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Dies ist eine Geschichte zur One Shots Challenge 'Summertimes Snapshot' zum Bild Nr. 9 (schnitzender Junge).
Das Versprechen
Fest umschlungen hielt Law das Messer in seiner Hand. Immer wieder fuhr er mit der Messerspitze über den Ast. Er spitze ihn an. Er musste das machen, denn anders bekam er ihn nicht in den Boden. Während er zum x-ten Mal über den Stock fuhr, landete die Schneide in seinem Finger. Seine Augen weiteten sich vor Schmerz. Doch er schrien nicht. Würde er schreien, würden sie ihn finden. Es reichte schon, dass er weinte. Er weinte nun seit Stunden. Er konnte nicht aufhören. Vielleicht wurde es leichter, wenn er das hier hinter sich gebracht hatte. Immer wieder tauchten diese Bilder vor ihm auf. Vor nicht genau drei Tagen war seine Welt noch in Ordnung gewesen. Wobei Ordnung eine relative Festlegung war.
Laws Welt war schon vor knapp drei Jahren zerbrochen. Lag sie vor drei Tagen noch in Trümmern, war heute nichts mehr davon übrig. Was blieb war dieser Schmerz. Dieser unfassbare Schmerz. Die Welt war ungerecht. Nein, das war falsch. Die Welt war nicht nur ungerecht, sie war fies und gemein. Law wollte diese Welt nicht. Er wollte nicht mehr diesen Geruch von Schießpulver in der Luft wahr nehmen. Wie lange hatte er nun nicht mehr gegessen? Sie wollten ihnen helfen! Helfen! Das was war so Sache mit dem Helfen. Der Tod war sicher eine Erlösung, aber nicht die Lösung. Er wollte nie sterben. Er hatte es sich nicht ausgesucht. Dennoch war er sicher, dass es auch ihn erwischen würde. Er würde sterben. Er würde tot sein, wie alle, die er liebte. Law war alleine.
Er wischte seine Hand in seiner Hose ab. Dieser Schmerz. Es tat so weh. Der Schnitt mit einem Messer. Es tat so weh. Er hob seine Hand und hielt sie gegen das Sonnenlicht. Verdammte Sonne! Er hasste auch sie. Warum schien sie nun, als wäre nichts gewesen? Warum tat einfach jeder so, als wäre nichts gewesen. Als wäre das hier alles nicht passiert? Warum sahen die Leute weg? Wo zum Teufel sahen sie hin? Sahen sie überhaupt etwas? Wollten sie etwas sehen? Nein, wollten sie nicht! Denn es interessierte sie nicht, was mit anderen passierte. Es interessierte sie nur, was mit Ihnen selbst passte. Law hasste sie alle. Sie sollten verrecken. Verrecken wie die Ratten. Er hasste sie!
Er ließ den Stock fallen und sah das Messer genauer an. Vorsichtig fuhr er mit dem Finger über die Schneide. Dabei entstand ein feiner Schnitt. Es tat weh und zeigte ihm, wie gefährlich das Messer war. Law streckte seine Hand vor sich aus und legte die Handfläche auf den Boden. Dann schnitt er sich drei Mal in den Arm. Jeder Schnitt für einen tollen Menschen, den er verloren hatte. Seine Familie, die er so sehr liebte. Er unterließ es aber für alle anderen Menschen weitere Schnitte zu tätigen. Es tat zu sehr weg. Er ließ das Messer nun auch fallen und bedeckte seine Wunden auf dem Arm. „Lamy! Ka-san! Tou-san!“, sagte er verzweifelt. Dabei liefen ihn wieder Tränen aus den Augen. Er hatte sie nicht einmal beerdigen können. Sie hatte sie abgefackelt, als wären sie Müll. Immer mehr Tränen kullerten aus seinen Augen.
