Geschrieben von: June - 21.06.2021, 07:30 - Forum: The Others
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Kapitel 8
If you gonna die
Das kalte Wasser stach angenehm auf seinem Gesicht und Castiel massierte die eisigen Tropfen fest in seine Haut und atmete tief durch, ehe er sich aufrichtete und sich einen strengen Blick im Spiegel zuwarf.
Er war- melancholisch war wohl das richtige Wort.
Castiel tupfte sich die Wassertropfen mit einem Handtuch ab; Stirn, Wange, Nacken, Hals und betrachtete sich dabei im Spiegel.
Es war jetzt zwei Wochen her, seit er sich von Dean verabschiedet hatte.
Dean hatte sich seither nicht gemeldet, was - natürlich - der Sinn der nächtlichen Nachrichten gewesen war.
Castiel hätte auch nicht erwartet, dass er sich meldete. Er hatte nicht erwartet, Nachrichten oder Anrufe zu erhalten, die ihn nach dem Grund fragten oder sich nochmal nach ihm ausstreckten, ihm vielleicht auch Lebwohl wünschten.
Seine Nachrichten waren deutlich gewesen und er hatte keine Antwort erwartet.
Er hatte sich auch keine erhofft.
Wer hätte ihm schon geantwortet, wenn er zu solchen Nachrichten aufgewacht wäre?
Er hätte mit Sicherheit nicht geantwortet und es wäre unfair, etwas anderes zu erwarten.
Außerdem hatte er nichts anderes erwartet!
Aber-
Das änderte aber nichts daran, dass er Dean-
Er vermisste ihn.
Castiel atmete nochmals tief durch und versuchte seine Haare zu ordnen, was von vornherein zum Scheitern verurteilt war, zupfte dann den Kragen seines Hemdes zurecht und starrte seine Reflektion stumpf an.
Er vermisste ihn.
Er vermisste die Nachrichten, die auf ihn warteten, wenn er das Handy einschaltete und die Anekdoten von Deans Tag, die Geschichten über Charlie oder seinen Bruder Sam, Berichte über sein Auto oder Bilder von Pies und Burgern, die er ihm geschickt hatte.
Er vermisste, wie Dean sich um ihn sorgte, nach seiner Meinung fragte, wie er ihm das Gefühl gab, irgendwie wichtig zu sein; Obwohl sie kaum Schnittpunkte in ihrem Leben hatten - außer der Textnachrichten, obwohl sie sich nicht wirklich kannten und nur ein einziges Mal gesehen hatten.
Er hatte trotzdem das Gefühl gehabt, er hätte Platz in Deans Leben.
Er vermisste es.
Er vermisste diese Gefühle.
… Er vermisste Dean.
Als seine Finger seine Haare erneut aufschüttelten, war ihr Druck stärker als nötig und er presste einen langen Atemzug aus seinem Mund.
Er war unfair, mal wieder.
Er tat gerade so, als würde er von Alastair keinerlei Aufmerksamkeit erhalten - aber das tat er.
Alastair liebte ihn und zeigte es ihm.
Er hatte einen festen Platz in Alastair's Leben.
Castiel war derjenige, der die letzten Wochen schwierig gemacht hatte.
Er war trübsinnig gewesen, düster und - melancholisch; Verdammt er war es immer noch.
Alastair hatte das nicht verdient und sich dennoch damit herum geschlagen.
Aber heute - zugegeben - hatte Castiel das Gefühl, das er an jedem losen Faden zog, den Castiel hatte. Mit Sicherheit kam es ihm nur so vor und mit Sicherheit war es nicht mit Absicht, aber heute stach Alastair zielsicher auf jeden wunden Punkt.
Und Castiels Haut war, was das anging, dünn und gespannt und-
Er atmete nochmals tief durch und fuhr sich fast grob über das Gesicht.
Deshalb hatte er sich kurz zurück gezogen, ins Badezimmer, um seine rotierenden Gedanken zu kühlen und sich zu sortieren.
Castiel musste sich endlich zusammenreißen.
Es gab keinen Grund trübsinnig oder melancholisch zu sein.
Weder hatte er Dean richtig gekannt, noch hatte er ihn lange gekannt. Dean war ein flücht- Nein, Dean war ein Freund gewesen.
Dean war für ihn da gewesen, als er sich eingeredet hatte, er wäre alleine.
Aber damit musste er jetzt endlich aufhören. Er war nicht allein, zum einen, und zum anderen war es das richtige gewesen, sich von Dean zu verabschieden.
Seine Zunge fuhr unruhig über seine Unterlippe und ein unkontrollierter Blick glitt zur Dusche, als ihn die Erinnerung in die Magengrube traf, wieso es nicht nur richtig, sondern vor allem nötig gewesen war, den Kontakt abzubrechen.
Es war das einzig richtige gewesen. Er hätte es gar nicht erst soweit kommen lassen dürfen.
Er liebte Alastair.
Und Alastair liebte ihn.
Deswegen würde er sich jetzt zusammenreißen, wieder ins Wohnzimmer gehen und Alastair’s Abendessen kochen. Er würde dankbar und offen und fröhlich sein, für Alastair, weil er es verdient hatte und sich nicht den Kopf über eine flüchtige, textuelle Freundschaft zerbrechen, die er niemals hätte zulassen sollen und er ganz alleine ruiniert hatte.
Castiel zog nochmal bestimmt an seinem Hemdkragen, musterte sein Aussehen und nickte sich zu.
Genau das würde er jetzt tun.
Es funktionierte nicht.
Castiel gab sich Mühe, versuchte wirklich positiv und glücklich zu sein, wie Alastair es verdient hatte. Wie er es ihm schuldete, wie es zu sein hatte.
Aber Alastair fand heute jede Lücke in seinem Lächeln.
Ihm schmeckte die vegane Lasagne nicht und er kritisierte, dass sich Castiel in letzter Zeit ohnehin hatte gehen lassen, was seine Figur anging.
Um nicht weitere Kritikpunkte aufkommen zu lassen, hörte er auf zu essen, machte sich an den Abwasch und schob die angespannte Stimmung auf die schwindenden, letzten warmen Tage und den beginnenden Herbst: Es war mittlerweile Mitte Oktober und die Tage wurden kälter, die Nächte länger.
Vielleicht zog das an Alastair’s Stimmung?
Alastair kritisierte sein unsoziales Verhalten, weil er sich in der Küche vergrub.
Castiel schluckte hart und trocken, ehe er versuchte, von der Spüle aus über den Tresen hinweg eine Unterhaltung mit Alastair zu führen.
Dass er den Abwasch einfach Abwasch sein ließ, würde ihm auch nicht gefallen, also machte er weiter, obwohl Alastair mit der Lösung nicht zufrieden war.
Ihm gefiel seine melancholische Stimmung nicht, ihm gefiel nicht, was oder wie Castiel ihm antwortete - und dass er jede Antwort aus ihm heraus zerren musste.
Als Castiel mit dem Abwasch fertig war, schenkte er sich ein zweites, großes Glas Wein ein.
Alastair gefiel es nicht.
Castiel konnte im Nachhinein nicht mehr sagen, was es gewesen war, welcher Kommentar, welcher Satz, welche Stichelei ihn dazu gebracht hatte, die Geduld zu verlieren;
Aber er setzte das Weinglas zu kräftig auf den Tresen, fuhr sich mit einem so festgezurrten Lächeln durch die Haare, das es geradezu grotesk wirkte und blickte Alastair direkt an.
“Weißt du, Alastair, wenn dir alles hier so sehr zuwider ist, dass du es hier kaum aushalten kannst, wieso gehst du dann nicht einfach wieder zu Azazel, wie du es sonst auch machst, wenn ich dir mal wieder irgendwie gegen den Strich gehe?!”
Kaum, dass er seinen Satz beendet hatte, noch bevor er realisiert hatte, was er gesagt hatte, bevor der eine Chance hatte, darüber nachzudenken, wieso er es gesagt hatte, spürte er heißen, pochenden Schmerz durch sein Gesicht schießen.
Die Wucht des Schlages riss ihn um, bevor sein Verstand Alastair direkt vor ihm anstatt auf der Couch, die erhobene Faust und die Schmerzen in Einklang bringen konnte.
Er fiel gegen den Tisch, riss dabei die eisernen Kerzenständer und einen Stuhl zu Boden und blieb einen Moment perplex liegen.
Seine Hand war zu seiner geschundenen Wange geschnellt, die Haut brannte schmerzhaft unter seinen Fingerspitzen und er starrte zu Alastair hinauf, der über ihm stand; Groß, aufragend, schnaubend, so, so wütend.
“Alast-!”
Alastair’s lange, starke Finger rauschten gegen seinen Hals und Kehlkopf und rissen ihn auf die Beine. Sein Körper und Kopf kollidierten mit etwas hartem, das ihm wertvolle Luft aus den Lungen drückte, etwas klirrte und schepperte an dem Rand seiner Wahrnehmung, aber er konnte nicht ausmachen, was.
Alastair hielt ihn weiter fest am Hals.
So fest.
Zu fest! Viel zu fest
Er konnte nicht atmen. Er konnte nicht atmen!
Alastair’s unbarmherziger Griff drückte ihm die Luft ab; Er würgte ihn. Wieso würgte er ihn?! Was hatte er getan?!
“Alastair!” Seine Stimme brach unter dem festen Druck der fremden Hand, krächzend und grugelnd, aber er spürte nur, wie der Griff stärker wurde.
Seine Finger kratzen hilflos an der weichen Haut von Alastairs Handrücken, aber es hatte keinen Erfolg.
Er konnte nicht atmen.
Er konnte nicht atmen!
Castiel versuchte, röchelnd Luft einzuziehen. Das Blut pulsierte in seinem Kopf, in seinen Ohren, seinen Lippen, seinen Wangen. Er spürte, wie die Taubheit an seiner Haut kribbelte und versuchte noch hektischer Alastair’s eisernen Griff zu lösen, kratzend, röchelnd und windend.
Als er dachte, er hätte endlich etwas erreicht, packte Alastair’s freie Hand sein Handgelenk und knallte es mit schmerzhafter Wucht gegen die Wand in seinem Rücken.
Castiels Blick folgte der Bewegung panisch, eine Hand weiter an Alastair’s Griff kratzend, während er versuchte die andere frei zu bekommen.
Er konnte den atemlosen Druck in seiner Brust spüren, das schmerzhafte Pochen bei jedem nicht getätigten Atemzug.
“Also wirklich, Castiel.” Alastair's Stimme war ein kaltes, knurrendes Zischen direkt an seinem Ohr, grotesk ruhig, sortiert und berechnet.
Sie machte ihm Angst, so fürchterliche Angst.
Er wollte die Augen zumachen, wegschauen, bis alles wieder in Ordnung war, sich vor der Situation verstecken, aber er traute sich nicht, auch nur eine Sekunde des Schreckens zu verpassen.
Die Panik erstickte auch die letzten Tropfen Sauerstoff in seinem Blut und als er Alastair in die Augen sah, traute er sich nicht einmal, sich weiter zu bewegen:
Er lächelte, gefroren und gehässig, wie er es noch nie gesehen hatte, seine Augen wie tote Gletscher, die alles erstarren ließen, auf das ihr Blick fiel und Castiel wäre zurück gewichen, würde sich die Wand nicht bereits zu fest gegen ihn drücken.
Wieso war er so wütend? Wieso war er so wütend?!
Was hatte er getan?
Wieso? Wieso?!
Die Furcht fror sich durch seinen Venen und verklumpte sein Blut mit Eiskristallen.
Wieso war er so wütend? Was könnte er tun? Er musste etwas tun! Er konnte nicht atmen!
“Redet man so mit seinem Partner, Castiel? Denkst du, es ist in Ordnung, so mit mir zu reden?”
Heiße, brennende Tränen aus Angst und Atemlosigkeit sammelten sich in seinen Augenwinkeln und er versuchte unter einem röchelnden, flehenden Atemzug den Kopf zu schütteln.
“Es - tut - mir - Leid!” Seine Stimme war gepresst und luftleer.
Er brauchte Luft, Luft! Er konnte nicht atmen!
Sein Herz pochte zu schnell, zu panisch.
Wieso ließ er ihn nicht los?
Er musste ihn loslassen!
“Alast-”
“Das sollte dir auch Leid tun, Castiel.”
Er spürte, wie Alastair’s Zunge zäh über seine Wange leckte und dabei verirrte, heiße Tränen aufsammelte. Sie brannte an der Stelle, wo Alastair ihn geschlagen hatte. “Es sollte dir Leid tun, weil wir zusammengehören, Castiel. Du gehörst zu mir, hast du das verstanden? Du liebst mich - und so redet man nicht mit jemanden, den man liebt, hast du das verstanden?!”
Um seine Worte zu unterstreichen wurde sein Griff einen Moment fester und Castiel nickte panisch, während weitere glühende Tränen aus seinen Augenwinkeln über seine Wangen liefen.
“Sehr gut.”
Die Hand löste sich von seinem Hals und Castiel japste einen hektischen Atemzug hinunter, als ein herrischer, schmerzhafter Ruck in seinen Haaren seinen Kopf nach hinten zwang.
Er schrie überrascht auf und schlang beide Hände um Alastair’s Handgelenk.
“Dann tu uns beiden einen Gefallen, Castiel.”
“Alastair, bitte! Lass-” Seine Stimme brach unter dem Flehen, aber Alastair riss nur fester an seinen Haaren und würgte dadurch seine Worte ab.
“Vergiss!”
Castiel sah die Wand auf sich zukommen, geführt Alastair’s Zerren, und prallte mit voller Wucht dagegen.
“Es!”
Sein Kopf schwirrte wie Watte, heiße Watte, brennende, glühende Watte, die in seiner Stirn saß und sein Gesicht versengte.
Die Wand kam wieder auf ihn zu.
“Nicht!”
Wand. Knall.
Schmerzen.
Sein Kopf war dumpf; Klebrige Feuchtigkeit zog an seinem Augenwinkel. Dunkle Punkte tanzten an den äußeren Rändern.
Alastair zwang seinen Kopf nochmals nach oben, um ihn anzusehen.
“Ich werde jetzt zu Azazel gehen, weil du mich einfach zu sehr aufregst, Castiel. Ich erwarte, dass du dich künftig zusammen reißt und aufpasst, wie du mit mir redest.”
Er ließ ihn los und Castiel sackte schwindlig auf den Boden.
Sein Zeitgefühl verschwamm mit den dunklen Punkten zu einem schwarzen, groben Brei.
Einen Moment war Alastair so nah bei ihm, direkt vor ihm, als er das nächste Mal die Augen öffnen konnte, sah er ihn in den Flur gehen, dann riss ihn das Zuknallen der Wohnungstür aus seiner Trance.
Als Castiel sich das nächste mal seiner Umgebung bewusst wurde und die schwarzen Flecken langsam verschwanden, lag er auf dem Boden.
Er war einen Moment verwirrt, bis das Geschehene mit voller Wucht in seinen Kopf zurückkehrte. Er zuckte zusammen und setzte sich hektisch auf. Sein Kopf dröhnte bei der plötzlichen Bewegung und er stützte sich schwindlig an der Wand ab, während seine Augen durch das leere Zimmer hetzten.
Eine plötzliche, kalte Angst pochte in seiner Schläfe, seinem Kiefer und seiner Kehle, während er versuchte auszumachen, seit wann er hier gelegen hatte.
Seine Atemzüge waren hektisch und flach und schmerzten den Weg seinen Hals hinunter.
Wie lange?
Wie spät war es?
Würde Alastair gleich zurück kommen?
Sein Blick schnellte zum Flur, als könnte er dort jeden Moment das Klimpern von Alastairs Schlüsseln hören oder beobachten, wie die Wohnungstür aufging, aber es blieb still und sein trockenes, schmerzhaftes Schlucken klang in der Ruhe wie ein Paukenschlag.
Er musste wissen, wie spät es war.
Er- wie lange hatte er hier gelegen?
Er musste wissen, wie- Er musste aufräumen, bevor Alastair wieder nach Hause kam!
Er wollte nicht, dass er wieder wütend wurde.
Castiel zuckte bei dem Gedanken zusammen und rutschte unwillkürlich näher an das Sideboard, vor dem er saß.
Alastair war-
Wieso?
Wieso war er so wütend gewesen?
Was hatte er falsch gemacht?
Sein Atem verfing sich durch die zu schnellen, zu ruckartigen Atemzüge in seiner Brust, während sein Torso in hilflosem, luftleerem Japsen zuckte.
Wieso war er so wütend gewesen?!
Was hatte er falsch gemacht?
Castiel hatte ihn aufgeregt. Wieso hatte er das nur getan?! Er hätte ihn nicht so angehen dürfen!
Das Schluchzen, das sich brennend durch seine Kehle kämpfte, war so laut, dass er sich erschrocken die Hände auf den Mund schlug, um die verzweifelten Töne zu ersticken.
Aber sein Körper zitterte weiter unter dem Schock und den heißen Tränen, die sich den Weg über seine Wangen bahnten.
Er versuchte, dagegen anzukämpfen, versuchte sich nicht davon überrennen zu lassen, nicht hier und jetzt völlig zusammen zu brechen, aber schließlich konnte er kein weiteres Schluchzen mehr unterdrücken.
Castiel zog sich tiefer in sich zusammen, die Knie so nah an sich, wie er nur konnte, und vergrub sein Gesicht weinend in den Händen.
Er war - Er fühlte sich - erbärmlich und schwach und-
Ein weiteres Schluchzen brach aus seinem Mund und zerschellte an seinen Händen.
Er wollte verschwinden, sich verstecken, schrumpfen, so klein, dass Alastair ihn nicht finden könnte, wenn er wieder kam, ihn einfach nicht sehen könnte und-
Wann würde Alastair wiederkommen?
Castiel zog scharf die Luft ein und richtete sich ruckartig auf.
Alastair würde wiederkommen, aber wann? Jeden Moment? In einer halben Stunde?
Wie spät war es?!
Er musste es wissen, sofort, jetzt. Wie spät war es? Wie lang hatte er hier gelegen?!
Castiel tastete sich hektisch ab, um auszumachen, in welcher Hosentasche er sein Handy hatte, zog es hervor und schaltete es ein.
Die Augenblicke, bis es hochgefahren war, zogen sich zu kleinen Ewigkeiten und dann - fiel sein Blick auf die Uhrzeit.
Nur ein paar Minuten.
Castiel zog verwirrt Luft ein und starrte das Display an.
Er hatte hier nur ein paar Minuten gelegen, außer er - nein. Er wusste, wann sie zu Abend gegessen hatten, wann er mit dem Abwasch fertig gewesen war.
Wann alles eskaliert war.
Er konnte hier nicht länger gelegen haben, als ein paar Minuten.
Die Erleichterung, die ihn daraufhin durchzog fühlte sich kalt und übel an, grotesk falsch, aber er nahm sie dennoch und schloss für einen tiefen, feuchten Atemzug die Augen.
Es war alles in Ordnung, Alastair war gerade erst gegangen.
Er würde noch- Castiel hätte noch genug Zeit.
Er nickte sich ein paar Mal selbst zu, schniefte mehrfach und versuchte die pulsierenden Schmerzen in seiner Schläfe, Kiefer und Kehle zu ignorieren.
Es war alles gut.
Seine Finger strichen fahrig über das Handydisplay, als wollten sie die Minuten dankbar streicheln, die nicht verstrichen waren.
Es war alles in Ordnung.
Er könnte aufräumen, bevor Alastair wieder kam und dann- dann könnte, Nein.
Er würde sich dafür entschuldigen und- Er hätte ihn nicht so angehen dürf-
Was ist das?
Castiel blickte verwirrt auf das leuchtende Display vor sich mit den klebrigen, roten, schmierigen Flecken darauf.
Was- Woher?
Seine Augen glitten verwirrt über die Schlieren, dann zu seinen Fingern; Rot.
Castiel brauchte noch einen Moment, bis er sich an die klebrige Feuchtigkeit erinnerte, die an seinem Augenwinkel gezogen hatte, und hob vorsichtig tastend die Hand an seine Schläfe.
Es brannte fürchterlich und er zog die Hand zischend weg. Aber es hatte gereicht, um mehr Blut an seinen Fingern zu sammeln.
Blut.
Er blutete.
Castiel zog scharf die Luft ein und erstarrte.
Er blutete.
Eiskalte Angst pochte erneut durch seine Venen und seine Augen hetzten wieder zur Tür.
Alastair hatte- er hatte.
Wieso war er nur so wütend gewesen?
Was hatte er getan? Er musste- Besser aufpassen und-
Was sollte er tun?
War es schlimm?
Musste er-
Castiel versuchte panisch seinen hektisch werdenden Atem unter Kontrolle zu bekommen, aber Angst und Zittern strömten durch seine Venen und Muskeln.
Was sollte er tun?
Was sollte er tun?!
Und-
Immerhin, ich kenn mich mit Erste Hilfe aus, ob du Eis drauf legen solltest, oder sowas.
Dean.
Dean könnte- Dean würde wissen, was er tun sollte, ob es schlimm war.
Dean könnte ihm helfen.
Castiel hatte kaum realisiert, das er den Kontakt bereits geöffnet und die Nummer gewählt hatte, als das Lautsprecher-Klingeln durch das sonst viel zu stille Zimmer schallte.
Es klingelte, mehrfach, dreimal, viermal, fünfmal - und mit jedem unbeantworteten Ton krampfte sich etwas in Castiel zusammen.
Er würde nicht rangehen.
Wieso sollte er rangehen?
Nach allem, was passiert war!
Er würde nic-:
“Uh- Hey, Steve?”
Die rauchige Sanftheit in den wenigen Worten raubte ihm fast den Atmen.
Er war rangegangen!
Eine warme Erleichterung flutete durch seine Brust und er presste schniefend die Augen zusammen, um sich zu sammeln.
Er brauchte ein paar Anläufe voller zittriger, schluchzender Atemzüge, bis er endlich sprechen konnte:
“Dean…“
Seine Stimme brach ihm mitten im Wort und er zog sich soweit möglich enger in sich zusammen, als er hörte, wie Dean tief Luft holte.
“Was ist passiert, Steve?”
Die Wärme aus seiner Stimme umhüllte ihn, hielt ihn, wiegte ihn und er wollte sich dagegen schmiegen und einen Moment in der eingebildeten Sicherheit ausruhen, aber stattdessen begann er langsam den Kopf zu schütteln.
Was war passiert?
Er hatte alles falsch gemacht. Er hatte- Alastair war-
Neue, dicke Tränen sammelten sich in seinen Augen, als sein Kopf als Antwort auf Deans Frage alles Revue passieren ließ.
“Er war so- i-ich hab- Er war so wütend- und-”
Ein hohes Schluchzen unterbrach ihn und Castiel klatschte sich die freie Hand gegen den Mund, während er weiter den Kopf schüttelte.
Er konnte doch nicht- Es- es war seine Schuld gewesen!
Nicht wahr?
Er- er hätte nicht so mit Alastair sprechen dürfen, er hätte nicht-
Er konnte ihn doch nicht so- so- so diffamieren und-
Wenn Alastair herausfinden würde, das er so über ihn sprach-
Er war so erbärmlich! Es war seine Schuld gewesen!
Er konnte nicht- Durfte nicht-
Castiel zwang einen zittrigen Atemzug seinen wunden Hals hinunter und blinzelte neue, aufwellende Tränen weg.
“Ich bin- hingefallen.” Ja. Das war besser, das war- Er konnte nicht. “Ich- ich bin hin-hingefallen und ich- ich blute, Dean und- ich- weiß nicht was- Bitte, hilf mir.” Seine Stimme brach erneut in einem verzweifelten Schluchzen.
Stille.
Castiels ganzer Körper zitterte unter den Tränen, der Angst, der angespannten Ruhe in der Leitung.
Sie zerriss ihn, in jeder Sekunde, die sie andauerte, immer weiter auseinander, immer tiefer, ein Stück nach dem anderen.
Was, wenn Dean auflegte?
Er hätte- es wäre sein gutes Recht, aufzulegen.
Er hätte nicht-
Es war so still und-
“Hey! Natürlich, Steve. Hey, ist schon gut: Ich bin da, okay? Wir schaffen das, Steve. Alles wird gut. - Ich muss dir ein paar Fragen stellen, ja? Du musst mir sagen, was passiert ist. Ganz langsam, nacheinander.”
Er konnte hören, wie sich eine bestimmte Professionalität mit den honigweichen Scotch-Tönen seiner Stimme verband.
Sie war trotzdem warm und tief, voller bedingungsloser Freundlichkeit, vielleicht eine kleine Spur Zuneigung, auch wenn er sie sich nur einbildete. Sie war warm und ruhig, sicher und so wohltuend.
Ein warmer Schauer rann seinen Rücken hinab und er schloss einen Moment die Augen.
Castiel nickte mehrfach, ehe er ein Okay über seine Lippen presste.
“Gut; Wo blutest du, Steve?”
“Uh- Kopf, meine- Ich glaube, an der Stirn.”
Er konnte hören, wie Dean hart schluckte. “Ist dir schlecht? Oder schwindlig? Blutet es stark? Warst du-” Er räusperte sich. “Warst du ohnmächtig?”
Seine Stimme zu hören, fühlte sich so gut an.
Sie war wie zäher Balsam, der sich auf seine aufgeschreckten Nerven legte und sie langsam glättete.
Castiel wollte sich in sie lehnen, eine Spur Entspannung für seine zitternden Muskel in den warmen Schallwellen finden, sie um sich ziehen, wie eine Decke und sich davon wiegen und beruhigen lassen, aber eisige Angst pochte mit jedem Herzschlag schmerzhaft durch sein Gesicht und seinen Hals und riss ihn zurück.
Er musste-
Er musste aufräumen und-
Alastair wäre wütend, wenn er nicht alles wieder in Ordnung gebracht hätte, bis er wiederkam.
Er blutete. War da Blut an der Wand? Wie entfernte man Blut von der Wand?
“Steve?”
Castiel zuckte fast zusammen, als Deans honig-raue Stimme seine Gedanken sanft zu sich zurück zog.
Er räusperte sich schmerzhaft durch den Kloß in seinem Hals und wischte Tränen von seinen Wangen, die fast augenblicklich durch neue ersetzt wurden.
“Nein, ich, ich glaube nicht. Nicht mehr, es - es gerinnt und eh - Nein, also - nur, nur kurz.”
Er konnte hören, wie Dean tief ein- und ausatmete.
“Wie oft bist du gefallen?”
Castiel erstarrte mitten in einem Atemzug.
“Steve, wie oft bist du gegen deinen Kopf gefallen?”
Er wollte nicht antworten.
Neue, heiße Tränen liefen über seine Wangen, während er hilflos den Kopf in den Nacken legte und die Augen schloss.
Natürlich wusste es Dean.
Er wusste, dass Dean wusste, er war nicht gefallen. Aber das änderte nichts daran, dass er vor Dean nicht zugeben wollte, was dazu geführt hatte.
Dass er schwach war und erbärmlich, ein feiges, weinerliches Elend, das-
Alastair war so wütend gewesen und er hatte es verdient. Er hatte es verursacht! Er war Schuld gewesen, nicht wahr?
Etwas in ihm krampfte kalt.
Er wollte nicht, dass Dean diesen Teil an ihm sah, den erbärmlichen und schwachen Teil, der das alles verdiente.
Aber er würde es zugeben, würde es ihm klar machen, wenn er ihm bestätigte, wie oft er gefallen war.
Er wollte nicht antworten, wollte es nicht bestätigen, wollte Dean nicht noch mehr verdeutlichen, wie er wirklich war.
Er wollte nicht. Er konnte nicht!
“Stev-”
Er musste.
“Dreimal.”
Es war nur fair. Er musste endlich ehrlich sein.
Dean endlich zeigen, was er war und wie und warum es gut war, dass sie keinen Kontakt mehr hatten. Das war besser. Für Dean auf jeden Fall.
Vermutlich hatte Dean ihn nicht einmal vermisst. Er hoffte es fast; Das wäre besser.
Castiel konnte wieder hören, wie Dean schluckte.
Es pochte dumpf in seiner Brust. Was musste er nur von ihm denken?
“Steve, du hast vermutlich eine leichte Gehirnerschütterung, okay? Ich kann dich in ein Krankenhaus bringen, wenn du mir sagst, wo-”
“Nein!”
Die Wucht, die seine eigene Panik in das Wort gelegt hatte, erschreckte Castiel selbst.
Die laute Belastung in seiner Kehle führte dazu, dass er husten musste und sein Hals brannte danach.
Aber allein der Gedanke daran, wie wütend Alastair wäre, wenn er einfach-
Er mochte es nicht, wenn Castiel einfach verschwand, ohne ihm zu sagen, wo er hingegangen war.
Er konnte nicht.
Das machte ihn vermutlich noch erbärmlicher, noch schwächer, aber- das ging nicht.
Er konnte einfach nicht.
“D-Das geht nicht, ich kann nicht-” Er hustete wieder und räusperte sich, bevor ein schmerzerfülltes Wimmern seinen Hals hinauf kroch.
“Bitte, Dean, ich… kann nicht.” Er versuchte leiser zu sprechen, aber seine Stimme kratzte dennoch unangenehm und er strich sanft über seinen Hals, als könnte er sie damit beruhigen. Es fühlte sich heiß und geschwollen an.
Er hörte Dean wieder schlucken.
“Okay, Steve. Kein Problem. - Was ist mit deinem Hals? Als du-” Dean unterbrach sich und Castiel hörte ein vertrautes Rascheln; Dean fuhr sich durch die Haare. “Als du - gefallen bist; Bist du auf etwas- etwas sichelförmiges gefallen? Das dir vielleicht die- die Luft abgedrückt hat? Für ein paar Augenblicke?”
Allein die Erinnerung an die atemlose Panik und Alastair’s harten Griff, ließ Castiel zusammenzucken und seine Hand legte sich fast behutsam um seinen wunden Hals.
