er und Hal waren schon auf dem Weg zurück gewesen und die ganze Zeit fragte er sich: Hätte er seinen besten Freund, der mittlerweile wie ein Bruder für ihn geworden war, retten können, wenn er hier gewesen wäre? Er kam einfach nicht auf eine Antwort. Er hatte immer gewusst, der Tag würde kommen, wo er sich die Frage stellen würde – aber er hätte nicht erwartet, dass es nicht auf einer Mission war.
Gerade konnte er aber nichts weiter tun als für Jon da zu sein und für seine anderen Söhne. Er drückte Jon noch etwas mehr an sich und strich ihm über den Kopf. Keiner sagte ein Wort, bis ihn die Nacht hinein.
Er musste jetzt stark sein, auch wenn er gerade nicht stark sein wollte oder konnte, er musste es einfach für seinen kleinen Jungen.
Hier folgt Türchen 18. Leider total verspätet, aber ich wollte sie noch schreiben. Ich wünsche euch allen frohe Weihnachten!
(Basiswissen: Law und Lamy sind die Kinder eines sehr reichen Ärztepaars, dass das einzige Krankenhaus in einer der reichsten Städte in der Welt leiten.)
Kekse backen und andere familiäre Pflichten.
Law konnte sein Glück gar nicht fassen. Es war noch nicht Weihnachten, aber es fühlte sich so an. Dieses Buch war der Wahnsinn. Nicht nur das Herz war bis ins Detail erklärt, es war wirkliche jede Herzkrankheit beschrieben. Es waren die allgemeinen Heilmethoden und Heilmittel aufgeführt. Es gab sogar eine Kapitel, in denen Herzoperationen kurz an geschnitten wurden. Law liebte das Buch. Was konnte sich ein siebenjähriger Junge noch mehr wünschen? Hoffentlich bekam er zu Weihnachten ein Laborzimmer. Er wünschte sich so sehr eines.
Law presste glücklich das große Buch an seine Brust, als er seine Mutter meckern hörte. „Du solltest etwas herzliches schenken!“, ermahnte sie ihren Mann. „Das ist doch herzlich!“, wehrte sich Laws Vater. Liebevoll sah er seinen Jungen an. „Und sieh nur, wie er sich freut!“, meinte Laws Vater glücklich und sah seinen Sohn selig an. „Danke, Tou-san!“, kam es Law über den Lippen. Er strahlte seinen Vater an. Doch dann passierte etwas ganz schreckliches. Sein Buch wurde ihm entrissen.
Law sah mit schockierten Augen, wie es auf einem Schrank gelegt wird. „Schatz!“, hörte er seinen Vater. Law sah zu seinem Buch. Wie sollte er da hoch kommen? Sein Leben war schon echt mies. Wütend sah er seine Mutter an. „Du musst gar nicht so schauen. Du bekommst es wieder, wenn du deine Schwester zum Tanzunterricht begleitest!“, sagte sie streng. Law verdrehte die Augen. Sollte er Menschen gesund tanzen? Genervt steckte er seine Hände in die Hosentasche. Er hatte noch nicht einmal ein Kapitel lesen können.
Schließlich seufzte er und zog seine Schuhe an. Seine Eltern sahen ihn fragend an. „Ich geh mit Lamy zum Tanzunterricht! Und danach bekomme ich mein Buch!“, stellte er klar. Law runzelte die Stirn, als er das nervöse Lachen seines Vaters sah. „Der Tanzunterricht ist jeden Dienstag und du hast schon drei Stunden geschwänzt, weil du ständig deine Nase in Büchern steckst!“, sagte seine Mutter. „Das ist öfter?“, fragte Law fassungslos. Seine Mutter nickte. Law sah zu seinem Buch und wog ab, ob es das wert war. „Es ist ein tolles Buch!“, flüsterte ihm sein Vater ins Ohr. Law seufzte.