Law stand auf und sah über die verdreckten Straßen. Hier war immer die Parade längst gekommen. Die Straßen waren im hellen Bernstein-Weiß gewesen. Doch nun waren sie einfach nur schwarz. Überall war Ruß. Doch der Bernstein blieb weiß, wenn man den Ruß wegwischte. Das kostbarste Produkt der Welt. Es war schwierig abzubauen, brachte aber so viel Geld für ein Kilo, dass man davon eine Familie ein Jahr ernähren konnte. Jeder wollte es haben, weil man es nicht verbrennen konnte. Der Bernstein behielt seine Farbe und seinen Wert. Das kostbarste Material der Welt.
Man hatte gesagt, dass Frevance gesegnet war, da diese Stadt auf einer Ader gebaut war. Man hatte Stollen errichtet und hatte es abgebaut. Es war ein hartes Material, doch es ließ sich gut abbauen. Der Staub, der entstand, war hingegen gesundheitsschädlich. Mit Masken war das aber kein Problem mehr gewesen. Die Menschen hatten den Bernstein ab abgehaut und hatten ihn poliert, damit er diese schöne Farbe bekam. Jeder der einen Fuß in die Miene gesetzt hatte, war dem Tode geweiht gewesen. Lange hatte man keinen Zusammenhang gesehen, doch dann hatten Laws Eltern furchtbares herausgefunden. Die Menschen waren vergiftet geworden. Ein Gift in der DNA, das weiter vererbt wurde. So hatte es Law auch in seinen Genen. Genauso Lamy, die erkrankt gewesen war.
Law war voller Hoffnung gewesen und hatte seine Schwester betreut, während seine Eltern an einem Heilmittel gearbeitet hatten. Die Regierung hatte Hilfe versprochen. Systematisch war die Stadt evakuiert geworden. Laws Familie war bis zum Schluss geblieben. Am Schluss war dann dieser Lärm ausgebrochen. Schüsse am Tag. Law hatte seine besorgte Schwester angelogen und hatte ihr gesagt, dass es eine Parade gewesen wäre. Doch dann waren die Schüsse zu laut gewesen. Sie waren direkt aus dem Krankenhaus zu hören gewesen. Sie waren nicht weit entfernt gewesen. Law hatte seine Schwester im Schrank versteckt und hatte sie gebeten dort auf ihn zu warten. Er hatte nachsehen wollen.
Als Law seine toten Eltern gefunden hatte, hatte er verzweifelt aufgeschrien. Dass er damit Lamy getötet hatte, war ihm in dem Moment nicht bewusst gewesen. Sie waren auf Law zugerannt, der panisch weggerannt war. Schüsse über ihn und an der Seite vorbei. Noch nie in seinem Leben hatte er solche Angst gehabt. Er hatte solche Angst gehabt, dass er durch ein Fenster gesprungen war. Er war vom Krankenhaus weggerannt, doch sie hatten ihm nicht verfolgt. Warum waren sie ihm nicht gefolgt? Als Law sich umdreht hatte, war das Krankenhaus bereits in Flammen gestanden gewesen. Lamy war doch noch da drinnen gewesen! Law war bewusst geworden, dass sie am lebendigen Leib verbrannt worden war. Aus dem Grund hatte Law seine Klasse aufgesucht, in der Hoffnung, dass sie noch da gewesen waren. Doch sie waren alle tot gewesen. Erschossen. Sie hatten tot und blutend auf den Boden gelegen. Das war der Moment gewesen, in dem Law zusammengebrochen gewesen war.
All das war nun drei Tage her. Nun wusste er, dass sie nach und nach in den Tod geholt worden waren. Niemand war evakuiert worden. Man hatte sie auf einem Schiff gesammelt und hatte dort jeden erschossen. Die Leichen waren verbrannt worden. Es gab keine Beweise mehr. Noch immer waren sie nicht fertig die Leichen zu verbrennen. Sie lagen immer noch in den nun pechschwarzen Straßen. Sie hatten versucht sie mit einem Feuer zu verbrennen, doch das hatte nur den Leichengeruch verstärkt. Law war klar, dass er hier weg musste, doch das hier war doch seine Heimat. Das war seine Stadt. Er wollte nicht weg, aber er wollte auch nicht hier bleiben.