Er presste die Augen fest zusammen und schluckte ein Schluchzen hinunter.
Er konnte nicht-
“Dean, ich bin gefallen.”
“Ja, Buddy, das weiß ich. - Hast du Schwierigkeiten beim Luftholen? Kannst du einmal tief für mich atmen, bitte?”
Deans Stimme war so ruhig und professionell, aber dennoch so warm, sanft und rau.
Es tat so gut ihn zu hören, dass es weitere Tränen in seine Augen trieb, aber er versuchte sie runter zu schlucken und stattdessen für Dean einen hörbaren, tiefen Atemzug zu nehmen.
Es fühlte sich gereizt an, wund, aber er bekam Luft und röchelte nicht.
Er konnte sich vorstellen, dass Dean mehrfach nickte, nachdem er es ihm gesagt hatte, er hörte das Rascheln seiner Kleidung, als er sich wieder durch die Haare fuhr.
“Steve, hör mir zu.” Dean stieß gepresste Luft aus. “Ich bin kein Arzt oder Sanitäter. Ich kann keine Diagnose stellen, schon gar nicht übers Telefon, und ich rate dir dringend dazu, ins Krankenhau-” Castiel holte tief Luft, um zu protestieren, aber Deans Stimme schwemmte seinen Versuch in honiggetränkten Scotchwellen beiseite. “Ich weiß, Steve. Ich sag nur, dass ich dir dazu rate. Du musst dich aber ausruhen - und das meine ich ernst. Du bist verletzt, Steve, du musst dich hinlegen und schlafen. Dein Körper braucht das jetzt. Trink warmes Wasser oder Tee für deinen Hals und - und wenn du morgen Probleme hast beim Schlucken, Sprechen oder Atmen oder wenn dir Übel oder Schwindlig ist, dann musst du zu einem Arzt, okay? Steve, das ist wirklich wichtig.”
Die Sorge, die sich durch Deans Stimme zog, umhüllte ihn, warm, wie eine Sommersonne, und fest und Castiel presste schniefend die Augen zusammen.
Er hatte ihn nicht verdient.
Er hatte nicht verdient, wie sehr Dean für ihn da war, wie sehr er sich um ihn sorgte.
Weitere dicke, salzige Tränen flossen über sein Gesicht und er nahm ein paar davon mit der Zunge auf, als er sich über die Unterlippe fuhr.
“Danke, Dean. Ich-”
“Hey, Steve, nicht dafür. Ich hab dir doch gesagt, ich bin da. Ich meinte das ernst. Aber du musst dich jetzt hinlegen und ausruhen, okay?”
Das Schluchzen brach wimmernd in Castiels Kehle und er fuhr sich fahrig über die Wangen.
“Okay. - Ich muss nur noch- Ich hab viel umgeworfen, als ich- als ich gefallen bin. Ich räum auf und-”
“Steve.”
“Das geht ganz schnell und-”
“Steve.”
Castiel schluckte hart. “Dean…”
“Du musst dich ausruhen. Und am besten schon schlafen bevor-” Dean brach ab und atmete betont durch.
Neue Tränen sammelten sich in Castiels Augenwinkeln und sie brannten heiß auf ihrem Weg über seine Wangen.
“Du glaubst mir doch, oder, Dean?”
Er konnte es nicht, nicht schwach und erbärmlich sein, ein weinerliches, abstoßendes, schwaches Elend, das alles verdiente, was ihm passierte, das an allem Schuld war.
Nicht gegenüber Dean. Bitte, nicht gegenüber Dean.
Nicht jetzt, wenigstens nicht in diesem einen Moment.
Er wünschte sich so sehr, dass er- Er wollte es nur einmal hören.
“Du glaubst mir, dass ich gefallen bin, oder?” Die Tränen eroberten die Tiefe seiner Stimme zurück und brachen sie in der Mitte durch. “Bitte, Dean, bitte sag, dass du mir glaubst.”
Er konnte wieder hören, wie Dean schwer und tief Luft holte.
“Natürlich glaub ich dir, Engel.”
Geschrieben von: June - 14.06.2021, 07:50 - Forum: The Others
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Kapitel 7
'cause I might break
Castiel bemühte sich.
Er bemühte sich wirklich es Alastair Recht zu machen; Er achtete auf sein Aussehen, darauf, möglichst nur Dinge zu kochen, die Alastair gerne aß, er versuchte keine dummen Fragen zu stellen oder verkniff sich unqualifizierte Kommentare.
Aber es schien nicht zu wirken.
Vielleicht bildete Castiel es sich auch einfach nur ein, aber er hatte das Gefühl, das Alastair's Zündschnur in letzter Zeit kürzer war, zumindest stritten sie sich öfter.
Castiel versuchte zwar meist, es zu deeskalieren, aber das funktionierte immer weniger.
Er stieß die Luft gepresst aus und fuhr sich mit Daumen und Zeigefinger streng über die Stirn. Jetzt war er auch noch unfair gegenüber Alastair.
Er tat gerade so, als würden sie sich nur noch streiten, aber das stimmte nicht.
Alastair war ihm gegenüber oft, sehr oft sehr liebevoll.
Sie hatten wunderschöne Momente zusammen.
Jeder hatte das Recht auf schlechte Tage und schlechte Laune, es war nicht fair von ihm, das Alastair vorzuwerfen.
Nein!
Er sollte aufhören zu jammern und aufhören Alastair grundlos zu provozieren.
Er gab sich nämlich bestimmt auch Mühe, aber Castiel machte es ja gerade zu unmöglich und-
Bei dem Versuch von sich selbst enttäuscht zu seufzen, hätte er sich beinah an der Zahnpasta verschluckt.
Abwesend fuhr er sich über die Stelle in seinem Haar, in der sich Alastair’s Finger noch vor ein paar Stunden verkrallt hatten und schüttelte den Kopf.
Er musste sich einfach mehr Mühe geben.
Wenn er nur wüsste, was er falsch machte!
Dann könnte er es wenigstens ändern!
Er wusste nur nicht, wie.
Alastair’s Job war anstrengend, das wusste er, er hatte nur gehofft, er könnte ihm die Last nehmen und es nicht noch verschlimmern.
Aber im Moment schien er einfach jeden Schritt falsch zu machen, obwohl sich Alastair ganz offensichtlich viel Mühe mit ihm gab.
Castiel atmete nochmal tief durch, spuckte die Zahnpaste endlich ins Waschbecken, wusch die Zahnbürste und seinen Mund aus und warf noch einen Kontrollblick in den Spiegel.
Er hatte einen kleinen, blauen Fleck am Ellenbogen, wo er gegen die Tischkante gestolpert war, nachdem Alastair seine Haare losgelassen hatte, aber das würde schon in ein paar Tagen nicht mehr zu sehen sein.
Sein Smartphone hatte er trotzdem ausgeschaltet, wie so oft in letzter Zeit.
Er wollte ihn einfach nicht noch mehr unnötig provozieren.
Und- er wäre nicht so, als hätte er Angst vor Alastair, oder seiner Reaktion auf Dean!
Er gehörte nicht zu der Sorte Mensch.
Castiel hatte nur nicht das Gefühl, dass er- dass der richtige Zeitpunkt, um Alastair von Dean zu erzählen, schon gekommen war.
Aber er würde ihm von ihm erzählen, er war ja kein Geheimnis. Dazu gab es keinen Grund. Dean war nur ein Freund.
Castiel nickte sich selbst einmal zu, korrigierte sein Gesichtsausdruck zu einem leichten Lächeln, schaltete das Licht aus und ging ins Schlafzimmer, wo Alastair bereits im Bett lag und noch etwas in einer Immobilienzeitschrift las.
“Wieso hat das so lange gedauert?! Du weißt, ich muss morgen früh raus!”
Castiel senkte schuldbewusst den Kopf, als die kalte, schneidende Stimme über seinen Kopf peitschte und er murmelte eine Entschuldigung, während er neben Alastair ins Bett stieg.
Heute hatte er viele Fehltritte gemacht, Alastair war zurecht angespannt und unzufrieden - und Castiel wusste wirklich, dass er früh raus musste.
Trotzdem hatte er eine halbe Ewigkeit im Bad verplempert.
Er konnte den eisigen, missbilligenden Blick auf seiner Schulter spüren, die Kälte, die sie traf und er zog die Decke höher, ehe er sich zu Alastair umdrehte, für einen Kuss, für einen Gute-Nacht-Wunsch, aber Alastair knipste die Nachttischlampe kommentarlos aus und drehte sich weg.
Weiße Eiskristalle zogen schuldig in Castiels Innerem und er drehte sich ebenfalls nach außen.
“Gute Nacht, Alastair.”
Morgen würde ihm etwas einfallen, um Alastair aufzuheitern. Da war er sich sicher.
Castiel zog sich etwas weiter unter der Decke zusammen und schmiegte sich in das weiche Kissen. Er wünschte, er würde es verstehen. Wenn er wissen würde, was er falsch gemacht hatte, dann-
Er atmete nochmal tief durch und suchte noch etwas nach der richtigen Position, während er versuchte seine Gedanken einzufangen.
Wenn er nur verstehen würde, was er falsch machte, würde er die Kälte in seinem Inneren verstehen - und er würde sich nicht nach der Wärme sehen, die ihn durch sein Handydisplay anstrahlte, wenn er eine Nachricht von Dean bekam.
Er würde nicht daran denken, wie rau und geschmeidig seine Stimme war und sein Lachen wie kristalliner Honig klang, der in gutem, kräftigem Scotch aufgelöst wurde.
Nein, er würde dann einfach schlafen, an Alastair geschmiegt, in seiner Wärme und seinem Lachen, weil er dann keinen Fehler mehr machen würde.
Deans Augen waren wie Gras, satt und groß und grün, überall, überall war es grün und es war so wunderschön, aber das Schönste waren seine Augen, leuchtend wie helle Smaragde und grün, so grün.
Es verschlug Castiel den Atem, aber noch bevor er in Deans leuchtenden Augen ersticken konnten, hörte er seine Stimme in sich, die warmen, heißen vibrierenden Wellen seiner Worte, die durch seinen Körper stoben, rau und süß. Er wusste, es würde ihn verbrennen, jedes Wort eine grüne Flamme, die um ihn züngelten und ihn liebkosten, heiß und sengend und küssend an seiner nass geschwitzten Haut.
Er stöhnte, als Deans Hände über seine Seiten strichen, rau aber sanft, sich auf seine Hüften legte und ihn zu sich zogen. Sein Glied pulsierte im Takt mit seinem rasenden Herzschlag, während es sich feucht und gierig zuckend Dean entgegen streckte. Deans Finger tanzten über seinen Körper, hinterließen brennend süße Spuren auf seiner Haut, seinem Hals, seiner Brust und ein gurgelndes, zitterndes Stöhnen drang atemlos über seine Lippen, als er die harte Knospe seiner Brustwarze neckend drehte.
Seine Hände krallten sich in Deans breite, muskulöse Schultern und ehe er sich versah, saß er auf Deans Schoß und spürte, wie seine hitzigen Finger seinen Rücken hinab glitten zu seinem lechzenden, offenen Eingang.
Sein Glied zuckte energisch gegen Deans flachen, harten Bauch, als er in ihn eindrang, tief, heiß brennend und so ausfüllend, erfüllend.
Er wollte stöhnen, schreien vor Lust und Erregung, die über seine Haut brannte, zitternd unter den gesäuselten Liebkosungen, die in seinen Knochen vibrierten, jedes Wort zäh und süß und rau und warm.
Aber bevor ein Laut seinen Mund verlassen konnte, waren Deans Lippen direkt vor seinen, voll und pink und glänzend von dem süßen, klebrigen Honig, der an ihnen herunter lief, den Hals hinab über seine Brust oder von seinem Kinn tropfte auf Castiels zitternden Körper, auf seine Brust, auf die Spitze seiner Erregung, und er begann gierig die zähe Masse von den Lippen zu leck-
Castiel schrie überrascht auf, als der Schmerz durch seinen Oberschenkel stob und eine unbekannte, ungreifbare Wucht ihn aus dem Bett schob.
Der Aufprall auf dem Boden war dumpf und hart, seine Bein pochte schmerzhaft, während unter der mitgerissenen Decke sein erregtes Glied heftig pulsierte. Er brauchte ein paar Wimpernschläge, um die Realität, seinen Atem und die verschwimmenden Bilder von Dean und seinen verschlingenden, grünen Flammen in Einklang zu bringen.
Aber noch bevor er ganz wusste, was passiert war, brach Alastair’s Stimme wie ein Anker durch eine Eisschicht.
“Verdammt noch mal, Castiel! Was ist los?! Ich hab dir doch gesagt, ich muss früh raus! Wie soll ich denn schlafen, wenn du so rumzappelst?!”
Als die Nachttischlampe das Zimmer mit Licht flutete, kniff Castiel die Augen zusammen und zog gleichzeitig Knie und Decke aus einem Reflex näher an sich.
Sein Atem war zu schnell, noch zu verwirrt von all den Eindrücken, dem Traum, dem plötzlichen Licht, dem Pochen in seinem Oberschenkel.
Seine Haut war nass vom Schweiß, seine Haare klebten an seiner Stirn.
Verdammt. Verdammt, verdammt, verdammt!
Fast schon hilflos versuchte er in seinem verwirrten, vernebelten Kopf auszumachen, ob die Decke seine Härte verdeckte, oder- ja.
Dennoch spürte er Alastair’s eisgraue Augen auf sich und er musste hart schlucken, bevor er den Blick heben konnte.
Alastair’s Stirn war tief gerunzelt, während er ihn von oben nach unten musterte, die klammen Haare aufnahm, die verkrampfte Haltung, seinen hektischen Atem.
“Was ist los?!”
Castiel schluckte wieder und schüttelte den Kopf.
“Ich- ich hab-”
“Castiel!”
Er zuckte unter dem schneidenden, eisigen Ton zusammen und nahm einen tiefen Atemzug.
“Ich hatte- hatte nur einen Trau- Alptraum. Einen Alptraum. Ich-” Er raffte die Decke um sich zusammen und stand wacklig auf. Oh Gott. Oh, Gott! Wie konnte er nur?! “Ich- ich wasch mir den- den Schweiß ab und- eh- schlaf im Wohnzimmer. Dann- Dann stör ich dich nicht mehr.” Sein Atem war immer noch zittrig. “Ich- wollte dich nicht wecken. Tut mir Leid. - Schlaf gut.”
Alastair schnaubte missbilligend;
Das Licht war aus, bevor er ganz bei der Schlafzimmertüre war.
Sobald die Badezimmertür hinter ihm geschlossen und verschlossen war, ließ er die umklammerte Decke auf den Fliesenboden fallen und starrte atemlos an seinem erhitzten Körper hinunter.
Seine Boxershorts war durch seine stehende Erregung wie ein Zelt gespannt und er konnte spüren, wie ihre feuchten Stellen über seine empfindliche Spitze rieben, jedesmal, wenn er sich bewegte. Er konnte den Schweiß unter seinen Armen spüren, an seinem Nacken, seinem Rücken und das trockene Ziehen in seinem Hals, das sich nach atemlosen, tiefem Stöhnen sehnte.
Gott, verdammt
Castiel schluckte schwer gegen den harten Kloß in seinem Hals, während seine zitternde Hand sich fest und strafend um seine Härte legte.
Wie konnte er nur?!
Sein Griff war unbarmherzig und streng, aber anstatt der schuldigen Einsicht schickte er nur die Bilder aus seinem Traum, die unglaublich unpassenden, unfassbar verwerflichen Bilder aus seinem Traum!, durch seine hitzigen Venen.
Bilder, verstörende Bilder von- von-!
Von Dean.
Dean, heiß und brennend, mit diesen unnatürlich grünen Augen und den unnatürlichen Flammen die ihn verschlangen, den breiten Schultern und starken Händen, die ihn packten und hielten, während er in ihm war, tief und fest und-
Er erstickte das Stöhnen, das sich unerlaubt über seine Lippen zwängen wollte, mit der Faust und versuchte das erregten Zittern, das durch seinen gesamten Körper rollte, hinunter zu kämpfen, als seine Finger wie von selbst begonnen hatten, über seinen Schaft zu fahren.
Sein Glied zuckte gierig gegen seinen festen Griff und er zog scharf die Luft ein. Wie konnte er nur?!
Er- Er war ein-
Er war ein verdammter Perversling! Und ein Schwein! Und- und das war geradezu vorpubertär und-!
Natürlich war das nicht der erste feuchte Traum, den er gehabt hatte, aber-
Aber hier ging es um einen fremden Mann, schlimmer sogar, einen Freund, während sein fester Freund keinen halben Meter neben ihm versuchte zu schlafen!
Als es ihn mehr Überwindung kostete, als er zugeben konnte, seine Hand von seiner Härte zu lösen, atmete er tief durch und fuhr sich kräftig durch die Haare.
“Was ist denn los mit dir?!”
Er musste- duschen. Er musste das abwaschen, den Gestank von Schweiß und Lust und dieser heiß pochenden, glühenden Scham, die durch seine Wirbelsäule und in seinem Schaft zuckte.
Am besten kalt, eiskalt, damit er die Hitze aus seinen Venen frieren konnte.
Wie konnte er nur?!
Dean war sein Freund.
Der einzige, den er hatte. Der einzige Mensch, neben Alastair, der in seinem Leben eine Rolle spielte und er- er- er.
Und erst Alastair!
Er hatte sich Gedanken gemacht, ob es falsch war, Dean nur anzurufen, wenn sein Partner nicht in der Stadt war, aber - klar! Ab auf ein neues Level!
Seine Hand krampfte so stark um die Duscharmatur, dass er zitterte.
Er musste das alles abwaschen, kalt und schnell und nie wieder daran denken, an die Bilder, die vor seinem geistigen Augen auftauchten, bei jedem tiefen Atemzug, bei jedem Reiben seiner Boxershorts über seine feuchte Spitze, bei jedem wohligen Schaudern, das seine Schultern hinab floß.
Castiel schluckte erneut und erschauderte unter einem weiteren, erregten Zittern seiner Muskeln, während das Phantomgefühl von Deans Händen auf seinem Körper ihn umfing, das Leuchten seiner Augen und diese Stimme.
Die warmen, leidenschaftlichen Liebkosungen, die in dem Traum durch seinen Körper vibriert hatten, ihn zum Zittern und Beben gebracht hatte, als Dean sich tief in ihm vergraben hatte.
Castiel gurgelte unartikuliert und drehte die Dusche heiß auf.
Sein Glied zuckte gierig und seine langen Finger schlossen sich eng darum.
Gott, er wollte das.
Castiel biss sich fest auf die Unterlippe und zog scharf die Luft ein, hielt sie dort, bis es in seiner Brust drückte, während seine Hand fest seine Länge hinab fuhr.
Er. Wollte. Das.
So- pervers und erbärmlich das auch war, aber die letzten Tage mit Alastair waren angespannt gewesen und - nicht lieblos, aber anstrengend - und er sehnte sich nach der Erlösung und Entspannung, die die Hitze in seinen Adern versprach.
Außerdem bekam er diese Bilder nicht aus seinen Kopf, die Eindrücke und traumnebligen Erinnerungen nicht aus seinen Venen.
Von Deans honigsüßen Lippen auf seinen, die ihre kristalline Flüssigkeit seinen Hals und seine Brust hinab fließen ließen, während seine raue Stimme in ihm resonierte und ihn mindestens so erbeben ließ, wie seine hämmernde Härte in ihm und-
Nein!
Er würde-
Sein Atemzug war zittrig und nur mühsam kontrolliert.
Er würde das nicht zulassen. Das war falsch und niederträchtig und unfair gegenüber Alastair und gegenüber Dean.
Wenn er schon fantasieren musste, dann über seinen Partner!
Castiel öffnete die Augen und atmete mehrmals tief durch, stieß die Luft kräftig über seine Lippen. Seine Hand schlang sich erneut hart um seine stehende Länge, nachdem er die Boxershorts abgestreift hatte.
Er trat unter das heiße Trommeln der Wassertropfen aus dem Duschkopf und stützte sich mit der freien Hand an den kalten Fließen ab.
Er würde an Alastair denken.
An seine Hände, die über seine Seiten kratzen und die starken Finger, die sich spitz in seine Hüfte gruben. An die gebissenen Küsse in seine Schulter von letzter Woche, deren Spuren er immer noch trug, blaugrün und pochend. Er dachte daran, wie Alastair sich hinter ihm, in ihm bewegt hatte, wie er seine Härte in ihn gerammt hatte, immer wieder, bis Castiel beinah das Kissen zerbissen hätte, das sein lustvolles Stöhnen erstickt hatte - aber so hart sein Glied unter den stetigen Bewegungen seiner Hand pulsierte, es schien kein Interesse an den Erinnerungen zu haben.
Castiel stöhnte frustriert, drehte sich, sodass er mit Rücken und Kopf gegen der kalten Fliesenwand lehnen konnte und ließ das heiße Wasser über sein Gesicht und seinen Körper prasseln und den Schauer der Kälte über seinen Rücken.
Dean würde seinen Namen stöhnen. Nein, nicht seinen. Steve’s.
Castiels Glied zuckte allein bei dem Gedanken fordernd unter seinen Finger und als Castiel darüber rieb, war es fast schon beruhigend.
Das war die falsche Richtung - und er zerrte Alastair’s Gesicht zu sich unter die Dusche.
Aber noch bevor er sich vorstellen konnte, wie Alastair ihn packte und umdrehte, wie er hinter ihn trat und sich seine Hand bei diesem Gedanken beschleunigte, erschien Dean vor seinen geschlossenen Augen.
Dean, der sich zu ihm hinab beugen, mit seinen honigsüßen Lippen, und ihn tief und innig küssen würde. Er würde seine Hand in Castiels nassen, dunklen Haaren vergraben, so sanft und rau, sein Gesicht nach oben ziehen und über seinen Hals lecken und knabbern, dabei eine zähe Spur hinterlassen, die nicht mal das heiße Prasseln der Dusche abwaschen könnte.
Es war nicht mehr sein Rhythmus, der seine Hand erregt über seine nasse Härte reiben ließ, es war Deans Hand, die sich um ihn schlang, Deans Rhythmus, fest und quälend langsam.
Seine Hüfte zuckte seinem Griff zitternd entgegen und Castiel gurgelte erregt aber gedämpft in dem Bemühen, still zu sein.
Es war zu viel und einfach nicht genug und ohne einen Moment weiter darüber nachzudenken griff er mit der Hand, die ihn an der Wand abstütze, nach seinem Duschgel.
Er gab eine Portion davon auf seine Länge und biss daraufhin auf seine Faust, um ein erneutes, tiefes Stöhnen zu unterdrücken, als seine schlanken Finger den dicken Tropfen über seinen heißen Schaft rieben und seine Bewegungen dadurch glatter und fließender wurden.
Er konnte fast Deans Hände an seinem Körper spüren, wie sie an ihm hinab glitten und ihn gegen die kalte Wand drückten. Und- während er gegen seine heißen Hände schmolz, würde er Deans Stimme hören.
Diese Stimme, diese unglaubliche Stimme. Er würde Liebkosungen in sein Ohr Flüstern, würde ihm sagen-
Sein Körper erzitterte heftig.
Er würde- Er würde ihm sagen, dass Castiel ihm gefiel, nein, Steve, er würde ihm sagen, dass- dass- Es wären süße Liebkosungen, süß und rau wie der Scotch, der seine Kehle so tief färbte. Seine Stimme würde in ihn fließen, wie Honig von seinen Lippen tropfen und in ihm vibrieren, bis in das Mark seiner Knochen. Sie würde in ihm brennen, grün und gleißend und er könnte jede Silbe spüren, in seinen Nerven, seinen Muskeln, seinem pulsierenden, harten Glied und seinem zuckenden Eingang.
Castiel biss sich fest auf die Unterlippe und schluckte das heiß brennende Stöhnen in seinem Hals hinunter; seine Zähne gruben sich immer noch in seine Faust.
Er würde ihn packen, während er sich fest an ihn presste und weitere Wörter gegen seinen Hals murmelte, die ihn dort versengten, sich bis zu den Sehnen und seiner Kehle brennen würden.
Er könnte dann Deans Härte spüren, wie sie sich gegen seine drängte, könnte spüren, wie Dean sie beide mit seiner großen, breiten Hand umschlang und sie langsam und fest massierte, immer weiter trieb in die unbeschreibliche Hitze in seinen Venen, die mit dem dicken, rauen Worten aus seinem Mund zu einem Inferno verschmolz. Und dann- dann würden seine Finger seinen Rücken hinab gleiten, seine Wirbelsäule entlang, Knochen für Knochen, bis er an Castiels rundem, festen Hintern ankommen würde.
Seine Hand würde zwischen das Fleisch gleiten und dann könnte er seinen Finger in sich spüren, wie er tief und langsam in ihn eindrang, in dem Moment, indem Deans seine Lippen auf seine drücken würde, zusammen verschmolzen durch den heißen Honig und seine Zunge würde tief in seinen Mund gleiten.
Castiels Faust löste sich mühsam von seinem Mund er rieb damit einmal über seine Länge, um den weichen Seifenschaum aufzunehmen, ehe er sie zu seinem Eingang führte.
Er zog scharf die Luft ein, als sein seifiger Finger den engen Ring aus Muskeln passierte und er in sich eindrang.
Dean hob ihn hoch, setzte ihn auf seine Hüften, säuselte brennende Worte gegen seinen Hals, gefolgt von den weichen, heißen Spuren seiner Zunge und das Inferno sammelte sich in ihm, tief in seinem Bauch.
Und dann würde er seine lange, dicke Härte in ihn schieben, so wie Castiel den zweiten Finger jetzt in sich, die eigene Erregung gegen seinen Hals und seine Lippen keuchen und in ihn stoßen, wieder und wieder, tiefer und tiefer, die Hand immer noch unbarmherzig um Castiels Glied geschlungen.
Sein Stöhnen wäre rau und animalisch aber so unfassbar heiß und brennend, wenn der Schall auf seine Haut treffen würde.
Sein Name, Steve’s Name, gestöhnt, gemurmelt und gekeucht gegen jeden Millimeter Haut, würde ihn versengen, durch seine Haut dringen, bis in seine Nerven und sie verbrennen, während Dean immer weiter, immer schneller in ihn hämmerte, würde wie eine vergebene Sünde klingen, süß und wollüstig und voller Gier und Honig, bis-
“Steve”, er konnte das Keuchen hören, das sich um ihn wickelte, eine Welle aus Hitze im Angesicht eines brennenden Lagerfeuers, “Steve, komm für mich.”
Castiel biss sich so fest auf seine Unterlippe, dass es schmerzte, um den Lustschrei, der durch seine Kehle stoben wollte, zurück zu halten. Sein Körper zitterte unter der Wucht seiner Erregung, die beiden Finger in ihm ekstatisch zusammengerollt und gegen das brennende, pochende Bündel Nerven pressend, während seine Hüfte heiß und unkontrolliert in die Enge seiner Faust stieß, bis die letzten erregten, weißen Fäden aus seinem Glied gepresst waren. Er rammte sich dabei immer wieder selbst auf seine Finger und sendete weitere immer heißere Blitze der Lust durch seinen gesamten Körper, die ihn zittern und keuchen ließen, umfangen und gebrandmarkt durch die glühenden Wellen von Deans Stimme.
Es raubte ihm den Atem und er verbrannte in der grünen Hitze aus Deans Augen und seiner Stimme in seinen Venen, hilflos und luftleer unter dem lustvollen Zucken seiner überstimulierten Nerven.
Sobald die Welle über ihn hinweggerollt war, japste er nach Luft.
Seine Beine waren schwach und wackelig von der Wucht seiner Lust und er sank langsam auf den Boden der Dusche.
Das Wasser war deutlich kälter geworden, was er erst jetzt bemerkte, und nahm die Spuren seines Hochs mit sich in den Abfluss.
Er hatte kaum ein paar Augenblicke mit den Endorphinen und den süßen Erinnerungen, bis Traum-Dean und sein Zauber verschwanden, sein rasender Puls und seine erhitzte Haut von dem kalten Wasser beruhigt wurden und ihn die Scham traf wie ein Blitzschlag.
Was hatte er getan?!
Er hatte- Er hatte beide hintergangen. Alastair und Dean! Er konnte doch nicht- Wie konnte er nur?!
Dean wäre angewidert von ihm. Alastair wäre so wütend.
Er hätte das nicht tun sollen! Wieso hatte er das nur getan?!
Wie könnte er Dean jemals wieder unter die Augen treten?
Wieso, wieso, wieso hatte er das zugelassen?!
Er war- Er-
Das heiße Glücksgefühl in seinen Adern wich blitzschnell einer kalten Verzweiflung, die mit heißen Tränen hinter seinen Augen prickelte. Castiel zog die Knie näher an sich und fing sein entfliehendes Schluchzen mit seiner zitternden Hand.
Er hätte das nicht tun sollen, er hätte nicht-
Er fühlte sich- schmutzig, trotz des klaren, kalten Wasser, das über ihn lief. Schmutzig und widerwärtig und abstoßend.
Wieso hatte er das getan?!
Ekelerregend!
Dean war sein Freund. Der einzige, verdammte Freund, den er hatte und er hinterging ihn auf so eine perverse Art, degradierte ihn zu einem Sexspielzeug, nicht besser als der Dildo in ihrer Nachttischschublade und das obwohl sein fester Freund wenige Türen weiter schlief.
Er war- er war niederträchtig und ein Heuchler und ein Lügner!
Hatte er nicht immer gesagt, er hätte keine Geheimnisse vor Alastair? Dass Dean kein Geheimnis wäre, weil sie nur Freunde waren und Freunde konnten keine Geheimnisse sein?!
Es zog so eisig in seinem Magen, dass ihm davon übel wurde, als die Erkenntnis langsam einsank. Das Wasser war mittlerweile ganz kalt und die Tränen, die er blinzelnd aus seinem Augen schob, brannten förmlich auf seinen Wangen.