Plötzlich kam Lamy aus der Küche gerannt! Sie war voller Mehl. Law wich zurück, aber es war zu spät. Er war voller Mehl, da Lamy ihn umarmen musste. Angeekelt hielt er die Arme hoch und zitterte, während seine Mutter kichern musste. „Law-san!“, sagte Lamy und stupste ihm mit ihren mehligen Fingern auf die Nase. Law fuhr sich über die Nase. „Wir backen heute Kekse!“, erklärte sie. „Interessant! Gibt mir welche, wenn sie fertig sind!“, stellte er klar. „Wir sind du und ich!“, sagte Lamy ernst. Law sah sie irritiert an. Lamy zog eine Schnute. „Er hat es vergessen!“, stellte Lamy schockiert fest. Law sah sie mit großen Augen an. Vergessen, was?
Die Hand seiner Mutter landete auf dem Kopf seiner Schwester. „Unsinn! Er würde nie vergessen, dass er dir versprochen hat, mit dir Kekse zu backen! Immerhin hast du ihn dafür in Ruhe lernen lassen!“, sagte seine Mutter. Ihr Blick traf Law, der heftig schlucken musste. Wenn er nun nichts machte, warf sie das Buch noch in den Kamin. So ging Law auf seine Schwester zu und nahm sie in den Arm. „Natürlich habe ich es nicht vergessen! Ich wollte dich nur ärgern. Backen wir Kekse!“, sagte er. Lamy strahlte ihn an und rannte wieder in die Küche.
Law wollte ihr folgen, doch seine Mutter packte ihn am Arm. „Wir sprechen uns noch, Freundchen!“, sagte sie streng. Er sah sie gereizt an. „Was hast du eigentlich gegen ein Kind, das freiwillig lernt? Müsstest du nicht vor Begeisterung ausflippen, Ka-san?“, fragte er. Seine Mutter zog ihn am Ohr. „Sei nicht so vorlaut. In der Schule machst du nur Ärger. Ständig bist du verhaltensauffällig!“, schimpfte sie. „Verhaltensauffällig?“, fragte Law schockiert. „Ja!“, sagte seine Mutter. Law sah seinen Vater an, der nur nickte. Law schlug den Arm seine Mutter weg. „Ich mach doch gar nichts!“, entfuhr es ihm wütend.
Seine Eltern sahen sich besorgt an. Statt zu schimpfen, dass er laut geworden war, hockte sich seine Mutter zu ihm runter. Sie nahm ihn in den Arm. „Wir haben dich so lieb, Law!“, sagte sie und strich ihm über den Kopf. Law sah geschockt die Wand an, schloss dann aber die Augen. Schließlich ließ sie ihn los. „Warum gelte ich als verhaltensauffällig?“, fragte Law ruhig. Seine Mutter lächelte. Sie strich ihm stolz durch das Haar. Law hatte diese besondere Gabe sehr empfänglich für Liebe und Dankbarkeit zu sein.
„Zum einen: Mädchen wollen keine Frösche geschenkt bekommen. Lehrerinnen mögen keine Spinnen. Und du machst den anderen Kindern Angst, wenn du den anderen Kindern auf dem Schulhof zeigst, wie man ein Frosch seziert, weil es im Unterricht verboten wurde“, erklärte sein Vater. „Ich wollte nur helfen!“, sagte Law verständnislos. Seine Mutter strich ihm durchs Haar. „Ja, mein Schatz. Aber Hilfe muss auch gewollt sein. Du darfst niemanden deine Hilfe aufzwingen!“, erklärte sie. Dann zeigte sie auf die Küche. „Ich bin stolz auf dich, dass du so fleißig bist, aber du hast noch andere Aufgaben neben dem Lernen. Eine davon ist es ein Teil der Gesellschaft und dieser Familie zu sein. Du bist ein Bruder!“, erklärte seine Mutter.