Law nahm wieder den Stock auf und schnitzte mit blutigen Händen weiter. Schließlich war er fertig. Mit voller Kraft stieß er ihn in den Boden. Dann band er einen anderen Stock an dem Stock fest. Ein Kreuz. Er war katholisch erzogen worden. Seine Schule war ein Internat gewesen, das von Nonnen geführt worden war. Wie oft hatte Law Strafen bekommen, weil er Frösche seziert hatte oder Mädchen Käfer in den Schoss geworfen hatte. All diese Strafen kamen ihm nun nichtig vor. Er hatte ein gutes Leben im Reichtum gehabt. Er wollte Arzt werden. Er wollte die Praxis seiner Eltern weiter führen. Zusammen mit seiner Schwester wollte er für seine Eltern sorgen, wenn diese zu alt werden würden. Er wollte eine Frau finden. Er wollte eine Familie gründen und sein Wissen weitergeben. Er wollte das Krankenhaus an seinen Kindern weiter vererben. Doch nun gab es nichts mehr zu erben. Doch die Welt würde etwas erben: Seinen Hass. Er würde Rache nehmen!
Law kniete vor dem Kreuz nieder und faltete die Hände. „Ich vertraue dir meine Familie an, weil ich keine andere Wahl habe. Ich werde dir niemals verzeihen, dass du uns das angetan hast. Wer Fehler macht, muss dafür büßen! Ich werde dich nicht länger als Gott anerkennen! Ich gebe meine Religion auf!“, schrie er und riss sich den Rosenkranz vom Hals. Er warf ihn vor das Kreuz. Er stand auf und sah voller Hass das Kreuz an. „Ich werde dich nicht mehr um Hilfe bitten. Ich weiß, dass ich auf mich alleine gestellt bin. Und ich werde auch nicht dem Teufel verfallen oder seine Früchte essen. Aber ich werde jeden dafür bestrafen, der uns das angetan hat. Jeden auf dieser Welt, der den Bernstein nur berührt hat!“, sagte Law deutlich.
Er sah zum Himmel. Im flossen Tränen aus den Augen. „Ich habe dir vertraut! Du bist ein Versager!“, schimpfte er zu Gott. Dann senkte er den Blick. Er ging wieder in die Knie und faltete seine Hände wieder zum Beten. Er war es einfach gewohnt. „Tou-san! Ka-san! Bitte verzeiht mir! Ich werde nicht in den Himmel kommen. Denn ich werde die Welt vernichten. Ich werde alles zerstören, was Gott aufgebaut hat. Ich werde ihn dafür bestrafen. Und ich werde mich an die Menschheit rächen. Alle haben es gewusst und weggesehen. Sie wussten, dass wir sterben müssen. Und weil es ihnen nicht schnell genug ging, haben sie uns erschossen. Nur damit keiner die Wahrheit erfährt. Ich werde dafür sorgen, dass die Welt die Wahrheit erfährt! Ich werde dafür sorgen!“, sagte er und weinte wieder. Sein Herz war zerbrochen und würde nie wieder heilen. Das musste es auch nicht, denn er hatte eh nur noch drei Jahre zu leben.
Law stand wieder auf und zog das Messer aus der Hosentasche. „Ich werde jemanden suchen, der mir den Umgang mit einem Schwert zeigt. Dann werde ich jeden Menschen hinrichten, der mir über den Weg läuft. Es tut mir leid, dass ich nicht das sein werde, was ich von mir erwartet. Passt gut auf Lamy auf und werdet glücklich. Ich liebe euch und vermisse euch! Doch ich muss nun weg. Ich werde jemanden finden, der mir hilft, die Welt zu zerstören. Bis ich sterbe, muss ich so viele Menschen in den Tod reißen, wie möglich. Ich werde Pirat!“, sagte er traurig. „Es tut mir leid! Es ist nicht länger mein Ziel, Menschen zu heilen! Denn diese Welt hat nicht verdient zu leben!“.
Er stand noch eine Weile am Kreuz, ehe er sich umdrehte und ging. Er war nun zehn Jahre alt. Er musste jemanden finden, der gut war, damit er so viele Menschen wie möglich in den Tod riss.