Er hatte es ruiniert, vollkommen ruiniert.
Er war ein widerwärtiger, ekelerregender Lügner, ein Heuchler, ein Betrüger.
Er durfte keinen Kontakt mehr mit Dean haben.
Allein der Gedanke ließ ihn zitternd schluchzen, das Gefühl von Verlust und Einsamkeit so erfrierend in seinen Knochen, das sie genauso gut in dem Frost springen könnten.
Aber er war in einer Beziehung, einer glücklichen, langjährigen Beziehung, und es- Er konnte doch nicht über fremde M- über seinen einzigen Freund fantasieren.
Nein, er musste- Er musste das-
Wenn Alastair das jemals herausfand-
Castiel zog scharf und schniefend die Luft ein, ehe er sich die Tränen abwischte, die das prasselnde, kalte Wasser noch nicht erwischt hatte, und stand vorsichtig auf, angetrieben von einer frostkalten, verzweifelten Entschlossenheit.
Er seifte sich ein, wusch seine Haare und duschte sich unter dem kalten Wasser ab, ehe er aus der Dusche trat und sich abtrocknete.
Seine Boxershorts hatte trockene Flecken von seinem Traum und er warf sie angewidert in den Wäschekorb, schlang sich lediglich die dünne Decke um den Körper und ging ins dunkle Wohnzimmer, wo auf dem Couchtisch sein Handy lag.
Er schluckte hart, blickte sich einmal vorsichtig um (BETRÜGER!), zur Schlafzimmertür, aber sie war geschlossen und dahinter konnte er Alastair’s leises Schnarchen hören.
Er nickte sich selbst zu, startete das Handy und wartete, bis es hochgefahren war.
Er hatte es seit ein paar Tagen nicht mehr angehabt und wie üblich flossen zuallererst einige Nachrichten von Dean in die Benachrichtigen und sein Herz krampfte kalt.
Castiel hatte das nicht verdient.
Als er den Chat anklickte, bemühte er sich, die eingegangen Nachrichten nicht zu beachten, aber er schaffte es nicht. (Etwas über Deans Auto, dass Sie komische Geräusche gemacht hatte, aber Dean hatte Sie repariert und er fragte, ob er Steve mal auf eine Spritztour mitnehmen könnte?, Eine Beschwerde, dass sein Supermarkt seinen letzten Lieblingspie verkauft hatte, aber nicht an ihn, Grüße von Charlie und Gilda, die Frage, wie es ihm ging und die Bitte, sich bei Gelegenheit kurz zu melden (wie jedes Mal, wenn Castiel das Handy länger aus hatte).)
Castiel verdiente das nicht.
Er verdiente das angenehme Gefühl nicht, das Deans selbstverständliche Worte und seine Herzlichkeit in ihm erzeugten.
Er verdiente die Freundschaft nicht, die Dean ihm ohne zu zögern geschenkt hatte.
Er verdiente das Vertrauen nicht, die Sorge, die Wärme, die von ihm ausging.
Er verdiente das nicht.
Castiel schluckte hart und kämpfte heiße Tränen und kalten Verlust hinunter, als er begann eine Nachricht einzutippen:
Du:
Dean, ich danke dir. Für alles. Du warst mir vollkommen selbstlos ein guter Freund, als ich das Gefühl hatte, allein zu sein.
Ich danke dir, für die Nachrichten, für die Telefonate, dafür, dass du für mich da warst.
Vielen, vielen Dank.
Aber ich kann den Kontakt mit dir nicht länger aufrechterhalten.
Castiel zog scharf die Luft ein fuhr sich grob über seine feuchten Augen.
Verdammt, warum machte er so einen Aufstand?!
Er hatte das nicht verdient und er hatte es selbst ruiniert, er ganz allein!
Es war- es wäre falsch, das einfach zu ignorieren.
Wie könnte er das ignorieren?!
Diese Gedanken und Gefühle und Erinnerungen an den Dean aus seinen Träumen; Er musste das im Keim ersticken.
Alastair hatte es schon so oft gesagt, und er hatte Recht damit: Castiel gehörte zu ihm.
Dean tat ihnen nicht gut. Das, was Castiel aus Dean machte, tat ihnen nicht gut.
Trotzdem zitterten seine Finger, als er weiter schrieb und trotzdem musste er mehr als einmal schniefen und trotzdem brannte der Frost des Verlustes und der Einsamkeit so kalt in ihm, dass er schauderte.
Du:
Es tut mir leid.
Ich möchte noch, dass du weißt: Es geht mir gut und es ist alles in Ordnung.
Danke, nochmal, für alles, Dean.
Ich wünsche dir das Beste.
Lebwohl, Dean.
Es war Mitten in der Nacht, Dean schlief vermutlich und- und das würde ihn erwarten, wenn er auf sein Handy sah.
Castiel fühlte sich elend, ihm war kalt und übel und er zog die Decke höher über seine Schultern, nachdem er das Telefon ausgeschaltet hatte, und legte sich auf die Couch.
Er fühlte sich- leer.
Leer und allein, einsam.
Aber das war- besser.
Der einzige Weg, wenn er ehrlich war.
Castiel hätte von Anfang an wissen sollen, dass das eine dumme Idee war. Nein, er hatte gewusst dass das eine dumme Idee gewesen war.
Er vergrub sein Gesicht in dem Couchkissen und presste die feuchten Augen fest zusammen.
Es war irrational sich alleine zu fühlen.
Alastair war da. Alastair liebte ihn.
Es wäre unfair, gegenüber beiden. Er hatte das richtige getan.
Wenigstens diesmal.
Wenigstens einmal.
Aber es half nicht, sich daran festzuhalten.
Er fühlte sich trotzdem kalt, einsam und- allein.
Geschrieben von: June - 07.06.2021, 07:32 - Forum: The Others
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Kapitel 6
said I couldn't love someone
D:
Guten morgen steve!
(sind guten morgen nachrichten okay oder ist das zu viel?)
Castiel lächelte, als er alleine am Küchentresen saß und seine Katerkopfschmerzen mit einer heißen, starken Tasse Kaffee behandelte. Es war lange her, seit er einen Kater gehabt hatte; Alastair mochte es nicht, wenn er zu viel trank. Aber nachdem Dean und er gestern abend begonnen hatten, “zusammen zu trinken", hatte er die ganze Flasche Wein leer getrunken und bis in den Morgen mit Dean getextet.
Es war - schön gewesen, sich mit jemandem so zwanglos zu unterhalten. Das hatte er schon lange nicht mehr gehabt.
Du:
Hallo, Dean. Guten-Morgen-Nachrichten sind vollkommen in Ordnung. Ich wünsche dir auch einen guten Morgen.
Als Alastair nach Hause kam, wollte Castiel ihm davon erzählen. Er wollte kein Geheimnis daraus machen, warum auch. Es war lächerlich, es waren nur ein paar Textnachrichten.
Aber Alastair's Laune war nicht viel besser als am Abend davor und der Griff in seinen Haaren, als er ihm einen Kuss aufdrückte fast schon grob.
Also stellte Castiel sein Handy auf stumm und lächelte über eine schneidende Bemerkung wegen gestern Abend. Er würde es ihm ein andermal sagen.
Es war kein Geheimnis, er verheimlichte es nicht, er wartete nur auf den richtigen Augenblick, richtig? Richtig.
~*~
D:
Was ist eigentlich deine lieblingsfarbe steve?
Castiel schnaubet ein kurzes Lachen, als er die Worte auf seinem Handybildschirm las und sendete kopfschüttelnd eine Antwort, ehe er die neuen Dosen Bio-Tomaten ins Regal räumte:
Du:
Warum fragst du? Und ich weiß nicht. Blau vielleicht? Oder Grün?
Er dachte dabei nicht an Deans Augen, die auch grün waren, unnatürlich grün, wie Gras nach einem Regenschauer, aber daran lag es nicht. Grün war generell eine schöne Farbe.
Die neue Glaskugel für den Schrank im Flur, die er gekauft hatte, war grün, vollkommen ohne Zusammenhang.
D:
Einfach so
Smalltalk
Gute wahl!
ich mag blau auch
Castiel lächelte, schüttelte wieder den Kopf und steckte das Smartphone zurück in die Westentasche.
~*~
D:
Okay, Steve! Wichtige Frage:
Castiel runzelte die Stirn und schluckte unwillkürlich nervös, während er sich nochmal kurz um blickte, ehe er hinter dem Regal etwas in Deckung ging und das Display wartend anstarrte.
Zwei Fotos tauchten auf.
Das erste zeigte Dean in einem rot-braun-karierten Hemd, den Kragen hielt er mit einer Hand an sein markantes Kinn, die andere nahm mit dem Handy das Foto auf, die Haare wild durcheinander und offensichtlich noch leicht feucht. Darunter trug er ein schwarzes T-Shirt und zog ein Gesicht wie ein Sexsymbol aus den 60ern.
Castiel schnaubte unwillkürlich amüsiert.
Bei dem anderen hatte er die Haare unordentlich - wahrscheinlich mit den Fingern - nach hinten gekämmt, fotografierte sich von schräg oben rechts und ließ das blau-grün-karierte Hemd offen und locker um seinen Körper fallen und sah aus als würde er einem nicht vorhandenen Ozean entgegen starren.
Castiel konnte in den Fotos die Ahnung von Muskeln unter dem schwarzen T-Shirt ausmachen, die dunkle Jeans, die er trug, schmiegte sich eng um seine Oberschenkel und-
Er räusperte sich und scrollte weiter zu der nächsten Nachricht:
D:
Welches hemd ist besser?
Er lächelte etwas schüchtern, grinste fast schon. Dean wollte wirklich seinen Rat?
Nun, also - gerne! Er scrollte nochmal nach oben und betrachtete die beiden Bilder und Hemden (vor allem die Hemden!) eingehend.
Du:
Wieso muss es überhaupt eines der beiden sein? Du könntest auch nur das T-Shirt tragen.
Aber das blau-grüne.
Er zögerte noch einen Moment; Weil es ihn nichts anging. Und es war auch vollkommen egal. Aber-
Du:
Was ist der Anlass?
D:
Mein bruder stellt mir seine neue freundin vor
ich soll “mir was vernünftiges anziehen und kein arsch sein”
Du:
Und weil du nur eines von beidem schaffst, hast du dich gegen das vernünftig anziehen entscheiden?
Das ist sehr freundlich, Dean, dein Bruder wird sich sicher freuen.
Habt viel Spaß!
D:
OUCH! STEVE! Das tat weh!
:’(
Du:
~*~
Als Castiel sich wieder heftig mit Alastair stritt, hatte er danach das Handy drei Tage lang ausgeschaltet. Er wollte nicht weitere Spannungen provozieren und Alastair schien regelrecht nach etwas zu suchen, wegen dem er sich streiten konnte.
Außerdem fühlte er sich schuldig, weil er ihm immer noch nichts von Dean und den Textnachrichten erzählt hatte - und immer weniger wusste, wie er es ihm erzählen sollte.
Aber jetzt hatte er sich erstmal um etwas anderes zu kümmern.
Alastair hatte ihn im Streit gegen den Tisch geschubst, natürlich nicht absichtlich; Aber er hatte einen kleinen, nicht erwähnungswürdigen blauen Fleck am Oberschenkel und sein Keramik-Kerzenständer war dabei zu Bruch gegangen.
Also stand er jetzt in einem Laden, umringt von Dekorationen und Nippes jedweder Art und seufzte gedehnt. Er fühlte sein Handy prominent in seiner Hosentasche.
Normalerweise würde er tagelang nicht mal bemerken, wenn sein Handy nicht an wäre.
Aber irgendwie hatte er sich schleichend daran gewöhnt, dass es immer öfter fröhlich vibrierte, nicht nur mit Wetter-Updates oder Newsletter-Mails von Online-Shops sondern mit Nachrichten von Dean.
Sie schrieben fast täglich, außer wenn er zu Hause war, und Dean ließ ihn an allen möglichen und unmöglichen Dingen teilhaben.
Es war- Er vermisste es nicht, das vibrierende Handy, also nicht wirklich. Aber er fragte sich, ob- Vielleicht?
Irgendwann war die Überraschung über neue Nachrichten dieser beruhigenden Präsenz, der Gewöhnung gewichen, ohne, dass er es überhaupt bemerkt hatte.
Und jetzt fragte er sich, ob Dean ihm vielleicht wieder geschrieben hatte.
Seine Lippen fuhren einmal kurz über seine Lippen, während er sich fast verstohlen umsah, das Handy heraus holte und es einschaltete.
Er würde es wieder ausschalten, bevor er zu Hause war; Er wollte nur kurz - und der Gedanke brachte ein Lächeln auf seine Lippen - “seine Nachrichten checken”.
Sofort vibrierte es ekstatisch in seiner Hand und das Lächeln, das auf seinen Lippen erschien wurde fast wehmütig. Dean…
D:
Heya steve karten auf den tisch
Was ist dein lieblingssong?
Ich bin unentschieden zwischen Led Zeppelins "Ramble On" und "Travelling Riverside Blues”
Heya steve alles okay?
Ja ich weiß du hast dein handy aus wenn du zu hause bist
Aber meld dich kurz wenn du kannst ja?
Nicht dass das hier sinn hätte, die nachrichten kommen ja gar nicht durch
Okay, steve es sind jetzt schon ein paar tage und ich mach mir keine sorgen okay?
Aber ich würde gerne wissen ob alles in ordnung ist?
Steve?
Komm schon buddy bitte
du antwortest sonst immer
okay fuck ich mach mir sorgen
Etwas in Castiel zog sich bitter zusammen, als seine Augen über all die Nachrichten glitten und er fuhr sich durch die Haare, während er tief atmete.
Er hatte Deans Sorge wirklich nicht verdient. Er hatte nicht verdient, dass Dean sich so- sich so für ihn interessierte, dass er ihm mehrere Nachrichten schrieb, obwohl er wusste, dass sie nicht durchkamen.
Dass er sich so um ihn sorgte.
Dass er ihn so in sein Leben, seines Tagesablauf, einbezog.
Er lächelte schief, fast traurig.
Er sorgte sich um ihn, um seinen “Steve”.
Vielleicht wäre es manchmal leichter, wenn er einfach Steve sein könnte. Steve würde bestimmt nicht so viel falsch machen, Steve würde nicht ständig dafür sorgen, dass sein Freund wütend wurde, Steve würde keine Kerzenständer zerbrechen oder Geld beiseite schaffen für Lammkarree oder Textnachrichten verheimlichen.
Steve wäre eine bessere Version von ihm.
Castie seufzte tief und schüttelte den Kopf, um die unsinnigen Gedanken zu vertreiben und machte sich lieber daran, Dean zu antworten:
Du:
Hallo, Dean.
Dean musste sein Handy gerade in der Hand gehabt haben, denn augenblicklich sprang seine Nachricht auf gelesen und die drei kleinen Punkte erschienen.
D:
Steve!
Alles in ordnung??
Die Wärme von Deans Sorge drang durch das Display direkt in sein Lächeln und er schüttelte leicht den Kopf.
Du:
Ja, alles in Ordnung.
Die Stimmung der letzten Tage war nur etwas angespannt. Deshalb hatte ich das Handy aus.
Es tut mir leid, dass du dir Sorgen gemacht hast. Das war nicht meine Absicht.
Noch bevor er eine weitere Nachricht schreiben könnte, um damit auf Deans Lieblingslieder zu reagieren, mogelte sich ein Text von Dean dazwischen.
Castiel löschte, was er bereits geschrieben hatte und blickte die Worte verdutzt an.
D:
Schickst du mir eine sprachnachricht?
Sein Mund schnappte perplex nach Worten, aber dann schnaubte er ein kleines Lachen.
Eine Sprachnachricht? Warum wollte Dean eine Sprachnachricht? Er hatte vermutlich seine Gründe, aber… welche?
Was sollte er denn sagen? Sollte er eine schicken?
Na, warum eigentlich nicht.
Castiel lächelte, als er auf den Button für die Sprachaufzeichnung klickte und kurz darauf eine wenige Sekunden lange Nachricht in den Chatverlauf ploppte.
Du: ~~~Hallo, Dean.~~~
Er konnte sehen, wie die Nachricht ankam und geöffnet wurde.
Die Pause, die daraufhin folgte, überraschte ihn allerdings etwas. War etwas an der Nachricht falsch?
Hätte er etwas anders sagen sollen? Naja, es war zumindest nicht sonderlich kreativ gewesen.
Gerade, als er sich dazu entschloss, eine nachfragende Nachricht zu tippen, erschienen die drei kleinen Punkte wieder und spuckten Deans Antwort in den Verlauf:
D:
Danke steve
Du klingst gut
Also gut gehend
Ach vergiss es
Was machst du gerade?
Castiel schnaubte amüsiert und lehnte sich gegen den Tisch mit den zahlreichen und unterschiedlichen Kerzenständern.
Du:
Mein Kerzenständer ist kaputt gegangen und ich wollte mir einen neuen kaufen.
Er zögerte noch einen Moment, schickte Dean dann aber ein Bild von seinen beiden Favoriten: Einer war aus weißem Keramik mit dezent glitzernden silbernen Linien und bot Platz für zwei Stumpenkerzen, er war gebogen und wand sich nach oben wie eine Wasserfontäne. Der andere war geradliniger und kubisch, schwarze Keramik und hatte zwei Plätze für lange Stielkerzen, er wirkte ein wenig wie eine Maya-Pyramide.
Castiel beobachtete, wie Dean die Bilder erhielt und kurz darauf antwortete.
D:
Wie ist er denn kaputt gegangen?
Ich hab keine ahnung von deko (frag charlie)
Aber ehrlich?
Ich würde die beiden dahinter nehmen
Sind die aus eisen?
Castiel runzelte einen Moment verwirrt die Stirn und blickte auf den Tisch, hinter die beiden ausgewählten Kerzenständer in der ersten Reihe.
Und tatsächlich, ein Kontrollblick auf das Foto verriet ihm auch, dass sie auch auf dem Bild zu sehen waren, standen dahinter zwei gusseiserne Kerzenständer für Stielkerzen. Sie wirkten alt und romantisch, wie etwas, das in einem Landhaus auf einem Kaminsims stehen würde.
Er lächelte, umrundete den Tisch und betrachtete die beiden Kerzenständer näher. Sie waren weniger künstlerisch, einfacher aber trotzdem elegant - und robust.
Seine Hand strich über das kühle Material.
Ja, ja wieso eigentlich nicht.
Du:
Danke für den Hinweis, Dean! Die hatte ich noch gar nicht bemerkt.
Ich denke, die werden es.
Um allerdings deine initiale Frage zu beantworten: Ich denke ich hab kein Lieblingslied.
Und ich glaube ich kenne kein einziges Lied von Led Zeppelin.
Castiel lachte ob der Entrüstung, die die nächsten Nachrichten über sein Display ergossen, gefolgt von mehreren Youtube-Links.
Er hörte sie sich an, während er mit der Bahn nach Hause fuhr.
Es war wirklich schwer zu entscheiden, welcher Song besser war.
~*~
Castiel trommelte mit den Fingern auf dem Tresen, wippte mit dem Fuß unruhig auf und ab und starrte sein Smartphone an. Es lag direkt vor ihm, neben der geschlossenen Flasche Wein und dem leeren Glas und schien ihn geradezu zu verhöhnen.
Das war doch - dämlich.
Und falsch. Es war falsch, oder?
Natürlich war es falsch. Es war in jeder verdammten Definition falsch, einen Freund nur dann anzurufen, wenn sein Freund, sein Partner, der Mann, den er liebte nicht in der Stadt war!
Er begann an seinem Daumennagel zu knabbern. Aber es wäre nicht- Castiel ging ja nicht fremd. Er und Dean waren- Sie waren so etwas wie Freunde, konnte man sagen, oder?
Zumindest hatten sie sich in den letzten sechs Wochen regelmäßig geschrieben.
Er wusste einiges über Dean - Dean wusste einiges über ihn.
Sie hatten sich über die Textnachrichten besser kennengelernt. Und ja, er hatte es Alastair nicht gesagt, wie er eigentlich vorgehabt hatte.
Aber- Es schien nie der richtige Moment gewesen zu sein. Die letzten Wochen waren sehr angespannt gewesen; er wusste nicht woran es lag, aber er schien zurzeit einfach alles falsch zu machen. Die Streits waren häufiger geworden - und heftiger. Er fuhr sich abwesend durch die Haare an denen Alastair noch Anfang der Woche grob gezerrt hatte. Es hatte wehgetan, aber Castiel war selbst Schuld gewesen.
Außerdem wusste er, das Alastair dazu tendieren konnte, eifersüchtig zu werden.
Er wollte ihn also nicht unnötig- provozieren.
Aber bei Dean gab es ja auch keinerlei Grund eifersüchtig zu sein!
Er war nur ein- ein Freund.
Sein, zugegeben, einziger Freund.
Normalerweise wenn Alastair ein paar Tage verreiste fühlte sich Castiel leer und einsam und niedergeschlagen, weil er niemanden mehr hatte, mit dem er die Leere in sich und um sich füllen konnte.
Aber der erste Gedanke, der jetzt in seinem Kopf aufgetaucht war, als Alastair ihm gesagt hatte, er würde ein paar Tage verreisen, war, dass er es schade fand, natürlich!, aber auch, dass er- dass er Dean schreiben könnte.
Vielleicht- Vielleicht sogar telefonieren.
Ein wenig texten und Wein trinken.
War das dämlich?
Das war dämlich. Und - vermutlich - an der Grenze des Seitensprungs. Was war die Definition eines Seitensprungs?
Er betrog Alastair doch nicht.
Es wäre nur- nur ein-zwei Gläser Wein.
Da wäre nichts dabei, oder? Es wäre nur ein Treffen mit einem Freund. Und es wäre nicht mal ein richtiges Treffen! Alastair traf sich auch ständig mit seinen Freunden, das war doch das gleiche, oder?
Auch wenn Castiel von den Treffen natürlich wusste und Alastair nicht, weil er feige war und niederträchtig und-
Castiel nahm einen tiefen, langen Atemzug und fuhr sich durch die Haare.
Das war doch lächerlich. Er verhielt sich, als wäre er zwölf!
Außerdem wäre es ohnehin irrelevant, richtig?
Es war Freitagabend! Dean war bestimmt- er war bestimmt aus! Unterwegs mit Freunden, richtigen Freunden, die außerhalb von Textnachrichten existierten, oder auf einem Date.
Vielleicht traf er sich auch mit seinem Bru-, wobei nein. Sein Bruder hatte gerade in einer neuen Kanzlei hier in der Stadt angefangen und Dean hatte sich mehrfach beschwert, dass er so in Arbeit versank, dass er ihn kaum sah.
Dean hätte ihm erzählt, wenn er ihn heute treffen würde.
Castiel schnappte sich geradezu trotzig das Handy und zeichnete das Muster für die Displaysperre ein.
(Noch ein Indiz, dass er ein Arsch war und ein Betrüger; Vor Dean hatte er keine Sperre in seinem Handy gehabt. Er war ein furchtbarer, furchtbarer, durchtriebener Mensch und Alastair hatte besseres verdient.)
Er atmete nochmals tief ein und aus und tippte dann auf das grüne Hörersymbol unter Deans Namen.
Das war doch- Er rief nie an.
Die Leitung klingelte und mit einem mal wurde sein Gesicht kalt.
Er rief nie an.
Was, wenn Dean nicht nur gerade beschäftigt war, sondern auch etwas dagegen hatte, dass er anrief? Immerhin hätte er vorher schreiben können. Nein, sollen!
Er hätte vorher schreiben sollen bevor er Dean spät abends anrief.
Oh Gott, er war so ein Id-
“Heya, Steve?”
Castiel zog scharf und hoch die Luft ein und presste seinen Finger auf den Auflege-Button. Als er realisierte, was er gerade getan hatte- was er schon wieder![i] getan hatte! Verdammt nochmal! Castiel! - war der Anruf bereits unterbrochen.
“Oh Gott.”
Das Handy klingelte in seiner Hand und ein Bild von Dean füllte den Bildschirm hinter dem großen, weißen [i]D.; Es war das mit dem blau-grün-karierten Hemd und dem lächerlichen Gesichtsausdruck.
Castiel zögerte tatsächlich einen Moment, atmete nochmal tief durch und nahm dann sichtlich und hörbar zerknirscht das Gespräch an:
“Hallo, Dean."
Bildete er sich das ein, oder hörte er ein schweres Schlucken auf der anderen Seite der Leitung?
“Heya, Steve.”
Er hörte auf jedenfall das Lächeln in Deans Stimme und seine aufgeschreckten Gedanken beruhigten sich etwas.
Seine Stimme war so- warm. Sie war warm, weich und schwer, irgendwie rau, wie sonnengewärmter Syrup an einem Baumstamm.
Seine Anspannung, es lag bestimmt an der Anspannung, schickte einen Schauer seinen Rücken hinab.
Immerhin wirkte Dean nicht wütend.
Aber nichtsdestotrotz hatte er einfach unprovoziert angerufen.
“Ich- entschuldige bitte die späte Störung, ich- uhm- … - Es ist alles in Ordnung!” Ja, das war ein ganz hervorragender Start und er klatschte sich mit der Hand flach gegen die Stirn.
Ein leises Lachen verriet ihm, dass Dean das wohl gehört hatte und es schob sich zäh blubbernd durch die Leitung, sanft aber kratzig, kristalliner Honig.
Castiel schluckte eilig und befeuchtete sich seine Lippen. “Entschuldige bitte. Ich-”
Er war wie gefangen.
Es war Wochen her, dass er Deans Stimme zuletzt gehört hatte; Und das war nur für einen Augenblick gewesen.
Er hatte fast vergessen wie weich und warm sie klang, wie sie sich um einen legen konnte, sanft wie eine Decke.
Die Erinnerung daran, wie Deans Stimme ihn geerdet hatte, jedes Mal, wenn er damals den Notruf gewählt hatte, wellte in ihm auf. Diese Stimme, die Ruhe und Kraft darin, sie hatte ihn eingewickelt und gewiegt und ihn genug beruhigt, um tatsächlich ein paar Worte über seine Lippen zu bringen.
Auch, wenn das natürlich vollkommener Nonsense gewesen war. Es hatte keinen Grund gegeben, den Notruf zu wählen, es war ja nicht mal etwas vorgefallen und-
“Steve?”
Castiel räusperte sich trocken und fuhr sich kräftig, fast schon grob durch die Haare.
“Ja! Ja, ich- eh. Ich bin hier. Ich bin alleine zu Hause.” Er konnte Deans Stirnrunzeln förmlich hören. “Also, nein. Doch- aber. Er- ist verreist. Und- Ich dachte-!” Das Gurgeln, das sich am Ende der Kette unsinnig aneinander gereihter Wörter noch einen Weg aus seinem Mund bahnte, klang fast verzweifelt.
Was tat er hier überhaupt?! “Vergiss es, bitte, Dean, ich - alles ist in Ordnung. Entschuldige die Störung- und- hab-hab noch einen schönen Abend und, ja, also: Gute Nach-”
“Steve, Steve, Steve, Buddy! Hey, warte kurz!”
Castiel erstarrte in der Bewegung, gefroren im Moment und wartete, die Luft angehalten und angespannt.
Stille.
“... Steve, bist du noch da?”
Natürlich.
Er klatschte sich wieder mit der Hand gegen die Stirn und wieder ertönte das leise Lachen von der anderen Seite.
“Ja”, er konnte nicht verhindern, dass er ebenfalls leicht lachte. “Ja, ich bin noch da.”
Er hörte ein Rascheln durch die Leitung und dazu Deans sanftes Lachen.
“Cool. Also, Steve, wieso hast du angerufen?”
Castiel benetzte seine Lippen nervös mit der Zunge und fuhr sich mit den Fingerspitzen über die Kopfhaut und durch die Haare.
Das war - immer noch dämlich.
Aber Deans Stimme klang entspannt und lächelnd und warm.
“Ich bin-” Er schluckte und räusperte sich. “Ich bin allein zu Hause und dachte, vielleicht, falls- falls du Lust oder-oder Zeit- Und…”
Er räusperte sich wieder, schluckte, fuhr sich über die Stirn, aber Dean wartete geduldig auf der anderen Seite der Leitung.
Das war doch - er seufzte. Dämlich.
“Ich dachte, falls du- falls du nichts besseres zu tun hast. Könnten wir… einfach-”
Castiel machte eine lose Handbewegung, die ihm helfen sollte den Rest des Satzes zu beenden, ohne daran zu denken, dass Dean ihn nicht mal sehen konnte.
“Einfach reden?”
Ein Lächeln zuckte in Castiels Mundwinkel bei Deans Tonfall, dem weichen Mitklang, der Ruhe, der- Klang er fröhlich?
Er befeuchtete seine Lippen erneut: “Ja, einfach- einfach reden.”
Es raschelte wieder und Castiel begann unbewusst auf seiner Unterlippe zu kauen, dann: “Klar, Steve!”
Ihm war nicht bewusst, wie angespannt er gewesen war, bis die Härte aus seinen Schultern schmolz und stattdessen ein Lächeln auf seine Lippen trat.
“Wirklich? Du- ich halte dich von nichts- ich meine, du hattest sonst nichts vor?”
Er hörte, wie etwas, das verdächtig nach einem Kühlschrank klang, auf- und zuging, dann das Zischen eines Biers und Deans Schlucken.
“Ich hab vor mit dir zu telefonieren, Steve. Und ich freu mich drüber.”
Da schwang ein Lächeln in Deans Stimme mit, das wirklich ehrlich klang und Castiel konnte nicht anders, als es zu erwidern.
“Ich- eh - ich freu- freu mich auch.”
Er hörte fast, wie Dean lächelnd ausatmete.
“Hast du was zu trinken? Ich komm mir sonst blöd vor.”
Castiel lachte leicht auf und zog die Weinflasche näher an sich, klemmte das Handy zwischen Schulter und Ohr und schraubte sie auf.