Law ließ den Kopf hängen. Seine Mutter hob ihn aber wieder. „Nein, niemals den Blick senken. Du hast schon Dinge erreicht, die Erwachsene noch nicht erreicht haben. Wir könnten dich ohne zu zögern in der Notaufnahme einsetzen! Nur traut keiner dem Urteil eines Kindes, auch wenn du es könntest. Es ist noch zu früh. Aber du wirst ein toller Arzt! Heute möchte ich aber, dass du ein toller Bruder bist. Hilf deiner Schwester beim Kekse backen. Sie muss immer so oft auf dich verzichten. Diese Zeit ist kostbar. Verstehst du das?“, fragte sie. Law dachte kurz nach und nickte dann.
Law umarmte seine Mutter wieder. „Ich liebe dich, Ka-san!“, sagte er liebevoll und grinste dann sein Vater an. Dann rannte er in die Küche. „Kekse!“, rief Law laut. Man konnte Lamy lachen hören. Seine Mutter sah seinen Vater an und lächelte ebenfalls. Sie stand auf und gab ihren Mann ein Kuss. „Ich geh dann mal auch in die Küche. Sonst fackeln die hier noch alles ab!“, stellte sie klar. Ihr Mann musste lachen. „Ich liebe dich!“, sagte er. Sie zwinkerte. „Und ich liebe dich!“, sagte sie. Als sie in die Küche kam, war einfach alles voller Mehl. Das hatte man davon, wenn man eine Fünfjährige alleine in der Küche ließ. Manchmal vergaß sie, wie alt die Kinder erst waren, da sie schon so weit waren.
Sie hob die Packung Mehl auf, als sie überrascht zur Tür sah. „Tou-san!“, hörte sie die beiden Kinder im Chor. „Das ist doch eine Familienaktion, oder? Da darf ich doch nicht fehlen!“, stellte er klar. Beide Kinder strahlten. „Im Grunde ist das auch nichts anderes als eine Operation, oder?“, fragte er seine Frau. Sie musste lachen und nickte. Laws volle Aufmerksamkeit galt nun den Keksen. „Und das Krankenhaus?“, fragte sie. „Die kommen mal eine Stunde ohne uns aus. Ich habe gerade Bescheid gesagt. Operation Kekse ist nun dran!“, stellte er klar und schlug mit der flachen Hand auf den Tisch. Das Mehl wirbelte wieder durch das ganze Zimmer. Die Kinder lachten herzlich, während seine Frau ihn entgeistert ansah. Sie hatte drei Kinder. Und genau aus dem Grund sollte es Law nun schon lernen. Sie griff zur Arbeitsplatte und reichte Law ein Buch. „Seite 56. Lies bitte vor, was man machen muss!“, wies sie Law an. Der blätterte in den Buch. „Du hast selbst keine Ahnung?“, flüsterte Laws Vater leise in ihr Ohr. „Natürlich nicht! Als Ärztin habe ich auch nie Kekse gebacken!“, stellte sie klar. Law räusperte sich und sah seine Eltern streng an. Beide sahen ihn entschuldigend an, als er von vorne anfing zu lesen. Nun war er in seinem Element und Lamy sah ihren Bruder voller Stolz strahlend an.
Es war Weihnachten und Hogwarts war wie leergefegt. Abgesehen von einigen Ausnahmen, die entweder über die Ferien keine andere Wahl hatten oder einfach den Aufenthalt im Schloss weiterhin genießen wollten. So wie Potter und seine Jungs. Und Lily und Marlene. Wobei Lily eigentlich nur aus Solidarität ihrer Freundin gegenüber blieb, weil diese dieses Weihnachten keine andere Wahl gehabt hatte. Snape fuhr nachhause. „Zum Glück“, schnaubte Lily zu Mary, als sie ihn dabei beobachteten, wie er mit seinem Koffer die Eingangshalle durchschritt.
Und als hätte die Treppe, auf denen die Mädchen standen, Evans‘ Gedanken wahrgenommen, wechselte sie so abrupt die Richtung, dass sie sich aneinander festhalten mussten, um nicht ins Stolpern zu geraten. Und kaum, dass die Treppe wieder neu angedockt hatte, zog Marlene ihre Freundin in einen der Gänge. „Los komm“. Und geradewegs steuerten die Mädchen den Gemeinschaftsraum der Gryffindors an. Dort wollte Marlene ihrer Freundin ganz offensichtlich dringend etwas zeigen.
