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Hier wäre dann auch mein Beitrag zu den Summertime Snapshots. Und ich muss gestehen: Da habe ich mir ein ganz schönes Ei ins Nest gelegt. Ich habe mir hier ein Thema gewählt, das mir offensichtlich nicht liegt. Aber das Bild mit der Nummer 05 hat mich auf Anhieb inspiriert und ich hatte diesen Snapshot sofort im Kopf. Es war reserviert, also wollte ich auch etwas abliefern. Auch, wenn ich nicht so recht zufrieden damit bin. An dieser Stelle einen lieben Dank an tenten fürs Betalesen und Mut machen, die Geschichte dennoch zu einem Ende zu bringen und hier zu posten. Ich freue mich auch sehr über weitere Kritik und Anregungen von Euch. Aber nun lest selbst:
„Eines Tages fliegen wir zum Meer“, plante James vor sich hin. Sie spürte seinen Arm um ihre Schultern und ein verträumtes Lächeln zierte Lilys Gesicht. So oder so ähnlich planten sie schon seit Wochen vor sich hin. Eine Art Hoffnungsschimmer. Eine zeitweise Flucht aus einer Welt, aus der sie wohl noch eine ganze Weile nicht würden entkommen können. In Zeiten wie diesen war es wohl vollkommen normal, sich in Gedanken seine eigene Zukunft auszumalen oder sich wenigstens woanders hin zu träumen. Irgendwohin, wo kein Krieg herrschte, wo die Welt in Ordnung war. Lilys besorgte Augen ruhten auf Harry. Am Boden des Wohnzimmers auf seiner Decke liegend betastete er mit kleinen Fingerchen seinen Spielzeugbesen und kaute selig mit dem süßesten Lächeln von ganz England darauf herum. „Aber erst musst Du ihm das Fliegen beibringen“. Lily fand es absolut übertrieben, dass James ihm jetzt schon einen Besen gekauft hatte. Einen Spielzeugbesen zwar, aber dennoch: „Er kann ja noch nicht mal sicher gehen“. James löste seinen Arm von Lily, umgriff ihre Schultern und drehte sie zu sich herum, bevor er großspurig von sich gab: „Harry ist etwas ganz Besonderes. Mein Sohn wird schon fliegen können, bevor er richtig gehen kann. Er wird der jüngste und beste Quidditch-Spieler werden, den Hogwarts je gesehen hat. Du wirst sehen". Lily schnaubte: „Ach? DEIN Sohn, ja?“ Ein schiefes Grinsen zeigte sich auf ihren Lippen, bevor sie weitersprach: „Aber ich fürchte, du hast Recht. Er ist ein Potter durch und durch. Ich hoffe nur, er wird während seiner Schulzeit weniger Flausen im Kopf haben, als sein Vater".
Als hätte er das Gespräch mitverfolgt, gluckste klein Harry vergnügt vor sich hin und fing sich dadurch die Aufmerksamkeit seiner Eltern ein. James näherte sich der Krabbeldecke und ging in die Hocke. „Glaub jetzt ja nicht, deine Mutter wäre ein Unschuldslamm gewesen“, ermahnte er mit erhobenem Zeigefinger seinen Sohn. Harry gab etwas von sich, was sich nach „Nein" anhörte, bevor er sich wieder daran machte, auf dem Holz seines Besens herum zu kauen. Was James allerdings dadurch unterband, dass er Harry auf seine Arme hob, um ihm sanft das Spielzeug wegzunehmen. „Nicht kaputt machen. Wir müssen doch deiner Mutter beweisen, was für ein guter Flieger du schon bald sein wirst. Und dann fliegen wir alle drei zusammen ans Meer". Sein Blick fiel auf Lily und er sah, dass sich ein Schatten über ihre eben noch so belustigten Züge legte. Das leichte Schütteln ihres Rotschopfs und ihr besorgter Blick aus dem Fenster hinaus sorgte dafür, dass James sogleich wieder auf seine Frau zutrat, um abermals seinen Arm um ihre Schultern zu legen. Ihre Hand umgriff die Seine, während der Daumen sanft über James' Ehering strich. Unwillkürlich fielen die Blicke von beiden auf das Gruppenfoto, welches eingerahmt auf einem kleinen Eckschrank neben dem Sofa stand. Kurz darauf trafen sich ihre Blicke wieder. Vielsagend und verheißungsvoll. Es brauchte keine Worte um zu verstehen, was sie sagen wollten. Die Gruppe war längst nicht mehr so groß, wie das Foto versprach.