“Nein! Also, ja, hab ich; Aber- Also, ich hab Wein hier.”
Dean brummte zustimmend und trank offensichtlich erneut von seinem Bier.
“Guter?”
Castiel schmunzelte bei der Frage und zuckte automatisch die Schultern.
“Ich weiß nicht. Ich - uh - denke? Ich mag ihn.” Er schenkte sich ein Glas ein. “Eh. Cheers-?”
Dean lachte leise: “Cheers. - Also, Steve, wieso bist du alleine zu Hause? Was gibt’s neues? - Uh! Wie geht’s deiner Pflanze, der Orchidee, richtig?”
Castiel, der gerade einen Schluck Wein genommen hatte, verschluckte sich beinah im Versuch möglichst schnell zu antworten, was dazu führte, dass er leicht husten musste.
“Heya, alles okay?”
Er hustet noch kurz, nickte sinniger Weise währenddessen und räusperte sich dann.
“Ja, alles okay, entschuldige. Er ist auf Geschäftsreise, passiert häufiger.” Dass er sonst, wenn das passierte, aber alleine und elend war, und nicht irgendwie fröhlich wie jetzt, ließ er einfach unbeachtet.
Seine Augen richteten sich dann fast automatisch auf die Orchidee, sie hatte ein paar schwere Tage hinter sich und wäre wohl beinah eingegangen; Aber Charlies Mutter kannte sich offensichtlich mit den Pflanzen aus und über diese Ecken hatte er dann ein paar hilfreiche Tipps bekommen.
“Es geht ihr besser, sie ist eine echte Kämpferin! Danke nochmal an Charlie und ihre Mutter, für die Tipps.”
Das Lächeln, das dabei um seine Lippen spielte, war warm, vielleicht ein bisschen sehnsüchtig und dankbar.
Er hatte schon seit- seit einer gefühlten Ewigkeit niemanden mehr gehabt, mit dem er über seine halbtoten Pflanzen reden konnte, oder über überhaupt irgendwas. Alastair interessierte sich verständlicherweise nicht für das belanglose Geplapper seiner uninteressanten Tage.
Aber Dean- Dean wollte solche Dinge wissen.
Die Orchidee hatte er von seiner Schwester, Anna, geschenkt bekommen, damals, als sie noch Kontakt gehabt hatten. Sie- Sie bedeutete ihm viel. Und es kribbelte und drehte sich warm und schwindelig in seinem Bauch, wenn er daran dachte, dass diese kleine Information ausgereicht hatte, dass Dean unprovoziert mit Charlie darüber sprach, damit sie ihre Mutter fragen konnte.
Das war einfach- so unerwartet freundlich.
“Das ist super, Steve! Ich richte es aus. Die beiden werden sich bestimmt freuen!”
Castiel schüttelte lächelnd den Kopf, klemmte das Handy wieder zwischen Schulter und Ohr und nahm dann Weinflasche und Glas mit zur Couch, um sich dort in die weichen Kissen gleiten zu lassen.
“Und bei dir, Dean? Wie läuft es bei deinem Bruder? Hast du ihn seit seit dem Treffen vor zwei Wochen nochmal gesehen?”
Dean schluckte das Bier nicht runter, bevor er entrüstet mit Mh-Mmmm! antwortete.
“Nein, kannst du dir das vorstellen?! Dieser kleine Pisser ertrinkt in Arbeit!”
Castiel lachte, als Dean weiter über seinen kleinen Bruder erzählte, über seine Arbeit, seine Kollegen, seine Freunde.
Er schickte Grüße zurück, als er Charlies fröhliche Stimme durch die Leitung hörte und sie sich freute, als sie hörte, er wäre am Telefon. (”Was? Steve? Cool! Grüße! Küsschen! - Wie gehts der Orchidee?” - “Er sagt sie erholt sich und kämpft weiter, Danke an dich und deine Mum!” -”Whoop! Spitze, aber jetzt: Peace out, bitches! Ich treff mich mit Gilda!” und ein lautes, schmatzendes Kuss-Geräusch.)
Die Zeit verging schneller, als er gedacht hatte, und ehe er sich versah, war es mitten in der Nacht, der Wein war leer und er und Dean hatten stundenlang geredet und getrunken.
Im Moment kicherte er unartikuliert über eine Geschichte, die Dean erzählte, halb eingesunken in die Couchkissen, träge und wattig in Kopf, während Deans warme, leicht lallende Stimme ihn wohlig umgab.
"Auf jeden Fall gibt mir die Kellnerin einen Burger und ich wappne mich für den schlimmsten Geschmack der Welt: Aber. Er. Schmeckt. Fantastisch! Ich dachte nur, Tofu ist der Hammer!, aber dann kommt sie, nimmt ihn wieder mit und sagt Entschuldigung, das ist der Bacon-Cheese-Burger! Sam wäre vor lauter Lachen beinah vom Stuhl gefallen! Diese Ratte, ich hätte nie mit ihm wetten dürfen!"
Das lange Seufzen, das folgte, war derart theatralisch, das Castiel beinah lachend von der Couch gefallen wäre.
"Ouch, Steve! Verräter!"
Castiel hätte vermutlich verhaltener reagiert, wenn Dean nicht noch während er das sagte ebenfalls angefangen hätte zu lachen.
Gott, wann hatte er das letzte Mal so gelacht?
"Und wie war der Tofu-Burger dann letztendlich?"
"Ja, nicht ungenießbar, zufrieden?!"
Castiel schmunzelte: "Durchaus."
Dean gluckste hörbar, ehe er tief durchatmete und dann gähnte.
"Sorry, Steve."
Castiel versuchte mehr schlecht als recht selbst ein Gähnen zu unterdrücken und Deans leichtes Lachen füllte die Leitung.
"Vielleicht sollten wir schlafen gehen."
Castiels Augen huschten zur Uhr und er begann zu nicken, während er sich die Augen rieb.
"Ja" - ein erneutes Gähnen - "das wäre besser." Er kaute noch einen Moment auf seiner Unterlippe, ernsthaft überlegend, ob das folgende eine vernünftige Äußerung wäre, oder vom Wein kam, aber…:
"Danke, Dean. Für- Für den schönen Abend. Es war- ich hatte viel Spaß."
Für Dean musste das lächerlich sein, nicht wahr? Sie hatten nur telefoniert und etwas getrunken. Kein Vergleich zu Roadtrips mit seinem Bruder und LARP-Abenteuern mit Charlie oder Nächten in Bars und Kneipen.
Aber er konnte das kristalline Honig-Lächeln in Deans Stimme hören als er antwortete.
"Ja, ich auch, Steve. Danke, dass du angerufen hast." Eine Pause, Dean räusperte sich. "Falls Er mal wieder auf Geschäftsreise ist oder auch einfach so- also. Ach!"
Die nächsten Geräusche wären dumpf und raschelnd, als würde Dean sich über Gesicht oder Haare fahren. "Ich will einfach sagen: ich hab mich echt gefreut, dass du angerufen hast. Und- du weißt, ruf mich jederzeit gerne wieder an. Okay?"
Castiels Gesicht und Bauch fühlten sich warm und kribbelnd an und er sank weiter in die Couchkissen, als könnte er das unprovozierte, breite Grinsen dazwischen verstecken.
"Ja, okay."
"Jah, cool." Eine kurze Pause, er hörte Dean schlucken. "Schlaf gut, Steve. Gute Nacht."
"Du auch, Dean, gute Nacht"
Die Verbindung blieb noch einen Moment bestehen und er hörte noch ein trockenes Räuspern, ehe Dean auflegte.
Castiel fühlte sich warm und beschwipst und merkwürdig zufrieden, als er Zähneputzen ging und sich danach ins Bett legte.
Er hatte natürlich auch mit Alastair wunderschöne Abende! Aber dieser hier?
Der ließ ihn lächeln, während er einschlief.
Geschrieben von: June - 31.05.2021, 07:49 - Forum: The Others
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Kapitel 5 or maybe it's my eyes
Castiel stand noch einige Wimpernschläge an der Wand, bis er es schaffte den ersten, tiefen Atemzug in seinen Körper zu zwängen, aus dem zu viele, zu heftige und zu schnelle wurden.
Seine Hand schnellte wie von selbst an seinen Hals, rieb über die Sehne und den pochenden Pulsschlag, während er sich mit der anderen an der Wand abstützte und versuchte, seinen Atem zu fangen.
Er konnte spüren wie sich Tränen in seinen Augen sammelten, hinter seinen Lidern prickelten, wenn er die Augen fest schloss, und an seinen Wimpern klebten.
(i]Nein[/i]!
Castiel zog stur die Luft tief durch die Nase eine, ehe er sie ruckartig durch den Mund entließ und rieb sich die Augen.
“Alles okay”, seine Stimme fühlte sich zu laut an in dem stillen Raum, aber er nickte mehrfach darüber hinweg. Immerhin, es war alles okay
Genau. “Alles okay, nichts passiert.” Wieder stieß er die Luft bestimmt aus. “Alles okay.” Castiel fuhr sich ein letztes Mal über die Augen, atmete ein letztes Mal tief aus und räusperte sich, um den zittrigen, nassen Klang aus seiner Stimme zu vertreiben.
Die Kerzen und Lichtelemente wirkten deplatziert und fade im Schein der hellen Deckenbeleuchtung und mit einem Mal hatten sie nicht mehr den Reiz des Romantischen, sondern schienen ihn nur höhnend anzufunkeln.
Castiel schniefte, schüttelte den Kopf, drückte sich bestimmt von der Wand weg und begann Kerzen auszupusten und Lichter auszuschalten.
Er musste das hier wegräumen, bevor Alastair wieder kam.
Nein, er wollte das wegräumen.
Es war eine dumme Idee gewesen. Wieso hatte er das nur gemacht? Wieso hatte er nicht nachgedacht?
Der ganze Abend hatte sich als Katastrophe entpuppt und das war seine Schuld. Ganz allein seine Schuld. Natürlich! Er wäre auch wütend, wenn Alastair Geheimnisse vor ihm hätte, nicht wahr? Er hatte-. Das war-.
Die Tränen prickelten wieder hinter seinen Augen und Castiel schnaubte höhnend über sich selbst.
Er war wirklich unmöglich!
“Jetzt komm schon!”
Mittlerweile hatte er den Tisch abgedeckt, das saubere Geschirr wieder in den Schränken verstaut und lehnte in der Küche; vor dem kalt werdenden, spöttischen Lammkarree mit seinen matschigen Kartoffeln und den Fettaugen im Sud aus Kräutern, Wein und Fleischsaft.
Seine Hand fuhr grob über seine Augen, in der Hoffnung es würde diese unsinnigen, dummen, peinlichen Tränen endlich endgültig vertreiben, aber sie kitzelten weiter in seinen Augenwinkeln.
Er schniefte erneut und schluckte schwer.
Jede Entscheidung, die er für heute Abend hatte treffen können, hatte er falsch getroffen. So einfach war das.
Er hatte diesen Abend ruiniert, er ganz alleine - und er fühlte sich miserable deshalb. Miserable und alleine und unglücklich und-
Castiel griff in einer energischen Geste nach seinem Weinglas, das er neben dem Herd stehen gelassen hatte und war einen Moment versucht den gesamten Inhalt in die Spüle zu schütten, den Wein, die ganze Flasche und den Dekanter! Er und sein dummer, dummer teurer Wein und sein dummes, dummes teures Essen und-
Das Schluchzen erschreckte ihn selbst; seine Hand zuckte so schnell gegen seinen Mund, dass es klatschte. Aber es hatte keinen Zweck mehr, er hatte den Kampf verloren, in dem Moment, in dem die erste Träne über seine Wangen rollte.
Nicht nur weil er sich mit Alastair gestritten hatte, nicht nur, weil er einfach alles ruiniert hatte. Castiel wünschte sich, es wäre so einfach, aber wenn er ehrlich war, gehörte nur ein kleiner Teil der Tränen diesen Emotionen.
Die meisten davon rannen über seine Wangen, weil er sich in diesem Moment so einsam fühlte.
Die Klarheit dieses Gedanken, ließ ihn erneut schluchzen, ehe er sich dem Sog ergab, der ihn nach unten drückte. Er hatte es so oft fast gedacht und so oft energisch zur Seite geschoben; Immerhin war er in einer glücklichen Beziehung - es gab keinen Grund, sich einsam zu fühlen!
Es war nur-
Castiel zog die Knie an seinen Körper, auf dem Küchenboden sitzend, den Rücken an den Schränken, das Weinglas in der Hand - wie der unbrauchbare Versager, der er war.
Es war nur, er hatte niemanden, außer Alastair. Es gab niemandem mehr in seinem Leben und er war selbst daran Schuld.
Er hatte sich mit Anna und Gabriel, seinen so-zu-sagen-Geschwistern aus dem Waisenhaus, schon vor etwas mehr als einem Jahr heftig gestritten und keinen Kontakt mehr zu ihnen.
Seine Freunde? Hatten sich im Laufe der Zeit verloren, mit manchen hatte sich der Kontakt langsam aufgelöst, zu anderen hatte er den Kontakt abgebrochen, weil sie ihm nicht gut getan hatten; Alastair hatte ihn auf den schlechten Einfluss aufmerksam gemacht.
Aber genau jetzt? Weinend auf dem Küchenboden? Weil er einen potentiell wunderschönen Abend ruiniert hatte, weil Alastair vollkommen zurecht wütend war und weil er niemanden hatte, an den er sich wenden konnte?
Jetzt wünschte er sich so sehr sein Handy würde klingeln, nur eine kleine Nachricht, ein Emoji vielleicht, etwas unsinniges, kleines, das ihm nur zeigte, er wäre nicht so alleine, wie er sich fühlte.
Aber das Handy in seiner Hosentasche blieb stumm.
Die Tränen waren heiß auf seinen Wangen und sein Schluchzen erbärmlich, aber warum sich stoppen? Er hatte buchstäblich niemanden, den es im Moment kümmerte. Alastair würde heute Nacht nicht wiederkommen. Vermutlich war er bei Azazel (den Castiel nicht mochte, weil er ihn schmierig und überheblich fand, was er natürlich nicht laut sagte).
Castiel wusste nicht - und interessierte sich nicht dafür - wie lange er herum geschluchzt hatte, weinerlich und weibisch und jämmerlich, wie er war und wie Alastair ihm schon öfter hatte sagen müssen.
Er schnaubte über sich selbst und trank das Weinglas in einem Zug leer, sobald er sich wieder etwas gefangen hatte, und fuhr sich grob über das nasse Gesicht.
Weichei.
Es war kein Wunder, dass er ganz alleine war.
Er schüttelte über sich den Kopf und wischte auch die letzten nassen Bahnen von seiner Haut.
“Wirklich kein Wunder, Castiel”, wiederholte er selbst in die Stille und zog sich am Küchenschrank hoch.
Weinerliches Weichei oder nicht, er würde jetzt noch ein Glas Wein trinken.
Er hatte keinen Grund, jetzt nüchtern zu sein.
Seine Knie waren ungelenk und protestierten - er hatte wohl länger dort gegessen, als gedacht - und sein Smartphone rutschte aus der Hosentasche, als er sich nach oben wuchtete.
Castiel seufzte tief und griff erst nach dem Dekanter, um sein Glas wieder zu füllen, ehe er sich bückte, um es aufzuheben.
Aus einem Reflex klickte er darauf, aber er hatte keine neuen Benachrichtigungen. Sein Hintergrundbild - ein Foto von Alastair und ihm bei einem Ausflug an den Pier - lachte ihn regelrecht aus und irgendwie schaffte es seine Einsamkeit ihn allein deshalb nochmals kalt in den Magen zu boxen.
Castiel lachte trocken aber tränengetränkt über sich selbst und schob das Telefon über die Arbeitsfläche, wo es an der Rückwand des Tresens mit einem leisen klonk stoppte und nahm einen großzügigen Schluck aus dem Glas.
Dann war er eben alleine, dann hatte er eben niemand, dann-
... einen Freund brauchst.
Der Gedanke, nein, die Erinnerung traf ihn unerwartet, der weiche Honigton, die sich aufrichtig anfühlende Freundlichkeit in den Worten.
Dean.
Castiel blickte das Handy an, das immer noch eine halbe Armlänge entfernt auf der Arbeitsfläche lag und er runzelte die Stirn, während er auf der Unterlippe kaute.
Das war dämlich. Das konnte er nicht-
Was sollte das bringen?
Das war wirklich dämlich, und es wurde nicht besser, als er das Handy wieder zur Hand nahm und vorsichtig die blaue Gummischutzhülle an einer Ecke abpellte. Dahinter, klein gefaltet am Rücken des Smartphones, kam ein Stück Papier hervor.
Er hatte es dort nicht versteckt! Er hatte keine Geheimnisse vor Alastair.
Es war einfach nur ein praktischer Ort gewesen, als er es das letzte Mal in der Hand gehabt hatte.
Und da er ohnehin nicht vorhatte, die Nummer jemals in sein Smartphone einzugeben, gab es auch nichts, was er verstecken musste. Alastair konnte manchmal etwas eifersüchtig sein, daher wollte er nicht, dass er das falsch verstand.
Es war kein Geheimnis.
Außerdem war das sowas von dämlich, als er das Papier aus der Hülle zog, sie wieder an das Smartphone klemmte und den Zettel mit einer Hand auffaltete.
Die Zahlen darauf waren eine ganz eigene Handschrift und ein kleines Lächeln zog an Castiels nach unten gerichteten Mundwinkeln.
Dean hatte eine furchtbare Handschrift, das hatte er sich schon das erste Mal gedacht, als er das Schriftstück betrachtet hatte, vollkommen perplex, nachdem Dean den Laden verlassen hatte. Er konnte die Zahlen gerade noch lesen und das vermutlich nur, dachte er sich, weil Dean versucht hatte deutlich zu schreiben.
Dämlich.
Castiel hätte den Zettel damals schon wegwerfen sollen. Er hatte nie vorgehabt, Dean jemals zu schreiben. Er würde Dean nie schreiben! Das war nur- eine nette Geste gewesen.
Deshalb hatte er die Nummer aufgehoben, hatte sie nicht endgültig entsorgt, als er den Zettel beim Waschen der Weste ein paar Tage später wieder in der Hand gehabt hatte; wegen der Geste dahinter.
Und vielleicht wegen der Handschrift, dieser besonderen Handschrift; Die Art, wie Dean eine Fünf schrieb war fast schon kunstvoll - unleserlich aber kreativ.
... falls du es dir anders überlegst, schreib mir - oder ruf mich an.
Das Gefühl der Einsamkeit blubberte unter seiner Haut, kribbelte in seinen Fingern und er wollte.
Das war dämlich, das wusste er.
Es war - was? Zwei Wochen? her, dass Dean ihm die Nummer aufgeschrieben hatte? Er erinnerte sich vermutlich nicht mal mehr daran.
Er würde ihn stören, ihm auf die Nerven gehen und sich dadurch nur selbst demonstrieren, dass er verdient alleine war.
Außerdem war es wahrscheinlich nicht mal seine richtige Nummer, es war nur- Es war nur eine nette aber leere Geste gewesen.
Castiel legte den Zettel auf die Anrichte und trank noch einen großen Schluck Wein, während er mit der anderen Hand die Nummer in sein Smartphone eingab, sie unter D. einspeicherte (warum speicherte er sie überhaupt?!) und auf den kleinen, grünen Hörer drückte.
Er hinterging Alastair nicht. Er bewies sich nur selbst, dass das hier Schwachsinn war, dass er im Begriff war, betrunken zu sein und deshalb dämliche Entscheidungen traf, dass er alleine war. Das hier war eine Sackgasse, wie all die anderen Richtungen, in die er sich in den letzten Jahren gedreht hatte.
Er hatte nur Alastair.
Er würde die Meldung hören, dass die Nummer nicht vergeben war.
Es klingelte.
Castiel ließ ungläubig das Weinglas von seinen Lippen sinken.
Klingelte es wirklich? Das-
“Hallo?”
Ein unartikuliertes, von den vorhergehenden Tränen angegriffenes Quietschen kam schockiert über Castiels Lippen und er schaffte es gerade noch, auf den roten Hörer zu drücken, ehe er das Handy fallen ließ, als hätte er sich verbrannt.
Es landete mit einem Klappern auf der Arbeitsfläche, das sich beinah entrüstet anfühlte und Castiel konnte nicht anders als es fassungslos anzustarren.
Das- Das war Dean gewesen; Der warme und gleichzeitig angenehm raue Ton von kristallinem Honig.
Er hatte ihm- Wieso hatte er-?!
Castiel sprang mit einem Japsen zurück und presste sein Weinglas fest an sich, als sein Handy unvermittelt leuchtete und sich durch die Vibration über die Arbeitsfläche schob.
Das Display zeigte ein großes, weißes D..
Oh Gott. Oh Gott. Ohgottohgottohgott!
Castiels Augen waren groß und ungläubig.
Das passierte gerade nicht wirklich!
Das war so nicht geplant gewesen! Das hätte niemals funktionieren sollen, nein!, dürfen!
Was. Zum. Teufel?!
Sollte er etwas tun? Er konnte doch nicht rangehen! Aber er hatte zuerst angerufen.
Wie sollte er das Alastair erklären?!
Verdammt! Gottverdammt!
Das Smartphone vibrierte sich zum Rand, immer noch mit leuchtendem Display und dem großen, weißen D. darauf, unerbittlich und stur und viel zu laut in der ruhigen Wohnung.
Er musste- Er sollte rangehen, oder?
Castiel schüttelte sich selbst aus der Starre; Er sollte rangehen. Er sollte rangehen und sich entschuldigen und- Wie spät war es überhaupt? Egal. Es war unpassend gewesen ihn anzurufen. Er würde jetzt dieses Telefon nehmen und - und es hörte auf zu klingeln.
Seine Schultern senkten sich in einem erleichterten Seufzen.
Er war ein Idiot. Das war dämlich gewesen.
Wieso hatte er ihn angerufen??
Wieso hatte er zurückgerufen?! Wieso hatte Dean ihm überhaupt seine richtige Handynummer gegeben? Das war doch!
Castiel schnaubte geradezu höhnisch und trank mit einem großen Schluck sein Glas leer, um sich ein neues einzuschenken.
Egal, was es war, es war jetzt vorbei.
Davon müsste er Alastair nichts erzählen; Das war nur- Der Wein. Und das ungerechtfertigte Gefühl der Einsamkeit. Er wollte Alastair nicht wieder erzürnen, das hier war nichts.
Er würde Dean nicht wieder anrufen, Dean würde ihn nicht wieder anrufen. Das war doch lächerlich. Und dämlich. - Und vorbei.
Er nahm noch einen Schluck und schüttelte über sich selbst den Kopf.
Der Wein begann sich träge und warm in seinem Kopf auszubreiten, die Enden der aufgeschreckten Emotionen des heutigen Abends zu beruhigen und ihn einzuwickeln in dieses leicht schwummrige Gefühl, das seine Schritte etwas weicher und wackeliger werden ließ, ihm später einen tiefen Schlaf versprach - und vermutlich schuld war an diesem Schwachsinn.
Er hätte nicht anrufen sollen - aber jetzt war es vorbei.
Er musste noch irgendwas mit dem Lammkarree machen - und der Glaskugel im Flur. Er sollte sich nicht so dämlich verhalten und stattdessen weiter aufräumen.
Das war jetzt vorbei und alles war wieder, wie es vorher war. Dämlicher Idiot.
Castiel schüttelte über sich selbst den Kopf und nahm den Dekanter. Er war mit dem Glas leer und Castiel brachte ihn zur Spüle für Spülmittel, Wasser und die metallenen Reinigungskügelchen, als sein Handy erneut vibrierte.
Er zuckte kurz zusammen, aber ein kurzes Vibrieren war alles. Kein Anruf.
Gut! Das war gut. Es war dämlich. Es war vorbei.
Vermutlich ein Wetterupdate.
Sein Handy vibrierte wieder.
Castiel runzelte die Stirn und ging vorsichtig zurück zu dem Smartphone, als könnte es ihn von der Arbeitsfläche anspringen, während er locker aus dem Handgelenk die kleinen Kügelchen in dem Dekanter im Spülwasser kreisen ließ.
Er hatte neue Nachrichten.
Seine Stirn runzelte sich. Wie bitte?
Es vibrierte wieder.
Alastair textete ihm sonst nie.
Castiel stellte den Dekanter ab, griff das Handy und öffnete die neuen Nachrichten.
Das- Dean hatte ihm geschrieben.
Er hätte das Telefon beinahe wieder fallen gelassen.
Er hatte ihm geschrieben?!
D.:
Hey! Wer bist du?
Vegane kekse bist du das?
Ist alles in ordnung??
Castiel starrte die Nachrichten perplex an.
Vegane Kekse. Er- Er fragte ob er es war, ob es Steve war, ohne seinen Namen zu nennen? Clever, ehrlich gesagt. Aber- aber wieso erinnerte sich Dean überhaupt an ihn?
Wieso schrieb er ihm?
Wieso-
Die drei Punkte kamen zurück und kurz darauf zwei weitere Nachrichten.
D.:
Hey mann sag bitte was das ist creepy
Du weißt ich seh den log wenn du das gelesen hast?
Castiel zuckte ertappt zusammen. Verdammt! Natürlich!
Er schnaubte überrumpelt, blickte sich in einem kurzen Reflex einmal um, als würde er nicht wissen, dass er abgesehen von dem Lammkarree und der halbvollen Weinflasche auf dem Tresen alleine war, und schrieb selbst eine Nachricht.
(Ob Dean die drei Punkte jetzt auch gerade ansah?
…
Quatsch.)
Ja! Entschuldige, hier ist Castiel. Es tut mir Leid, Sie zu stör
Falsch. Steve.
Er löschte die Nachricht wieder und schüttelte den Kopf.
Was machte er hier eigentlich? Das war doch dämlich. (So gesehen stand das große D gerade für zweierlei.)
Er setzte erneut an und schickte die Nachricht diesmal los.
Du:
Ja, hier ist Steve.
Vielleicht etwas wenig?
Du:
Haben Ihnen die Kekse geschmeckt?
Schwachsinn!
Du:
Entschuldigen Sie bitte, das geht mich nichts an.
Castiel fasste sich an die Schläfen. Dämlich, dämlich, dämlich! Beende das endlich!
Du:
Nein, ich meine: Entschuldigen Sie bitte, dass ich Sie gestört habe.
Die kleinen Symbole sprangen sofort nach Zugestellt auf Gelesen.
Dean hatte… auf seine Antwort gewartet? Nein, das war nur Zufall. Vermutlich hatte er einfach das Display nicht gesperrt.
Die drei kleinen Punkte erschienen wieder.
Castiels Mund öffnete sich, als wollte er in die Leere argumentieren, mit den drei Punkten diskutieren, ihnen klar machen, dass es keinen Grund und keinen Sinn darin gab, dass sie sofort wieder erschienen.
Wieso antwortete Dean ihm so schnell? Oder viel eher: Wieso antwortete er ihm überhaupt?!
D.:
Heya Steve!
Die kekse waren spitze!
Meine mitbewohnerin wird dir ewig dafür dankbar sein
Sie waren für ihre (mittlerweile freundin
Aber ich hab sie auch probiert und sie sind echt lecker
Du hast nicht gestört! Ich freu mich über deine nachricht
Castiel konnte nicht anders als dabei zuzusehen, wie die Punkte immer neue Nachrichten ausspuckten, konnte nicht anders, als leicht zu schmunzeln, als ihm auffiel, dass Dean kaum Satzzeichen oder Großbuchstaben verwendete oder für neue Sätze eine neue Nachricht schickte.
Er bemerkte nicht mal, wie er sich gegen die Arbeitsplatte lehnte, während er die Nachrichten las, einerseits fast schockiert über die Nachrichten und ihren Inhalt, über die persönlichen Informationen, die Dean einfach so teilte, andererseits ungläubig, dass das hier überhaupt passierte.
Wieso schrieb Dean ihm eigentlich zurück?
Immerhin, er kannte ihn nicht. Er wusste nichts von ihm - außer dass er sich viermal zum Notruf verwählt hatte.
Castiel verzog das Gesicht bei der Erinnerung. Ja, die Ausrede war etwas dünn gewesen, aber was hätte er sonst sagen sollen? Er hatte unzurechnungsfähig reagiert, als er 911 angerufen hatte; Das war unnötig gewesen.
Sein Display war ausgegangen, während er gegrübelt hatte, und sein Smartphone vibrierte in seiner Hand, bevor er weiter über den abgebrochenem Notruf nachdenken konnte, oder den Tag, der dazu geführt hatte.
Ein vollkommen unbekanntes Gefühl zog von seinen Fingerspitzen, seinen Arm hinauf irgendwo in ihn hinein, fast als wäre er irgendwie froh.
Was lächerlich war - und erbärmlich. Dean war vermutlich nur höflich und schrieb ihm deshalb. Aber trotzdem öffnete Castiel die Nachricht mit einem leichten Lächeln.
Er wusste nicht mehr wirklich, wann er das letzte Mal einfach zwanglos getextet hatte. Und die Tatsache, dass das schon ausreichte, damit er sich nicht mehr ganz so einsam fühlte, sprach ohnehin Bände über den Grad seiner Erbärmlichkeit.
Aber irgendwie war das- nett. Auch wenn es nur höflicher Smalltalk war, der vermutlich mit dieser oder der nächsten Nachricht von Dean enden würde.
Castiel legte leicht den Kopf zur Seite und blickte auf die nächsten Worte mit der Erwartung des baldigen Endes.
D.:
Hey steve ich will nichts implizieren aber
Geht es dir gut? Ist alles in ordnung?
Eine kurze Pause.
D.:
Bist du verletzt?
Natürlich.
Das Lächeln auf seinen Lippen bekam einen leichten Knick.