„Passwort“, forderte die fette Dame am Eingang des Gemeinschaftsraumes. „Flubberwurmschleim“, antworteten die Mädchen im Chor und das Portrait der fetten Dame schob sich zur Seite, um den Eingang für die Mädchen frei zu machen. Drinnen angekommen, hörten sie vom Kamin her aufgeregtes Getuschel, welches aber sonderbarerweise sofort verstummte, als die vier Jungs die beiden bemerkten. Lily und Marlene blieben stehen und beobachteten das Gespann. Sirius bekam wohl plötzlich einen Ohrwurm, denn er pfiff augenblicklich irgendeine sinnlose Melodie. Remus, der am Fenster stand, vergrub seine Hände tief in den Hosentaschen und fand draußen scheinbar etwas außerordentlich Spannendes, was es zu beobachten galt. Peter kratzte sich verlegen am Hinterkopf. Und hinter der Rückenlehne des Sessels war ein unverkennbarer Wuschelkopf sichtbar, der in den Nacken geworfen wurde, damit ein verschmitztes Augenpaar sie ansehen konnte. „Hey Mädels“. Zum Gruß hob James eine Hand in die Höhe. Lily und Marlene reagierten nicht weiter darauf und gingen weiter in Richtung ihres Schlafsaals. „Ich frage mich, was die schon wieder aushecken“, flüsterte Lily während sie die Treppe erklommen. „Ist doch egal. Wen interessiert es?“ Marlene öffnete die Tür des Schlafraumes und beide traten ein. „Mich interessiert es. Die treiben bestimmt wieder irgendeinen Unfug, der uns wieder Punkte kostet“. Lily warf schloss die Tür wieder hinter sich. Marlene war inzwischen zu ihrem Schrank geeilt und öffnete diesen. Anschließend richtete sie ihren Zauberstab auf zwei übereinander gelegte Pullover, murmelte einen Enttarnungszauber und schon hatten sich die Pullover in zwei Flaschen mit gelblichem Inhalt verwandelt. Marlene griff danach und drehte sich mit einem triumphierenden „Tadaaaa“ wieder zu Lily um. „Hab ich letztens in Hogsmeade mitgehen lassen“, erklärte sie verschwörerisch. „Marlene“, kam es vorwurfsvoll aus Lilys Mund, während sie beide Hände in die Hüften stemmte. „Keiner hat was gemerkt“, zuckte Marlene gleichgültig mit den Schultern und grinste. „Aber wir sollten das Beweismaterial vorsichtshalber vernichten“. Lily seufzte ergeben und die beiden verließen den Schlafraum wieder, durchquerten den Gemeinschaftsraum und stellten fest, dass die Jungs sich dort nicht mehr aufhielten.
Sie hatten beschlossen, eine abgelegene Stelle am Rand des Waldes anzustreben und liefen so schnell sie konnten eben dort hin. Ihre Stiefel versanken im tiefen Schnee doch das machte ihnen nichts aus, waren sie doch warm genug eingepackt. Zudem würde der Eggnogg seinen Teil dazu beitragen. So zögerten sie auch nicht lange, öffneten jede ihre Flasche und nahmen gleich darauf jeweils einen großen Schluck. Lily schüttelte sich und blickte nachdenklich zum See hinüber und darüber hinweg. „Jetzt sitzt er bestimmt längst im Zug“. Marlene stupste sie an. „Aaach. Denk doch nicht an den Idioten“. Lily nickte. „Du hast recht. Snape ist scheiße“. Marlene nickte zustimmend. „Black auch“. Und weitere Schlucke folgten, bevor Lily ihre Freundin fragend anblickte. Sie wirkte irgendwie betrübt bei ihrer Feststellung, dass Black scheiße sei. Hatte Lily irgendetwas verpasst?