Mit wässrigen Augen schob Lily den Vorhang beiseite und sah abermals hinaus. Draußen setzte bereits die Abenddämmerung ein. Ein Schauder überlief sie. Sie mochte den Einbruch der Nacht nicht. Nicht mehr. Die Tage waren düster genug geworden. „Harry muss ins Bett", beschloss sie daher. Das Leben in Godric‘s Hollow war einfacher zu ertragen, wenn man es in alltäglichen Situationen verdrängte. So griff sie vorsichtig nach Harry, der nicht den Hauch einer Ahnung hatte, in was für eine Welt er da hinein geboren worden war.
„Sag: Gute Nacht, Papa", zwang sie sich dazu, sich vor Harry ihre Sorgen nicht anmerken zu lassen. Und mit seinem fröhlichen „Aah Aah" schaffte es Harry tatsächlich, das Lächeln zurück in Lilys Gesicht zu zaubern. „Bis gleich“, wandte sie sich an James und verschwand mit Harry die Treppe hinauf. Damit wechselten sie sich täglich ab und an diesem Abend war Lily an der Reihe.
Im Schlafzimmer angekommen, beugte sich Lily über die Gitter von Harrys Bettchen und schrak zusammen. Ein lautes Poltern und Krachen ließ sie aufhorchen und James schrie etwas, das sich wie „Lily, bleib oben!“ anhörte. Ihr Herz raste und mit zittrigen Fingern griff sie nach ihrem Zauberstab, um mit diesem bewaffnet zum Treppenabsatz zu eilen. Das grüne Licht, das bis zu ihr nach oben leuchtete, ließ Lily den vor Schreck weinenden Harry ignorieren. „JAMES“, schrie sie mit schriller Stimme, doch statt einer Antwort ihres Liebsten stand plötzlich ER vor ihr und zischte hämische Worte vor sich hin. So schnell es ihr möglich war, eilte Lily zurück ins Schlafzimmer, stellte sich schützend vor Harry und hob ihren Zauberstab in Richtung des Zauberers, dessen Namen sich niemand auszusprechen wagte. Alles ging viel zu schnell. Abermals erhellte das grüne Licht den Raum. Und der Todesfluch traf Lily auf direktem Weg. Er brannte sich schmerzhaft durch ihren Körper, bis sie schließlich mit einem Ausdruck blanken Entsetzens am Boden zu liegen kam und sich nicht mehr rührte.
Es wurde dunkel um sie herum. Und ruhig. Harrys Geschrei war nicht mehr zu hören. Lily war alleine. Der brennende Schmerz in ihrem Körper hatte nachgelassen und war einer angenehmen Wärme gewichen. Die zuvor noch fest zusammengekniffenen Augen vorsichtig öffnend, blinzelte Lily direkt in blendende Sonnenstrahlen hinein. Eine Hand schützend vor das Gesicht gehalten dauerte es eine Weile, bis sie sich an das orangefarbene Licht der untergehenden Sonne gewöhnt hatte. Ein malerischer Himmel, hier und da mit ein paar Wolken dekoriert, erstreckte sich in verschiedenen Lila- und Gelbtönen vor ihr bis hin zum Horizont, an dem die Sonne bereits die Wellen des Meeres zu berühren schien.
Das stetige Rauschen der Wellen unter ihren Füßen lenkte ihre Aufmerksamkeit auf den weichen, nassen Sand, der vom Wasser um ihre Knöchel gespült wurde. Ein weiteres Paar Füße tauchte neben ihr auf und Finger schlangen sich um die Ihren. Lily blickte in James‘ zuversichtliches Lächeln. Sie erwiderte sein Lächeln, als sich ihre Körper lautlos erhoben, um über das Meer hinweg zu den Wolken zu schweben. Immer höher, immer weiter. Bis beide Körper Eins mit dem Himmel wurden.