Dean war Emergency-Dispatcher, er half anderen und nach ihrem ersten Gespräch… Woran hätte er auch sonst denken sollen, außer das Castiel wieder gegen eine Tür gelaufen war. Dass er ihn deshalb kontaktierte und nicht weil er- weil er erbärmlich und alleine und weinerlich war. Implizieren.
Castiel schnaubte höhnisch über sich selbst.
Es war nicht direkt Enttäuschung, die er fühlte, dafür gab es keinen Grund, er hatte keine Rechtfertigung für Enttäuschung. Aber es war - ernüchternd.
Das hier war kein belangloses Texten, kein lockerer Smalltalk über Kekse oder Deans Mitbewohnerin. Er belästigte Dean und Dean versuchte höflich und hilfsbereit zu sein. Es war spät am Abend - und Castiel zwang Dean in seinen Job.
Seine Augen starrten die kleinen Buchstaben auf seinem Bildschirm an, die einzelnen kleinen Rahmen um jede kleine Nachricht, die kleinen Symbole, die ihm und Dean sagten, er hatte jede erhalten und gelesen.
Sein Lächeln hatte an Schwung verloren, aber er zerrte es zurück nach oben, als ob Dean es sehen konnte, als er die Antwort schrieb:
Du:
Danke, Dean. Es ist sehr freundlich, dass Sie sich sorgen, aber es geht mir gut. Es ist alles in Ordnung. Ich bin nicht verletzt.
Ich freue mich, dass Ihrer Mitbewohnerin und ihrer Freundin die Kekse geschmeckt haben.
Ich entschuldige mich für die Störung. Haben Sie noch einen schönen Abend.
Er sollte das Handy weglegen. Es ausschalten und sich um das Chaos hier kümmern. Aber Castiel starrte dennoch auf sein Display, beobachtete, wie die Nachrichten zugestellt wurden und sofort danach auf Gelesen sprangen.
Ein Herzschlag verging, eine halbe Sekunde hoffnungsvoller- was? Erwartung? Nein. War es überhaupt hoffnungsvoll?
Er war nur erbärmlich und weinerlich und alleine.
Egal was es war, die drei Punkte erschienen nicht und Castiel nickte.
Besser so.
Es war ohnehin dämlich.
Aber - und das musste Castiel zugeben - nett. Es war wirklich freundlich gewesen, sich zu sorgen.
Castiel nickte nochmals und schaltete das Display aus, ließ das Handy achtlos auf der Arbeitsfläche liegen und trank noch einen Schluck Wein, ehe er Kehrschaufel und Handbesen unter der Spüle hervor holte und in den Flur ging.
Die kleine Glaskugel war in unzählige Bruchstücke zersplittert, die sich weitläufig im Flur verteilt hatten.
Castiel seufzte, ging in die Hocke und begann die Fragmente aufzukehren.
Es dauerte eine gefühlte Ewigkeit bis er auch die letzten kleinen Bröckchen erwischt hatte und zurück in die Küche ging, um den zersplitterten Kadaver im Mülleimer zu entsorgen.
“Bleiben noch wir beide.” Er blickte das Lammkarree mit einer Mischung aus Beleidigung und Betrübnis an, als er wieder einen Schluck Wein trank und sich dann Alastair's Weinglas und die Flasche vom Tresen nahm.
Er entfaltete seine Wirkung immer weiter in seinem Blut und Kopf. Castiel genoss das wattige Gefühl, das sich langsam in ihm ausbreitete.
Er wusste nicht, ob die Flasche wirklich die fast Fünfzig Dollar wert war, aber er schmeckte. Ihm schmeckten aber auch Fünf-Dollar-Weine.
Da das Karree unverzehrt hier stand war das sein Geld schon mal nicht wert gewesen.
Sollte er es aufheben?
Konnte man Lamm überhaupt aufheben? Oder wieder erwärmen? Oder kalt essen?
Castiel verzog unsicher das Gesicht. Wollte er das Alastair wirklich nochmal vorsetzen? Und wieder einen Streit provozieren?
Er schloss kurz die Augen, als könnte er dadurch besser denken und entschied sich letztendlich dafür, wenigstens zu googeln, was er damit machen könnte, bevor er es wegwarf.
Das Lamm konnte ja nichts dafür, dass er ein vollendeter Idiot war.
Er griff nach seinem Smartphone, während er noch einen Schluck trank, einen kleineren diesmal, und ließ es beinah fallen, als es zweimal schnell hintereinander vibrierte.
Seine Augen huschten erschrocken zu den Benachrichtigungen und den - neunzehn neuen Nachrichten?!
“Was?!”
Was hatte Dean denn alles geschrieben, um sich zu verabschieden? Wieso hatte er überhaupt noch etwas geschickt?
Castiel wischte das Display wach und tippte auf den Chat:
D.:
Steve nochmal: Du störst nicht!
Ich freue mich über deine nachrichten und noch mehr darüber dass es dir gut geht
Ich hatte schon nicht mehr geglaubt dass du dich meldest
Aber ich bin froh dass du es getan hast!
Ohne mein glück überstrapazieren zu wollen aber warum heute?
Also gemeldet
*warum hast du dich heute gemeldet
#eloquent
Sorry mann anstrengender tag heute
Steve?
Komm schon mann
Nicht cool mich jetzt hängen zu lassen
Steve?
Ehrlich mann du klangst am telefon nicht so gut dass ich mir jetzt keine sorgen machen würde
Steve? Ein lebenszeichen okay?
Okay ich bin hartnäckig
Du hast mich bestimmt angerufen weil du mich seit dem laden nicht mehr aus dem kopf kriegst
War das ein booty call steve?
Castiels Augen flogen fassungslos über die Nachrichten. Als er am Ende angekommen war und er die letzten Nachrichten las, wurde sein Gesicht spürbar heiß.
Ein- was? Nein! Natürlich nicht! Er würde nie-!
Das- das war doch!
Du:
Das war kein booty call!
Bevor er noch etwas anderes schreiben konnte, erschien eine weitere Nachricht von Dean:
D:
AH! Du bist noch da! Zum glück!
Castiel war einen Moment so von dieser Reaktion überrascht, dass er sich gegen die Arbeitsplatte lehnte.
Zum Glück?
Sein Mund klappte auf, als könnte er mit dem kleinen lachenden Gesicht am Ende der Nachricht diskutieren, aber wieder kam ihm der andere zuvor:
D:
Also steve warum heute?
Ich würde ja sagen ich will nicht neugierig sein aber das wäre einfach gelogen
Castiel schnaubte ein Lachen und schüttelte mit einem leichten Schmunzeln den Kopf. Das war doch-!
Das war doch.
Kindisch. Und freundlich - und warm und… angenehm?
Und Castiel wollte ehrlich sein, so jämmerlich und einsam das auch war, dass er dem erstbesten Fremden, der ihn beachtete, sofort sein Herz ausschütten wollte.
Aber er wollte ihm sagen, dass er alleine war und traurig, weil er alleine war. Dass er sich mit Alastair gestritten hatte, dass alles seine Schuld gewesen war und- und er wollte, dass Dean ihn dann nicht für einen totalen Versager und Idioten hielt.
Aber das war wohl etwas viel verlangt.
Trotzdem war das Ziehen in seiner Magengrube warm und blubbernd und-
D:
Steve?
Du:
Wir haben uns gestritten
Castiel erstarrte.
Das hatte er nicht-
Oh Gott.
Das lag nur an diesem verdammten Wein!
Er war im Begriff, das Glas zur Seite zu schieben, für heute war es genu-
Dean tippte bereits eine Antwort.
Oh, nein. Neinneinnein.
Du:
Eswarnicht!
*es war nichts
Alles in Ordnung!
Es tut mr Ledi Dean!
Oh Gott
*Es tut mir Leid, Dean!
Castiel starrte auf den Fleck, wo immer die drei kleinen Punkte erschienen und biss sich schmerzhaft fest auf die Unterlippe, bis sie endlich auftauchten und nahm einen Schluck Wein zur Beruhigung. Jetzt war es ohnehin schon egal, oder?
Viel mehr Nonsense konnte er ja kaum texten.
Er war so ein Idiot. Als hätte Dean nicht ohnehin schon eine vollkommen falsche Vorstellung!
D:
Hey alles okay!
Du musst dich nicht rechtfertigen
Alles okay!
Die Punkte flackerten mehrfach auf und verschwanden dann wieder bis letztendlich eine weitere Nachricht erschien.
D:
Darf ich fragen, worüber ihr euch gestritten habt?
Castiel lachte unwillkürlich schnaubend auf. Dean hatte scheinbar so lange an der Nachricht gefeilt, dass sogar die Satzzeichen stimmten. Dean dachte gerade vermutlich - alles mögliche! und etwas in Castiels Magen zog sich kalt zusammen.
Er wollte nicht, dass Dean falsch über Alastair dachte; Dass Alastair dachte, er würde ihn das denken lassen!
Das war doch…
Er hatte von Anfang an gewusst, dass das eine dämliche Idee gewesen war und er wünschte, er konnte dem Wein alleine die Schuld daran geben und einfach aufhören.
Aber was würde Dean erst denken, wenn er das Gespräch jetzt abbrach?
Er wollte nicht- Er wollte nicht, dass Dean eine falsche Vorstellung hatte.
Castiel atmete tief durch, die Hand mit dem Weinglas verzweifelt an der Stirn, wenn er nicht gerade einen Schluck trank. Er durfte nicht mehr einfach so los texten! Er musste sich konzentrieren. Also schrieb er seine nächste Nachricht sehr sorgsam und durchdacht:
Du:
Ich hab nicht nachgedacht und uns den Abend ruiniert. *Er hatte einen anstrengenden Tag und ich habe ihn provoziert. *Er ist zu einem Freund gegangen.
Castiel starrte die erneut auftauchenden Punkte an, wie ein Damokles Schwert, und vergaß seinen Vorsatz, nicht mehr einfach drauf loszutexten:
Du:
Es tut mir Leid
Ich bin
*
Ich hab zu viel getrunken.
Ich hätte nicht anrufen sollen.
Ich war nur
Entschuldigen Sie bitte, Dean.
Oh Gott.
Er machte es gerade nur schlimmer, oder? Oh Gott.
Er klopfte sich mit der Kante des Smartphones wiederholt gegen die Stirn.
Er wollte nicht wissen, was Dean jetzt dachte. Er wollte nicht wissen, wie Dean darauf reagierte.
Er wollte wirklich, wirklich, wirklich nicht!
Aber sein Handy vibrierte gegen seine Stirn.
Castiel atmete einmal tief durch und blickte auf die neuen Nachrichten:
D:
Du musst dich für nichts entschuldigen steve!
Ich hätte auch getrunken, wenn mein abend so in die binsen gegangen wäre
Er blinzelte unverständig gegen die Buchstaben.
Sein Mund öffnete sich erneut, um zu argumentieren, aber seine Finger waren schneller.
Du:
Was?
Es folgte ein tränenlachender Emoji.
D:
Kein grund so überrascht zu sein
Ich hab dir doch gesagt steve
Wenn du hilfe brauchst oder einen freund: ich bin da
Castiel schüttelte den Kopf.
Das- wieso tat Dean das?
D:
Aber fürs protokoll: lass die förmlichkeit okay?
Ich hab mir gerade noch ein bier geholt
Das heißt wir trinken jetzt zusammen
Castiel lachte kehlig auf und schüttelte wieder - oder immer noch? - den Kopf.
Er verstand es nicht. Er verstand Dean nicht. Überhaupt nicht, weder den warmen Ton seiner Stimme, noch die ruhige Kraft darin, sein Auftreten, sein Engagement für ihn, obwohl er ihn nicht kannte und jetzt - das.
Aber er musste zugeben, jetzt mit einem Weinglas in der Küche und dem Licht seines Handydisplays im Gesicht fühlte sich weniger einsam an als auf dem Boden sitzend mit Tränen auf seinen Wangen.
Und auch wenn er und Dean keine Freunde waren, nicht mal im Ansatz, ehrlich gesagt, war doch auch nichts dabei, oder?
Alastair war selbst bei einem Freund. Da könnten ein paar Textnachrichten nicht schaden, richtig?
Ein Lächeln zog an seinen Lippen, als er noch einen Schluck Wein nahm und mit der anderen Hand eine Nachricht schrieb:
Geschrieben von: June - 24.05.2021, 09:38 - Forum: The Others
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Kapitel 4
The world's a little blurry
Castiel zündete die weiße, lange Kerze auf der Mitte des Tisches an und wedelte das Streichholz aus, während sein Blick routiniert durch die Wohnung glitt.
Alles war beanstandungslos sauber, das Bett akkurat gemacht, die Küche blitzeblank, der Staub von jedem Möbelstück gewischt und die Oberflächen spiegelnd.
Ein weiches aber schwaches Lächeln zog an Castiels Mundwinkeln und er nickte zufrieden. Er wollte, das heute alles perfekt war.
Die Spannung zwischen ihm und Alastair war in den letzten Tag etwas greifbarer geworden und er versuchte, mit diesem romantischen Abend etwas dagegen zu steuern.
Er wollte nicht, das er wütend wurde, weil etwas falsch war oder weil er das Gefühl hatte, Castiel wäre nicht glücklich oder dankbar.
Immerhin; nach dem Streit vor drei Wochen, war Alastair überaus süß und liebevoll gewesen und hatte sich um ihn gekümmert.
Castiel rollte einmal mit Schultern und Nacken und nickte sich nach einem tiefen Atemzug selbst zu.
Alastair hatte das verdient;
Also hatte Castiel extra etwas Geld aus dem Laden zur Seite gelegt, von dem er Alastair nichts erzählt hatte, um das geradezu sündhaft teure Lammkarree zu kaufen, das gerade die letzten Minuten schmorend im Backofen verbrachte, und den Wein, den er vorsichtig entkorkte, um ja keinen Tropfen zu verschütten.
Castiel warf nochmal einen Blick auf das Etikett, ehe er die rote, vollmundig duftende Flüssigkeit in den Dekanter laufen ließ und stellte die noch halbvolle Flasche dann geschickt platziert neben ein paar flackernden Kerzen auf den Tresen.
Er wusste, wie gerne Alastair das Etikett betrachtete und ihn mit seinem Wissen beeindruckte; Es hieß, der Wein würde gut zu seinem Menü passen, daher hatte er ihn gekauft. Aber Alastair würde ihn bestimmt erkennen und könnte ihm einiges darüber erzählen.
Auf Castiels Lächeln erschien ein leichtes Lächeln, als er daran dachte. Ja, das würde Alastair gefallen, ihn beeindrucken, zeigen, wie intelligent und kultiviert er war.
Der perfekte Start für einen perfekten Abend.
Castiel wollte es nur nicht wieder ruinieren, und er meinte- nun, alles. Also überprüfte er aus dem Impuls heraus in der Spiegelung eines Tabletts sein Aussehen nach potentiellen Stolpersteinen.
Das Veilchen war mittlerweile verheilt.
Seine Augen glitten einmal über die Stellen in seinem Gesicht, die so schmerzhaft bunt geleuchtet hatten und er fuhr sich unbewusst mit der Zunge über die Lippen, ehe er das Lächeln zurück auf sein Gesicht zog und erneut nickte.
Alastair hatte nicht alleine Schuld daran gehabt, das wusste Castiel, er musste es sich manchmal nur etwas öfter sagen. Er hatte auch falsch reagiert. Und er wiederholte es in seinem Kopf mehrfach.
Er durfte es Alastair nicht übel nehmen; Sie hatten gestritten, die Wut war hochgekocht und er hatte Casteil in einem ungünstigen Moment geschubst leicht angerempelt.
Castiel hatte selbst überreagiert, allein schon dadurch, dass er danach viermal 911 angerufen hatte. Das war - unnötig gewesen.
Es war immerhin keine Absicht gewesen, dass er so hart gegen den Türrahmen geknallt war.
Dieser kleine Beziehungskrach war bestimmt nicht von so großer Bedeutung, dass man deshalb den Notruf blockieren sollte.
Viermal.
Immerhin hatte er nur einen Mitarbeiter belästigt und war nicht zum Pausengespräch geworden, weil er ständig jemand anderen gestört hatte.
Castiel runzelte die Stirn.
Viermal.
Jedes Mal war er bei Dean rausgekommen, dem aufdringlichen Dispatcher mit den grünen, beobachtenden Augen, den lächerlichen Sommersprossen und hellen, braunen Haaren und der Stimme, die klang wie geschmolzener Honig gemischt mit Single Malt Scotch.
Dean.
Der ihm seine Handynummer gegeben hatte.
Castiel machte ein schnalzendes Geräusch mit der Zunge, als wäre alleine der Gedanke lächerlich, was er ja auch war. Er hatte Dean natürlich nicht geschrieben oder ihn gar angerufen. Er verstand es ja auch gar nicht. Er hatte sich einfach etwas zusammengereimt aus unzusammenhängenden Einzelteilen, die er falsch interpretiert hatte. Castiel musste nicht gerettet werden. Schon gar nicht durch diesen- diesen pretty boy Dispatcher.
Er musste nicht gerettet werden!
Sein Blick ruhte noch einen Moment auf seinem nicht mehr blauen Auge und er fuhr mit dem Finger darunter entlang.
Er riss sich mit einem Kopfschütteln davon los und zog den Kragen fast schon nachdrücklich zurecht, ehe er etwas hilflos in seinen Haaren herum zupfte. Aber sie waren einfach immer unordentlich, egal was er damit tat. Er hoffte, das würde der Perfektion des Abends keinen Abbruch tun.
Er hatte wirklich getan, was er konnte.
(Oder? Hätte er mehr tun können?)
Castiel schnaubte über sich selbst, rollte erneut mit den Schultern und schüttelte den Kopf.
Nein, alles war in Ordnung, der Abend würde wunderschön werden. So wie sie es beide verdient hatten.
Er würde sich von seinen unordentlichen, furchtbaren Haaren heute nicht die Stimmung verderben lassen. Davon nicht und nicht von diesem kleinen Unfall. Oder von De-, von dem aufdringlichen Dispatcher.
Alle Paare stritten sich, das war vollkommen normal.
Alastair war vielleicht manchmal ein wenig aufbrausend und ja, manchmal packte er ihn vielleicht etwas grob an oder schubste ihn in die richtige Richtung, aber nur, wenn Castiel es auch provoziert hatte: Da musste man fair sein.
Es wäre nicht so, als würde Alastair ihn schlagen! Alastair liebte ihn und er tat ihm nicht absichtlich weh.
Und er provozierte ihn auch oft genug, war - uneinsichtig oder ungeschickt, unverständig, er-
Es gehörten immer zwei dazu.
Castiel nickte sich selbst in der Spiegelung zu und setzte das Lächeln wieder auf seine Lippen, ehe er sich vorsichtig ein Glas Wein einschenkte.
Er war ein Tollpatsch und hatte Sorge, etwas von dem Wein auf dem weißen Tischtuch zu verschütten - einen Moment überlegte er tatsächlich, zur Spüle zu gehen, um es dort einzuschenken - aber er tat den Gedanken mit einem Augendrehen ab.
Er sollte sich endlich mal zusammenreißen und einfach aufpassen.
Und siehe da, er schaffte es tropfenfrei, auch das Glas für Alastair.
Er nahm einen (zu großen) Schluck und rollte noch einmal mit Schultern und Nacken, ehe er nochmals die Wohnung ablief.
Castiel wollte, dass heute alles perfekt war.
Er hatte guten, teuren Wein und gutes (hoffentlich!) leckeres Essen und er hoffte, Alastair wäre in der Stimmung für eine kleine Date-Night.
Sie gingen zwar selten aus, aber das hieß ja nicht, dass er keine Romanik schaffen konnte - und wie zur Bestätigung flackerte die lange Kerze auf dem Esstisch kurz in dem Halbdunkel; Castiel hatte keine Lampen angemacht sondern nur einzelne Lichtelemente und Kerzen, damit alles etwas intimer wirkte.
Er war wirklich zufrieden mit dem schummrigen Ambiente, dass er geschaffen hatte.
Alles war so perfekt, wie es sein konnte.
Castiel atmete nochmal tief durch, ehe sein Blick zur Uhr an der Wand glitt. Alastair müsste eigentlich jeden Mo-
Er lächelte, als er hörte, wie sich die Tür öffnete und schon mit beiden Weingläsern auf dem Weg in den Flur war.
“Hallo, Casti-”
Das Lächeln auf seinen Lippen war breit und strahlend, so wie Alastair es gerne sah, so wie Alastair es verdient hatte.
“Hallo, Alastair- hmp-!.” Er kniff einen Moment verdutzt die Augen zusammen, als ihn plötzlich das gleißende Flurlicht blendete.
“Was soll das, Castiel?!” Alastair's Stimme war kalt und missbilligend, sie stach auf seiner Haut wie Graupelregen, seine Augenbrauen waren tief über den frostgrauen Augen zusammengezogen; Etwas in Castiel klickte an einen Platz und er machte einen halben Schritt zurück, während er ein paar Mal blinzelte, um sich an das grelle Licht zu gewöhnen. “Willst du, dass ich mir den Hals breche, wenn ich hier ins Dunkle komme?!” Oh.
Castiel, langsam ans Licht gewöhnt, lächelte augenblicklich entschuldigend und schüttelte etwas hilflos den Kopf.
Das war wirklich - dumm gewesen.
Er hatte nicht nachgedacht mit seiner ganzen Fixierung auf den romantischen Abend.
Zwar war die Wohnung penibel aufgeräumt, aber Alistair hätte trotzdem stolpern können, da hatte er einfach Recht.
Castiels Innerstes zog sich schuldig zusammen und er senkte leicht den Blick.
“Tut mir Leid, wirklich. Daran hab ich gar nicht gedacht. Du hast Recht. Ich wollte nur-” Castiel stoppte sich in der unsinnigen und vor allem unnötigen Rechtfertigung und biss sich auf die Unterlippe, sein Blick huschte kurz nach hinten, wo hinter der Flurtür der gedeckte Tisch wartete.
“Ja, du hast wirklich nicht gedacht!” Der barsche Tadel in seiner Stimme schnappte an Castiels Gedanken und er zuckte schuldbewusst zusammen und sah augenblicklich wieder nach vorne.
Alastair’s Gesicht war immer noch übellaunig verzerrt, während er Schuhe und Jackett auszog. Er warf es auf die kleine Kommode und Castiel war einen Moment froh, dass dort nur ein kleine, gläserne Kugel leuchtete, die jetzt von dem Jackett bedeckt war, und keine Kerze. Alastair trat näher an Castiel, schlang einen Arm fest um seine Taille und presste ihn an sich, ehe er ihm einen groben, spürbar mürrischen Kuss aufdrückte.
Castiel lächelte wegen der Zuneigung in dem festen Griff und lehnte sich dagegen und hinein. Er wollte Alastair's Laune nicht noch mehr trüben, indem er sich jetzt anstellte. Dazu gab es auch keinen Grund.
Sein Lächeln wurde breiter, als Alastair’s raue Hand ihn danach im Nacken packte, an den Haaren zog und dadurch seinen Kopf nach oben bog, sodass er zu ihm aufsah. “Immerhin bist du hübsch, wenn schon nicht schlau. - Was soll der Wein?”
Etwas in Castiels Magen zog kalt an der Spitze, aber er versuchte sich auf das Kompliment zu konzentrieren.
Alastair hatte Recht, es war dumm gewesen, die Lichter auszumachen.
Immerhin schien er jetzt weniger schlecht gelaunt, wegen seinem Fauxpas mit dem Licht.
Castiel reichte ihm das Weinglas und lächelte schief.
“Ich dachte, wir könnten etwas feiern!”
Damit streckte er sich, um Alastair einen kleinen Kuss auf die Wange zu drücken.
Alastair zog skeptisch eine Augenbraue hoch und nahm das dargebotene Weinglas.
“Feiern? - Was feiern?” Castiel bekam keine Gänsehaut mehr von der kalten Tonlage, wie Eiskristalle in einem Windzug, aber sein Lächeln wurde automatisch eine Spur breiter.
Er zuckte als Antwort mit den Schultern, ließ seine nun freie Hand an Alastair’s Arm hinab gleiten und verschränkte die Finger miteinander.
“Uns.” Das Lächeln lag immer noch auf Castiels Lippen, während Alastair’s prüfender Blick über ihn glitt. “Ich hab gekocht”, er zog leicht an der Hand und nickte zur Tür, hinter der seine romantische Atmosphäre wartete. “Zugegeben ist es in der ganzen Wohnung aber nicht besonders hell. Ich kann das Licht an-”
“Ja, tu das.”
Castiel zuckte mit dem Kommando förmlich zurück, er unterdrückte den Impuls zu diskutieren, wandte sich um und klickte das Licht in der Wohnküche an, während er die Tür ganz öffnete.
Das Lächeln war unerschütterlich, als Alastair an ihm vorbei in den Raum ging, sich umsah und einen Schluck Wein nahm.
Castiel beobachtete mit einem freudigen Funkeln in den Augen, wie Alastair’s Hand nach dem Schluck kurz innehielt und das Glas betrachtete, wie er die Stirn runzelte und kurz zu ihm sah, dann zu der Weinflasche, die er zuvor so geschickt platziert hatte.
Während er zum Ofen ging sah er aus den Augenwinkeln, wie Alastair die Flasche nahm und das Etikett studierte. Ja!, er wusste doch, dass Alastair an dem teuren Wein gefallen finden würden.
Sie gönnten sich sowas immerhin nicht oft, Alastair verwaltete die Einnahmen aus Castiels Laden, er hatte ein besseres Händchen dafür. Daher hatte er meist nur eingeschränkte Mittel zur Verfügung um einzukaufen: Deshalb hatte er das Geld für heute Abend ja auch heimlich Beiseite geschafft, als Überraschung.
Castiel warf Alastair einen wissenden, fröhlichen Blick zu, ehe er sich bückte, um den Ofen zu öffnen und die Auflaufform hervor zu holen.
Hitze und das reiche Aroma von geschmortem Fleisch und Gemüse flutete in warmen Wellen durch die Wohnung.
“Überraschung!”, brach es über Castiels grinsende Lippen und er kippte die Form leicht, sodass Alastair einen Blick auf das dunkle, zischende Karree erhaschen konnte, aber ohne das er etwas des Bratensuds verschüttete.
Der Abend war nicht perfekt.
Castiel hätte geschluckt, wenn sein Hals nicht mit einem mal schmerzhaft trocken geworden wäre, als sein fröhlicher Blick Alastair’s kalt lodernden Augen und den strengen Gesichtszügen begegnete.
“Castiel.”
Er stellte die Auflaufform behutsam aber zügig auf die Herdplatte und zog sein Lächeln etwas breiter und die Ofenhandschuhe von seinen Händen.
Was war falsch?
Seine Augen huschten trainiert durch den Raum, über den Tisch, über Alastair, über jedes Detail, aber er konnte den springenden Punkt nicht ausmachen.
“Was ist los, Alastair?” Er hielt noch das Weinglas. Der Wein. Lag es am Wein? “Schmeckt- Schmeckt dir der Wein nicht? - Du weißt ja”, er lachte locker auf, “ich- ich hab keine Ahnung von sowas.” Castiel hatte wie auf Autopilot die Küchenzeile verlassen und stand etwas von Alastair entfernt neben dem Tresen mit der Weinflasche, der Küche und Wohnesszimmer verband und trennte. “Entschuldige, wenn es der-”
“Ich kenne diese Sorte, Castiel.” Castiels Mund klappte automatisch zu, als die Wucht eines Gletschers mit Alastair’s Stimme gegen ihn drückte. “Sie kostet fast fünfzig Dollar.” Er deutete mit der Flasche zum Herd und Castiel zwängte ein trockenes Schlucken seinen Hals hinab.
Er hatte einen Fehler gemacht.
“Und das Lammkarree? Hältst du mich für dumm?”
“Was? - Nein, nein, natürlich nicht, Alastair, es tut mir Lei-.”
Mit wenigen Schritten war er direkt vor Castiel, groß und kalt und wütend.
Castiel stand mit dem Rücken zum Tresen.
Er hatte einen Fehler gemacht.
“Woher hast du das Geld, Castiel?”
“Ich-, ich wollte nur- Und-”
“Woher?!”
Castiel schnappte einen Mund voll Luft, als er durch das Eiskrachen zusammen zuckte; Er kämpfte sie in seine Lungen, ehe ein schwaches Lächeln auf seinen Lippen erschien und er den Kopf hob, um seinen Freund, seinen Partner, den Mann, den er liebte, anzusehen.
“Ich hab es zur Seite gelegt. Aus der Kasse. Ich wollte-”
Die plötzliche Hand um seinen Hals drückte nicht, würgte ihn nicht, Alastair würde ihn niemals würgen, und schmerzte nur, wo sich Alastair’s Finger gegen die prominente Sehne presste. Aber es reichte, damit Castiels Atem in seiner Kehle gefror.
“Haben wir jetzt Geheimnisse voreinander, Castiel?!”
Castiel schüttelte zu schnell und zu heftig den Kopf, ihm wurde fast schwindlig.
Er konnte seinen Puls an Alastair’s Daumen spüren, ein heftiges, hektisches Pochen, das genauso versuchte Alastair zu beruhigen, wie er.
“Nein, Alastair, nein, natürlich nicht.” Das Lächeln auf seinen Mund wackelte gefährlich. “Ich wollte dich nur überraschen, dir-dir eine Freude machen. Es sollte eine Überraschung sein. Ich hab keine Geheimnisse, gar keine. Warum sollte ich? Ich liebe dich, Alastair, ich liebe dich- Es tut mir Leid. Bitte, ich liebe dich.” Die Worte kamen zu schnell hintereinander und seine Hände griffen zu fest in Alastair's Hemd, um ihn zu erden, um es ihm zu verdeutlichen, sollten seine Worte nicht ausreichen.