Aber da Marlene nicht den Anschein machte, darüber reden zu wollen, ließ Lily es gut sein. „Und Potter ist scheiße“. „Alle Jungs sind scheiße“. Die Mädchen sahen sich an und nickten ernsthaft, blickten entsprechend grimmig drein. Zu grimmig vielleicht, denn als sie sich gegenseitig betrachteten, kamen sie sich selbst so albern vor, dass sie los prusten mussten. „Jedenfalls lassen wir uns von den Idioten nicht unsere Laune verderben“, beschloss Lily mit überzeugtem Kopfnicken und sparzierte ein paar Schritte, während sie ihre Flasche abermals zum Trinken ansetzte. Als …
„Hey Lily, schau mal“. Marlene deutete auf einen Hirsch, der in einiger Entfernung aus dem Wald heraustrat. Lily blieb stehen und bewunderte das durchaus stattliche Tier aus einiger Entfernung. „Ein wunderschönes Tier“, stellte sie fest und ging etwas näher auf ihn zu. „Nicht. Du verscheuchst ihn noch“. Doch Lily hörte nicht auf ihre Freundin und ging weiter und weiter und … Der Hirsch tat es ihr gleich. Er kam auf sie zu. Ernsthaft? Verunsichert blieb Lily stehen. Seit waren verhielten sich Hirsche so? „Sei vorsichtig“, hörte sie auch schon aus dem Hintergrund. „Komm lieber wieder zurück“. Doch Lily blieb wie angewurzelt stehen, bis der Hirsch nur noch einen Schritt von ihr entfernt war. Vorsichtig streckte sie eine behandschuhte Hand nach ihm aus und ließ ihn daran schnuppern. „Das glaub ich jetzt nicht“, flüsterte Marlene, die sich inzwischen auch näher herangetraut hatte. Unterdessen wurde Lily mutiger und strich über das rötliche Fell des Halses, was dem Tier ein leichtes Schnauben entlockte. Und als seine Nase gegen ihre Wange stupste, musste sie Lächeln. „Hirsche sind nicht scheiße“, erklärte sie ihrer Freundin. „Sie sind toll“. Marlene für ihren Teil nickte. „Da hast Du wohl recht“. Und während Lily inzwischen in unmittelbarer Körpernähe zu diesem prachtvollen Tier stand und immer noch seinen Hals tätschelte, kicherte sie, beschwipst vom Eggnogg, bevor sie so ernsthaft wie möglich verkündete: „Ich werde einmal einen Hirsch heiraten“. Und wieder prusteten beide los.
Sie lachten laut und herzhaft, bis …
„Evans! McKinnon!“ Erschrocken drehten sich die beiden in die Richtung, aus der sie die verheißungsvolle Stimme vernommen hatten. „Minnie!“ Schnell versteckten sie ihre Flaschen hinter ihren Rücken, als würde McGonagall sie dann nicht sehen. Doch nach einem kurzen Schwenk ihres Zauberstabes hielt die Professorin auch schon beide Flaschen in ihren Händen. „Also … Ich muss doch sehr bitten“, empörte sie sich. „5 Punkte Abzug für jede von ihnen“. Dann zog sie wieder von dannen und ließ zwei ertappte Schülerinnen mit hochroten Köpfen allein zurück. Und sie waren tatsächlich allein. Der Hirsch war verschwunden. Aber stattdessen traten ihre vier Lieblingsmitschüler aus dem Wald heraus. Mit einer Geste seiner Hand deutete Sirius in die Richtung, in der McGonagall am verschwinden war. „Was habt Ihr denn nun wieder angestellt? Haben wir jetzt wegen Euch Punkte eingebüßt?“, witzelte er. „Halt die Klappe, Black“, zischte Marlene finster zurück.
Die Mädchen warteten, bis sich die vier wieder verzogen, dann trotteten auch sie wieder zurück zum Schloss.