Alastair war nah, presste ihn mehr gegen den Tresen, sodass sich sein Rücken bog und die Kante unangenehm gegen seine Wirbelsäule drückte. “Ich wollte nur- Ich dachte, wir- Nach diesem Streit-” Castiel stammelte und japste einen Mundvoll Luft hinunter, um sich davon abzuhalten. “Ich dachte, jetzt, wo das Veilchen verheilt ist-”
“Gibst du mir dafür etwa immer noch die Schuld?! Nur weil du nicht aufpassen kannst, wo du hin läufst?”
“Nein, Alastair, nein, es tut mir Leid, nein, das meinte ich nicht- Ich liebe dich. Es tut mir Leid. Es tut mir-”
Castiel röchelte überrascht, als Alastair ihn mit der Hand um seinen Hals zur Seite schubste, stolperte etwas, schaffte es aber, sich zu fangen, bevor er gegen die Wand wankte.
Augenblicklich richtete er sich auf und wandte sich Alastair zu.
“Fantastisch, Castiel.” Er machte eine ausladende Geste und Castiels Augen huschten zu den beiden ausgestreckten Händen. “Vielen Dank für das Ruinieren eines wirklich schönen Abends. Ich hatte mich heute auf dich gefreut, weißt du das?”
“E-Es…”
Alastair trank in einem Zug sein Weinglas leer und knallte es auf den Tresen. Castiel schaffte es gerade noch, nicht zusammen zu zucken.
“Warte nicht auf mich.”
“Es tut mir…”
Castiel stand immer noch an demselben Fleck, zwischen Küche und Wand, als Alastair sich umdrehte. Er stand dort, als er hörte, wie Alastair die Tür öffnete, sie hinter sich zu knallte und als einen Augenblick später ein gläsernes Klirren das Ableben der Glaskugel auf dem Flurschränkchen verkündete.
Geschrieben von: June - 17.05.2021, 08:06 - Forum: The Others
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Kapitel 3
I just wanted to protect you but now I'll never get to
“Dean, es ist mir vollkommen egal, wohin du dafür fahren musst! Aber Gilads Lieblingssüßigkeiten sind nunmal diese veganen Bio-Kekse, also besorg sie”
Dean hob ergeben die Hand, die nicht gerade das Telefon an sein Ohr hielt und stieg aus dem Impala.
“Ist ja gut, ist ja gut! - Ich bin gerade beim dritten Laden angekommen. Die haben sie bestimmt. Und wenn nicht, dann fahre ich zu diesem Bio-Supermarkt, den du mir geschickt hast.”
Einen Moment herrschte Stille auf der anderen Seite der Leitung.
“Das ist doch nicht verrückt, oder? Ich meine, sie wird nicht denken, ich - keine Ahnung - bin so ein irrer Stalker, weil ich dich durch die halbe Stadt schicke für die Kekse, oder? O-M-G, Dean, du darfst ihr das niemals erzählen!”
Dean lachte, klemmte das Handy zwischen Schulter und Ohr und zog einen der Einkaufskörbe aus seinem Ständer: “Nein, es ist nicht irre, du bist aufmerksam. Und du sagst selbst, dass sie unglaublich ist, also hat sie das wohl auch verdient. Und ich werde es erzählen! Aber frühestens bei eurem fünften Date, wenn ich schon seit einer Woche nicht schlafen kann, weil ihr es treibt wie die Karnickel.”
“Ach, pf! Als würde wir es treiben wie die Karnickel, wir sind zivilisierte, wunderschöne Ladies, wir treiben es wie die Priesterinnen der Venus.”
“Mhm, Roleplay, ich freue mich auf Einzelheiten. Mit Roben? Also - zu Anfang?”
“Perversling. Hol die blöden Kekse.”
“Ja, meine Hohepriesterin!”
Dean lachte, als die Verbindung kommentarlos beendet wurde und schob das Handy in die Hosentasche, während er aufmerksam durch die Regale des Supermarkts schritt.
Es war ein kleiner Laden, der allerdings eine Vielzahl an fair-trade- und Bio-Produkten besaß und nicht allzu weit von ihrer Wohnung entfernt war. Die Chancen standen also gut, zumindest hoffte Dean das. Er hatte eigentlich keine Lust zu dem Bio-Supermarkt zu fahren.
Aber Charlie schwärmte schon seit Wochen von niemand anderem mehr als von der wunderschönen, mysteriösen Gilda und jetzt hatte sie sie endlich um ein Date geladen.
Nichts besonderes, ein Videoabend mit Klassikern, weil Gilda ein paar Größen der Popkultur noch nicht kannte, aber Charlie war schon den ganzen Samstag damit beschäftigt, alles zu perfektionieren.
Um aus ihrer Schusslinie zu kommen, hatte er angeboten, einkaufen zu gehen. Er hätte nur nicht erwartet, dass es so ausarten würde.
Aber - Charlie war es wichtig, als würde er es auch ohne Murren erledigen.
Dean schlenderte durch die Regale. Im Prinzip hatte er schon alles was er laut Charlies Liste brauchte (außer die Kekse), aber hier und da erregte eine Produktverpackung seine Aufmerksamkeit und noch bevor er bei den Keksen war, lagen bereits ein paar exotisch klingende Schokoriegel, ein paar Konserven und noch ein paar andere Dinge, die er einfach wieder auffüllen würde, ob sie sie jetzt brauchten oder nicht, in seinem Korb.
Dean murmelte ein Gott sei Dank, als er die gewünschte Keksmarke im Regal sah und lud gleich zwei Packungen pro Geschmacksrichtung in den Einkaufskorb.
Er hatte zwar keine Ahnung, wie vegane Kekse schmecken würden, aber er hoffte inständig, dass sie immer noch lecker wären - und Kekse zu Hause zu haben schadete nie.
Auf dem Weg zur Kasse hatte ihn eine Packung Bio-Cherry-Pie aus dem Kühlregal angeschielt und er war Mitten im Weg stehen geblieben, um die Verpackung zu studieren.
“Entschuldigen Sie bitte?”
Die grabestiefe Stimme sendete einen Stromschlag von oben nach unten durch seine gesamte Wirbelsäule, hinunter in seine Knie, die auf einmal weich und verwirrt waren unter seinem Gewicht, der plötzlichen Hitze in seinen Wangen und dem Schock, der durch seinen Körper vibrierte.
Dean zuckte heftig zusammen, so stark, dass eine instabil gestapelte Packung Kekse aus seinem zu vollem Einkaufskorb fiel und auf dem Boden landete.
Das konnte doch nicht sein!
“Oh, verzeihen Sie.” Die dunkle Stimme umspülte ihn wie Meerwasser einen Felsen und riss ihn und seine Gedanken vollkommen von den Füßen. Er hatte das Gefühl, er würde in der Schallwelle schwanken.
Es war eine Woche her, dass er mit Steve gesprochen hatte.
Das konnte doch nicht-!
Als er sich ruckartig umdrehte, hatte sich Steve bereits gebückt, um seine verloren gegangene Kekspackung aufzuheben und Dean blickte hinab auf einen zerzausten, dunklen Haarschopf.
Deans Mund war auf einmal trocken, als er auf den Mann vor sich hinab starrte und er schluckte schwer.
Verdammt nochmal, das war Steve. Da gab es doch keinen Zweifel. Oder? Oder?!
Diese Stimme hatte ihn fast jede Nacht gejagt, er hatte sich die verdammte Aufzeichnung des Anrufs angehört - mehrfach, er hatte zu der Vorstellung dieser Stimme-
Seine Wangen pochten unangenehm heiß.
Er würde diese Stimme unter hunderten wiedererkennen, allein daran, wie sie eine Gänsehaut seinen Nacken hinab schickte.
Steve richtete sich auf, den Blick auf die Kekspackung gerichtet; Als er hoch sah und Deans Blick begegnete, lächelte er leicht - und Dean war sich mit einem Mal sicher, dass es wirklich Steve war und das heiße Pochen in seinem Gesicht und seiner Brust wurde weggespült von der eiskalten Erkenntnis:
Er lächelte, höflich und freundlich, nur ein leichtes nach oben Ziehen der Mundwinkel voller Einzelhandel-Professionalität, seine Augen waren genauso unnatürlich blau, wie seine Stimme tief war, seine Gesichtszüge waren definiert und an den richtigen Stellen hart - und um seine linke Gesichtshälfte und sein Auge rankte sich ein schillerndes, buntes Veilchen.
Um Auge und Augenhöhle herum war es fast dunkellila und wurde nach Außen hin schwächer, blau, grün, an den Rändern war es bereits gelblich.
Dean hatte sich oft genug geprügelt und oft genug mit so etwas zu tun gehabt, um sich ziemlich sicher sein zu können, dass das Veilchen auf jeden Fall ein paar Tage alt war.
Ein Stein sank in Dean Magengrube, der eine Welle des Unwohlseins zu seiner Zunge schickte, er schluckte.
Steve hielt ihm, immer noch mit dem leichten Lächeln, die Packung Kekse entgegen, die er für ihn aufgehoben hatte.
“Hier, bitteschön. Das ist eine gute Wahl, die sind wirklich lecker. - Der Pie übrigens auch. Wenn Sie allerdings nach einer veganen Alternative dafür suchen, empfehle ich Ihnen die veganen Käsekuchen-Tarts.”
Dean wusste, er sollte reagieren, etwas sagen - die Kekse nehmen - irgendwas! Aber gerade war er nur dazu in der Lage den Mann vor sich fassungslos anzustarren, vollkommen gefroren in der Absurdität dieser Situation;
In dem heißen, peinlichen Pochen in seinem Bauch, das an den Erinnerungen vergangener Nächte zog, in denen er schamlos genau diese Stimme für seine Fantasien missbraucht hatte, mit jedem freundlich-neutralen Wort, das Steve sagte; In der eiskalten, Realität seiner Vermutung, die in Form des Hämatoms als Horror in Steves Gesicht geschrieben stand und ihn sich übel und hilflos fühlen ließ, auch wenn er keinerlei Recht dazu hatte, denn es war nicht sein Schmerz; In der Unwahrscheinlichkeit aller Fäden, die hier zusammen liefen und sich so merkwürdig verknoteten, dass er bereits Charlies Verschwörungstheorien darüber hören konnte.
Das war-!
Steve änderte etwas unsicher das Standbein und verlagerte das Gewicht von einem großen Kanister, den er im Arm trug.
Deans Augen huschten kurz zu der Bewegung, dann wie von selbst über seinen Körper: Er war etwas kleiner als Dean und etwa gleich alt, vielleicht ein bisschen älter, lange Beine, schmale Hüften, die Ahnung von Muskeln unter dem weißen Hemdstoff seiner Arme, ein schlankerHals und pinke Lippen.
Der Anblick, und die Erinnerung an den dunklen Wirbel seiner Stimme, bracht Dean dazu, hart zu schlucken, um seinen übertrieben wässrigen Mund in den Griff zu bekommen. Was ist denn los mit dir, Winchester?!
Es dauerte noch einen Augenblick, bis er zusätzlich die blaue Weste bemerkte, die Steve trug.
Er arbeitete hier.
Dean schluckte erneut, diesmal mehr um sich zu sammeln.
Er arbeitete hier.
“Ich- wollte Sie nicht erschrecken, verzeihen Sie bitte.” Steves Gesichtsausdruck wurde entschuldigend, blieb aber weiterhin freundlich und jedes einzelne Wort, das über seine Lippen kam setzte tiefe, dunkle Stromschläge in Deans Kopf und Körper frei.
Sie rissen an ihm, zerrten ihn zwischen zwei Seiten in seinem Kopf umher, der Realität, Steve, hier, vor ihm!, und der Fantasie, die befeuert wurde von unglaublich klaren, blauen Augen, die die dunkle Tiefe seiner Stimme irgendwie sogar noch unterstrichen.
Dean hatte immer noch nicht aufgehört ihn anzustarren und Steve kniff leicht die Augen zusammen, analytisch, während er den Kopf zur Seite legte. Er hielt ihm immer noch die Kekse entgegen.
“Könnten Sie vielleicht- Ich muss…” Steve korrigierte seinen Griff um den Kanister und bedeutete Dean, dass er vorbei musste, weil er weitermachen musste.
Deans Kopf drehte sich in sich um sich selbst, um die Eindrücke, die Hitze in den Wangen, die kalte Übelkeit in seinem Magen, die Absurdität seiner eigenen Gedanken, der vollständigen Verblüffung, dem Schock, der ganzen Situation.
Er holte Luft, etwas zu sagen, irgendwie zu reagieren, aber all das war wie eine große, harte Blase in seiner Kehle, um die er nicht herum kam - und das reichte jetzt, verdammt noch mal!
Dean klappte mit einem Mal den Mund wieder zu, schob sein Gedankenknäuel grob aus seinem Fokus und sah Steve direkt an, wirklich an.
Nicht die fehlgeleitete Sexvorstellung, von der der Arme nicht mal etwas wusste, sondern den Mann, den attraktiven Mann, mit dem professionellen Lächeln, dessen Winkel so viel mehr Wärme versprachen, als er jetzt zeigte, der Mann, der ihn angerufen hatte, in einem Moment tiefer Angst und grauenvoller Panik, der Mann, der Schmerzen erlitten hatte, erleiden musste, genau in diesem Moment, wo er seine Augen leicht zusammenkniff, um Dean zu mustern.
Der Mann, der seine Hilfe gebraucht hatte. Der Mann, dem er die Hilfe jetzt zuteil werden lassen konnte, denn jetzt war er hier!
Nicht weißgott wie weit entfernt am anderen Ende eines Telefons sondern direkt hier vor ihm.
Er könnte ihm helfen. - Er würde ihm helfen!
Steve räusperte sich und man konnte förmlich dabei zusehen, wie er sich seiner Selbst und seinem Aussehen überaus gewahr wurde. Er verlagerte sein Gewicht auf das andere Bein, spannte die Schultern an, senkte etwas den Kopf und drehte ihn leicht nach links, als würde das den Blick von dem schillernden Hämatom ablenken.
“Sir, - Ich-”
Dean zuckte mit einmal aus seiner Trance: “Steve!”
Es brach geradezu aus ihm heraus und diesmal war es an Steve, erschrocken zusammen zu zucken.
Er starrte Dean einen langen Moment perplex an, ehe seine Augen sich erschrocken weiteten.
“Dean!” Er presste es förmlich über seine Lippen, fast lautlos, aber Dean hatte es dennoch gehört, den dunklen Schall wahrgenommen, der durch seine Knochen vibrierte, sich in seinem Inneren an seinem Magen verfing und ihn nach unten in die Tiefe riss.
Die Art, wie er seinen Namen über die Lippen presste klang vollkommen anders, als er es sich in der Dunkelheit seines Schlafzimmers oder unter der Dusche vorgestellt hatte, aber es klang - besser.
Ein Schauer walzte über Deans Rücken und wehrte sich dagegen, sich dazu verleiten zu lassen, einen Moment die Augen zu schließen.
Dass seine Zunge ohne sein Zutun über seine Unterlippe fuhr - man konnte nicht jeden Kampf gewinnen.
Aber Dean drückte das erneut weg, weit weg, tiefer in die dunkelsten Ecken in seinem Kopf, dort wo es hingehörte und nicht mehr stören konnte und konzentrierte sich auf seinen eigentlichen Fokus:
Steve.
Der sich just in diesem Moment umwandte, als müsste er prüfen, ob jemand hinter ihm stand.
Deans Augenbrauen zogen sich besorgt zusammen, aber trotz der unwillkürlichen Sorge, die diese Geste in Dean auslöste, hüpfte etwas in ihm, leise und irgendwie fröhlich, das sich sofort danach wohlig zusammenzog:
Es war unwichtig und lächerlich, nicht von Belang, und irrelevant aber dennoch ploppte der Gedanke in Deans Kopf auf:
Steve hatte sich tatsächlich seinen Namen gemerkt.
Dean ließ den Gedanken einen kurzen Moment verweilen, ehe er ihn zur Seite scheuchte und in die Professionalität schlüpfte, die Steve verdiente: Seine Lippen zogen sich in ein schiefes Lächeln, das aufbauend und beruhigend wirken sollte, wie er es bereits hunderte Male am Telefon getan hatte, auch seine Körperhaltung änderte sich, wurde deutlich entspannt und deeskalierend, freundlich und offen.
Allerdings hatte er nicht das Gefühl, dass es funktionierte. Nicht, wenn er Steve dabei zusah, wie er nochmal hinter sich blickte und dann hinter Dean, während er einen Schritt zur Seite, näher ans Regal, machte, als könnte ihn das besser verstecken.
Die kalte Übelkeit aus Deans Magen wellte wieder hoch bis in seinen Mund und er kämpfte es hinunter, sein Lächeln immer noch auf den Lippen. Am Telefon war das leichter.
Als Steve sich sicher genug war, dass niemand mit ihnen im Gang war, beugte er sich leicht zu ihm.
“Was machen Sie hier? Wie haben Sie-?! Ich habe aufge-” Steve presste die Lippen dünn zusammen und Dean konnte sehen, wie sein Adamsapfel bei einem harten Schlucken auf- und abhüpfte. “Ich hatte mich nur verwählt.”
Dean wusste nicht, wie es möglich war, aber Steves Stimme klang in der Realität, ungefiltert durch Headsets und Mikrofone, noch dunkler, grollender und tiefer. Es war - ablenkend, wie weit die sonoren Wellen in ihn zu dringen schienen und-
Er schluckte, um bei der Sache zu bleiben und fuhr sich einmal unbewusst mit der Zunge über die trockenen Lippen.
Er schob die Gedanken mit Nachdruck zurück in ihre Ecke, aber die Spitzen von Steves Stimme schienen genau zu wissen, wo sie sie fanden.
Dean zog den Mantel der Professionalität etwas näher um sich, machte selbst einen Schritt zur Seite, sodass Steve immerhin hinter ihm nicht zu erspähen wäre. Er wollte ihm ein Gefühl der Sicherheit vermitteln, er war auf seiner Seite.
Dean schüttelte beruhigend den Kopf und beugte sich ebenfalls etwas näher zu Steve, der leicht zu ihm aufsehen musste.
Etwas in ihm hüpfte wieder, bei der so vertraut wirkenden Geste, während etwas anderes sich in seinem Magen wandte wie ein Knäuel Würmer, weil es fast schon zu intim war, wie nah sie sich waren - und vor allem unpassend.
Einen kurzen Moment blieb Deans Blick an seinen Lippen hängen, die sich gegeneinander kneteten, ehe er ihm direkt in die kristallklaren, meerblauen Augen sah.
(Wow!)
“Ich bin nicht deshalb hier, Steve, ich- Ich bin nur durch Zufall hier.” Er hatte die Stimme gesenkt, auf denselben Level wie Steve, und hob den Pie, den er immer noch in der Hand hatte, leicht an. “Wirklich!”
Wenn Steve dachte, er würde ihn stalken, könnte das seinen Job kosten. Das wollte er wirklich nicht riskieren.
Außerdem war es wirklich Zufall gewesen, Danke, Glida!
Dean wartete einen starren, spannungsgeladenen Moment, in dem Steve auf den Pie blickte und dann auf seinen Einkaufskorb und die Kekse, die er immer noch in der Hand hatte, ehe er nickte und sich seine Schultern kaum merklich entspannten.
Auch Deans Körperhaltung wurde etwas lockerer und er lächelte den Mann aufbauend an.
Das hier war Steve.
Der Gedanke schien heißer durch seinen Kopf zu glühen, als er eine Rechtfertigung hatte, aber erst jetzt schien ihn die Realität der Erkenntnis vollkommen zu treffen:
Das hier war wirklich Steve! Sein Steve!
Er hatte ihn nicht gesucht (auch wenn es ihn in der letzten Woche in den Fingern gejuckt hatte), aber er hatte ihn trotzdem gefunden!
Er hatte ihn gefunden und sah aus nächster Nähe, buchstäblich, warum Steve den Notruf gewählt hatte.
Er hatte ihn gefunden! Das war in etwa so unwahrscheinlich, wie die Tatsache, dass Steve jedes Mal bei ihm raus gekommen war, als er angerufen hatte.
Er durfte diese Chance nicht verstreichen lassen, er durft- Er konnte ihn doch nicht einfach so hier stehen lassen, ihn zurückgehen lassen, zu wem auch immer, der ihn so verletzt hatte. Zurück in die feuchten Ränder an seiner Stimme und das unterdrückte Schluchzen in den Worten.
Er musste-
Dean stolperte fast über seine eigene Zunge, als er geradezu hektisch anfing zu sprechen, bevor Steve sich mit seiner Last vielleicht doch noch an ihm vorbei quetschen würde.
“Aber, Steve, hör zu.” Er stoppte und knete seine Lippen aufeinander, weil er nicht einmal wusste, was er sagen sollte. Jetzt wo ich schon mal hier bin?! Bullshit!
Er musste- Er musste etwas sagen, das Steve aufweckte! Etwas, das ihm klar machte, dass zurückgehen keine Option war. Hier, jetzt, direkt vor dem Kühlregal!
Steve blickte sich wieder um, sein Körper wirkte unnatürlich steif, wie er seinen Nacken immer wieder nach hinten bog, schien ihm aber dennoch zuzuhören, auch wenn Dean nicht wusste, was er sagen sollte.
Aber zumindest huschten seine Augen immer wieder fast auffordernd zu Dean zurück.
Er wartete darauf, etwas von ihm zu hören. Er wartete auf die Worte, die ihn aus dem schrecklichen Trott reißen würden, der ihn dazu brachte, sich ständig umzudrehen.
Er hörte ihm zu! Verdammt, er musste etwas daraus machen, er musste-
“Man verwählt sich nicht an einem Tag viermal zum Notruf!”
Die Worte waren aus ihm heraus gesprudelt, bevor er noch einmal darüber nachdenken konnte.
Steves Umherblicken hörte ruckartig auf und er gefror einen Moment in der Position, den Kanister fest an sich gepresst, den Kopf nach hinten gedreht, die Hände starr um den Metallkorpus verkrampft. Dann drehte er fast unendlich langsam den Kopf zu Dean und starrte ihm ohne zu Blinzeln beunruhigend lange direkt in die Augen.
Dean konnte nicht mal im Ansatz erahnen, was gerade in seinem Kopf vor sich ging. Steves Gesicht war eine sortierte, emotionslose Maske, die Perfektion von Neutralität, und Dean hatte plötzlich den Impuls, einen Schritt zurück zu weichen, aber er schaffte es, nur trocken zu schlucken.
“Hören Sie, Mr-” Steve benetzte einmal kurz seine Lippen mit der Zunge, scheinbar als ihm klar wurde, dass er Deans Nachnamen nicht kannte, und räusperte sich streng. Deans Augen folgten der kurzen Bewegung und er presste die eigenen Lippen aufeinander.
Man könnte sich in der angespannten Luft zwischen ihnen die Nase brechen, wenn man dagegen lief.
Dean hatte das Gefühl, Steves Stimme war noch ein paar Nuancen weiter nach unten gesunken, tiefer in die Höhlen des Ozeans, aus der sie kam und sie hatte etwas Bedrohliches geweckt, nicht nur einen dunklen Klang, sondern ein dunkles Gefühl, mit nach oben gebracht, das auf dem Schall mit schwamm. “Hören Sie, Dean, ich weiß nicht, was Sie versuchen, hier zu implizieren, aber-”
“Mr Novak?”
“Ja?!”
Deans Muskeln waren bis zum Zerreißen gespannt gewesen, als jedes baritone Wort aus Steves Mund in seine Ohren und um seinen Körper geflossen war, auf alles gefasst und trotzdem hilflos abwartend, wie sich Steve weiter vor einer Wahrheit drückte, die ihm regelrecht ins Gesicht geschrieben stand.
Aber als das junge, dunkelhaarige Mädchen, ums Eck kam, hätte er beinah losgeprustet: Wenn Steve sich erschrak wurde seine Stimme so hoch, dass sie fast normal klang und wie er leicht auf der Stelle hüpfte war geradezu liebenswert mit anzusehen. Professionell liebenswert, versteht sich.
Auch wenn sich Dean einen Moment später dafür schalt, die Schreckhaftigkeit lustig zu finden, immerhin konnte er eins und eins zusammenzählen und mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ahnen, woher es kam.
Aber trotzdem war die gepresste Luft aus der Situation entwichen und er konnte wieder einen tiefen Atemzug nehmen, ehe er an Steve vorbei blickte, um das Mädchen kurz zu mustern.
Sie trug auch so eine blaue Weste, stand immer noch am Ende des Ganges und musterte Dean und Steve leicht verunsichert.
Steve warf Dean einen mahnenden Blick zu und räusperte sich, um seine Schreck-erschütterte Stimme zu sortieren.
“Was ist denn, Kaia?” Die Grabestiefe war in Steves Stimme zurückgekehrt und das schien Kaia etwas zu beruhigen, zumindest entspannte sie sich sichtlich.
Sie deutete zum Ausgang des Ladens.
“Ich - uhm - würde gerne Pause machen. Können Sie die Kasse übernehmen?”
Dean bemerkte wie Steves Augen kurz zu ihm flackerten, ehe er nickte.
“Natürlich, Kaia, hab eine schöne Pause.”
Kaia nickte, lächelte Dean an, der es freundlich erwiderte, und verschwand. Kurz darauf erklang das Klimpern der Glocke am Eingang.
Dean richtete seine Aufmerksamkeit sofort wieder zurück zu Steve.
“Steve, hör zu, das-”
“Entschuldigen Sie mich bitte, ich muss an die Kasse.” Steve nickte ihm einmal kurz zu, legte die Kekspackung zurück in Deans Korb, drehte sich auf dem Absatz um und verschwand aus dem Regal.
Dean blieb wie vom Donner gerührt stehen und brauchte ein oder zwei Herzschläge, um aus seiner Starre zu springen.
“Steve!” Er setzte dem Mann hinterher und folgte ihm zur Kasse. “Steve, bitte, hör-”
“Hören Sie auf, mich so zu nennen!” Steve zischte die Worte regelrecht, während er den Kanister hart auf dem Tresen aufsetzte und Dean klappte seinen Mund augenblicklich zu.
Steves Augen huschten einige Male durch den Laden, zu Dean, zur Tür und wieder von vorne, ehe er mühsam einen tiefen Atemzug zu Stande brachte.
“Entschuldigen Sie bitte, das war nicht in Ordnung. Es tut mir Leid.” Er räusperte sich und Dean könnte schwören, seine Stimme war noch eine Nuance tiefer gerutscht.
Wie machte er das?!
Dean würde nicht zugeben, dass er etwas kämpfen musste, um das aufheiternde Lächeln zurück auf sein Gesicht zu zwingen, aber er schaffte es.
“Kein Problem, St-” Er unterbrach sich und lachte leise, während er in einer wissenden Geste die Augenbrauen hochzog und über seine eigene unsinnige Gewöhnung nickte. “Entschuldigung, ich bin nur schon so daran gewöhnt.” Seine Augen glitten wie von selbst zu Steves Brust, in etwa da, wo er ein Namensschild vermuten würde. “Du könntest mir einfach deinen richtigen Namen sagen? Wenn dir das besser gefällt?”
Sobald Steve die Bewegung wahrnahm, machte er einen leichten Schritt zur Seite, sodass er halb hinter dem Kanister stand, der vorhin schon den Blick auf das Schild verdeckt hatte und es jetzt wieder tat, und benetzte sich unsicher die Lippen.
“Schon in Ordnung. Ich- Steve ist okay, das ist in Ordnung. Ich hätte Sie nicht-” Er brach wieder ab, nickte einmal und als er den Kopf wieder hob, war das leicht distanzierte aber freundliche Verkäufer-Lächeln in seine Lippen zurückgekehrt.
“Soll ich Ihre Einkäufe drüber ziehen?”
Deans Kopf sackte in einem besiegten Nicken leicht nach unten, aber er erwiderte das Lächeln, auch wenn seines deutlich wärmer und weniger distanziert war.
“Klar, gerne.”
Dean stellte den Korb auf den kleinen Tresen, reichte Cas den Pie, bejahte die Frage nach einer Tüte und beobachtete Steve dabei, wie er koordiniert die Produkte aus dem Korb holte, über den Scanner zog und in die Papiertüte ordnete.
Währenddessen kaute Dean nachdenklich auf seiner Unterlippe.
Das war nicht ideal gelaufen.
Aber er musste etwas tun. Das- nicht dass er daran glauben würde, aber er wusste Charlie würde es ihm genau so sagen:
Das Universum schrie ihn geradezu an! Er sollte zuhören und etwas tun!
Nicht nur, das Steve jedes Mal bei ihm raus gekommen war, wenn er den Notruf gewählt hatte. Nein, Dean schaffte es auch noch aus Versehen genau in den Laden zu spazieren, indem der dunkle Bariton arbeiten würde.
Zur Krönung war es ja auch noch nicht ablenkend genug, jeden Moment, den er hier war, dieser unglaublichen Stimme ausgesetzt zu sein. Nein, er hatte auch visuelles Material geliefert bekommen, ganz zu schweigen von einer mehr als vagen Vorstellung, warum Steve den Notruf angerufen hatte.
Er glaubte wirklich nicht daran, aber- Das Universum rüttelte quasi an seinen Schultern und schubste ihn zu Steve.
Er sollte etwas tun, er musste etwas tun.
Er musste mehr tun!
Das Problem war vermutlich nur, dass er kein Ersthelfer war, keiner, der vor Ort war. Er konnte Menschen mit seiner Stimme beruhigen, ihnen aus der Ferne Anweisungen und Ratschläge geben.
Aber hier - von Angesicht zu Angesicht - fühlte er sich fast etwas verloren.
Wie sollte er es schaffen, Steve zu überzeugen? Von was überzeugen überhaupt? Wen-Auch-Immer zu verlassen? Oder beim nächsten Mal nicht aufzulegen?!
Nun, zu irgendwas anderem auf jeden Fall.
Auch wenn sein erster Versuch nicht gerade gut funktioniert hatte.
Dean räusperte sich und blickte sich an dem Tresen um, als könnte er dort eine Antwort finden, oder wenigstens Zeit, die er schinden konnte.
Er zog ein paar Packungen Beef-Jerky aus einem Ständer und ließ sie nach kurzem Sondieren ebenfalls in den Korb gleiten. Dann noch einen Schokoriegel, als hätten sie mittlerweile nicht genug zu Hause, dann noch Kaugummis, einen Schlüsselanhänger.
Er räusperte sich wieder und verzog die Lippen zu einer Grimasse, während er Steves Seelenruhe beeindruckt verfolgte.
Die neutrale Maske saß wieder auf seinem Gesicht, machte ihn unleserlich und undurchschaubar, während das unverbindliche Lächeln eisern auf seinen Lippen ausharrte.
“Das - uhm - ist ein ganz schönes Veilchen. Muss - eh - weh tun”, sprudelte es dann auf einmal aus Dean heraus und am liebsten hätte er sich gegen die Stirn geschlagen. Ja, Winchester, das half bestimmt.
“Nein, schon in Ordnung.” Steves Stimme war immer noch tiefer als ein Abgrund und so tönend, dass Dean einen Schauer hinunter kämpfen musste, auch wenn der neutrale, emotionslose Tonfall, mit dem er antwortete beinahe gruselig war.
Dean zog die Unterlippen zwischen die Zähne und nickte mehrfach.
“Wie ist das denn passiert?”
Steves ozeanische Augen huschten einen Augenblick von den Produkten nach oben zu Dean, ehe er wieder runter sah.
“Ich bin gegen eine Tür gelaufen.”
Dean zog quietschend die Luft zwischen Unterlippe und Zähnen ein und nickte.
“Ja, kenn ich, ist mir auch schon passiert. Wobei die Tür zugegeben dann nie an die Tür gehämmert-”
Dean wusste in einem Wimpernschlag, dass er zu weit gegangen war:
Hätte Steve weniger Selbstbeherrschung gehabt, hätte er das Beef-Jerky wohl auf den Tresen geknallt, aber so setzte er es nur mit Nachdruck ab.
Seine Augen, diese unglaublich klaren, blauen, tiefen Augen, zuckten nicht mal, blinzelten nicht, bewegten sich nicht, als er ihn unumwunden anstarrte, nein, niederstarrte.
“Ich weiß nicht, was Sie versuchen, hier anzudeuten, Dean, oder was Sie denken, aber- Aber ich habe mich nur verwählt. Nichts weiter. Ich war - leicht orientierungslos, nachdem ich gegen die Tür gelaufen war.”
Steve war ein ausgezeichneter Lügner, das wurde Dean in diesem Moment klar. Er war die Ruhe selbst, seine Mimik, seine Augen, seine unglaublich tiefe, sonore Stimme, alles ein perfektes Abbild einer ruhigen See.
Hätte Dean ihn nur am Telefon gehört, hätte er es vielleicht sogar fast geglaubt.
Aber als Steves Augen, kaum, dass er den Satz geendet hatte, erneut kontrollierend durch den Laden huschten, ehe sie fast schamerfüllt zurück auf die Produkte fielen, verknotete sich etwas in Deans Brust und eine erneute, kalte Welle der Übelkeit bedeckte seine Zunge. .
Es war praktisch, wenn man gut lügen konnte. Aber wenn man so gut darin war, dass man sich selbst fast überzeugen konnte; Da begannen dann die Probleme.
Dean nahm einen tiefen, fast enttäuschten Atemzug, aber ihm war klar geworden, dass er Steve hier an Ort und Stelle nicht missionieren konnte.
Aber- Aufgeben konnte er doch auch nicht. Er konnte- Er konnte Steve doch nicht alleine lassen.
Dean unterdrückte ein resigniertes Seufzen und nickte stattdessen mehrfach.
Er würde ihn nicht alleine lassen!
“Okay, klar. Ich wollte nichts implizieren, wirklich.” Er hob zur Unterstreichung abwehrend die Hände. “Aber- nur für den Fall...”
Dean zog an der Kassenrolle, bis er ein Stück abreißen konnte und fische dann nach dem an einem Bändchen befestigten Kugelschreiber neben der Kasse.
Er beugte sich darüber und schrieb seine Handynummer auf das kleine Stück Papier.
“Hier.”
Steve hatte gerade das letzte Produkt in seine Papiertüte gepackt und beobachtet, was Dean tat - um ihn jetzt geradezu fassungslos anzustarren.
“Wie bitte?”
Dean lächelte, charmant, freundlich - nicht beruhigend oder aufbauend, nicht professionell - sondern geradezu nonchalant.
“Naja, ich bin beim Notruf. Wenn du mal wieder gegen eine Tür läufst und dich orientierungslos fühlst oder - einen Freund brauchst. Ich kann vielleicht helfen. Immerhin, ich kenn mich mit Erste Hilfe aus, ob du Eis drauf legen solltest, oder sowas.”
Dean hielt immer noch das Stück Papier in der Hand, aber Steve machte keine Anstalten, sich zu bewegen, geschweige denn es zu ergreifen, sondern stand immer noch unbewegt und geradezu schockiert hinter dem Tresen.
Sein Lächeln wurde zu einem etwas schiefen Grinsen und er schielte auf die grünen Zahlen des Kassendisplays.
“Okay.” Er holte sein Portemonnaie hervor, zupfte die benötigten Scheine heraus, legte seine Handynummer darauf und platzierte alles auf dem Wechselgeld-Tellerchen.
Dann klopfte er zweimal mit den Fingerknöcheln auf den Tresen und nahm seine Tüte.
“Pass auf dich auf, Steve, und - falls du es dir anders überlegst, schreib mir - oder ruf mich an. Du kennst beide Nummern.”
Er zog in eindeutiger Geste beide Augenbrauen nach oben und verließ den Laden.
Verdammt noch mal, das hätte besser laufen können.
Kapitel 2
And I don't wanna be lonely - So tell me you'll come home
Dean wusste, er musste damit aufhören und er schalt sich selbst dafür, als sein Kopf erneut zu Steve und seiner Stimme schwirrte, während er die Einfahrt des kleinen Häuschens hinauf fuhr.
Ob es ihm gut ging? So gut es gehen konnte, zumindest?
War er verletzt? Hatte er nochmal angerufen?
(War er vielleicht enttäuscht, weil Dean diesmal nicht ans Telefon gegangen war?)
Dean zog tief die Luft ein und massierte sich mit Daumen und Zeigefinger die Augenwinkel.
“Komm schon, Winchester, das reicht jetzt.”
In der Küche brannte Licht.
Hoffentlich hatte Charlie gekocht und nicht die Mikrowelle als zusätzlichen Ventilator für ihren Super-Gaming-PC auseinander genommen.
Dean nahm die Tüte Einkäufe vom Beifahrersitz seines Impalas, die er besorgt hatte, nachdem er Kevin nach Hause gefahren hatte, balancierte sie auf einer Hüfte, während er die Tür aufsperrte und schob sich in den Hausflur.
“Liebling, ich bin zu Hause!”
Charlie steckte ihren Kopf aus der Küchentür - hatte sie sich die Haare mit einem Zauberstab hochgesteckt?! - und musterte ihn einmal gründlich.
“Oh, Scheiße.” Sie kam zu ihm in den Flur und nahm ihm die Papiertüte ab, um hinein zu sehen: “Lakritz, Kartoffelchips - Zwei Sorten!, Schokoladenriegel, Butterfinger, Bier, Bier, Bier. Okay, immerhin keine Milk Duds, sonst wäre der Tag-” Er zog eine Packung Milk Duds, die bereits offen war, aus der Hemdtasche und warf sie gezielt in die Tüte, ehe er sich bückte um die schweren Stiefel auszuziehen. “Okay, richtiger scheiß Tag!”
Sie trug die Einkäufe in die Küche und verstaute das Bier gleich im Kühlschrank - und machte Platz indem sie zwei Flaschen heraus holte und Dean eine davon reichte.
“Das letzte Mal, dass du Lakritz und Milk Duds gebraucht hast war nach dem Fährunglück!”
Sie hüpfte schwungvoll auf den Küchentisch, trank mit einer Hand von dem Bier und zog mit der anderen die Tüte näher. “Ich hab nichts in den Nachrichten gehört, also, was war los?”
Dean selbst nahm auch einen großen, großen Schluck und zuckte mit den Schultern.
“Ich hatte heute diesen Anruf-” Und er atmete einmal tief durch.
Er starrte aus dem Fenster, halb nach draußen sehend, halb durch seine erschöpfte Spiegelung hindurch: Die Sonne war dabei unter zu gehen, der Himmel hellblau und orange und rosa, die Grillen im Garten zirpten so laut, dass man sie in der Küche noch hörte und eine leichte Brise wiegte die Vorhänge in der andauernden Hitze.
Konnte Steve das Abendrot auch sehen? Oder versteckte er sich in einer dunklen Ecke? Hatte er Schmerzen? Weinte er?
Die Erinnerung an den feuchten Mitklang in der dunklen, tiefen Stimme, schnürte seine Brust zu.
Seine Haute fühlte sich heiß, klebrig und unangenehm an.
Charlie hatte eine Tüte Chips aufgegrissen und wartete gespannt auf weitere Informationen.
Immerhin, dass ihr Emergency-Dispatcher-Mitbewohner angerufen wurde sollte ja nicht das Problem sein.
Dean brummte streng und rieb sich mit den Handballen die Augen, ehe er das karierte Hemd aufknöpfte und auszog.
“Ich geh duschen.”
Charlies Mund klappte entsetzt nach unten: “Was? Hey! Du kannst keinen Kummervorrat hier anschleppen und dann einfach duschen gehen!”
Dean nahm noch einen Schluck Bier, während er sich das Hemd über eine Schulter warf und eine Handvoll Kartoffelchips aus der Tüte klaute.
“Besorg was zu essen, dann erzähl ich’s dir.”
Charlie verdrehte melodramatisch die Augen: “Glaub ja nicht, dass du mich immer mit Lakritze, Kartoffelchips und Abenteuergeschichten bestechen kannst, Winchester!”
“Nein, natürlich nicht. Dafür ja die Milk Duds.”
Von der entrüsteten Antwort hörte Dean hinter der geschlossenen Badezimmertür nur noch die Tonlage.
Die Dusche hatte gut getan, den getrockneten Schweiß von der Haut und die harte Anspannung aus seinem Nacken gewaschen. Aber Steve ging ihm trotzdem nicht aus dem Kopf und er ging das Gespräch wieder und wieder durch.
Nicht, ob er etwas anderes hätte sagen können. Dean war lange genug in dem Job, um zu wissen, wann er Leute provozieren konnte, ihm die richtigen Antworten zu geben und wann er warten musste, bis sie so weit waren. Hätte er Steve gedrängt, hätte er ihn nur verschreckt.
Aber Steves Stimme ließ ihn nicht los, der tiefe Bariton war in seinem Kopf hängen geblieben und spielte sich dort immer und immer wieder ab.
Die Art, wie er sprach, das Klangmuster, der Abstand, den er zwischen den Worten ließ, endlose Abgründe in der ohnehin schon tiefen Tonlage. Dean tat einen tiefen Atemzug und fuhr sich mit dem Handtuch über die kurzen Haare.
Er sollte endlich seinen Kopf da raus ziehen; Es würde ihn nur wahnsinnig machen, wenn er sich nicht distanzierte. Das wusste er. Man machte diesen Job nicht lange, wenn man jeden Anrufer mit nach Hause nahm. Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass jedes Mal Sie ans Telefon gehen, wenn ich anrufe?
“Verdammt nochmal, Winchester!”, er pfefferte seine getragene Kleidung in den Wäschekorb und zog sich eine dunkelgraue Sweatpants und ein altes Band-T-Shirt an, ehe er Barfuß wieder nach unten tapste.
Sein Magen knurrte rebellisch und er hoffte, Charlie hätte sich tatsächlich um was zu essen gekümmert.
Na, zumindest hatte sie die Chips in eine Schüssel umgefüllt.
Dean griff immer wieder in die Schüssel, die er mit rum trug, und knabberte an den Chips, während er nach Charlie suchend von der Küche ins Wohnzimmer ging.
“Verdirb dir ja nicht den ganzen Appetit! Ich hatte Mitleid mit dir und hab bei Benny Burger bestellt!” Sie schnappte ihm die Chipsschüssel aus der Hand und schob sich selbst ein paar in den Mund, ehe sie sie auf den Couchtisch stellte, wo bereits der Rest des Kummervorrats ausgebreitet wartete.
Als sie das nächste Mal an ihm vorbei huschte, drückte sie ihm eine neu Flasche Bier in die Hand und Dean griff nach ihr, zog sie in eine Umarmung und drückte ihr einen Kuss auf die feuerroten Haare.
“Du weißt, du bist die beste Mitbewohnerin der Welt!”
Sie erwiderte die Umarmung.
“Eigentlich nicht, ich will nur die Story. - Außerdem bezahlst du. Also!” Sie löste sich von Dean und ließ sich mit einem Plumpsen auf der Couch nieder, zog die Beine in den Schneidersitz und sah Dean auffordernd an, während sie von ihrem Bier trank.
Dean verdrehte mit gespielter Genervtheit die Augen, aber er wusste, dass er nicht glaubwürdig war.
Er setzte sich auf die andere Seite der Couch, angelte wieder nach der Chipsschüssel und versuchte sich währenddessen selbst darüber klar zu werden, was ihn heute so mitgenommen hatte.
Aber der einzige, der wirklich herausstach, war Steve.
Dean schüttelte mit gerunzelter Stirn den Kopf und zuckte gleichzeitig mit den Schultern.
“Eigentlich war nichts.” Charlie zog ihre Augenbraue hoch und Dean lächelte belustigt. “Nein, wirklich. Ich meine klar, heute war ein verdammt intensiver Tag, ich weiß nicht ob es an der Hitze oder am Vollmond liegt aber-” Er machte eine Geste, die anzeigte, die ganze Stadt wäre wahnsinnig geworden. “Und dann hat diese Nummer angerufen, dreimal und jedes Mal wieder aufgelegt.” Dean seufzte tief. “Beim vierten Mal hab ich ihn zum Reden gekriegt und-” Dean brach ab und schnaubte erschöpft, während er sich in die weichen Kissen der Couch fallen ließ. Sein Blick ging direkt an Charlie vorbei und er nippte nachdenklich an dem Bier. “Er hat’s nicht gesagt. Jemand hat an der Tür geklopft und da hat er wieder aufgelegt. Aber - Seine Stimme geht mir einfach nicht aus dem Kopf.” Er rieb sich fest über die Schläfen und Stirn . “Ich weiß nicht. Es wäre nicht der erste Anrufer, der einfach wieder aufgelegt, aber…”
Dean war kein Mensch, der über seine Gefühle sprach, noch nie gewesen, weshalb es ihm in der Regel auch schwer fiel, sie in einigermaßen verständliche Sätze zu packen.
Bei Charlie jedoch konnte er offen sein. Sie war seine beste Freundin, nicht zuletzt deshalb hatten sie beschlossen, zusammen zu wohnen, während sie ihren Master machte und Dean versuchte, in der “großen, bösen Stadt” Fuß zu fassen, nachdem Sam nach Stanford gegangen und er er dem Leben auf den Straßen den Rücken gekehrt hatte.
Das war mittlerweile einige Jahre her, Charlie hatte ihren Master schon lange fertig und eine ausgezeichnete Stelle in einer Computer-Start-Up-Irgendwas-Firma (nicht, dass er wirklich verstehen würde, was sie dort tat, aber sie mochte ihren Job und das war, was für ihn wichtig war) und er war schon seit einigen Jahren beim Notruf.
Sie waren sich nah - und sie verstand ihn. Auch ohne, dass er sich selbst verstand, was wohl auch der Grund war, warum er ihr von Steve erzählte, ohne zu wissen, was ihn an ihm so gestört hatte.
“Ich meine, er klang - fertig, wirklich. Was nicht - ich meine, ja. Aber - er wäre nicht der erste und-” Dean schnaubte frustriert, als ihm klar wurde, dass er nur plapperte und nahm einen Schluck Bier. “Verstehst du?!”
Charlie hatte ihn während seiner verwirrten Erzählung aufmerksam beobachtet, die geschwungene Augenbraue immer noch ein Stück höher als sie sollte, als ein hohes, wissendes Mh-hm von ihr kam.
“Was?!”
Charlie wurde buchstäblich vom Gong vor der Antwort gerettet, als es an der Tür klingelte. Ihr langer Finger bedeutete ihm erbarmungslos, dass er sich darum zu kümmern hatte und Dean stand ergeben seufzend auf und schnappte sich sein Portemonnaie.
Garth, der Aushilfsweise als Lieferfahrer für Benny arbeitete, hatte ihn mit einem lauten Tut mir leid, dass dein Tag so scheiße war, D-Dog! begrüßt und gleichzeitig fest umarmt - wie es eben Garths Art war. Benny hatte noch extra Chili-Cheese-Nuggets und Zwiebelringe drauf gelegt, die Charlie nicht bestellt hatte, und Dean hatte zwanzig Dollar Trinkgeld gegeben, weil Garth und Benny es wert waren und ihn ohnehin immer unterberechneten.
“Also”, setzte Charlie an, nachdem sie leidenschaftlich von ihrem Burger abgebissen und ein paar Mal gekaut hatte, “Dieser Typ, von heute-”
“Steve.”
Charlie nickte kurz, und nahm die Information, ohne sie zu hinterfragen, auf. Dean sagte ihr niemals Namen von Anrufern, außer, es waren nicht ihre richtigen. “Okay; Also, Steve: Wie klang er?”
Dean runzelte die Stirn.
“Wie er klang? Als hätte er geweint, und, ein wenig analytisch, vom Sprachmuster, was wirklich-”
“Ich meine, wie er geklungen hat, keine Sprachmusteranalyse.” Charlie bewarf ihn mit einer Pommes und Dean schnippe sie zurück, während er ihr die Zunge rausstreckte.
Wie er geklungen hatte?
“Als würde er jeden Morgen mit Kieselsteinen und Whiskey gurgeln - aber, du weißt, auf die gute Art.”
“Auf die gute Art?” Charlie zog beide Augenbrauen hoch und biss von einem Zwiebelring ab.
Dean nickte von rechts nach links, Backen voll wie ein Hamster, kaute ein paar Mal, schluckte und spülte den Rest mit einem Schluck Bier runter.
“Ich weiß nicht. Ich meine, so eine Stimme? Noch nie gehört! Und ich arbeite beim Notruf; Mich hat buchstäblich schon die ganze Stadt angerufen!” Er schnaubte und sein Blick ging wieder ins Leere an Charlie vorbei. “Er klang so - tief. Ich meine, tief. Nicht Morgan Freeman tief, aber verdammt. Und irgendwie hat er es geschafft, dass der Abstand zwischen den Wörter noch - tiefer klang? Macht das Sinn?” Dean schüttelte mit dem Kopf, als ihm klar wurde, dass er es nicht beschreiben konnte.
Diesen - Abgrund - zwischen Steves Wörtern, diese unendliche Tiefe, die seine Stimme so greifbar gemacht hatte, aber ohne dabei rau oder unangenehm zu klingen.
Wie Wellen und Strudel, aus einem dunklen, tiefen Ozean, die von seinen Worten an Deans Oberfläche gespült worden waren und ihn umschlungen hatten. Die baritonen Wellen hatten irgendwas mit Dean gemacht, er konnte nur nicht erklären, was. Aber der Klang ließ ihn einfach nicht los.
Er schauderte kurz, als es ihm kribbelnd über den Rücken lief, während er nochmal die gesamte Unterhaltung, so kurz sie auch gewesen war, in seinem Kopf Revue passieren ließ.
“Ich weiß nicht, Charlie, echt, aber - ja. Du weißt? Hm.” Er trank noch einen Schluck Bier, ehe er sich den letzten, zu großen, Bissen Burger in den Mund schob.
Charlies grüne Augen lagen aufmerksam auf Dean, die dünne, rote Augenbraue wissend nach oben gezogen.
“Was?”
“Er hat eine Sex-Stimme.”
“Er hat keine Sex-Stimme!” Die Entrüstung war vielleicht etwas zu viel.
Charlie zuckte mit den Schultern und knüllte das Papier zusammen, in das ihr Burger verpackt gewesen war, und warf es neben die Take-Away-Tüte, ehe sie sich die Packung Pommes schnappte.
“Wieso nicht? Ich meine, der Typ klingt als würde er quasi auf Vibratoren-Schallwelle sprechen. Und wenn er schon verheult so sexy klingt - und wie du ihn beschreibst, klingt er echt sexy - stell dir mal vor, wie er erst klingt, wenn er wirklich Sex hat. - Guten versteht sich, im Idealfall mit dir.”
Dean versuchte sich das Schlucken, das allein die Vorstellung von Steves Stimme - noch tiefer und geladen mit Stöhnen und Lust - auslöste, zu verkneifen.
Da das nicht klappte, hoffte er wirklich Charlie hätte es einfach nicht gesehen. - Was sie entweder nicht hatte, oder freundlicher Weise ignorierte.
“Das ist nicht - er hat wegen einem Notfall angerufen- und”
“Na und?” Charlie nahm mit einem Alle-Selbstverständlichkeit-Der-Welt-Blick einen Schluck Bier. “Ich hab auch schon beim Notruf angerufen und ich hab trotzdem Sex. Nicht so viel wie wünschenswert, aber trotzdem! Steve darf auch Sex haben!” Sie zuckte mit den Schultern. “Er hat viermal bei dir angerufen, vielleicht denkt er auch gerade an dich.”
Dean lachte schnaubend und schüttelte den Kopf, während er die Bierflasche leerte.
“Ja klar, bestimmt ist er ganz scharf drauf, nachdem er heute so einen tollen Tag hatte!” Er schnalzte mit der Zunge, nahm die leere Bierflasche, die Charlie ihm reichte und holte zwei neue aus der Küche.
“Bevor das weitere Abgründe annimmt: Themenwechsel!”
Charlie ließ ihre langen Beine auf dem Couchtisch nieder, fläzte sich in die Kissen und machte mit ihrer Hand eine Geste, als würde sie einen Reißverschluss an ihrem Mund zuziehen.
Manchmal wünschte Dean sich, den gäbe es wirklich.
“Money Heist Marathon?”
Dean ließ sich neben ihr ebenso lässig in die Kissen gleiten und seufzte erledigt. “Ja, bitte.”
Sie hatte nicht mehr allzu viele Folgen geschafft, oder nach dem deftigen Essen allzuviel der Süßigkeiten essen können, bevor die Anstrengung des Tages ihren Tribut forderte und beide beschlossen ins Bett zu gehen.
Eigentlich sollten Deans Gedanken vermutlich um die Serienfolgen kreisen, die sie gerade angesehen hatten, die Kniffe und Winkelzüge, die der Professor und seine Bande Bankräuber so ausheckten, aber er dachte nicht einmal entfernt daran.
Stattdessen flogen seine Gedanken immer wieder zu Steves Stimme.
Sie drehte Kreise in seinem Kopf, wie trockene Blätter in einem Wirbelwind und verteilte ihre Partikel tief und hartnäckig in jeder Ecke.
Dean schluckte klobig, schloss die Augen und wechselte die Position, um endlich schlafen zu können, aber der dunkle, melodische Klang walzte weiter durch seinen Kopf.
Er füllte seine Ohren komplett aus, schwemmte mit jeder Drehung, mit der Dean nach einer geeigneten Schlafposition suchte, weiter durch seinen Kopf bis jeder Millimeter seiner Schädelinnenseite damit gestrichen war.
Dean schnaubte, drehte sich auf den Rücken und starrte im Dunkeln an die Zimmerdecke.
Dieser verdammte Bastard brachte ihn um seinen verdienten Schlaf!
Dieser blöde Sack, mit dieser bescheuerten Stimme, die klang wie aus einem Film noir.
Als würde sich alles nach dem dunklen, tiefen Klang richten, der sich sogar in die Zwischenräume siner Knochen gestohlen hatte. Traumhaft und geheimnisvoll, röhrend und kraftvoll.
Als würde Steve in einem Anzug in dem dimmen Licht einer Schreibtischlampe stehen, mit einem Trenchcoat, den Hut tief ins Gesicht gezogen und dann würde er rauchig so etwas sagen wie Hallo, Dean.
Dean zog hoch die Luft ein, als allein der Gedanke daran dafür sorgte, dass es in seinem Schritt zog.
Aber nein, Dean würde dem nicht nachgehen oder nachgeben!
Das war doch vollkommen verrückt. Er wusste nichts von diesem Typen, nicht mal seinen Namen!
Er hatte diese unglaubliche Stimme nur ein einziges Mal gehört!
Das war doch- Wieder flutete das Geräusch des stürzendes Gerölls von Steves Vokalen seine Gedanken und er erinnerte sich unwillkürlich an die Vorstellung von vorhin: Wie er wohl klingen würde, wenn die Lust fest in seiner Stimme verknotet war, atemlos und erregt.
Wenn die Tiefe der gestöhnten Silben nicht mehr feucht von Tränen war, sondern brennend und heiß, wie das Feuer, das gerade in Deans Bauch entstand.
Deans Atem fing sich einen Moment in seiner Kehle und er schluckte, die Augen geschlossen, als das Feuer in seinem Bauch langsam weiter nach unten tropfte.
Da war doch wahnsinnig, aber er konnte sich nicht von der Vorstellung befreien und sein Glied zuckte aufmerksam.
Seine Hand fand von alleine den Weg, schob sich unter den Bund seiner Boxershorts und begann seine bereits halbharte Länge langsam zu massieren, hoch und runter, seine Finger drückten fest gegen die Spitze und er spürte, wie sie feucht wurde.
Dean schluckte wieder und fuhr sich mit der Zunge über die trockenen Lippen, während sein Kopf kaum noch Anstalten machte, sich gegen die aufwellenden Gedanken zu wehren:
Steves Stöhnen wäre tief wie ein Abgrund und würde durch Deans ganzen Körper vibrieren, mit jeder rhythmischen Bewegung, ein Atemzug voller Schlucht und Dunkelheit nach dem nächsten, während er auf Dean sitzen würde, seine Hände auf Deans Brust und er würde Deans Glied immer weiter in sich hinein treiben.
Steve wäre laut beim Sex, züggelos und so voller Erregung, dass er kaum atmen könnte. Er würde fast an seinem Namen ersticken, erst ein dunkles Flüstern wie Wind, der durch die dunklen Gänge eines alten Schlosses rauschte, dann immer lauter, kraftvoller und atemloser, wie ein tiefer Gong, überwältigt und überschlagen von Lust und Extase, wenn Dean in ihn hämmerte, den süßen Punkt finden würde, der Steves Stimme noch dunkler werden ließ und bei dem seine Muskeln um ihn zucken würden.
Deans Finger pressten sich fest um sein pulsierendes, heißes Glied und holten es aus dem einengenden Stoffgefängnis seiner Boxershorts, ehe er weiter hinauf und hinab glitt und die feuchte Erregung der Spitze über die gesamte Länge verteilte.
Ein atemloses Stöhnen fing sich in seiner Kehle und er biss sich auf die Unterlippe, als sein Steve sich nach vorne beugte, um mit seinen Lippen seine Brustwarze zu umfangen.
Er würde stöhnen, wenn sich Deans Fleisch willig seiner Zunge entgegen regen würde, erstickt durch die aufgestellte Haut, an der er saugte und knabberte, aber tief genug, dass Deans Brustkorb so damit resonieren würde, dass es sogar von der Wurzel seines Glieds bis zu der Spitze schallen würde, die genau dann wieder tief in Steve stoßen würde.
Dean stöhnte, während sich sein Rücken bei der Vorstellung erregt krümmte. Er löste seine verkrallte Hand aus den Laken, schob sich zwei Finger in den Mund und saugte sie feucht und nass, bevor sie seinen eigenen Hals hinab fuhren - wie Steves Lippen - über sein Schlüsselbein - wie seine Zunge - zu seiner Brustwarze, die bereits aufgestellt, hart und heiß auf das Kneifen und Ziehen wartete. Seine Hand rieb weiter seinen heißen Schaft, spürte die pulsierenden Venen und das erregte Zucken, das in seinem gesamten Glied brannte.
Er versuchte mehr schlecht als recht ein Stöhnen zu unterdrücken, als sein Steve sich weiter auf ihm wiegte, ihn immer weiter in sich trieb, immer schneller werdend, aber das Schlagen von Haut auf Haut ging unter im Vergleich zu dem grabestiefen Stöhnen, das über seinen Hals und Nacken wellte, so rau und dunkel, dass es ausreichte, um ihn blutig zu kratzen.
Steve würde sich an ihn drängen, ihn einfangen in den Ranken und Strudeln seiner ekstatischen Stimme, mit jedem dunkeln Stöhnen und Brummen würde ein weiterer Schlag purer, heißer Erregung durch sein Glied schießen und-
Deans Hand schnellte von seiner Brustwarze zu seinem Mund und erstickte das laute, züggellose Stöhnen, das entkommen wollte, während seine Hand ekstatisch weiter sein Glied auf und ab rieb, schnell und erregt, und die weißen, heißen Fäden purer Lust sich über seine Boxershorts, Bauch und Bett verteilten.
Sein Rücken krümmte sich vom Bett, während seine Hüfte unkontrolliert weiter in seine Faust stieß.
Der Orgasmus brannte so heiß durch seine Venen, dass es ihn blendete, dass er kaum atmen konnte, und er rammte weiter in seine Hand, immer und immer wieder, bis er auch den letzten Schub Erregung aus seinem heißen, zuckenden Glied gepresst hatte.
Sobald die tosenden Wellen in seinem Körper abgeebbt waren und seine Venen nicht mehr glühten, sank er zitternd und atemlos zurück auf das Bett.
So heftig war er schon lange nicht mehr gekommen, nicht alleine auf jeden Fall.
Sein Mund war offen, sein Atem unkontrolliert und er spürte, wie die Feuchtigkeit in seiner Hand kalt und klebrig wurde.
Dean schluckte, löst die Hand von seinem Glied und blickte im Halbdunkeln auf seine Finger.
Dean würde es in seinem ganzen Arm spüren, wenn Steve seinen Mund darum schließen würde, um seinen Samen davon zu lecken und stöhnte, tief und dunkel und klangvoll, wie eine Welle, die gegen einen Schiffsrumpf brandete und-
Dean zog scharf die Luft ein, als sein schlaffes, feuchtes Glied allein bei der Vorstellung zuckte. Er schloss die Augen, schluckte schwer um die Atemlosigkeit und das Herzklopfen herum und nahm ein paar Taschentücher aus der Kleenex-Box auf dem Nachttisch, um sich notdürftig sauber zu machen.
Den Rest würde eine morgendliche Dusche erledigen.
Er fühlte sich zufrieden erschöpft, wie ein guter Orgasmus es immer tat, rollte sich auf die andere, kalte Seite vom Bett, die keine nassen Flecken hatte, und schmiegte seinen schlafschweren Kopf in die Kissen.
Steves Stimme würde ihn im Traum verfolgen, das hatte er im Gefühl.
Kapitel 1
The friends I've had to bury - They keep me up at night
Heute würde ein intensiver Tag werden.
Dean wusste es, spürte es in der Art, wie die Luft in der frühmorgendlichen Juli-Hitze bereits vibrierte, daran, wie der Vollmond noch am hellblauen Himmel hing, durch das Summen und Brummen der Stadt und des Verkehrs, als er zur Arbeit fuhr.
Er atmete tief durch, als er an seinem Spind ankam und verstaute seine Sachen.
Kevin klopfte ihm im Vorbeigehen auf die Schulter und nickte ihm mit grimmiger Entschlossenheit zu; Er spürte es auch.
Dean setzte sich an seinen Schreibtisch, ließ einmal den Nacken kreisen, setzte sein Headset auf und ließ die Finger knacken, ehe er sich ins Netzwerk einloggte.
Kaum einen Augenblick später klingelte es bereits: “911, wie kann ich helfen?”
Deans Finger fuhren fest massierend über seine Stirn. Er hatte die Augen geschlossen und konzentrierte sich ein paar süße Momente nur auf seine Atmung und das Auf- und Abschwellen der Stimmen um ihn herum.
Heute war ein intensiver Tag gewesen. Die einen sagten, es lag an der Sommerhitze, die anderen, am Vollmond - oder an beidem. Seine Schicht war seit zwei Stunden vorbei, aber weil der Strom der Notrufe nicht nachgelassen hatte, war er geblieben; ein kurzer Seitenblick verriet ihm, dass auch Kevin noch da war. Ein kurzes, schnaubendes Lachen zwängte sich durch seine Kehle. Wenigstens war er nicht der einzige Irre.
Sein Telefon klingelte und er warf reflexartig einen Blick auf die Nummer, während er das Gespräch annahm und sein Herz machte einen kleinen Satz, einerseits beruhigt, andererseits besorgt: Diese Nummer hatte heute schon dreimal bei ihm angerufen, zweimal hatte sie aufgelegt, ohne etwas zu sagen, einmal hatte er ein Schluchzen gehört, bevor aufgelegt wurde. Bitte, dachte er, Bitte, lass mich dir diesmal helfen!
“911 - wie kann ich helfen?” - Stille. - “Bitte, legen Sie nicht auf!” Dean wartete einen Moment fast erstarrt, aber - die Verbindung blieb bestehen. Er hörte einen zittrigen Atemzug auf der anderen Seite und seine Augen schlossen sich einen Moment erleichtert. Die Person war noch da - und Dean würde helfen, so gut er konnte. “Was ist Ihr Notfall?” - Stille. Er hörte atmen. Die Person durfte nicht wieder auflegen! - “Lassen Sie mich Ihnen helfen, bitte.”
Die Pause, die folgte zerriss ihn fast.
“Es waren jedes Mal Sie.” Die männliche Stimme, die antwortete, war tief, wie eine Schlucht, rau und kantig wie die Felsen an den Seiten, sonor, voll und leicht feucht an den Rändern.
Etwas in Dean resonierte förmlich und er kämpfte eine spannungsinduzierte Gänsehaut hinunter. Gott, was für eine Stimme.
Trotz dem beginnenden Schluchzen an den Fransen der Wörter war sie so kraftvoll und klar-
Dean lief ein Schauer über den Rücken und er schüttelte kurz seine Schultern aus.
Er war nur froh, dass der andere endlich mit ihm sprach.
“Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass jedes Mal Sie ans Telefon gehen, wenn ich anrufe?” Die Stimme des Mannes war so - analytisch. Als wäre es keine rhetorische Frage gewesen, sondern ein ernsthaft zu lösendes Problem. Es folgte ein tiefer Atemzug, der besorgniserregend nach einem Schluchzen klang.
Dean lächelte aufheiternd und beruhigend, ganz automatisch, auch wenn sein Anrufer ihn nicht sehen konnte, aber er würde es in seiner Stimme hören.
“Praktisch Null.” Er hörte nur das leise Atmen, aber er konnte sich vorstellen, dass sein Anrufer gerade nickte, unsinnig oft vielleicht, als eine Marotte, während er die Information, die er ihm gegeben hatte, nahm und analysierte, vielleicht bewertete er sie und zog Schlüsse daraus, vielleicht legte er dabei leicht den Kopf zur Seite. “Mein Name ist Dean.”
Er malte sich aus, wie das Nicken abrupt aufhörte, wie sein Anrufer das Telefon ansah, außerhalb der analytischen Tonlage, vielleicht würde er jetzt sogar verwundert klingen.
Solange er nur nicht auflegte. “Wie ist Ihr Name?”
Die Stille machte ihn fast krank. Seine Augen waren auf das elektrische Abbild seiner Stimme gerichtet, das sich nur hin und wieder durch seinen Atem anheben ließ.
“...Ich…”
Dean kannte diesen Tonfall.
Er wollte seinen Namen nicht sagen.
“Okay, kein Problem. Ich würde Sie ja ‘John’ nennen, wie ‘John Doe’, aber mein Vater heißt John, das macht es merkwürdig. - Wie wäre es mit - Steven?”
Ein feuchtes, tiefes Schnauben, das fast etwas nach einem Lachen klang, ließ die elektrischen Wellen auf seinem Bildschirm ausschlagen und dann: “Okay.”
Dean lächelte und ein kleiner Teil seines Bewusstseins fragte sich, wie das grabestiefe Lachen klingen würde, wenn es nicht nach einem Schluchzen klang.
“Okay, Steve, was ist dein Notfall? Bist du verletzt?”
Dean bildete sich ein, wieder die stumme Verwunderung zu spüren, vielleicht wieder einen irritierten Blick zum Telefon. Er meinte es fast in der Stille zu hören.
Deans Blick war auf den Timer des Anrufs gerichtet und er beobachtete, wie sich Sekunde um Sekunde durch die Stille am anderen Ende der Leitung zwängte.
Er kaute auf seiner Unterlippe, die Augen mit wachsender Agonie auf die vorbei huschenden Zahlen gerichtet.
Und dann!: “... Ich- Ich b-bin-... Ich br-brauche…”
Das erneute Erklingen von Steves Stimme überschwemmte Dean mit Erleichterung und am liebsten hätte er ihm hier und jetzt alles versprochen, Hilfe, das alles gut werden würde, dass er da war, alles. Aber würde er jetzt dazwischen Plappern, würde Steve vermutlich abbrechen.
Stattdessen feuerte er ihn in Gedanken weiter an. Nur noch ein paar Wörter, Steve, nur noch wenige Silben. Dean brauchte nur seine Adresse, dann-
Sogar Dean zuckte zusammen, als ein lauter Knall durch die Leitung krachte.
“Steve?!” Wieder ein Knall, es klang wie- es war - hämmerte da jemand gegen eine Tür?! “Steve!”
Klick
“Verfluchte Scheiße!” Dean riss sich förmlich das Headset vom Ohr und pfefferte es auf den Schreibtisch, ehe er fast schon verzweifelt das Gesicht in den Händen vergrub.
“Dean?” Dean atmete einmal tief durch und wandte sich zu Ellen, seinem Boss, um, die, die Arme leicht verschränkt, neben ihm stand. “Alles okay?” Sie nickte zum Bildschirm und Dean fuhr sich über die kurzen, hellbraunen Haare.
“Er wollte gerade - gerade sagen was los ist und dann hat er aufgelegt, weil jemand an die Tür gehämmert hat.”
Ellens Lippen wurden dünn, als sie verstehend nickte.
Jeder hier wusste, worum es dabei nach aller Wahrscheinlichkeit ging, was jede Sirene in jedem Kopf eines jeden Dispatchers laut heraus schrie:
Anrufe wegen häuslicher Gewalt waren leider selten genug und noch weniger kamen sie von Männern. Wenn ein Mann dann doch deshalb anrief, konnte man sicher sein, dass es ernst war. Aber meistens fehlte der Mut, es wirklich auszusprechen.
Nicht nur, dass man ohnehin schon dachte, die Situation, in der man sich befand, wäre “peinlich”. Man war auch noch ein Mann, ein starker, großer Mann, der sich von seinem Partner, sowohl männlich wie weiblich, terrorisieren ließ.
Die wenigstens riefen um Hilfe.
“Er wollte gerade…” Dean schluckte und fuhr sich über die Augen. Er wollte zurückrufen. Er wollte sich das Headset schnappen, die Nummer anrufen und Steve sagen, dass es nicht seine Schuld war, dass er nicht dafür verantwortlich war, was ihm passierte, dass er nicht in dieser Situation bleiben musste, dass sie ihm helfen konnten. Aber Dean wusste, er würde es dadurch nur schlimmer machen.
“Ich weiß, Baby.” Ellen zog ihn in eine Umarmung. Er lehnte sich dagegen und erwiderte sie fest. Dann lächelte er sie dankbar aber müde an. “Geh nach Hause.” Sie beugte sich leicht zur Seite, um auch Kevin ansehen zu können, der gerade ein Gespräch beendet hatte. “Ihr Beide! Ihr seid lange genug hier gewesen, ruht auch aus.”
Dean warf einen Blick zu Kevin, der bereits aufstand - Dean hatte nicht mal bemerkt, dass er während seines Gesprächs aufgestanden war - und nickte in Richtung Aufzug.
Beide wussten, dass man mit Ellen nicht diskutierte: Schon gar nicht, solange man noch davon kam, wenn sie einem wohlgesonnen war.
Geschrieben zum Prompt Costume Kink für unser Kink Bingo 2020. (No beta - we die like Jason. )
Heldenverehrung
Dick liebte die Besuche in Metropolis. Die Stadt war so viel heller und freundlicher als Gotham – passte so viel weniger zu Batman (und wenn er ehrlich war, vermutlich auch zu Robin), aber ... Metropolis passte zu Superman. Schien eine Erweiterung seiner ganzen Ausstrahlung zu sein. Seines Lächelns, seiner strahlenden Farben, seiner Zuversicht.
Und Dick liebte es, Superman bei der Arbeit zuzusehen – auch wenn Bruce ihn nur von der Seitenlinie aus zusehen ließ und Dick dabei immer hibbeliger und nervöser wurde. Er wollte eben helfen, eingreifen … und er wollte genauso wie Superman durch die Lüfte sausen und den Wind im Gesicht spüren. Dafür beneidete er Clark ein bisschen. Manchmal mehr als ein bisschen. Andererseits nahm es wahrscheinlich auch ein bisschen den Nervenkitzel, wenn man sich von einem Hochhaus in die Tiefe stürzte und wusste, man konnte fliegen. Nicht dass Dick das nicht auch wusste.
Hastig erkletterte er den Sockel der Statue, um besser sehen zu können. Clark – nein, Superman – besser sehen zu können. Das wehende Cape, das leise, siegessichere Schmunzeln auf seinen Lippen, das lebendige Strahlen in seinen überirdisch blauen Augen.
Er fand es immer unglaublich schade – und gleichzeitig faszinierend –, wie sehr Clark sich im Privatleben hinter dem unscheinbaren Reporter mit den schlecht sitzenden Anzügen versteckte. Doch innerhalb eines Augenblicks konnte daraus Superman werden! Klar, dieses Lächeln und die strahlend blauen Augen konnte man auch ausmachen, sobald Clark etwas gerader dastand. Sobald er jemanden auch wirklich ihn sehen ließ. Sobald sie unter sich waren.
Aber wie wenig seine Anzüge zeigten – und wie viel sein anderer Anzug. Dick konnte nur selten den Blick abwenden, selbst wenn er wollte.
Das Blau, das da sagte ‚Nur die Ruhe, ich habe alles unter Kontrolle‘. Und das die Strahlkraft seiner hellblauen Augen noch unterstrich. Die stahlharten Muskeln, die sich darunter abzeichneten, und deren Kraft doch so genau dosiert wurde, dass selbst Batmans Schläge mehr Blut hinterließen.
Das kräftige Signalrot der Stiefel und des Capes um die breiten Schultern, die auch schon von weitem klar und deutlich zu verstehen gaben, dass mit Superman nicht zu spaßen war. Ein ‚Bis hierhin und nicht weiter‘. Eine Warnung an alle, die sich nicht an die Spielregeln des Gesetzes und der Gerechtigkeit halten wollten.
Das gelb-rote Wappen auf seiner breiten Brust, das laut und stolz verkündete, wofür er stand. Darauf angesprochen hatte Clark es Dick bei einer ihrer ersten Begegnungen erklärt, noch bevor Dick gewusst hatte, wer wirklich in dem primärfarbenen Anzug steckte. Es war das Wappen seiner Familie – alles, was von Krypton noch übrig war. Die beste Seite Kryptons. Hoffnung.
Hoffnung konnten sie alle brauchen. Und Clark war für Dick der Inbegriff dieser Hoffnung, die sich nicht von der Dunkelheit schlucken ließ – der Dunkelheit, in der Bruce und Dick sich bewegten und in die sie sich hüllten wie einen Schutzmantel. Clark war anders.
Clark ließ Dicks Puls höher schlagen, insbesondere in seinem blau-roten Anzug, der doch so viel zeigte. So viel sagte. Und gleichzeitig so viel verdeckte.
Als Superman nun unter Beifall den Schurken an die Polizei übergab und mit einem stolzen Lächeln davonflog, legte sich ganz von selbst ein ebenso stolzes – und vielleicht auch ein bisschen verträumtes – Lächeln auf Dicks Züge, während er ihm hinterher sah.
Geschrieben von: tenten31 - 06.03.2021, 12:49 - Forum: The Others
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Mit Noahs Hilfe konnte Blue sich ungesehen ins Innerste des Excalibur schleichen und stand schließlich vor der großen Tür zum Kühlraum. Sie machte sich auf alles gefasst, wusste sie doch auch, sie tat gerade genau das, was Kavinsky wollte.
Als sie beherzt die Tür öffnete, war es drinnen unerwartet dunkel.
„Mach die Tür hinter dir zu“, wies Kavinskys Stimme sie von irgendwo aus der Dunkelheit an. Blue überlegte kurz, schließlich hieß das auch, warten zu müssen, bis jemand von außen die Tür wieder öffnete. Das musste zwar bei einem großen Restaurant nicht so lange dauern, aber unwohl war ihr bei dem Gedanken trotzdem. „Wird’s bald?!“
„Adam, bist du auch hier?“, fragte sie stattdessen ins Dunkel hinein.
Sie hörte einen dumpfen Aufprall, dann wie jemand scharf die Luft einsog. „Ich bin hier“, drang schließlich Adams Stimme an ihre Ohren. Er schien zumindest noch so weit in Ordnung zu sein, dass er nicht offensichtlich nach Schmerzen klang.
Blue schnaubte leise. „Okay“, gab sie lediglich zurück und ließ die Tür hinter sich mit einem leisen Klicken ins Schloss fallen.
Ein fahles blaues Licht ging an – eine Taschenlampe. Und im Schein dieser konnte sie auch die beiden Männer entdecken. Adam mit seinen Händen in der Luft, Kavinsky mit einer Schrotflinte auf ihn zielend. Inzwischen hatte er wenigstens die Sonnenbrille abgenommen, auch wenn er Blue keines Blicks würdigte.
Blue sah zu Adam, der mit seinem Blick dem ihren begegnete. Seine ordentliche Aufmachung schien ein wenig gelitten zu haben; er hatte eine aufgeplatzte Lippe und seine Haare hingen ihm wild ins Gesicht – ansonsten wirkte er gefasst und unverletzt. Auf seinen Lippen erschien ein freudloses kleines Lächeln, als sein Blick zurück zu Kavinsky ging. „Und jetzt?“, fragte er herausfordernd, sein ganz natürlicher Südstaaten-Akzent deutlicher aus den Vokalen herauszuhören. Kleine Wölkchen bildeten sich in der Kälte aus seinem Atem.
Sie waren zu zweit gegen einen bewaffneten Mann mit Agenten-Training. Und natürlich war es eine Schrotflinte; jetzt, wo sie Kavinsky getroffen hatte, war Blue sich sicher, die Ironie, genau diese Waffe zu einer Hochzeit mitzubringen, war ihm nicht entgangen. Eine Schrotflinte hieß aber auch, dass er gerade einmal zwei Schüsse hatte – und sie bezweifelte, dass der Elvis-Einteiler eine Tasche für so große Patronen hatte. Nachladen würde er also nicht können. Zwei Schüsse also, die sie überleben müssten.
„Und jetzt“, antwortete Kavinsky in bedrohlich amüsiertem Ton, „werde ich zwei Quälgeister los und gehe zurück, den Rest von Prokos Hochzeit genießen.“
Blue trat einen Schritt näher, versuchte abschätzen zu können, wie viel ihrer Bewegungen Kavinsky wirklich wahrnahm. „Meinst du wirklich, wir lassen uns so kampflos beseitigen?!“
Er lachte dreckig, guttural und leise. „Oh, ich hoffe, dass ihr mir eine gute Show liefert. Schreit ruhig so laut ihr könnt; hier drin wird euch keiner hören. Und finden werden sie eure Leichen wahrscheinlich irgendwann nächste Woche, wenn die neuen Lieferungen kommen.“
„Was, wenn wir uns nicht wehren?“, fragte Adam. „Du warst bis vor kurzem noch ein Kollege von uns.“
„Ich bin schon lange kein Kollege —“ Er spuckte das Wort regelrecht aus, als würde es ihm nicht schmecken. „— mehr. Die Bitches von F.O.X. haben mich benutzt und ich revanchiere mich nur dafür. Nennt sich Eier in der Hose haben, solltest du auch mal versuchen, Parrish.“
Es war an Adam, ein verächtliches kleines Lachen auszustoßen. „Passe“, gab er unbeeindruckt zurück, ließ sich nicht provozieren.
Blue trat derweil weiter näher an die beiden heran, versuchte möglichst unbemerkt aus Kavinskys Sichtbereich herauszukommen. Versuchte möglichst flach zu atmen, möglichst wenig Atem auszustoßen, der kondensieren und sie verraten konnte.
„Oooh, ich bin sicher das gefällt Lynch. Endlich jemand, bei dem er mal toppen darf“, feixte dieser, seine Aufmerksamkeit auf Adam.
Beinahe hätte Blue die Augen verdreht – ihr waren das langsam zu viele sexuelle Witze und Provokationen. In ihrem Privatleben versuchte sie solchen Leuten wie Kavinsky aus gutem Grund aus dem Weg zu gehen.
„Ist das der Grund, warum du hier diese riesige Show veranstaltest? Für Ronans Aufmerksamkeit?“ Adams Ton war beinahe zu ruhig, zu unbeeindruckt, während Kavinsky die Flinte fest genug griff, dass seine Knöchel weiß hervortraten.
„Derselbe Grund, aus dem ich alles tue: Unterhaltung.“ Aus den distanzierten und nonchalanten Worten war für die, die genau hinhörten, eine klare Angespanntheit herauszuhören.
„Und genau deshalb hat er eure Zusammenarbeit beendet.“
Dann ging alles sehr schnell.
Blue hechtete zur Taschenlampe. Löschte das Licht.
Zwei Schüsse hallten von den vereisten Wänden wider, grell donnernde Lichtblitze. Ein Schmerzensschrei.
Ein stechender Schmerz in ihrer Schulter. Mit einem Klirren ließ Blue die Taschenlampe fallen.
Ging auf alle viere. Hörte Metall über Eis rollen. Ertastete sie.
Sprang auf. Holte mit dem massiven Griff der Taschenlampe aus. Traf auch etwas.
Ein dumpfer Aufprall. Noch einer. Jemand sackte zu Boden.
Etwas Schweres fiel.
„Adam?“
„Blue?“
Sie schaltete die Taschenlampe wieder an, leuchtete von einer Wand zur anderen. Und fand schließlich Adam auf dem Boden sitzend, nicht weit von ihr. Neben ihm lag Kavinskys Schrotflinte auf einem verstreuten Sack Kartoffeln. Mit der linken Hand hielt er sich sein Ohr. Sie war blutüberstömt.
„Oh mein Gott, Adam! Alles okay?“ Blues Herz hämmerte gegen ihren Brustkorb. Ohne einen weiteren Moment verlieren zu wollen, ging sie vor ihm in die Hocke.
Er deutete lediglich ein Kopfschütteln an, verzog das Gesicht. Deutete mit seiner rechten Hand hinter sie. „Kavinsky“, presste er heraus.
Blue wirbelte herum und sah dort einen scheinbar bewusstlosen Elvis-Imitator liegen. Sie nahm das Kabel ihrer Headset-Kopfhörer, um ihm die Hände auf den Rücken zu binden. Dann die Kordeln ihres Turnbeutels, um ihm die Beine zusammenzubinden und so zu verschnüren, dass er sich nicht bewegen könnte, und die Ärmel ihrer Sportjacke, um ihn zu knebeln.
So gesichert, konnte Blue sich erneut Adam zudrehen, der inzwischen die Augen geschlossen hatte und schwer, aber sehr bewusst atmete. Shit shit shit, sie mussten hier raus!
Blue ließ die Taschenlampe in Adams Reichweite liegen und sprintete zur schweren Tür des Raums. Es gab lediglich einen unbeweglichen Griff daran, aber keinerlei Klinke oder Hebel. „Hallo?! Ist da draußen wer?“, rief sie so laut sie konnte. Niemand würde sie hören – aber sie musste es trotzdem versuchen! Noch einmal donnerte sie ihre Fäuste dagegen.
Aber nichts passierte.
„Fuck!“, fluchte Blue.
Ein gedämpftes Kichern aus Kavinskys Richtung ließ sie die Augen verengen. In diesem Moment hatte sie gute Lust, ihm noch einen Tritt mitzugeben.
Ein unterdrückter Schmerzenslaut von Adam ließ sie ihre Prioritäten allerdings schnell wieder klar sehen. Blue nahm die Taschenlampe wieder auf und kniete sich neben Adam. „Lass mich sehen, wie schlimm es ist.“
Gerade legte sie ihre Hände beruhigend und sehr behutsam auf Adams linke, als die Tür sich öffnete. Blue kämpfte sich wieder auf die Füße, stellte sich schützend vor Adam, bereit die Taschenlampe als Waffe einzusetzen – Kavinsky hatte sicher nicht vorgehabt, hier lange zu bleiben; das waren bestimmt seine Leute, die ihn hier heraus holten.
„Parrish? Sargent?“, drang eine unerwartet bekannte Stimme an ihre Ohren. Blue merkte, wie sich alles in ihrem Körper gleichzeitig entspannte und anspannte.
Ronan Lynch, der in der Hoteluniform schlicht fehl am Platz wirkte, betrat den Kühlraum. Dicht gefolgt von Gansey, dessen Lächeln viel zu breit und dümmlich wurde, als sein Blick auf Blue landete.
~*~*~*
„Prokopenko sitzt in Untersuchungshaft und wartet auf seinen Gerichtstermin. Für Piper und Colin Greenmantle ist ein Haftbefehl beantragt. Weder Mister Laumonier noch Seondeok sind derzeit auffindbar. Die restlichen Gäste auf dieser Vegas Shotgun Wedding versuchen wir noch zu identifizieren, unter anderem mit Hilfe der sichergestellten Hochzeitsgeschenke“, fasste die Direktorin in neutralem Ton zusammen. „Kavinsky sitzt bis auf weiteres im Gefängnis und die Liste unserer Agenten konnte schließlich in einem Schließfach des Mirage sichergestellt und restlos vernichtet werden.“
„Gute Arbeit, Team“, fügte Persephone Poldma, die neben Calla saß, in ihrer leisen Art hinzu, ihr Blick insbesondere auf Adam.
Maura Sargent, die zu Callas anderer Seite saß, nickte ebenfalls bei diesen Worten, ein stolzes Lächeln auf dem Gesicht. „Mister Parrish, es tut uns leid, dass Sie im Zuge dieses Einsatzes zu Schaden gekommen sind, aber vielen Dank für Ihren vollen Einsatz im Namen der gesamten Organisation!“
Neben Blue trug Adam ein schiefes kleines Lächeln auf dem Gesicht und seine Hand lag über den Tisch hinweg in Ronans. Adam nickte höflich zu den drei älteren Frauen. Sein Kopf wurde von Bandagen geziert, aus denen hier und da Strähnen seiner Haare hervor standen. Sein linkes Ohr war noch komplett einbandagiert.
Blue wusste, die besten Ärzte des Landes hatten sich um Adams Ohr gekümmert, nachdem Kavinsky es mit einem Schuss aus nächster Nähe getroffen hatte. Er und Blue waren beide sofort mit dem Hubschrauber zum nächsten Militärkrankenhaus gebracht und dort behandelt worden. Es hatte ihm wahrscheinlich sein Hörvermögen gerettet – wenn auch nicht wieder komplett hergestellt. Und mit der Ausnahme von ein paar Narben würde man bald sicher auch keinen Unterschied zwischen dem linken, plastisch rekonstruierten, und dem rechten Ohr mehr feststellen können.
Sie selbst hatte einen Streifschuss an der Schulter abbekommen und musste diese nun ruhig halten. Nichts Ernstes, gerade ernst genug für ein paar Tage extra Urlaub und einen unansehnlichen Verband, den sie unter ihrer Lederjacke versteckte.
Gansey saß ihr gegenüber am Tisch, zurück zu seinem typischen Agenten-Look: Die Intensität in seinen honigbraunen Augen nicht mehr von einer Brille verstellt, ein verwegener Schatten von Bartstoppeln auf seinen Wangen. Dafür trug er heute keinen Anzug, sondern lediglich ein anthrazitfarbenes Hemd und gut sitzende Jeans. Es stand ihm verdammt gut, ging es Blue durch den Kopf, auch wenn er so wieder deutlich unnahbarer wirkte.
Neben Gansey saß Ronan, dessen Blick jedoch auf Adam ruhte, als ginge ihn diese Besprechung nichts an. Blue beneidete ihn um diese lockere Achtlosigkeit und um die Selbstverständlichkeit, mit der Adam und er zeigten, dass sie mehr als nur Partner waren.
„Wir haben von Ihnen allen Berichte bekommen und sämtliche Auslagen und den Personas zugehörige Dinge haben Sie wieder abgegeben. Wenn es von Ihrer Seite also keine Fragen mehr gibt, erkläre ich diese Mission hiermit für erfolgreich abgeschlossen“, gebot Callas Stimme allen, ihr wieder ihre volle Aufmerksamkeit zu schenken. Die Direktorin sah sich noch einmal in der versammelten Runde um, bevor sie nickte und sich erhob. „Gute Arbeit. Noch einen guten Tag.“
„Genießt eure freien Tage“, schlossen sich auch Maura und Persephone an.
Auch Blue erhob sich. „Danke für die gute Zusammenarbeit! Man sieht sich“, verabschiedete sie sich noch und verließ ebenfalls den Raum. Für einen dummen Moment hatte sie gehofft, Gansey würde sie aufhalten. Würde das, was da in Las Vegas zwischen ihnen passiert war, irgendwie ansprechen. Aber was in Vegas passierte, blieb wohl auch in Vegas. Sie versuchte nicht allzu enttäuscht darüber zu sein, schließlich waren es lediglich ein paar Tage gewesen – aufwühlende und emotionale Tage, aber eben nicht mehr.
Als sie Schritte hinter sich auf dem Gang hörte, die sich schnell näherten. „Jane!“
Sie blieb stehen und drehte sich halb zu Gansey um. Ihr Herz, der kleine Verräter, schlug hoffnungsvoll gegen ihren Brustkorb und sie konnte ein Lächeln nicht ganz von ihren Lippen halten. „Ich dachte, die Personas haben wir abgelegt?“
Gansey schloss zu ihr auf, nickte. „In Ordnung. Blue“, sprach er ihren Namen aus und entzündete damit kleine Feuerwerke in ihrer Brust.
Er wirkte auch mit einem Mal wieder so viel weniger wie der unnahbare Agent und so viel mehr… Dick? Nein. Für den Mann, den Blue in Las Vegas kennengelernt hatte, hatte sie noch keinen so wirklichen Namen, oder? Wie wurde er von guten Freunden genannt? Ronan und Adam nannten ihn beide immer nur bei seinem Nachnamen. „Richard?“ versuchte sie es.
„Einfach Gansey“, korrigierte er sie sanft.
„Nur Gansey?“
Er nickte erneut. „Das ist alles.“
„Okay“, lächelte sie ihn an, „Gansey.“
Sein Lächeln wurde noch eine Spur breiter, ein kleines Leuchten trat in seine Augen. Für einen langen Moment schien er daraufhin allerdings um Worte verlegen. Ganz unwillkürlich ging sein Daumen an seine Unterlippe, strich diese entlang, während sein Blick gleichzeitig den ihren suchte und ihm auswich. „Würdest du mit mir…?“
„Ausgehen? Wenn wir nicht wieder unterbrochen werden, sofort.“